Fahrradtour an Saale und Elbe vom 24.05. – 30.05.2010
Die Gegend an und um die Saale ist nicht nur landschaftlich wunderschön, sondern sie ist ja auch sehr geschichtsträchtig. Deshalb liegt das Schwergewicht dieses Berichts auch mehr auf geschichtlichen Ereignissen und Anekdoten.
Am Morgen des 24.05.2010 ging es mit dem ICE los nach Saalfeld. Eigentlich wollten wir dort der berühmten Feengrotte, einem ehemaligen Alaunschieferbergwerk mit farbigen Tropfsteinen, einen Besuch abstatten. Aber da ich mir einen Fuß verstaucht hatte, die Grotte 5 km entfernt lag, die Öffnungszeiten ungünstig waren und wir noch einige Kilometer bis zur bereits gebuchten Übernachtung vor uns hatten, haben wir die Feengrotte erst mal gestrichen und uns in aller Ruhe einen Eisbecher mit anschließendem Kaffee gegönnt.
Nach einer kleinen Stadtrundfahrt ging es direkt ins Restaurant Zum Stadttor, wo wir uns für die weitere Tour stärken mussten. Die Bedienung war sehr hübsch, aber nicht aus der Reserve zu locken. Dann ging es endlich ab auf den wunderschönen Fahrradweg. Unterwegs kam ein Gewitter auf, und was für eins. In Weißen flüchteten wir uns unter das Dach einer geschlossenen Gaststätte. Der Sturm war so heftig, dass ein großer Schirm sich selbständig machte und davonflog. Danach schien wieder hell und klar die Sonne und das frühlingshafte Grün der Wiesen und Felder erstrahlte unglaublich frisch und rein. Es ging an dem beeindruckenden Schloss Heidecksburg bei Rudolstadt und an saftigen Wiesen vorbei. Nach 45 km gab es eine mindestens 20-prozentige Steigung. Sogar Hans musste absteigen.
Mir war im Laufe der Fahrt der Gummizug an der Hose gerissen, so dass ich beim Fahren immer mit einer Hand die herunterrutschende Hose festhalten musste. Auch der Einzug in die Unterkunft in Kahla, wobei wir die Fahrräder durch eine enge Kneipe hindurchführen mussten, gestaltete sich etwas schwierig mit einer Hand an der Hose.
Die Unterkunft stellte sich als ziemlich versifft heraus. Die beiden Schlafzimmer waren nur durch eine Falttür getrennt, so dass der andere immer brühwarm mitbekam, was der andere so machte, bzw. welche Geräusche er von sich gab. Obendrein gab es einen Teich mit lautstark quakenden Fröschen und fröhlich tirilierenden Kanarienvögel im Gehege. Dafür war es billig, nur 15,50 € pro Nase.
Dienstag, den 25.05.2010
Gefrühstückt wurde bei Tegut mit Sandwich und Kaffee und Kuchen. Nach nicht allzu langer Zeit erreichten wir die alte Universitätsstadt Jena. Am Markt aßen wir gut und reichlich beim Fleischer. Die Besichtigung von Markt, Pulverturm und Schillers Gartenhaus machte schon wieder hungrig und wir nahmen uns vom Bäcker Kaffee und Kuchen mit.
In Schillers Gartenhaus entstanden einige von seinen wichtigsten Werken, vor allem große Teile des Wallenstein und der Anfang von Maria Stuart. Auch zahlreiche Balladen und Teile der Jungfrau von Orleans hat Schiller hier geschrieben.
Die Universität von Jena, die schon 1558 gegründet wurde, war am Anfang des 19 Jahrhundert eine treibende Kraft für die Einheit Deutschlands. Von hier ging die Initiative zum Wartburgfest 1817 aus. Auf diesem Wartburgfest wurde ein Programm verabschiedet, das man als das erste deutsche Parteiprogramm bezeichnen kann. Darin standen z.B. folgende interessante Artikel:
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Alle geheime Polizei ist durch Ordnungsorgane der Gemeindeverwaltungen zu ersetzen.
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„Die polizeiliche Gewalt kann von den Gemeinden, sobald diese eine gehörige Einrichtung haben, verwaltet werden […]. Geheime Polizei ist nur in Zeiten des Kriegs zu entschuldigen; in den Zeiten des Friedens beweist sie, dass Tyrannei herrsche oder erstrebt werde. […] wer der geheimen Polizei zur Zeit des Friedens dient, der begeht einen Verrat an der Freiheit.“ (34. Grundsatz)
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An der Stelle der stehenden Heere tritt die allgemeine Wehrpflicht (Landwehr und Landsturm).
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„Deutschland kann vor der großen Macht fremder Staaten nur durch die Landwehr geschützt werden, die sich im Fall der Not als Landsturm erhebt. Stehende Heere können große Siege erfechten, aber feste Sicherheit kann ein Staat nur in seinen Bürgern finden. Der Soldatengeist kann hohen Ruhm erlangen, aber bleibende Ehre gewinnt nur der Bürgersinn. Der Soldatengeist mag zu kühnen Taten treiben; aber der wahre Heldenmut, der in Glück und Unglück sich gleich bleibt, geht nur aus echtem Bürgersinn hervor.“ (10. Grundsatz)
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Der Student Karl Ludwig Sand, der den Schriftsteller August von Kotzebue erstach, kam auch aus Jena. August von Kotzebue griff als russischer Generalkonsul mit einem Gehalt von 15.000 Rubeln die deutschen Universitäten und vornehmlich die Burschenschaften und Turnerbünde als Brutstätten der Revolution sowie den politischen Liberalismus an (dessen Ziele Demokratie und Pressefreiheit waren), verspottete den von den Studenten verehrten Turnvater Jahn und verhöhnte die Ideale der deutschen Nationalbewegung.
Auf der anderen Seite kommen aber auch die Haupttäter des Nationalsozialistischen Untergrunds aus Jena.
Jena erlitt im 2. Weltkrieg schwerste Schäden. Die alliierten Bomber luden 870 Tonnen Bomben über Jena ab. Große Teile des Stadtzentrums wurden völlig vernichtet. Deshalb lud die Innenstadt auch nicht zum längeren Verweilen ein.
Nicht weit von Jena, hoch über dem Tal, auf einem 90 m hohen, schroff abfallenden Muschelkalkfelsen, liegt die Dornburg mit drei Schlössern verschiedener Baustile, einem schönen Garten und einer hervorragenden Aussicht. Hans gedachte einer Polin, mit der er dort schon einmal die Aussicht genossen hatte.
Man kann auf 2 Wegen hinaufgelangen. Eine Frau, befragt, welcher der bessere sei, antwortete: „ Rum wie num!“ Soll heißen, Jacke wie Hose. Dass wir mit 15 % Steigung zu kämpfen hatten, war uns aber nicht egal.
Die Abfahrt entschädigte dann dafür. Mit Karacho ging es zu einer Pension, die einen von der Burg gut lesbaren Hinweis auf ihrem Dach angebracht hatte. Eine Pension zum Wohlfühlen. Frisch geduscht begaben wir uns auf Empfehlung der Pensionsmutter ins „Abseits“. Nun, es war nicht danebengegriffen. Der Inhaber der Fußballkneipe war allein und bereitete das Abendessen für eine Gruppe von 9 Frauen ohne Probleme zu. Es gab vorzüglichen Zander. Wir haben lange nicht mehr so gut gegessen. Nebenbei war der Wirt noch Trainer von zwei Kindergruppen.
Ich reparierte in der Wartezeit den Gummizug von meiner Hose mit einer Sicherheitsnadel, die mir eine der 9 Frauen gegeben hatte.
Mittwoch, den 26.05.2010
Frau Pensionswirtin hatte eine Vorliebe für grün und schwarz, und da die Möbel meist schwarz waren, musste sie auch alle Nase lang Staub wischen. Hinter Dornburg wurden wir umgeleitet auf einen schönen Höhenweg. Über Camburg erreichten wir Bad Kösen. Seit 1859 Solebad hat der hübsche Ort ein 320 m langes Gradierwerk, ein richtiges Kunstwerk:
Das mit Wasser angetriebene Rad überträgt die Kraft über ein 180 m langes Doppelfeldgestänge zum Soleschacht. Die einzelnen Balken dieses Gestänges sind 9 m lang und durch Schlösser miteinander verbunden. Über dem Schachteingang lag früher ein Kunstkreuz, das die horizontale Bewegung in eine vertikale Bewegung umwandelte. 16 Kolbenpumpen (heute elektrisch betrieben) hoben die 5-prozentige Sole bis in den Schachtturm, von wo sie in die unteren Becken des Gradierwerks floss. Ein weiteres Gestänge, ein Gabelschwinggestänge, das am Kunstkreuz befestigt war, übertrug die Kraft zum 138 m entfernten Gradierwerk. Mit Hilfe von Kolbensaugpumpen wurde die Sole aus dem unteren Becken auf das 20 m hohe Gradierwerk gehoben.
Das Gradierwerk ist eine Holzkonstruktion von Pfeilern, Streben und Stützen, zwischen denen Schwarzdornreisig geschichtet ist. Die Sole läuft tröpfchenweise am Reisig herab. Durch Wind und Sonne verdunstet ein Teil des Wassers und erhöht den Grad der Sole. Am Fuße der Anlage wird sie aufgefangen und zum nochmaligen Verdunsten auf das Gradierwerk gepumpt. Zweck des Gradierwerks ist es, die Salzkonzentration der Sole zu erhöhen, um beim späteren Salzsieden Energie zu sparen.
Natürlich haben wir eine Führung mitgemacht. Aber manche Fragen wollte oder konnte unsere Führerin so richtig nicht beantworten.
Der hinterher bei Norma erstandene Pfannkuchen lag ziemlich schwer im Magen und blieb dort auch bis Naumburg liegen.
Bedingt durch die günstige Lage an zwei alten Handelsstraßen (eine davon war die Via Reggia, die Königstraße, die vom Rhein bis nach Schlesien führte) hatte sich Naumburg einst zu einer wichtigen Handels- und Messestadt entwickelt. Aber nach der Erteilung des Messeprivilegs an Leipzig verlor Naumburg jegliche Bedeutung. Trotz schwacher Industrialisierung bildete sich in Naumburg schon 1848 ein Arbeiterverein. Auch die Naumburger Arbeiter haben sich an der Niederschlagung des Kapp-Lüttwitz-Putsches 1920 beteiligt. 5 Arbeiter bezahlten das mit ihrem Leben.
Der spätromanisch-frühgotische Dom St. Peter und Paul ist angeblich eines der kostbarsten Baudenkmäler Europas. Weltberühmt sind die 12 lebensgroß in Kalkstein gehauenen Stifterfiguren im Westchor, u.a. Uta und Ekkehard. Wir lehnten einen Besuch wegen wucherischer Eintrittspreise ab.
Zwischen den Städten gab es immer wieder Landschaft pur, und sehr abwechslungsreiche dazu. Kamst du um eine Biegung, tat sich schon wieder eine andere Landschaft auf.
Nach 64 km erreichten wir Weißenfels. Hier gestaltete sich die Zimmersuche schwierig. Wir mussten uns trennen. Hans kam im Seniorenheim unter, um sich schon mal dran zu gewöhnen, und ich kam ins Oberstübchen einer Gastwirtschaft. Dort ließen wir uns auch das Abendessen schmecken. Nachdem Hans am Tisch ein paar Zauberkunststückchen gemacht hatte, holte der Wirt eine ganze Kiste mit Trickkunststücken hervor, mit denen er uns blendend unterhielt.
Weißenfels hatte immer noch den Charme der DDR-Tristesse, grau in grau. Entsprechend war auch das Nachtleben. 1 Restaurant, 1 Bar mit Jugendlichen, 1 Pub. In diesem Pub haben wir uns mit 7 Frauen, die am Nachbartischen saßen, über das Verhältnis Mann und Frau unterhalten. Hans ist ja der Ansicht, dass die Frauen in der Mehrheit von sich aus gerne zum Mann hochschauen, dass sie ihn brauchen. Und dass Frauen am liebsten allein tanzen, um sich vor dem Mann ihrer Wahl zu produzieren. Die Frauen hatten alle keinen Mann und nur zwei von den sieben Frauen waren bereit, ihre Meinung zu sagen.
Donnerstag, den 27.05.2010
Das Frühstück im Seniorenheim war 08/15. Nach einer Kurzbesichtigung von Weißenfels ging es weiter nach Dürrenberg. Hier trafen wir schon wieder auf ein Gradierwerk. Mit 636 m Länge ist es aber nur noch das zweitlängste auf der Welt. Das längste steht wohl in Ciechocinek in Polen mit gewaltigen 1741,5 m.
Im Kurpark hatte sich unter Druck ein Wasserschlauch gelöst. Um das Wasser abzustellen, bekam eine dicke Gärtnerin die volle Dusche ab.
In Merseburg statteten wir dem Dom und dem Schloss einen Besuch ab. Der Schlossgarten ist recht hübsch. In der Orangerie gab es eine Ausstellung mit Bildern und Skulpturen, in die Hans nicht hinein wollte. Dabei waren recht eindrucksvolle Bilder ausgestellt.
Im Laufe der Reformationszeit und der beginnenden Bauernkriege verfassten die Merseburger Bürger und Bauern die 16 Merseburger Artikel, in denen sie sich gegen die ständig neuen Dienste und Abgaben (Steuern für Wasser, Holz, Weideland, Acker, Abgabe von Kleinvieh, zahlreiche Bußgelder u. a.) wandten. Am 3. Mai 1525 musste Bischof Adolf aufgrund von Unruhen nach Leipzig fliehen. Am 8. Mai versuchten die Aufständischen die Domfreiheit, also den unmittelbaren Grund rund um den Bischofssitz mit eigener Gerichtsbarkeit, zu stürmen. Der Klerus nahm blutige Rache. 4 Bürger und 4 Bauern wurden auf dem Markt geköpft.
Am Schloss befindet sich auch eine Vogelvoliere, darinnen ein Rabe haust. Die Geschichte geht so:
Der Bischof Thilo von Trotha besaß einen goldenen Siegelring, ein Geschenk seines Freundes, des Bischofs von Naumburg. Eines Morgens ließ er ihn am offenen Fenster liegen und bemerkte nach kurzer Abwesenheit den Verlust des Ringes. In seinem Zorn bezichtigte er seinen langjährigen Diener des Diebstahls. Obwohl der Diener seine Unschuld beteuerte, ließ er ihn hinrichten. Noch nach dem Abschlagen des Kopfes sollen seine ausgestreckten Arme seine Unschuld beteuert haben. Als der Ring später in einem Rabennest gefunden wurde, ließ Thilo von Trotha als Mahnung, kein Urteil im Jähzorn zu fällen, im Schlosshof einen Vogelbauer errichten, in dem seitdem ein Kolkrabe für den Diebstahl büßt. Zum steten Andenken habe der Bischof einen Raben mit einem Ring im Schnabel in sein Wappen aufgenommen.
Und dann gibt es noch die Merseburger Zaubersprüche. Sie wurden 1841 von dem Historiker Georg Waitz in einer theologischen Handschrift des 9./10. Jahrhunderts in der Bibliothek des Domkapitels zu Merseburg entdeckt. Die zwei Zauberformeln sind in althochdeutscher Sprache verfasst. Sie nehmen Bezug auf Themen und Figuren der vorchristlichen germanischen Mythologie.
Der Erste Merseburger Zauberspruch gilt gemeinhin als ein Lösezauber von Fesseln eines Gefangenen:
- Einst saßen Idise, setzten sich hierher und dorthin.
- Einige hefteten Fesseln, einige reizten die Heere auf.
- Einige klaubten herum an den Volkesfesseln,
- Entspringe den Haftbanden, entkomme den Feinden.
- Der Zweite Merseburger Zauberspruch gilt als Heilungszauber eines verletzten bzw. verrenkten Pferdefußes:
- Phol und Wodan begaben sich in den Wald
- Da wurde dem Fohlen des Herrn Balders sein Fuß verrenkt
- Da besprach ihn Sinthgunt, die Schwester der Sunna
- Da besprach ihn Frija, die Schwester der Volla.
- Da besprach ihn Wodan, wie er es wohl konnte.
- So Beinrenkung, so Blutrenkung, so Gliedrenkung:
- Bein zu Bein, Blut zu Blut,
- Glied zu Glied, wie wenn sie geleimt wären
- Nach Überquerung der Saale mit einer Fähre erreichten wir Halle. Halle wurde reich durch den Salzhandel. Dieser Handel lag zuerst in der Hand der Erzbischöfe. Ende des 12. Jahrhunderts bildete sich die Innung der Pfänner, der Pfannenherren. Das waren freie Unternehmer, die die Lehnsanteile an Solgütern in freies Eigentum überführen konnten. Sie wurden benannt nach den großen Pfannen, in denen das Salz gesiedet wurde. Es entwickelte sich ein selbstbewusstes Bürgertum. Halle war sogar Mitglied der Hanse. Am Eselsbrunnen kaufte ich mir eine neue Fahrradtasche. Tags zuvor ging bei dieser Tasche einer der beiden Halter kaputt, als ich von einem Bordstein herunterfuhr. Bis zum Eselsbrunnen wurde sie notdürftig mit Bindfaden befestigt.
- Wie überall, wo man einen geschichtlichen Hintergrund hervorkramen und den Leuten vorsetzen kann, gibt es natürlich auch für den Eselsbrunnen eine Geschichte: Ein Müller kam statt des erwarteten Kaisers Otto des Weges, wo man für den Kaiser tüchtig Rosen gestreut hatte und bekam den Beifall ab.
- Es war etwas nervig, den Weg aus Halle wieder herauszufinden. Eine Frau wollte uns in die Wüste, sprich die Dölauer Heide schicken, was ein Umweg gewesen wäre. Irgendwie haben wir dann doch den richtigen Ausgang gefunden. Nach 80 km erreichten wir Wettin. Dort aßen und übernachteten wir in Meyers Stuben, in die Hans unbedingt wollte, um eine ukrainische Frau wieder zu treffen, die er dort schon einmal getroffen hatte. Tja, aber leider war sie jetzt verheiratet und hatte auch schon ein Kind.
Freitag, den 28.05.2010
Morgens fuhren wir erst mal zur Burg Wettin hinauf. Nach einigen Besitzerwechseln und Umbauten beherbergt die Burg jetzt das Burg-Gymnasium Wettin. Der Rittersaal war zum Unterrichtsraum umfunktioniert. Ich wollte nur mal einen Blick hineinwerfen und platzte in den Unterricht hinein. Die Lehrerin schaute mich unverwandt an und nickte immer nur. Ich entschuldigte mich und zog mich grinsend zurück.
Das Haus Wettin ist ein altes Adelsgeschlecht, das sich ganz schön über Deutschland und Europa ausgebreitet hat. Seit dem hohen Mittelalter stellte die Dynastie zahlreiche Markgrafen von Meißen, Landgrafen von Thüringen sowie Herzöge und Kurfürsten von Sachsen. Darüber hinaus gingen aus ihr bis zur Neuzeit mehrere Monarchen von Sachsen, Polen, Belgien, Portugal, Bulgarien und Großbritannien hervor.
Das seit über tausend Jahren nachweisbare Geschlecht besteht bis heute im direkten Mannesstamm fort, geteilt in zwei Hauptlinien. Die ursprünglich in Thüringen ansässige ältere ernestinische Linie und die jüngere albertinische Linie, wobei das Herrschaftsgebiet der letzteren etwa dem heutigen Freistaat Sachsen entsprach. Aktuell regierende Monarchen wettinischer Abstammung sind Königin Elisabeth II. von Großbritannien und Nordirland sowie König Albert II. von Belgien, die beide der ernestinischen Linie angehören.
In der Bäckerei Hülße in Alsleben gab es wunderbaren Stachelbeerkuchen und mit Marzipan gefüllte Leckereien. Weil uns die Verkäuferinnen gut gefielen, machten wir ein Foto, mit Brot in der Hand als Vorwand. 4 Monate später wurde die eine Verkäuferin entlassen. Nein, nicht wegen uns, sondern, weil sie der Frau des Sohnes der Bäckerin, der die Bäckerei übernahm, zu sexy war.
Hinter Rothenburg stellte sich die Frage, auf welcher Seite der Saale wir weiterfahren. Eine Frau riet uns im Brustton der Überzeugung davon ab, auf dem eingezeichneten Radweg fahren, weil der unpassierbar wäre. Das wird nichts, meinte sie. Ein anderer meinte aber, das wäre alles nicht so schlimm. Und so war es auch. Es war zwar etwas schlammig, aber dafür taten sich langohrige Ziegen im Stehen an Sträuchern gütlich und ein Stückchen weiter gab es einen großen Zwergengarten.
Es fing an zu nieseln, als wir in Bernburg ankamen. In einem Café fing Hans schon wieder mit den dort beschäftigten Frauen über die Rolle zwischen Mann und Frau zu diskutieren. Eine wollte zum Mann aufschauen, aber tanzen wollte sie lieber zu zweit. Die anderen beiden Frauen haben mal wieder nichts gesagt. Das Lied: „An der Saale hellem Strande“ kannte zu meinem Missfallen auch keiner. Dabei ist doch das ein Muss für jeden, der dort lebt:
An der Saale hellem Strande
stehen Burgen stolz und kühn
Ihre Dächer sind zerfallen,
und der Wind streicht durch die Hallen,
Wolken ziehen d´rüber hin.
Zwar die Ritter sind verschwunden,
Nimmer klingen Speer und Schild;
Doch dem Wandersmann erscheinen
In den altbemoosten Steinen
Oft Gestalten zart und mild.
Droben winken schöne Augen,
Freundlich lacht manch roter Mund,
Wand’rer schaut wohl in die Ferne,
Schaut in holder Augen Sterne,
Herz ist heiter und gesund
Und der Wand´rer zieht von dannen
Denn die Trennungsstunde ruft
Und er singet Abschiedslieder
Lebewohl tönt ihm hernieder
Tücher wehen in der Luft.
Hans wollte unbedingt zum Gletschergarten. Er ist ein Naturbodendenkmal, welches aus der letzten Saale-Eiszeit stammt. Die Untere Saale wurde vor ungefähr 210.000 Jahren wieder eisfrei. Zu sehen gab es nicht allzuviel. Als Entschädigung sind wir dann in den Märchengarten gegangen. In einem Märchenschloss und märchenhaft gestalteten Hütten werden mit sprach- und bewegungsgesteuerten Figuren Märchen der Gebrüder Grimm nachgestellt .
Die Burg zu Bernburg ist etwas renovierungsbedürftig. Till Eulenspiegel soll sich dort als Turmbläser verdingt haben.1860 wurde im Burggraben ein Bärenzwinger erbaut, um einen aus Russland eingetroffenen Braunbären zu halten.
Im Dreißigjährigen Krieg eroberten und plünderten im Jahre 1630 die Holk’schen Reiter die Stadt. Henrik Greve Holck, war ein dänischer Offizier, der zunächst auf protestantischer Seite kämpfte, bis er 1630 in kaiserliche Dienste trat und als einer der Unterfeldherrn Wallensteins bis zum Feldmarschall aufstieg. Ein guter Beweis dafür, dass auch hier die Religion nur ein Vorwand war, um größere Macht zu erringen und zu behalten.
In Nienburg gab es nur ein Hotel, was um 18 Uhr schon belegt war. Ein Stückchen weiter im an der Mündung der Saale in die Elbe liegenden Barby fanden wir eine nette Ferienwohnung. Abends kippte sich Hans beim Griechen zur allgemeinen Aufheiterung Bier über die Hose.
Samstag, den 29.05.2010
Es gab ein sehr reichhaltiges Frühstück mit Actimel, Jogurette und Äpfeln. Vor dem Verlassen der Ferienwohnung mussten wir erst noch ein paar Verhaltensmaßregeln befolgen: Thermostat runterdrehen, Tische mit Deckchen eindecken, Abfall vor dem Verbringen in die Mülltonne in Plastik einpacken usw usf. In Barby lag einmal das zentrale Grundbucharchiv der ehemaligen DDR. Als ich so hinwarf, dass es eigentlich überflüssig wäre, weil es keinen Privatbesitz an Grund und Boden geben dürfte, ging Hans als überzeugter Verteidiger des Privateigentums an Grund und Boden zum ersten Mal an diesem Tag in die Luft wie ein HB-Männchen.
An diesem Tag hatte er noch mehrmals Grund, sich aufzuregen. Als wir mit der Fähre auf die andere Seite der Elbe fuhren, kenterte ein Ruderboot, das kurz zuvor abgelegt hatte. Ich konnte mir ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. Da gäbe es nichts zu lachen, das könnte sehr gefährlich werden, explodierte Ruderer Hans zum zweiten Mal.
In einem Café in einem Magdeburger Vorort trafen wir 2 Frauen: eine ältere Lehrerin aus Essen und eine junge Frau aus Magdeburg, die am Prenzlauer Berg in Berlin lebte. Es wurde heiß diskutiert über Kirche, Schulbücher und Pädophilie.
Magdeburg blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Die Stadt war die Kaiserpfalz des ersten Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, Otto I. Das in dieser Stadt entwickelte Magdeburger Recht galt als praktisch, modern und vorbildlich und wurde deshalb in vielen Gebieten Mittel- und Osteuropas übernommen. 1294 kauften die Bürger Magdeburgs dem Erzbischof die Ämter des Schultheiß und des Burggrafen ab und konnten diese Ämter fortan selbst besetzen. Damit begann in Magdeburg eine Art kommunaler Selbstverwaltung.
Hier treffen wir auf die blutigste Spur des Heerführers der Katholischen Liga und Generalleutnant der kaiserlichen Truppen Graf von Tilly im Dreißigjährigen Krieg. Am 20. Mai 1631 wurde Magdeburg von Tilly erobert und ging anschließend in Flammen auf (Magdeburger Hochzeit). Dieser Vorgang erlangte auch unter dem Begriff Magdeburgisieren traurige Berühmtheit. Dabei wurden bis auf wenige tausend Menschen die Einwohner durch die einrückenden Truppen sowie den Brand getötet. Die Stadt wurde weitgehend zerstört und fast völlig entvölkert. Mit 20.000 (nach anderen Angaben bis zu 30.000) Toten gilt dies als das größte Einzelmassaker des Dreißigjährigen Krieges.
1944 errichtete die Braunkohle-Benzin-AG (Brabag) als größter Treibstofflieferant der Wehrmacht in Magdeburg das KZ Magda. 65 Prozent der dort arbeitenden Juden starben. Speziell für Sinti und Roma wurde das Zigeunerlager Magdeburg Holzweg gebaut.
Durch den Luftangriff der Bomber des englisch-amerikanischen Kapitals am 16. Januar 1945 wurde die Altstadt zum zweiten Mal fast vollständig zerstört. 2.000 Menschen wurden dabei getötet.
Wir schauten uns den Dom und die Grüne Zitadelle an, das Haus des Friedensreich Hundertwasser.
Während ich mir irgendwo in einem Geschäft eine Flasche Wasser kaufte, verschwand Hans mindestens 20 Minuten in einem Supermarkt, um sich auch eine Flasche Wasser und ein paar Bananen zu kaufen. Und das alles nur, um ein paar Cents zu sparen. Ich sagte nichts, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. Das versetzte Hans schon wieder in Rage.
Es war ein Tag, der es in sich hatte. Hans wollte schon früh ein Quartier suchen. Aber der frühe Nachmittag war mir dann doch etwas zu früh. Also fuhren wir weiter.
Nördlich von Magdeburg kamen wir am Wasserstraßenkreuz vorbei. Hier überquert der Mittellandkanal die Elbe. Es ist schon faszinierend, unten an der Elbe zu stehen und oben im 1. Stock die Schiffe vorbeiziehen zu sehen.
An dieser Stelle fingen wir an, eine Unterkunft zu suchen, aber es war alles belegt. Wir fuhren von Pontius zu Pilatus und von dort weiter und immer weiter. Es war einfach nichts zu machen. Wir fragten die Fräuleins, wie Hans immer zu sagen pflegte. Das war einer seiner Lieblingssprüche. Wir bekamen einen Tipp, nach Lostau zu fahren, doch als wir da ankamen, hatte eine Hochzeitsgesellschaft alles ausgebucht. Die privaten Zimmer in der Umgebung waren auch durch die Gesellschaft belegt. Es wurde später und später. In Lostau gab es eine Jubiläumsfeier vor einem Geschäft. Es wurde schon dunkel. Auch hier fragten wir nach, bekamen einen Tipp, fuhren hin und … es war keiner anzutreffen. Also wieder zurück. Wir waren schon etwas verzweifelt, als endlich eine Frau sich unser erbarmte. Sie organisierte 2 Zimmer in einem Nachbarort. Der Wirt wäre zwar auf einer Geburtstagsfeier, aber er würde kommen. Noch nie haben wir 8 km so schnell runtergestrampelt. Als wir in den Ort Niegripp einfuhren, bog von einer Seitenstraße ein anderer Fahrradfahrer ein. Es war der Wirt Hoffmann, damaliger Vorsitzender des Karnevalvereins, der in Niegripp sehr rührig ist. In seinem Häuschen haben wir 43 Teddybären gezählt, die an den möglichsten und unmöglichsten Stellen herumstanden und saßen. Einer musste zwar durch das Zimmer des anderen hindurch, um in seins zu gelangen, aber wir waren froh, überhaupt etwas gefunden zu haben. An diesem Tag haben wir 110 km zurückgelegt.
Am Abend machte Hans dann seinem Zorn noch einmal richtig Luft. Es flogen die Fetzen. Als das Gewitter vorbei war, sind wir zusammen in der Sportgaststätte Kanalstübchen essen gegangen. Es gab Grünkohl mit Klarem. Unser Pensionswirt hatte uns telefonisch angemeldet, sonst hätten wir an diesem Abend kein warmes Essen mehr bekommen.
Freitag, den 30.05.2010
Am nächsten Tag fuhren wir weiter elbeabwärts bis nach Tangermünde. Dieser hübsche Ort hat noch eine gut erhaltene Altstadt mit Fachwerk- und Backsteinbauten.
1411 kam das Geschlecht der Hohenzollern in Brandenburg an die Macht und die aufstrebende Hansestadt Tangermünde war ihre erste Residenzstadt.
1414 wurde auf der Burg der spätere Kurfürst Albrecht Achilles geboren. In den folgenden Jahrzehnten wurden prächtige Bauten wie das Rathaus und die fast vollständig erhaltene Stadtmauer errichtet. Wenn die Entwicklung dieses „Rotenburg des Nordens“ sich derart fortgesetzt hätte, wäre Berlin wohl eine Provinzstadt geblieben.
Dass es anders kam, hat mit Albrecht Achilles Sohn Johann Cicero und der Biersteuer zu tun. Dem gerade gekürten Kurfürsten reichten die Steuern und Zölle nicht mehr aus, und er kam auf die wegweisende Idee der indirekten Besteuerung.
1488 führte er eine Biersteuer ein. Das traf Tangermünde hart: 84 Brauereien produzierten in der mittelalterlichen Residenz den beliebten Gerstensaft.
Besonders hoch im Kurs stand das Kuhschwanzbier: Der Überlieferung nach hatte der Stadtrat verfügt, dass an den Tagen, an denen die Brauer Wasser aus der Tanger holten, die Kühe nicht im Fluss baden sollten – wegen der Hygiene. Das ließ sich jedoch nicht durchhalten: Mindestens „ein Kuhschwanz“ soll immer gleichzeitig mit den Fässern der Brauer im Wasser gewesen sein. Gerade diese Tatsache habe dem Bier seinen einprägsamen Geschmack verliehen.
Nun sollte also das Bier teurer werden. Das passte weder den Brauern noch ihrer Kundschaft.
Es kam zur Rebellion. Der Kurfürst, der direkter Vorfahr von Friedrich dem Großen war, ließ die Aufstände, die auch in der umliegenden Region der Altmark stattfanden, blutig niederschlagen. Und da er die Nase voll hatte von diesen aufmüpfigen Gesellen, die sich nicht so einfach abzocken lassen wollten, verlegte er seine Residenz in ein bis dahin kaum bekanntes Kaff an der Spree: Die Stadt Berlin-Cölln.
Tangermünde hatte sich die Gunst der Hohenzollern verscherzt, die Stadt verlor ihre Selbstständigkeit. Der Wohlstand schwand, dazu ereignete sich 1617 ein verheerender Stadtbrand. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt erneut schwer getroffen, die Burg 1640 von schwedischen Truppen zum größten Teil zerstört. Tangermünde versank in der Bedeutungslosigkeit.
Die Schuld an dem Brand 1617 gab man der Waisen Grete Minde, die aus Rache für das ihr vorenthaltene Erbe gehandelt haben soll. Sie wurde zum Tode verurteilt und 1619 auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Abends gingen wir natürlich ins Restaurant Kuhschwanz, heute Exempel Gaststuben. Das Gebäude diente in der Vergangenheit als Schulhaus. Zugleich war es auch Wohnhaus des Kantors.Das Innere des Gebäudes ist heute im Erdgeschoss als historische Schule eingerichtet, wobei die Räume zugleich als Gaststuben dienen. In einer Säule des Schulzimmers finden sich durch Schüler in vergangenen Zeiten eingeritzte Initialen. Im gleichfalls für Gasträume genutzten Obergeschoss befindet sich die Küsterwohnung.
Es kamen dunkle Regenwolken auf.
Samstag, den 31.05.2010
Diese Regenwolken hielten am nächsten Morgen, was sie versprachen. Es regnete wie aus Kübeln. Eigentlich wollten wir bis Havelberg, von dort nach Rathenow und dann mit dem Zug nach Hause fahren. Unter diesen Umständen entschlossen wir uns aber, gleich nach Rathenow zu fahren. Unter dunkel dräuenden Wolken mit entsprechender Ausschüttung fuhren wir in Rathenow schnurstracks zum Bäcker, wo es zum Abschluss noch einmal Kaffee und Kuchen gab und ich mir noch ein hervorragend schmeckendes Brot kaufte.
Dass der Osten dieser Republik immer noch ziemlich niedrige Preise hat, ersieht man daraus, dass wir im Durchschnitt für eine Übernachtung auf dieser Tour 25,60 € gezahlt haben. Gefahren sind wir ca. 400 km.