Fahrradtour Dill + Lahn 18.08.2010 – 26.08.2010
Hans musste seinen exklusiven ASR-Verstärker zur Reparatur bringen. Die Herstellerfirma Schäfer liegt aber in Seelbach in der Nähe von Herborn. Also beschlossen wir, das edle Teil zusammen dorthin zu bringen und in der Zeit der Reparatur eine Fahrradtour an der Lahn zu machen. Wir packten das schwere Teil ins Auto, die beiden Fahrräder aufs Dach und machten uns wohlgemut auf die Fahrt.
Nach 540 km kamen wir auch ohne größere Zwischenfälle in Seelbach an. Der uns erwartende Fachmann hatte schon nach kurzer Zeit einige Fehler entdeckt: Kalte Lötstellen, ein ELCO (Kondensator) war kaputt und ein von Hans bei Eigenreparatur falsch gesteckter IC (elektronischer Schaltkreis). Dann ließen wir uns erst mal von einer HiFi-Anlage für 60.000 €, Kabel natürlich aus Silber, beschallen. Es war schon ein hervorragendes Klangerlebnis. Er wollte uns natürlich eine neue Anlage verkaufen, aber da hatte er kein Glück. Die Preise waren dann doch etwas zu heftig.
Anschließend machten wir die Räder einsatzfertig und los ging es erst mal nach Herborn an der Dill. Herborn ist eine hübsche Fachwerkstadt, die sich durch eine geschlossene historische Altstadt mit vielen Baudenkmalen aus acht Jahrhunderten auszeichnet, die zu den besterhaltenen mittelalterlichen Stadtanlagen Deutschlands zählt. Hier entstand ab 1602 die erste Bibelübersetzung der Reformierten durch Johannes Piscator, die in Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und den USA das kirchliche Leben der reformierten Gemeinden entscheidend geprägt hat.
Die Stadt wurde am 7. Juli 1987 durch ein Tanklastwagenunglück überregional bekannt: Gegen 20:45 Uhr fuhr ein mit 34.000 Litern Kraftstoff beladener Tanklastwagen in ein Haus, nachdem er auf der kilometerlang abschüssigen B 255 wegen mehrerer technischer Probleme nicht hatte gebremst werden können. Der auslaufende Kraftstoff floss in die Kanalisation, explodierte und setzte zwölf Häuser in Brand. Auch die Dill, in die Kraftstoff geflossen war, stand mitsamt dem Uferbewuchs auf ca. 500 m in Flammen. Sechs Menschen kamen ums Leben, 40 wurden verletzt. Nach diesem Unfall und einem weiteren Unfall an derselben Stelle wurde die Gefällestrecke, die in die Stadt führt, mit einer Schikane versehen, die nur mit maximal 30 km/h durchfahren werden kann. Schnellere Fahrzeuge können der Kurve nicht folgen und werden so zwangsweise auf eine mit Rollkies befüllte Notfallspur geleitet, in der die Fahrzeuge zwangsweise zum Stehen kommen.
Wir bezogen im Regen Quartier bei einer mütterlichen Griechin mit Restaurant und Pension. Viele, viele Pflanzen und Puppen standen da herum. Nach Auskunft der Wirtin stammten die Puppen von den Kunden und die Pflanzen waren für 1 € auf dem Flohmarkt erstanden. Spruch des Abends vom griechischen Mann: „Man muss mit allem zufrieden sein“. Dafür kostete die Übernachtung auch 40 € pro Nase. Damit kann man ja auch zufrieden sein, jedenfalls die Wirtsleute.
Donnerstag, den 19.08.2010
Das Frühstück war eher mäßig, aber dafür in Gesellschaft der mütterlichen Wirtin. Wir schauten uns Herborn ohne Regen an. Ich musste noch einmal den Berg hoch, an dem die Pension lag, und den Schlüssel abgeben, den ich vergessen hatte. Beim Bäcker gab es dann Blätterteig mit Apfel und Mandel. Die Bedienung war zwar recht niedlich, aber auch ziemlich dämlich. Sie war im zweiten Lehrjahr und stand mit der deutschen Sprache etwas auf Kriegsfuß. Sie tat Facebook, tat auch backen und musste das russische Hund, das seine Schnauze immer wieder aus dem Hinterzimmer hervorsteckte, immer wieder zurückscheuchen. Das schönste Bonmot aus ihrem Mund war aber: „Die Leute sprechen kein Dialekt hier, sie sprechen so wie ich.“
Wetzlars Altstadt ist nicht so schön wie die von Herborn. Dafür war aber Goethe hier. Im Verwalterhaus des Deutschordenshofes, dem heutigen Lottehaus, lebte Familie Buff. Ein Mitglied dieser Familie, nämlich die hübsche Charlotte, war Anlass für die fast täglichen Besuche von Goethe. Seine Erinnerungen und Eindrücke verarbeitete er in seinem berühmten Roman Die Leiden des jungen Werther. Goethes Aufenthalt in Wetzlar galt (außer der jungen Charlotte) juristischen Studien am Reichskammergericht, dem damals obersten Gericht des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Seit 1495 konnte jeder freie Mann, wenn er in Streitfällen mit einem Urteil seines territorialen Gerichts nicht einverstanden war, in Berufung gehen. Zuletzt konnte er das in Wetzlar amtierende Reichskammergericht anrufen. Was für uns heute selbstverständlich ist, war bei der Gründung des Gerichts noch neu: der Verzicht auf Selbstjustiz und die Wahl des gewaltfreien, schiedlich-friedlichen Rechtswegs.
Auf dem weiteren Weg an der Lahn entlang kamen wir an einer Schleuse vorbei, wobei wir uns in der Schleusenwirtschaft eine Bockwurst mit viel Senf einschoben. Weil ihm die Bedienung nicht aufmerksam genug gewesen war, machte Hans zum Schluss eine Verkaufsbelehrung. Ein Stückchen weiter versuchte eine Gans Äpfel von einem Baum herunterzuholen. Als Feinschmeckerin verschmähte sie die schon untenliegenden Äpfel.
In Weilburg kamen wir auf Empfehlung von Frau Hentsche vom Info-Punkt im gleichnamigen Hotel unter. Zum Hotel musste man eine ziemlich deftige Steigung hochradeln, aber der Wirt empfing uns zur Entschädigung mit einer Flasche Bier für jeden. Das Holzfällersteak am Abend war hervorragend. Das Hotel war etwas hellhörig, aber gut durchorganisiert.
918 erlangte die Wilineburg, wie Weilburg früher hieß, eine besondere geschichtliche Bedeutung, als König Konrad I. dort auf seinem Sterbebett seinem Bruder Eberhard empfahl, die Reichsinsignien seinem härtesten Kontrahenten, dem Sachsenherzog Heinrich, zu überbringen (Weilburger Testament).
Baugeschichtlich ist Weilburg durch seine Lehmbauten aus der Zeit nach 1800 bekannt. Durch den besonderen Einsatz des Regierungsadvokaten Wilhelm Jacob Wimpf wurde der sogenannte Pisee-Bau in Stadt und Umgebung gefördert, wovon heute noch das höchste (Stampf-)Lehmgebäude Deutschlands, ein sechsgeschossiges Wohnhaus, zeugt.
Als weltweit einmalig wird das Weilburger Tunnelensemble angepriesen. Hier liegen nebeneinander Tunnel für Auto, Schiff und Eisenbahn. Insbesondere der 1847 eröffnete Schifffahrtstunnel mit Doppelschleuse ist faszinierend. Der jüngste Tunnel des Ensembles ist der im Jahr 2004 freigegebene Mühlbergtunnel für die Ortsumgehung.
Freitag, den 20.08.2010
Auch das Frühstück am nächsten Morgen war gut. Ab Weilburg wurde die Landschaft immer schöner. Auch das Wetter. Morgens noch sehr frisch, aber dann immer wärmer.
An der Brücke, die in Runkel über die Lahn führt, verhakelte sich Hans mit dem Rad zwischen Kopfsteinpflaster und Bordstein und fiel mitsamt dem Fahrrad um. Es blieben aber keine weiteren bleibenden Schäden zurück, hoffe ich doch.
1543 beherbergte die Burg Runkel den Reformator Melanchthon als Gast des Grafen Johann IV. zu Wied.
Gleich neben der Lahnbrücke steht noch eine gut erhaltene Mühle, heute Café und Pension. Sie wurde 1710 von Friedrich Wilhelm Müller aus Schadeck erbaut, natürlich mit Genehmigung der Gräfin zu Wied. Als Wasserpacht waren 13 Malter gutes reines Korn für die Getreidemühle und sechs Taler für die Ölmühle an den herrschaftlichen Speicher in Runkel zu entrichten. Die Mühle war von Anfang an keine Bannmühle, d.h. der Müller durfte für jeden mahlen, es durfte also jeder kommen und sein Getreide bringen.
Kurze Zeit später erreichten wir Limburg, eine hübsche Stadt der Fachwerkhäuser und einem spätromanischen Dom. 2010 feierte Limburg den 1100. Jahrestag seiner ersten Erwähnung. Viele Touristen waren unterwegs. Im Innenhof der Burg erzählte eine Führerin einer Frauengruppe über Imagina von Limburg, die Frau des Grafen Adolf von Nassau, der 1292 zum deutschen König gewählt wurde und die nach dem Tod ihres Mannes auf dem Schlachtfeld ins Kloster ging. Dabei sagte sie: „Frauen waren ja noch nie hoch angesehen.“ Mein lauter Kommentar dazu: „Heute immer noch nicht.“ Darauf eine Frau aus der Gruppe: „Das hätten die Männer gern.“ Und schon waren wir wieder in der richtigen Stimmung.
Der anschließende Leberkäs beim Fleischer war gut, dafür der Kartoffelsalat aber schlecht.
Zwischen Balduinstein und Laurenburg nahmen wir die Regionalbahn, weil der Radweg ab in lichte 200 m Höhe mit steilen Auf- und Abfahrten führte. Für die 5 Minuten Fahrzeit haben wir uns erst gar keine Fahrkarten gekauft. Die Bahn war eh voll mit vielen Radfahrern. Und weil wir hier viel Kraft gespart hatten, wettete ich mit Hans, dass ich einen der runden Strohballen, die von der Ernte noch auf den Feldern herumstanden, bewegen könnte. Hans hielt dagegen. Es ging aber nur um 1 Bier. Und das verlor Hans, weil es gar nicht so schwer war, den Strohballen ins Rollen zu kriegen.
In Obernhof verließen wir den an der Lahn entlangführenden Radweg, um uns ein Quartier zu suchen. Obernhof ist der einzige Weinort an der Lahn, was wir aber nicht wussten. Wir fanden eine schöne Ferienwohnung bei Klose für 26 € pro Person, weil das einzige Gasthaus Gott sei Dank schon belegt war. Und abends tranken wir bei Norbert Massengeil (der heißt tatsächlich so) Norberts Riesling. Selbstgemacht. Auch das Schnitzel war hervorragend.
Samstag, den 21.08.2010
Am nächsten Morgen mussten wir uns erst einmal anstrengen. Es ging 400 m mit 14 % Steigung zum Kloster Arnstein, einem ehemaligen Prämonstratenserkloster, hinauf. Danach wurde es aber gemütlicher. In Nassau gibt es nur noch einen Fachwerkbau, das Rathaus, weil es 1945 das Ziel von 2 Großangriffen war. Wir kauften Erdbeeren am Marktplatz und taten uns auf einer Bank und in aller Ruhe daran gütlich. Übrigens, nach dieser Stadt bzw. dem von hier entstammenden Adelsgeschlecht wurde Nassau auf den Bahamas und Nassau County im Staate New York benannt.
Von Nassau bis zum Heilbad Bad Ems ist es nur ein Katzensprung. Seine Glanzzeit erlebte der Ort im 19. Jahrhundert als Weltbad und Sommerresidenz zahlreicher europäischer Monarchen und Künstler, unter anderem Kaiser Wilhelm I., die Zaren Nikolaus I. und Alexander II. von Russland, Dostojewski (er verfasste hier Teile seines Romans Die Brüder Karamasov), Gogol, Turgenjew usw. Tausende Russen kamen in dieser Zeit, um in Deutschland zu kuren. Und so ist es nicht verwunderlich, dass es in Bad Ems eine russisch-orthodoxe Kirche gibt. Sie ist der von der Kirche als Märtyrerin angesehenen Alexandra geweiht, der Gemahlin des römischen Kaisers Diokletian, weil das Patronat über diese Kirche die Zarin Alexandra Fjodorovna übernommen hat, die Frau des Zaren Nikolaus I. (1825-1855). Alexandra Fjodorovna war als Prinzessin Charlotte von Preußen geboren und entstammte der Ehe König Friedrich Wilhelms lll. und der Königin Luise, einer Schwester Kaiser Wilhelms I. Dieses kleine Beispiel zeigt, wie verschwippt und verschwägert der Adel in ganz Europa war. Nichstdestotrotz schlugen sie sich aber immer wieder und mit großer Begeisterung gegenseitig die Köpfe ein, bzw. brachten sich auf andere Art und Weise um.
Es fand sogar eine russische Hochzeit statt, aber leider wurden wir nicht eingeladen. Nach dem Hörensagen soll es auf diesen Hochzeiten immer hoch her gehen (wie der Name schon sagt).
Von Bad Ems aus wurde die sog. Emser Depesche geschickt, die zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges führte.
Die Emser Depesche im eigentlichen Sinn ist das regierungsinterne Telegramm vom 13. Juli 1870, mit dem Heinrich Abeken den preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck in Berlin über die Vorgänge im Kurort Bad Ems unterrichtete. Dort stellte der französische Botschafter Vincent Benedetti die Forderung an den König Wilhelm I. von Preußen, auf den spanischen Thron zu verzichten, was der aber strikt ablehnte. Der Inhalt der Depesche diente Bismarck als Grundlage für eine Pressemitteilung, die noch am selben Tag veröffentlicht wurde. Die französischen Übersetzungen erschienen tags darauf, am französischen Nationalfeiertag. Die französische Öffentlichkeit reagierte, wie von Bismarck vorhergesehen und auch provoziert, mit nationaler Empörung. In der Folge erklärte das Kaiserreich Frankreich am 19. Juli 1870 dem Königreich Preußen den Krieg, der zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 wurde, der wiederum zur Gründung des Deutschen Reiches führte. So leicht war das damals, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Um ihre Macht- und finanziellen Interessen durchzusetzen, brauchten sich die Herrschenden nur gegenseitig auf die Füße zu treten, schon ließen sie die Kanonen sprechen und brachten Tod und Verderben über die Menschen. Im Prinzip hat sich bis heute nicht viel geändert.
Ich füllte mir mit dem warmen Mineralwasser meine Trinkflasche auf, musste sie aber bald darauf wieder entleeren, weil das Wasser viel zu salzig war und der Durst nur größer wurde.
In Lahnstein, an der Mündung der Lahn in den Rhein, suchten wir uns ausgerechnet die Bäckerei Kugel aus, um unseren traditionellen Kaffee und Kuchen zu uns zu nehmen. Hinterher haben wir erfahren, dass dort der cholerische Tyrann und Patriarch Kugel und sein genauso cholerischer Sohn verantwortlich für ein miserables Betriebsklima sind, dass die Beschäftigten direkt Angst haben und keiner dort lange bleibt.
Lahnstein ist ja bekannt durch das Wirtshaus an der Lahn. Die durch die von Soldaten erdachten Wirtinnenverse bekannte Wirtin dieses Wirtshauses wird etwas umgänglicher gewesen sein als die Herren Kugel. Hier einige Beispiele, manche recht deftig:
Es steht ein Wirtshaus an der Lahn:
Dort kehren alle Fuhrleut‘ an.
Ein jeder lässt sich schmecken
Des Hauses Spezialität
Unter der Wirtin Röcken.
Frau Wirtin hat auch eine Tante
die größte Hure, die ich kannte.
Offiziere und Studenten,
die zahlten fünfzig Pfennige
und waren Abonnenten.
Frau Wirtin hat auch einen Floh
der saß am liebsten am Popo.
Und tat ihn was genieren,
dann ging das kleine kluge Vieh
im nahen Wald spazieren.
Frau Wirtin hat auch eine Schwester
die trank des Abends alle Rester.
Und war sie dann besoffen
da stand ihr ganzes Heiligtum
für zwanzig Pfennig offen.
Frau Wirtin hatte einen Sohn,
der konnt‘ es mit zehn Jahren schon.
Im Sitzen, Stehen, Liegen,
jetzt ist er bei den Engelein,
da macht er’s auch im Fliegen.
Frau Wirtin hatte auch ’nen Slowaken,
der hatte einen krummen Haken
an exponierter Stelle;
und wo bei ihm die Krümmung war,
da hatte sie ’ne Delle.
Frau Wirtin hat ’nen Musikanten,
der kannte alle Varianten;
er lockte ungelogen,
die schrillsten Töne aus ihr raus
mit seinem Fiedelbogen.
In Koblenz gab es für mich ein Wiedersehen mit dem Deutschen Eck (Landzunge an der Mündung der Mosel in den Rhein), wo ich vor Jahren mit meinem alten Kumpel Uwe und seiner Frau Maria zum Abschluss einer Fahrradtour durch die Eifel die schweren Ringe an den Löwenmäulern hochgehoben hatte, bzw. so getan hatte.
1992 feierte Koblenz sein 2000-jähriges Bestehen. Vor dem Rathaus steht ein Brunnen mit einer interessanten Figur: der Schängelbrunnen. Der Begriff Schängel findet seinen Ursprung in der 20-jährigen Zugehörigkeit (1794-1813) der Stadt Koblenz zu Frankreich. Er bezeichnet die in diesem Zeitraum geborenen deutsch-französischen Kinder, die oftmals den Namen Jean (Johann) trugen. Durch den Koblenzer Dialekt wurde aus Jean Schang. Über die Zeit entwickelte sich hieraus schließlich Schängel, eine Verniedlichung von Schang.
Mit diesem Brunnen hat man dem Koblenzer Schängel und seinen Streichen ein Denkmal gesetzt. Die Bronzefigur spuckt in unregelmäßigem Rhythmus einen Wasserstrahl mehrere Meter weit über das Brunnenbecken hinaus. Also, nehmt euch in Acht!
Der Mundartdichter Josef Cornelius widmete dem Schängel im Karneval 1914 sogar ein eigenes Gedicht:
Dat Kowelenzer Schängelche
Et es bekannt doch iwweral
Et waiß och jedes Kend,
Dat närjens en der ganze Welt
Die Schängelcher mer fend,
Als hei bei ons am Deutsche Eck,
Wo seit uralter Zeit
Dat Kowelenzer Schängelche
Am allerbest‘ gedeiht.
Et es vur kainem bang
On singt sei Lewe lang.
Refrain:
E lustich Kowelenzer Schängelche ich sein,
Gedaaft met Rhein- on Musselwasser on met Wein,
Gesond an Herz, an Lewer on der Lung,
On sein och meiner Modder ihrer allerbeste Jung!
On wenn em och dä kalte Wend
Als dorch dat Bexje bläst,
Et niemals dä Humor verleert,
Dä Kopp nie hänge lässt.
Et singt on peift, es kreuzfidel,
On hept grad wie en Spatz,
On wer met imm kei Spaß verstieht,
Dat es en Bullewatz.
Wo Zitz on Zores hei,
Do es et stets dobei.
Dat Kowelenzer Schängelche
Lässt nie im Lewe no,
On wenn et mol ein Schängel es,
Sein annere widder do.
Su lang ons Mädcher Engelcher,
Dat es die Quintessenz,
Do get et och noch Schängelcher
En onser Residenz.
Dromm holl sich jeder schnell
An ons hei dat Modell.
Die Preußen bauten im 19. Jahrhundert die Stadt als eines der umfangreichsten Festungssysteme Europas aus. Bis heute thront die Festung Ehrenbreitstein als Nachfolgebau der kurfürstlichen Befestigung über dem Rheintal und ist als einzige der damaligen Anlagen fast vollständig erhalten geblieben. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt durch Luftangriffe zu 87 % zerstört.
Hinter Koblenz war es schwierig, den richtigen Weg flussabwärts in Richtung Andernach zu finden. Ein Mädchen verpflanzte Andernach an die Mosel. Nachdem wir dieses Problem gemeistert hatten, war es genauso schwierig, ein Quartier zu finden. Wir klapperten eine Ortschaft nach der anderen ab. In einem Ort, wo eine Kirmes stattfand, befürchtete Hans, das es nächtens zu laut werden könnte.
In Weißenthurm fanden wir dann endlich ein Hotel für 38 € pro Zimmer mit kleinen Schönheitsfehlern. Die Wirtin war recht unfreundlich. Abends saßen wir am Rhein und schauten stundenlang den vorbeiziehenden Schiffen und den Möwen zu. Eine ungemein ruhige und friedliche Stimmung breitete sich aus. An dieser Stelle war auf dem Rhein Linksverkehr angesagt. In der Berufsschifffahrt fährt das beladene zu Berg fahrende Schiff in der Regel im Innenbogen (Grund) und der Talfahrer nimmt den Außenbogen (Hang). Das liegt darin begründet, dass im Grund die Strömung geringer ist als im Hang. Der Bergfahrer will möglichst wenig Gegenströmung um vorwärts zu kommen. Der Bergfahrer bestimmt auch, auf welcher Seite er fahren will (die Bergfahrt weist der Talfahrt den Weg). Dazu setzt er dann an seiner Steuerbordseite die blaue Tafel. Der Talfahrer hat zum Zeichen des Verstehens ebenfalls die blaue Tafel zu setzen. Die blaue Tafel wird bei Nacht durch ein weißes Blinklicht ersetzt. Es handelt sich hier um die sog. Begegnung „Steuerbord-Steuerbord“. Dieses ist allerdings nur da erlaubt, wo es keine (vom Gesetzgeber) geregelte Begegnung gibt. Geregelte Begegnung bedeutet, dass dort nur „Rechtsverkehr“ (Begegnung Backbord-Backbord) zulässig ist.
Nachts wurde es dann umso ungemütlicher. Heiß war es und an der Rückseite des Hotels fuhren Züge entlang, während vorne die Schiffe vorbeituckerten.
Sonntag, den 22.08.2010
Am nächsten Morgen gab es beim eher mäßigen Frühstück gleich Stress mit der Wirtin. Wir hatten eigenmächtig die Vorhänge im Frühstückssaal aufgezogen. Schweres Vergehen. Frau Wirtin bekam dafür den 1. Preis für Gästeverärgerung.
Zuerst passierten wir auf der linken Rheinseite Andernach. Auch Andernach ist schon über 2000 Jahre alt. Für Technikfreunde interessant ist der Alte Krahnen, ein Stein-Turmdrehkran aus dem Jahre 1561. Der Alte Krahnen war damals die größte Verladevorrichtung an Deutschlands Binnengewässern und diente 350 Jahre lang der Verladung von Weinfässern und der aus dem Eifelraum angelieferten Mühl- und Tuffsteine bis ins Jahr 1911. Seine Mechanik ist heute noch intakt.
Interessant ist auch der Geysir Andernach, auch Namedyer Sprudel genannt, der mit etwa 55–60 m der höchste Kaltwassergeysir der Welt ist. Der Sprudel sprang bereits erstmals 1903 nach einer Bohrung und wurde kommerziell als Mineralquelle genutzt. Man kann in 4000 m Tiefe hinunterfahren und den Geysir an seinem Ursprung beobachten.
Danach kamen wir in Remagen vorbei. Ist auch schon 2000 Jahre alt. Lauter alte Städte und Steine hier am Rhein. Es hat seinen Namen aus dem Keltischen, rigo von rigs = König und magos = Feld, also Königsfeld.
Bekannt geworden ist die Stadt durch Die Brücke von Remagen, die Ludendorff-Brücke. Am 7. März 1945 gelang es einer kleinen Vorhut der 9. US-Panzerdivision unter Führung des deutsch-stämmigen Leutnants Karl H. Timmermann, die Brücke zu erobern, nachdem den deutschen Verteidigern zwei Sprengversuche fehlgeschlagen waren. Diese Eroberung ging als das Wunder von Remagen in die Annalen der Kriegsgeschichte ein. General Eisenhower soll ausgerufen haben: „Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert“.
Die deutsche Heeresleitung versuchte verzweifelt, in den folgenden Tagen die Brücke durch Bombenangriffe und Kampfschwimmer zum Einsturz zu bringen. Hitler setzte in ohnmächtigem Zorn ein Schnellgericht ein, das fünf Offiziere zum Tode verurteilte und vier von ihnen im Westerwald erschießen ließ. Am 17. März stürzte die schwer beschädigte Brücke ein und riss mindestens 30 amerikanische Soldaten in den Tod. Die Eroberung der Brücke, die den weiteren Vormarsch der Alliierten deutlich erleichterte, hatte den Kriegsverlauf um Monate verkürzt.
In Remagen gibt es schon interessantere Dinge zu erforschen als in Andernach, z.B. das Romanische Pfarrhoftor der Kirche St. Peter und Paul. Der Torbogen trägt zehn Steinreliefs, an deren Deutung sich Theologen und Kirchenhistoriker seit dem 19. Jahrhundert versuchten. Herrschende Interpretationslinie ist nach wie vor die These des Bonner Ordinarius Albert Michael Koeniger aus dem Jahr 1947, der in den Symbolen die Darstellung der Todsünden gemäß dem Beichtspiegel des Bischofs Burchard von Worms erkannt haben will. Nach dieser Lesart, die noch acht statt der heute geltenden sieben Todsünden kannte, bedeuten die Reliefs von links nach rechts:
1. Rahmenfigur: Weibliche Nixe mit Ruder, ausfahrend zum „Seelenfang“
2. Mann mit Doppelfischschwanz = Superbia: Hochmut
3. Vogel mit Menschengesicht = Stultitia Stolz / Eitelkeit
4. Zwei Gänse im Streit um eine Pflanze = Invidia: Neid
5. Springendes aggressives Tier = Ira: Zorn
Schlussstein
6. Mann, untätig herumsitzend = Acedia: Trägheit des Herzens / des Geistes
7. Dohle mit Strick = Avaritia: Geiz
8. Seeadler, an einem Fisch pickend: Gula: Völlerei
9. Sau mit drei Ferkeln: Luxuria: Wollust
10. Rahmenfigur: Männliche Nixe
Zum Martinstag am 11. November wurden in Remagen üblicherweise Martinsfeuer angezündet. Es gab aber zwei rivalisierende Stadtteile, die jede das größte Feuer für sich in Anspruch nehmen wollte. Und das führte zu erheblichen Auseinandersetzungen, auch zu Versuchen, das jeweils andere Feuer schon vorher anzuzünden.
Ein Brief des Bürgermeisters Beinhauer aus dem Jahre 1872 an die damaligen Lehrer Eifler, Fischer und Beuscher gibt uns folgenden Einblick:
„Schon gestern vor 8 Tagen wurde der ältere jährlich bei Annäherung des Martinstages übliche Unfug der Knaben dahier, indem sie sich auf den unteren und oberen Theil der Stadt in zwei Parteien zusammenrotten und einander feindselig gegenüberstellen und mit Steinwürfen auf Schlägen verfolgen – begonnen.
Gestern aber schien der Kampf schon in förmlich organisierten sehr zahlreichen Parteien gleichsam entbrannt geführt zu werden.
Es fand ein gegenseitiges Steinwerfen, ein Rennen, Schreien auf Schlagen zwischen dem Schniewind’schen Pensionate und dem Hinterhäuser Wege dermaßen statt, dass Fremde und Einheimische, welche auf der Chaussee und anschließenden Nebenwegen passierten, entweder zurückkehren oder zu Seite in die Felder ausweichen mussten und sich augenscheinlich in Gefahr versetzt sahen.
Ich habe heute die Gendarmerie, den Polizeidiener und die Flurhüter aufs Neue zur Unterdrückung jenes Unfuges ernstlich instruiert; weiß auch, dass bei dem fraglichen Unfuge bereits der Schule entlassene Knaben betheiligt sind; indessen sehe ich mich doch veranlasst, auch Sie dringend zu ersuchen, Ihren Schulknaben jede Beteiligung an den polizeiwidrigen gefährlichen, auch die Eintracht und den Frieden der städtischen Knabenjugend in sich störenden Unfuges nachdrücklich untersagen zu wollen.“
Wie man sieht, gab es damals schon Raufereien, wie sie heute bei Fußballspielen gang und gäbe sind.
Der Radweg hinter Remagen auf Bonn zu war sehr belebt, führte aber längere Zeit nicht am Rhein entlang. Unvergessen bleibt folgendes Gespräch zwischen einem älteren Pärchen, das vor uns lief, wobei sie uns bemerkte.
Sie zu ihm: „Ludwig, geh doch mal zur Seite!“ Darauf er: „Die han doch an Klingäl!“, wobei das letzte Wort auf beiden Silben betont wird und beide Silben weit ausgedehnt werden, die erste Silbe im Tonfall nach unten geht und die zweite Silbe nach oben gezogen wird und wie eine Klingel ausklingt.
Auf der gegenüberliegenden Rheinseite liegt der Petersberg. Große Bedeutung für die deutsche Nachkriegsgeschichte erlangte der Berg als Sitz der Alliierten Hohen Kommission von 1949 bis 1952, die sich aus den höchsten Vertretern der westlichen Siegermächte in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zusammensetzte. Von 1955 bis 1969 und wieder seit 1990 dient das Grandhotel auf dem Petersberg als Gästehaus der Bundesrepublik Deutschland, das in unregelmäßigem Abstand Stätte von nationalen wie internationalen Konferenzen ist.
In der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn hielten wir uns nicht lange auf. Ohne größere Umwege gelangten wir zum Bahnhof, von wo aus wir mit der Stadtbahnlinie 66 nach Siegburg fuhren. Von da aus wollten wir mit dem Zug weiter nach Siegen und von dort zur Quelle der Lahn radeln. Wollten. An diesem Tag aber war die Strecke wegen Bauarbeiten unterbrochen. Es gab an der unterbrochenen Stelle Schienenersatzverkehr mit dem Bus. Hans wollte weiter und die Unterbrechung mit dem Rad überbrücken. Mir war das alles zu unsicher und so blieben wir in Siegburg und übernachteten etwas nobler im Hotel Zum Stern für 49 €. Und gut war’s, denn nicht lange, nachdem wir im Hotel eingezogen waren, brach ein heftiges Gewitter über uns herein. Abends gab es Rotbarsch mit Dalmatiner-Beilage (Spinat, Kartoffeln mit Knoblauch und Olivenöl)
Montag, den 23.08.2010
Am nächsten Morgen wurde ausgiebig gefrühstückt. Der Hotelier erklärte uns, warum die Ermäßigung bei der Umsatzsteuer auf 7 % nicht zurückgenommen werden kann. Weil nämlich die Hoteliers sich daraufhin Autos bestellt hatten und ohne die freundliche Subvention der FDP das nicht schultern könnten. Aha! Eine freundliche nette Hotelfachfrau Typ Jodi Foster gab uns den Abschied. Das Abteil im Zug auf der Strecke nach Siegen, die jetzt wieder freigegeben war, teilten wir mit 3 Radlern. Hans stellte seine obligatorischen Rätselfragen. Aber nur eine konnte von den Radlern beantwortet werden.
In Siegen schauten wir uns im Regen das Schloss auf dem Siegberg an. Aber vorher mussten wir eine harte Steigung zur Oberstadt bewältigen. Belohnt wurden wir durch eine schöne Aussicht. Die Stadt Siegen bot im 16. Jahrhundert einen wehrhaften Anblick. Sie war von gewaltigen Mauern mit 16 Türmen und drei Stadttoren umgeben und besaß eine mächtige Burg.
Auf dem Hintergrund der Novemberrevolution 1918 konstituierte sich auch in Siegen ein Arbeiter- und Soldatenrat. Er setzte sich die Aufgabe, für „Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ zu sorgen. Trotzdem bestimmten die alten städtischen Autoritäten weiterhin den Gang der Dinge. Und genau das, was ja durch die SPD gefördert wurde, besiegelte die Niederlage der Revolution 1918.
Auf die Übergabe der Regierungsgewalt an die NSDAP und ihre deutschnationalen Bündnispartner („Kabinett Hitler“) am 30. Januar 1933 folgten in Siegen (genau wie überall in Deutschland) zunächst die Schließung des Parteibüros der KPD, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen, dann Verhaftungen, nach den bereits unter irregulären Bedingungen stattfindenden Wahlen am 5. März systematische Verhaftungsaktionen, ferner Verschleppungen von Mitgliedern und Anhängern von KPD, SPD, Zentrum und Freien Gewerkschaften in den Keller des Braunen Hauses der NSDAP, wo sie misshandelt und gefoltert wurden.
Den traditionellen Kaffee und Kuchen nahmen wir in Netphen zu uns. Danach begann die Suche nach dem besten Weg zum Lahntal. Jeder, den wir fragten, wusste etwas anderes. Ein Malteser verwechselte die Lahn mit der Eder, die auch in dieser Gegend vor sich hin fließt. Über Erndtebrück und Feudingen und 2 kräftigen Steigungen, eine 8 km und die andere 3 km lang waren wir hoch droben im Rothaargebirge angelangt. Von hier aus gab es eine rasende Abfahrt ins Lahntal mit Seitenwind und 52 kmh Spitze. Unterkunft fanden wir im Hotel im Auerbachtal mit Schwimmbad für 49 €. Die Lendchen zum Abendessen waren hervorragend. Nachts kam der Regen zum offenen Fenster herein. Aber es war sehr ruhig und wir haben ausgezeichnet geschlafen.
Dienstag, den 24.08.2010
Wir machten viele kleine Pausen. Ein Radfahrpärchen aus dem Hotel kreuzte immer wieder unsere Wege. Bei einem Überholvorgang, wo Hans besonders schnell an dem Paar vorbei wollte, ging ihm wegen eines Buckels die Fahrradtasche ab. Und so wurde aus dem schnellen ein besonders langsamer Überholvorgang. Hans fotografierte ausgiebig Krähen. Beim Fleischer in Cölbe vertilgten wir Bockwurst und Putenwurst mit Salat und gleich daneben beim Bäcker Käsekuchen mit Rosinen.
Marburg war ein ausgesprochenes Highlight auf dieser Fahrt. Die Fahrräder ließen wir unten stehen und fuhren mit dem Aufzug in die Oberstadt. Bei der Drängelei vor den Aufzügen konnten wir die Fahrräder unmöglich mitnehmen. Marburg ist eine hübsche Stadt mit vielen Studenten der Philipps-Universität, der ältesten noch existierenden protestantisch gegründeten Universität der Welt.
Durch Jahrhunderte hindurch nahezu unverändert in ihren wesentlichen Bestandteilen erhebt sich die Häuserkulisse der Altstadt mit dem Marburger Schloss als Stadtkrone und der Elisabethkirche über dem Lahntal. Diese Altstadt gibt Marburg das charakteristische Aussehen.
„Die alte, von jeher durch den letzten Aufenthalt, Tod und Begräbnis der heiligen Landgräfin Elisabeth von Hessen (Thüringen) berühmte Stadt, liegt krumm, schief und buckelig unter einer alten Burg, den Berg hinab“. So urteilte vor mehr als 200 Jahren der Marburger Professor Johann Heinrich Jung-Stilling.
Elisabeth von Thüringen, die Tochter des ungarischen Königs Andreas II. und der Gertrud von Andechs wurde schon als Neugeborene mit einem Sohn des einflussreichen Landgrafen Hermann I. von Thüringen, Ludwig, verlobt und bereits als Vierjährige an den thüringischen Hof gebracht, um in der Familie ihres zukünftigen Ehemannes aufzuwachsen. Sie stand dem franziskanischen Frömmigkeitsideal nahe und sah sich als discipula dei (Schülerin/Jüngerin Gottes). Nach dem Tod ihres Ehemannes kehrte sie dem Hofleben den Rücken, um als einfache und arme Spitalschwester in dem von ihr gegründeten Marburger Hospital persönlich für Bedürftige zu sorgen. Sie war wohl überdurchschnittlich fromm, verschenkte ihr ganzes Erbe an Bedürftige und kümmerte sich aufopferungsvoll um Kranke, wofür sie sogar harte Strafen in Kauf nahm. Sie starb im Alter von 24 Jahren. Schon vier Jahre nach ihrem Tod wurde sie von Papst Gregor IX. zu Pfingsten 1235 heiliggesprochen.
Der Marktfrühschoppen ist bzw. war eine jährlich stattfindende Veranstaltung auf dem Marburger Marktplatz. Die Veranstaltung geht bzw. ging auf den Frühschoppen der Marburger Studenten in der Oberstadt zurück, der schon seit 1903 üblich war. In den letzten Jahren organisierten Kritiker Gegenveranstaltungen, bei denen sie das aktuelle und historische Verbindungswesen kritisieren, vor allem deren damalige Haltung zum Nationalsozialismus im allgemeinen und deren Vertretern in Marburg im besonderen. Es wird die Teilnahme von Mitgliedern der Deutschen Burschenschaft (DB) bemängelt, in der vier der über 30 Marburger Verbindungen organisiert sind. Die Burschenschaften Rheinfranken, Normannia Leipzig und Germania gehören zum rechtsradikalen Flügel der DB, da sie beispielsweise regelmäßig Veranstaltungen mit Referenten aus dem rechten Spektrum durchführen. Dazu muss man wissen, dass gerade hier in Marburg der Hang zum Faschismus besonders groß war. Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 errang die NSDAP überdurchschnittliche 57,6 % der Stimmen (Reichsdurchschnitt 43,9 %). Ob der Marktfrühschoppen noch weiter stattfinden wird, ist umstritten.
Positiv ist dafür folgendes: In der Bundesrepublik einmalig ist die umstrittene Marburger Solarsatzung. Danach werden bis auf wenige Ausnahmen alle Marburger Bauherren verpflichtet, bei Neubauten oder größeren Änderungen an Dächern oder Heizungsanlagen solarthermische Anlagen zu installieren.
Nächtens kamen wir im Hotel Euler in Fronhausen unter. Hotel war etwas übertrieben. Es gab kein WC im Zimmer und Hans hatte sogar keine Dusche, bzw. er wechselte sein Zimmer mit Dusche gegen eins ohne, weil es im ersten zu laut war. Aber in dieser Gegend waren die Unterkünfte knapp bemessen und wir hatten keine Lust mehr, weiter zu fahren.
Mittwoch, den 25.08.2010
Am nächsten Morgen durften wir uns sogar etwas vom Frühstück auf die Fahrt mitnehmen. Wir hatten Gegenwind und ich schwere Beine. Durch die Universitätsstadt Gießen sind wir einfach nur durchgefahren. Durch zwei Luftangriffe der britischen Luftwaffe im Dezember 1944 wurde nahezu der gesamte historische Stadtkern Gießens durch einen Feuersturm vernichtet.
Nicht weit von Gießen kamen wir an der Badenburg vorbei. Die Burg wurde 1358 als Lehen des hessischen Landgrafen Heinrich II. von der Vasallenfamilie von Weitolshausen (genannt Schrautenbach) erbaut und diente ihnen als Wohnort. Die Burg verfiel nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und wurde im 18. und 19. Jahrhundert als Schmiede, Unterkunft für Hirten und ab 1760 als bekanntes Wirtshaus genutzt. Insbesondere Gießener Studenten nutzten die Burganlage und das Wirtshaus für Ausflüge, Pauktage, geheime Treffen und Protestumzüge. Georg Büchner versteckte sich hier mit republikanischen Revolutionären und verfasste den Hessischen Landboten. Heute ist die Burg restauriert und es stehen ein paar alte Kanonen und sonstige Geräte umher.
In einer Bäckerei in Heuchelheim schätzten wir die Höhe der täglichen Einnahmen der Bäckerei. Hans schätzte zwischen 250 – 350 € und ich zwischen 450 – 500 €. In Wirklichkeit war es mehr, wie uns die Verkäuferin sagte.
In Herborn machten wir uns wieder auf Zimmersuche. Wir gerieten an die Familie Krimmel. Herr Krimmel, wurde uns hinterher erzählt, ist der reichste Mann in Herborn mit guten Beziehungen. Er hat u.a. einen Obstladen und gab uns eine Wohnung gleich über dem Bäcker. Zum Abend gab es Lamm im Topkapi mit türkischem Besitzer. Sehr gut.
Donnerstag, den 26.08.2010
Morgens frühstückten wir beim Bäcker im Erdgeschoss mit frischen Brötchen und Hans holte aus dem Obstladen den versprochenen Früchtecocktail. Mit vollem Magen mussten wir dann die Steigung nach Seelbach zur Firma Schäfer erklimmen. Der Verstärker war repariert und das Auto stand noch an seinem Platz. Der Heimfahrt stand nichts mehr im Wege. 460 km haben wir auf dieser Tour zurückgelegt. Die durchschnittlichen Übernachtungskosten lagen bei 39,80 €.