Entwicklung des Faschismus in der Bundesrepublik – Faschismus in Deutschland Teil II

Entwicklung des Faschismus in der Bundesrepublik – Faschismus in Deutschland Teil II

Inhaltsverzeichnis

    • Der Schwur von Buchenwald
    • Die Unterdrückung der antifaschistischen Komitees und der Selbstorganisation der Arbeiter
    • Missachtung der Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens
    •    Abrüstung und Entmilitarisierung?
    •    Ausschaltung der Kriegsindustrie?
    •    Bestrafung der Kriegsverbrecher?
    •    Keine Errichtung einer zentralen deutschen Regierung?
    •       Die einzelnen Stationen zur Teilung Deutschlands
    •    Entfernung aller Mitglieder der NSDAP aus Ämtern und verantwortlichen Posten?
    •    Zerschlagung der Nazi-Organisationen?
    • Einige wichtige Stationen der Entwicklung des Kapitalismus in Nachkriegs-Deutschland
    •    Objektiver Zwang zur europäischen Vereinigung
    •    Besitzverhältnisse einiger Konzerne in Deutschland
    •    Die Förderung der kapitalistischen Umgestaltung durch den deutschen Staat
    •    Bad Bank
    • Auswirkungen der kapitalistischen Entwicklung auf das Kleinbürgertum
    •    Über die Kleinunternehmer
    •    Über die kleinen Bauern
    •    Über die Intelligenz
    • Der Antisemitismus bleibt fest verwurzelt
    • Rassistische Politik gegenüber Flüchtlingen
    • Die CSU und der Anti-Islam
    • Kontinuität der Ziele und Aufgaben von Institutionen im Westen Deutschlands
    •    Staatsbürgerliche Vereinigung (SV)
    •    Der Bundesnachrichtendienst (BND)
    •    Das Bundeskriminalamt (BKA)
    •    Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)
    • Haltung des Staates und seiner Institutionen zu den Neonazis
    • Staatliche Überwachung der werktätigen Bevölkerung statt staatlicher Schutz
    • Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

    Der Schwur von Buchenwald

    Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

    Das war die Überzeugung vieler Menschen am Ende des II. Weltkrieges. Die Überlebenden des Konzentrationslager Buchenwald schworen:


    „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!

    Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.

    Zum Zeichen Eurer Bereitschaft für diesen Kampf erhebt die Hand zum Schwur und sprecht mir nach:

    W I R  S C H W Ö R E N !“

    Der gesamte Text dieses Schwurs ist hier zu finden: (Buchenwaldschwur.pdf)

    So bewegend dieser Schwur auch ist, so zeigt er doch auch exemplarisch die Schwäche der antifaschistischen Bewegung: Die fehlende Erkenntnis, dass der Kapitalismus die Grundlage für Faschismus ist. Der Vertreter des amerikanischen Imperialismus, Präsident F.D. Roosevelt wird ein Freund der Antifaschisten aller Länder genannt. Dass die Regierung der USA das nicht war, sollte sich sehr bald herausstellen.

    • Die Unterdrückung der antifaschistischen Komitees und der Selbstorganisation der Arbeiter

    Ein großer Teil Europas lag in Trümmern. Die kapitalistischen Kriegsmaschinerien hatten ganze Arbeit geleistet. Es waren zum größten Teil Antifaschisten, quer durch alle Parteien, die die Verwaltung in den Städten und Dörfern wieder in Gang setzten. Sie einte der Wille, keine Nazis mehr an die Hebel der Macht zu lassen. Überall in Deutschland wurden antifaschistische Komitees gegründet.

    Die Idee einer Antifaschistischen Aktion fand in diesem Augenblick große Resonanz. In der Bevölkerung gab es nämlich ein antifaschistisches Motiv: die Wut auf die Nazis, die sie unmittelbar terrorisiert hatten. Die Empörung existierte in den Betrieben wie auch in den Wohnvierteln. „Die Leute wollen nicht verstehen, dass die Nazis heute noch im Besitz ihrer durch Terror und andere Gewaltmaßnahmen erlangten Vorteile (Wohnungen, Stellungen, Vermögenswerte usw.) bleiben können”. Vor allem konnte man nicht verstehen, dass die Nazis nach den „für derartige Fälle nicht eingestellten Gesetze behandelt” wurden. So berichtete der Polizeipräsident an die Militärregierung. Die Militärregierung verhinderte, dass die Wut zu Racheakten an den Nazis führte.

    Das Echo auf die Existenz der Antifa war daher in zweierlei Form zu vernehmen: Einmal strömten alte Funktionäre der Arbeiterbewegung zur Antifa. Allerdings waren KP-Funktionäre deutlich überrepräsentiert. Zum anderen wurde die Antifa als politische Führung anerkannt. Das zeigte sich in ihrer vielfältigen Tätigkeit: Sie verteilte oder verkaufte von NS-Organisationen konfiszierte Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Bekleidung u.ä. an Bedürftige, sie zwang Nazis zu Trümmereinsätzen, sie versuchte bei Übergriffen von DP’s (Displaced Persons = ehemalige Zwangsarbeiter und Verschleppte, die nicht in ihre Heimatländer zurückkehren konnten) zu helfen und sie erteilte politische Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Gerade von der Arbeiterschaft wurde sie als Führung anerkannt, das zeigte sich bei der Einsetzung von Betriebsräten. Auch hatte sie Einfluss bei der Besatzungsmacht. Die Polizeiführung und die Politische Polizei setzte sich aus ihren Mitgliedern zusammen. Dabei wäre es aber verfehlt von der Idee auszugehen, die Antifa wäre eine einheitliche schlagkräftige Organisation gewesen.“ (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 – Die „Stunde Null” in Braunschweig, S. 157/158, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978). (https://www.nadir.org/nadir/initiativ/aam/broschueren/hist/komit.html)

    Die alliierten Truppen wurden bei der Besetzung größerer deutscher Städte von Delegationen linker Antifaschisten empfangen, die fertige Programme, Kandidaten für die öffentliche Verwaltung und Unterstützung bei der Durchführung der Entnazifizierung bereit hielten.

    In Hamburg wurde die Sozialistische Freie Gewerkschaft (SFG) gegründet. Innerhalb von fünf Wochen wollten 50.000 Hamburger Arbeiter Mitglied bei der SFG werden. Die SFG forderte u.a.: Verstaatlichung der wirtschaftlichen Schlüsselstellungen, Überführung des Großgrundbesitzes und Baulandes in öffentliches Eigentum.

    Es blieb nicht nur bei Forderungen: Im Ruhrgebiet streikten 1946 und 1947 bis zu 500.000 Arbeiter, um die Enteignung der Industriebarone durchzusetzen.

    Es war eine Zeit im Auf- und Umbruch. Viele Parteien sprachen sich für den Sozialismus aus, sogar die CDU. Kriegsheimkehrer, Flüchtlinge und Vertriebene, darunter auch viele Kommunisten, drängten in die Betriebe. Die alten Stammbelegschaften befanden sich bald in der Minderheit und die jungen industriefremden Arbeiter wollten sich nicht so einfach unterordnen. Aufgrund dieser Gemengelage wurden kommunistische Betriebsgruppen gegründet, die schnell wuchsen. Auch die Mitgliederzahlen der KPD schnellten in die Höhe. 1947 besaßen mehr als 300.000 Menschen in den westlichen Besatzungszonen ein Parteibuch. Die Kommunisten hatten Erfahrung im Kampf mit den Betriebsleitungen, waren mutig, ließen sich nicht den Mund verbieten und wurden zum Sprachrohr der Arbeiter in den Betrieben. Betriebsversammlungen wurden ein starkes Instrument der betrieblichen Demokratie. Wichtige Fragen wie der Umfang der betrieblichen Mitbestimmung, die Entlassung politisch belasteter Betriebsangehöriger, Probleme betrieblicher Sozialpolitik oder Veränderungen der Arbeitsprozesse wurden in den oft turbulenten Belegschaftsversammlungen diskutiert und beschlossen. Es fanden immer wieder Streiks mit und ohne Zutun der Kommunisten statt, um betriebliche und auch überbetriebliche Ziele durchzusetzen. Es gab ja noch keinen stabilen Staatsapparat, der das mit seinen Gesetzen verhindern konnte. Bei den Betriebsratswahlen 1955 erzielten Kommunisten spektakuläre Erfolge, was teilweise auch auf das Misstrauen der Arbeiter gegenüber der alten Gewerkschaftsbürokratie zurückzuführen war.

    Nun gab es aber auch eine widersprüchliche Politik unter den Kommunisten. Neben betriebsradikalen Kräften existierten starke Strömungen, die für eine konstruktive Mitarbeit in den neuen Einheitsgewerkschaften eintraten. Insbesondere diejenigen Kommunisten, die gewerkschaftliche Funktionen bekleideten, waren aus organisationspolitischen Interessen an einer Stärkung der Einheitsgewerkschaften interessiert. Der Kooperationskurs wurde anfangs von der SED in Ost-Berlin aktiv gefördert, die eine Politik der nationalen Verständigung und Kooperation verfolgte.

    Ende der 1940er-Jahre gerieten die betrieblichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen aber immer mehr in den Strudel des deutsch-deutschen Konfliktes. Die kommunistischen Betriebsgruppen wurden eng in die neue Politik der SED eingebunden. Die SED gab ihren gewerkschaftlichen Kooperationskurs auf und ordnete die westdeutsche Betriebsarbeit vollständig ihren außenpolitischen Interessen unter. Der kommunistisch dominierte Betriebsrat des Hüttenwerks Hagen-Haspe verabschiedete in den ersten Monaten des Jahres 1950 nicht nur wiederholt Resolutionen zur Deutschlandpolitik und sandte Protestschreiben an die Bundesregierung, sondern führte im Werk gegen den Widerstand von Unternehmensleitung und Gewerkschaft auch eine Unterschriftensammlung gegen die Wiederbewaffnung durch und förderte nach dem Vorbild der DDR die Gründung betrieblicher Friedenskomitees. Die Industriebetriebe wurden zum Schauplatz einer deutsch-deutschen Werbeschlacht um die Herzen der Industriearbeiter.

    Nach dem Erfolg bei den Betriebsratswahlen 1955 lud die Ost-Berliner Regierung die führenden Kommunisten der Dortmunder Westfalenhütte zu einer Werbereise in die DDR ein, deren Höhepunkt ein Empfang bei Otto Grotewohl war. Dieser Besuch rief ein gewaltiges Medienecho und scharfe Kritik im Westen hervor und gab der Unternehmensleitung in Absprache mit der IG Metall Mittel in die Hand, um den kommunistischen Betriebsrat mit Verweis auf dessen Ostkontakte abzusetzen, die führenden Kommunisten zu entlassen und Neuwahlen einzuberufen. Nach einem intensiven Wahlkampf gingen die kommunistischen Stimmenanteile dann deutlich zurück.

    Betriebsleitungen, Gewerkschaftsführer und Politiker erkannten, dass sie die Arbeitsbedingungen verbessern mussten. Sozialpolitische Leistungen wurden aufgelegt, Schulungsprogramme und Bildungsabende angeboten. In Reaktion auf ein erfolgreiches Ferienprogramm der DDR für Arbeiterkinder aus der Bundesrepublik ergriffen auch die bundesdeutschen Behörden die Initiative, um bedürftigen Kindern einen Urlaub außerhalb ihrer Wohngemeinde zu ermöglichen. Und die betriebliche Mitbestimmung wurde ausgebaut. Im kämpferischen Ruhrgebiet wurde die Montanmitbestimmung eingeführt (Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie). Das Wirtschaftswachstum und die Abnahme der Arbeitslosigkeit trug ihren Teil zur Entschärfung der Konflikte bei.

    Die Unterordnung der betrieblichen Belange im Westen unter die deutschlandpolitischen Ziele der DDR blieb den meisten Betriebsaktivisten unverständlich und rief erbitterten Widerstand der kommunistischen Basis hervor. Die SED-Politik entfremdete nicht nur die große Mehrheit der Arbeiter, sondern auch viele Parteimitglieder, die wenig Sympathien für die nationale Rhetorik und Bündnispolitik der DDR hegten, von der KPD.

    Das und die Tatsache, dass die Gewerkschaftsführung seit dem Frühjahr 1950 mit Zuckerbrot und Peitsche gegen Kommunisten vorging, drängte ihren Einfluss zurück. In Zusammenarbeit mit den Unternehmensleitungen förderten die Gewerkschaftsführer die Entlassung von Kommunisten, die gegen die gewerkschaftliche Politik betriebliche Protestbewegungen entfesseln wollten. In vielen Fällen trafen die Repressionen gerade die dominierenden Persönlichkeiten der Betriebspolitik, die nur schwer von den Betriebsgruppen zu ersetzen waren. Auf der anderen Seite nahmen die Gewerkschaften in den 1950er-Jahren viele Ausschlüsse früherer Jahre zurück und ermöglichten ehemaligen Kommunisten, die bereit waren, ihre kommunistischen Überzeugungen in der Tagespolitik zurückzustellen und sich in die gewerkschaftliche Disziplin einzufügen, gewerkschaftliche und betriebliche Karrieren. [Passagen aus: Arbeiter und Demokratiegründung in Westdeutschland nach 1945 | Zeithistorische Forschungen]

    Während es in den Betrieben einen längeren Kampf gab, um die antikapitalistischen Kräfte zurückzudrängen, hatten die Antifaschistischen Komitees in den Städten und Gemeinden keine lange Lebensdauer. Sie wurden, ebenso wie die Freien Gewerkschaften keine 2 Monate nach ihrer Gründung von den Militärregierungen verboten. Die von den Komitees angeordneten Entlassungen von Nazis wurden von den alliierten Militärverwaltungen in den meisten Fällen rückgängig gemacht. Und so kam es, dass bei der Gründung der Bundesrepublik 1949 große Teile der Verwaltung wieder von alten Nazis besetzt waren. Nach einem Bericht der alliierten Militärregierung waren 1948 in Bayern 60 Prozent der Richter und 75 Prozent der Staatsanwälte frühere Mitglieder der NSDAP. Der Anteil bei den Bürgermeistern und Landräten war noch höher.

    Auch die Antifa-Ausschüsse in der sowjetisch besetzten Zone wurden bis Mai/Juni 1945 aufgelöst. (Renaissance und Zerstörung der kommunalen Selbstverwaltung in der sowjetischen Besatzungszone – 1989_3_3_schneider.pdf)

    In keinem der beiden Teile Deutschlands wurde also die politische Selbstorganisation der Arbeiter geduldet. Ganz anders sieht das die offizielle DDR-Geschichtsschreibung. Auf Seite 25 der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Kapitel XII, heißt es: „Die Befehle der sowjetischen Kommandanturen und die Tätigkeit deutscher Antifaschisten ergänzten einander.“

    • Missachtung der Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens

    Der Geist des Antifaschismus (so sah es zumindest aus) sprach auch aus den Übereinkommen und Beschlüssen der Siegermächte USA, UdSSR und Großbritannien bis hin zum Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945. Deren offizielle Ziele waren u.a.:

    • Völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche für eine Kriegsproduktion genutzt werden kann.


    • Völlige und endgültige Auflösung aller Land-, See- und Luftstreitkräfte Deutschlands, der SS, SA, Gestapo und des SD mit allen Organisationen, Stäben und Ämtern, einschließlich des Generalstabes, des Offizierskorps, der Reservisten, der Kriegsschulen, der Kriegervereine und aller anderen militärischen und halbmilitärischen Organisationen, um damit für immer der Wiedergeburt oder Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus und Nazismus vorzubeugen.


    • Vernichtung der Nationalsozialistischen Partei mit ihren angeschlossenen Gliederungen und Unterorganisationen und Verbot jeder nazistischen und militaristischen Betätigung.


    • Entfernung aller Mitglieder der nazistischen Partei aus den öffentlichen oder halböffentlichen Ämtern und von den verantwortlichen Posten in wichtigen Privatunternehmen.


    • Verhaftung der Kriegsverbrecher und aller derjenigen, die an der Planung oder Verwirklichung nazistischer Maßnahmen teilgenommen hatten, die Gräuel oder Kriegsverbrechen nach sich zogen, und deren Übergabe an die Gerichte.


    • Bis auf weiteres keine Errichtung einer zentralen deutschen Regierung, außer der Einrichtung einiger wichtigen Verwaltungsabteilungen auf dem Gebiet der Finanzen, Transport und Verkehr, Außenhandel und Industrie.

    Das waren Absichtserklärungen, die nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig ließen. Doch was ist aus diesen hehren Erklärungen geworden?

    Es stellte sich ziemlich schnell heraus, dass die Siegermächte gar kein Interesse daran hatten, ihre honorigen Absichten auch in die Tat umzusetzen. Schon früh wurden ihre deklarierten Ziele durch das Interesse an der Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Interessen abgelöst.

    • Abrüstung und Entmilitarisierung?

      Schon am 20. November 1945 sah sich der sowjetische Vertreter im Alliierten Kontrollrat, Marschall Georgi Shukow, zu einem Memorandum gezwungen, in dem er auf das Vorhandensein von bewaffneten Heeresgruppen der ehemaligen deutschen Armee in der britischen Besatzungszone hinwies.


      Gegen breiten Widerstand aus der Bevölkerung wurde die Remilitarisierung Westdeutschlands durchgesetzt. Aktivisten des Widerstandes wurden politisch und strafrechtlich verfolgt. Mit der Verabschiedung des „Wehrverfassungsgesetzes“ durch den Bundestag im Februar 1954 schafft die BRD die Voraussetzung für den Aufbau der Bundeswehr. Im Oktober wurden die Pariser Verträge unterzeichnet, die Deutschlands Wiederbewaffnung erlaubten. Im Mai 1955 wurde die BRD Mitglied der NATO. Im November 1955 erfolgte die Gründung der Bundeswehr. 1956 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Ab 1991 folgten die ersten Auslandskriegseinsätze der Bundeswehr. (Der lange Atem. Widerstand gegen die Remilitarisierung der BRD | Prozess gegen Axel, Oliver und Florian)


      In der Sowjetisch besetzten Zone (SBZ) sah es nicht viel anders aus. Am 3. Juni 1948 erteilte die Sowjetische Militäradministration (SMAD) den Befehl zur Errichtung einer Hauptabteilung „Grenzpolizei und Bereitschaften“. Einen Monat später kam es zur Kasernierung von Bereitschaften. Ausbildung und Bewaffnung dieser kasernierten Einheiten hatten militärischen Charakter. 1956 erfolgte die Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA). Im Gegensatz zu den westdeutschen Streitkräften wurde im Osten auf die Einbeziehung von Wehrmachtsoffizieren für den Aufbau der Einheiten verzichtet.

    • Ausschaltung der Kriegsindustrie?

      Nur ein Kriegsverbrecher-Konzern wurde in den Westzonen zerschlagen und in seine Einzelteile aufgelöst, die I.G. Farben. Zwei der Nachfolgeunternehmen dieses Konzerns sind heute jeweils größer, stärker und mächtiger, als es die I.G. Farben jemals war: Die BASF SE (SE = Societas Europaea) ist der weltweit größte Chemiekonzern mit 64,5 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2017und die Bayer AG gehört mit 46,8 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2016 auch nicht zu den kleinen Chemiebetrieben.


      Die drei größten Profiteure der Nazi-Herrschaft unter den Banken, die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die Commerzbank wurden entflochten und dezentralisiert. Es dauerte aber nicht lange, 1957/58 waren die Banken schon wieder zur alten Größe zurückgekehrt. Und das wiederum mit Hilfe des bundesrepublikanischen Staates aufgrund des Gesetzes zur Aufhebung der Beschränkung des Niederlassungsbereiches von Kreditinstituten vom 24.12.1956.


      In der SBZ erfolgte am 23. Juli 1945 die Schließung sämtlicher Privatbanken und deren Ersetzung durch Provinzial- und Länderbanken. (DER SPIEGEL 50/1958 – Das Zündholz)


      Im Westteil Berlins nahm am 13.02.1947 die Stadtverordnetenversammlung ein Gesetz zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Gemeineigentum an. Dieses Gesetz wurde allerdings von der Alliierten Kommandantur gestoppt und nie angewendet.


      In der SBZ wurden infolge eines Referendums in Sachsen am 30. Juni 1946 über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes 1.861 Unternehmen enteignet. In Thüringen, Sachsen-Anhalt, der Mark Brandenburg und Mecklenburg erließen die Länder- und Provinzialverwaltungen im Zeitraum vom 24. Juli bis 16. August 1946 Verordnungen über die Enteignung von Kriegsverbrechern und Nationalsozialisten.

    • Bestrafung der Kriegsverbrecher?

      Dazu erst mal einige Zahlen: Im Jahre 1943 hatte die NSDAP 7,7 Millionen Mitglieder. Bei der berüchtigten Schutzstaffel (SS) gab es im Juni 1944 794.941 Leute, von denen nur ca. 50% NSDAP-Mitglieder waren. Die nicht weniger berüchtigte Geheime Staatspolizei (Gestapo) zählte zum Ende des Dritten Reiches ca. 31.000 und der Sicherheitsdienst des Reichsführer SS (SD) ca. 6.000 Mitglieder. Dazu kamen noch ca. 30.000 V-Leute. (Sicherheitsdienst (SD) des Reichsführers SS | ZbE)


      Von den vielen Hunderttausenden, die sich schwerer und schwerster Verbrechen schuldig gemacht hatten, wurden verurteilt:


      – von Gerichten der 3 westlichen Alliierten 5.006 Personen, davon 794 zum Tode. Ca. 400 der Todesurteile wurden vollstreckt. (NS-VERBRECHEN: Ungleiches Recht – DER SPIEGEL 16/1964)


      – von sowjetischen Gerichten ca. 17.175 Personen. „Wie viele Urteile es zusätzlich in der Sowjetunion gegeben hat, ist unbekannt. Die Zentralstelle in Ludwigsburg schätzt, dass es noch mehr als 20.000 waren.“ (Gedenkstättenforum – Publikation)


      – von der westdeutschen Justiz bis Ende 2005 6.656 Personen, allerdings nur 42,4 %, also 2.822 Personen wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen in KZ’s und Haftanstalten und Massenvernichtung. 17,9 %, also 1.191 Personen wurden wegen Denunziation verurteilt (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Jahrgang 56(2008) Heft 4 – 2008_4.pdf). Auf den Seiten 621 ff. hat Andreas Eichmüller akribisch recherchiert.


      – von der ostdeutschen Justiz 12.879 Personen. (Gedenkstättenforum – Publikation)


      Insgesamt wären das nur ca. 62.000 Personen.

    Im Westen Deutschlands ließen zwei Amnestiegesetze aus den Jahren 1949 und 1954 das Interesse an einer Strafverfolgung der NS-Täter schlagartig erlahmen. „Das „Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit“ 1949 ermöglichte einen Straferlass für Straftaten, die vor dem Stichtag 15. September 1949 begangen worden waren und mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bedroht waren. Ein Gesetz von 1954 stellte alle kriminellen Handlungen, „die unter dem Einfluss der außergewöhnlichen Verhältnisse des Zusammenbruchs in der Zeit zwischen dem 1. Oktober 1944 und dem 31. Juli 1945 in der Annahme einer Amts-, Dienst- oder Rechtspflicht, insbesondere eines Befehls begangen worden sind“ straffrei, sofern die Strafe nicht drei Jahre Gefängnis überschritt.“ (Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen – Historisches Lexikon Bayerns)

    Die im Westen verurteilten und inhaftierten Konzernherren, Patriarchen oder Oligarchen saßen nicht lange in Haft. Nach Begnadigung durch den Hohen Kommissar John Jay McCloy am 31. Januar 1951 kamen die letzten Konzernherren frei, darunter auch Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Im Mai 1958 verließen drei ursprünglich zum Tode verurteilten Einsatzgruppenführer (Massenmörder) die Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech. Nur aufgrund eines sowjetischen Vetos kamen die Verurteilten aus dem 1. Nürnberger Prozess nicht frei, darunter Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, der im Jahre 1987 im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau durch Selbstmord starb.

    Da hatten es die Nazis in der SBZ schon schwerer. Ehemalige NSDAP-Mitglieder wurden aus allen wichtigen Ämtern entfernt. Bis zum März 1948 verloren 520 734 ehemalige NSDAP-Mitglieder ihren Job (Wilhelm Wagner: Die Geschichte der DDR, S. 27). Aber auch hier wurden bei Fachleuten, Spezialisten und Experten beide Augen zugedrückt. Und es gab auch in der SBZ Mitläufer und Akteure Hitlerdeutschlands, die nun trotzdem Karriere machten. In den Akten des Innenministeriums der DDR sind etwa 13 000 führende SED-Mitglieder registriert, die PG (Parteigenossen) der NSDAP waren. (Wilhelm Wagner: Die Geschichte der DDR, S. 27, ISBN: 3-850-033261)

    • Keine Errichtung einer zentralen deutschen Regierung?

    Bei diesem Punkt muss man etwas weiter ausholen: Schon kurz nach Beendigung des Krieges kristallisierte sich heraus, dass das Kriegsbündnis der Alliierten nur ein Zweckbündnis war und dass sich im wesentlichen 2 Supermächte gegenüber standen, die unversöhnlich um den Einfluss in Deutschland kämpften, die UdSSR und die USA. Die einen taten das unter dem Mantel des Kommunismus und die anderen taten dasselbe unter dem Mantel des Antikommunismus.

    Dabei hatte die Sowjetunion (SU) die schlechteren Karten. Ihre Wirtschaft war durch den langen Krieg, in dem die SU die Hauptlast zu tragen hatte, geschwächt. Das versuchte sie durch die Demontage von Produktions- und Infrastrukturanlagen, wie Eisenbahnschienen, -lokomotiven und -waggons in der SBZ auszugleichen. Dadurch wurde aber wiederum die Wirtschaftskraft der SBZ entscheidend geschwächt. Außerdem waren viele der demontierten Anlagen durch unsachgemäße Demontage, Lagerung und Transport nicht wieder verwendungsfähig und hatten nur noch Schrottwert. Deshalb ging die SU ab 1948 verstärkt dazu über, nur noch Entnahmen aus der laufenden Produktion durchzuführen.

    Bis zum März 1947 hatte die SMAD rund 11.800 km Schienenstränge demontiert und abtransportiert, fast auf der gesamten Strecke konnte nur eingleisig gefahren werden. Und im hochindustrialisierten Sachsen waren bis Mitte 1948 etwa 1.000 Betriebe und 250.000 Maschinen in die UdSSR verlagert worden. (Wilhelm Wagner: Die Geschichte der DDR, S. 24)

    Außenpolitisch hatte die SU alle Hände voll zu tun, ihren Einfluss in Osteuropa durchzusetzen und zu erhalten. Den Teil bis zur sogenannten Curzon-Linie, den Polen sich infolge des Polnisch-Sowjetischen Krieges 1919 – 1921 von der SU (mit deren Zustimmung) angeeignet hatte, holte sich die SU zurück. Als Ausgleich dafür bekam Polen ohne Widerspruch der westlichen Alliierten einen Teil Deutschlands, der bis zur heutigen Oder-Neiße-Grenze reicht. Die SU legte auf diese Weise eine Pufferzone zwischen sich und den anderen imperialistischen Mächten, ihren ehemaligen Verbündeten.

    In allen osteuropäischen Ländern kamen nach dem Krieg mit tatkräftiger Unterstützung der KPdSU sich kommunistisch nennende Parteien an die Macht, die Bündnisse mit bürgerlichen Kräften eingingen (z.B. Tschechoslowakei und Ungarn). Die Vereinigung der KPD mit der SPD lag auch auf dieser Linie, (die SPD war ja ideologisch und politisch eher dem bürgerlichen Lager zuzurechnen als dem Lager der Arbeiterklasse). Die SED wollte einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus einschlagen.

    Am 12. März 1947 verkündete der amerikanische Präsident Harry S. Truman vor dem US-Kongress die sog. Truman-Doktrin. Darin hieß es: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Weltgeschichte muss fast jede Nation zwischen alternativen Lebensformen wählen. Nur zu oft ist diese Wahl nicht frei. Die eine Lebensform gründet sich auf den Willen der Mehrheit und ist gekennzeichnet durch freie Institutionen, repräsentative Regierungsform, freie Wahlen, Garantien für die persönliche Freiheit, Rede- und Religionsfreiheit und Freiheit von politischer Unterdrückung. Die andere Lebensform gründet sich auf den Willen einer Minderheit, den diese der Mehrheit gewaltsam aufzwingt. Sie stützt sich auf Terror und Unterdrückung, auf die Zensur von Presse und Rundfunk, auf manipulierte Wahlen und auf den Entzug der persönlichen Freiheiten. Ich glaube, es muss die Politik der Vereinigten Staaten sein, freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen.“

    Was sich so schön freiheitlich anhört, war nur dazu bestimmt, den Einfluss der SU überall auf der Welt zurückzudrängen. Diese Doktrin war die Rechtfertigung für die Intervention der USA in innere Konflikte anderer Nationen, z.B. im Griechischen Bürgerkrieg, im Koreakrieg oder in Vietnam.

    Auf dem Hintergrund dieser Doktrin und des Bruches mit Jugoslawien, das eine eigenständige, westlich orientierte Politik betrieb, veränderte auch die KPdSU ihre Politik. Das Beispiel Titos in Jugoslawien durfte keine Schule machen. Die sich kommunistisch nennenden Parteien in den Ländern Osteuropas gaben das Bündnis mit den bürgerlichen Kräften auf und übernahmen die ungeteilte Macht. Analog dazu wurde die SED zu einer Partei neuen Typus, d.h. zu einer Kaderpartei nach dem Vorbild der KPdSU, umgestaltet. Ein politisches Büro (Politbüro) wurde gebildet, die Glieder der Partei hatten sich dessen Beschlüssen unterzuordnen, straffe Parteidisziplin und Kritik und Selbstkritik wurden installiert. Der besondere deutsche Weg zum Sozialismus wurde auf diese Weise zusammen mit dem demokratischen Aufbau der SED entsorgt.

    Die Vereinigung der sozialdemokratischen mit den kommunistischen Parteien wurde auch in den anderen sowjetisch beeinflussten Ländern durchgesetzt, in der Tschechoslowakei, in Rumänien, Ungarn, Bulgarien und in Polen.

    Die USA hatten es bei der Durchsetzung ihrer Politik leichter. Im Land selber war nichts zerstört. Die Kriegskassen waren prall gefüllt. Und so konnte die USA im Rahmen des European Recovery Program (ERP, auch Marshallplan genannt) ein Füllhorn von fast 14 Milliarden US-Dollar (nach heutigem Wert 100 Milliarden US-Dollar) über Europa ausschütten. Dadurch verschafften sich die USA Sympathien bei der Bevölkerung: Die SU nahm, die USA gaben. Obwohl das Ziel des ERP leicht zu durchschauen war, die Europäer sollten sich nämlich mit dem Geld amerikanische Waren kaufen, wurde das Programm verkauft als Teil des Kampfes gegen den angeblichen Kommunismus. Und da sich die SU mit ihrer Politik und ihren Taten immer mehr Feinde machte, hatte es das westliche Kapital leicht, Stimmung gegen die SU zu machen und die Politik der westlichen Alliierten als freiheitsliebend und gerecht hinzustellen.

    Dabei waren sie es, die die Teilung Deutschlands vorantrieben. Die Politik der SU zielte in Bezug auf Deutschland darauf ab, Deutschland als Ganzes zu neutralisieren, was eine Verbreiterung der Pufferzone bedeutet hätte. Natürlich versprach sie sich davon, Einfluss auf die Entwicklung in ganz Deutschland zu nehmen. Die SU konnte aber nicht davon ausgehen, ganz Deutschland ihrem Machtbereich einzuverleiben, wie es manche Leute auch heute noch behaupten. Denn das hätte zur Voraussetzung gehabt, dass die westlichen Alliierten ihren Einfluss auf Deutschland kampflos aufgegeben hätten. Und davon war ja nun wahrlich nicht auszugehen, denn

    – die amerikanischen Truppen waren sehr viel besser ausgerüstet als die Rote Armee. (So mussten sich Millionen von sowjetischen Soldaten „zu Fuß fortbewegen oder waren auf pferdebespannte oder auch von Kamelen gezogene Fahrzeuge angewiesen.“ (Robert D. Murphy: Diplomat unter Kriegern S. 309, ASIN: B079ZWVNLR). Der amerikanische General George S. Patton schätzte die Lage dem Beauftragten des amerikanischen State Departments Murphy zufolge so ein, dass er mit seinen Divisionen innerhalb von dreißig Tagen Moskau erreichen würde. (Robert D. Murphy: Diplomat unter Kriegern S. 360)

    – und die USA verfügte seit dem 16. Juli 1945 über das alleinige Monopol an Atomwaffen, die es auch nicht zögerte, einzusetzen.

    Es gab Widersprüche zwischen den westlichen Alliierten sowie zwischen politischen Kräften in den USA: So verfolgte Großbritannien anfangs eine andere Strategie in Bezug auf Deutschland. Es trat für freie Wahlen in ganz Deutschland ein, weil es davon ausging, dass die sozialistischen Kräfte aus diesen Wahlen als Verlierer hervorgehen würden. Die USA setzte sich mit ihrer Position durch. Frankreich bestand auf einer sehr schwachen Stellung einer zukünftigen westdeutschen Regierung. Nach der Androhung der Kürzung oder gar des Entzugs der für Frankreich vorgesehenen ERP-Mittel durch die USA fügte sich die französische Regierung.

    In den USA gab es außer dem Plan des amerikanischen Finanzminister Henry Morgenthau, aus Deutschland ein Agrarland zu machen, auch die Idee der Abtrennung des Ruhrgebiets und der Internationalisierung der Kohlegruben und Stahlwerke, sowie die Idee der Bildung einer Konföderation Österreichs mit den Ländern Bayern, Baden und Württemberg mit Wien als Bundeshauptstadt. (vgl. Robert D. Murphy: Diplomat unter Kriegern S. 329)

    • Die einzelnen Stationen zur Teilung Deutschlands:

    Nach langwierigen Verhandlungen wurden von den Großen Drei (Sowjetunion, USA und Großbritannien) im Londoner Abkommen vom 12. September 1944 (also 8 Monate vor der Kapitulation) die Grenzen der Einflussgebiete festgelegt. Auch Berlin wurde in 3 Sektoren aufgeteilt. Auf der Dreimächtekonferenz in Potsdam im Juli und August 1945 wurde die Vorgehensweise der Großen Drei gegenüber Deutschland und angrenzenden Staaten wie z.B. Polen präzisiert und ein Alliierter Kontrollrat eingerichtet, der alle Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen einstimmig zu beschließen hat. (Frankreich wurde erst später in den Bund mit aufgenommen).

    Im Dezember 1946 aber wurden die britische und die amerikanische Besatzungszone ohne Zustimmung des Alliierten Kontrollrates zur Bizone verschmolzen, die im März 1948 mit der französischen Besatzungszone zur Trizone zusammengelegt wurde. In den USA wurde die am 21. Juni 1948 in den westlichen Besatzungszonen durchgeführte Währungsreform langfristig vorbereitet. Hier wurden die DM-Scheine gedruckt und unter strengster Geheimhaltung in die westlichen Besatzungszonen gebracht und verteilt. Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) wurde mit dieser Aktion völlig überrascht. Sie musste auf diesen einseitigen von langer Hand geplanten Schritt reagieren. Um eine Desorganisation der sowjetischen Zone und Groß-Berlins und eine Überschwemmung der SBZ mit alten wertlos gewordenen Geldscheinen aus den Westzonen zu verhindern, führte sie am 23. Juni 1948 eine eigene Währung für die SBZ ein. Das geschah durch Aufkleben von Koupons auf die alten Geldscheine. Mit der Einführung der DM war das Tauziehen um den Einfluss der Siegermächte in Deutschland voll entbrannt.

    Ein besonderer Zankapfel bei diesem Ringen war das auf dem Boden der SBZ gelegene Berlin. Berlin hatte enge wirtschaftliche Verbindungen mit der SBZ. Folgerichtig versuchte die SMAD, die Ostmark auch in den Westsektoren von Berlin einzuführen. Das aber wurde von den westlichen Alliierten abgelehnt. Die westlichen Stadtkommandanten ordneten im Gegenzug an, die DM, mit einem B-Stempel versehen (Bärenmark), ab dem 24. Juni 1948 in den Westsektoren in Umlauf zu bringen. Als geschickten Schachzug ließen sie zu, dass man mit der Ostmark auch in den Westsektoren bezahlen konnte, was umgekehrt für die Westmark nicht galt.

    Noch am gleichen Tag wurden die Straßen- und Eisenbahnverbindungen Westberlins nach Westdeutschland durch die SU unterbrochen. Ziel dieser Maßnahme war es, einen Abzug der westlichen Alliierten aus Berlin zu erzwingen. Das stand aber dem Interesse der USA, die nach anfänglichem Zögern den Wert Westberlins als Pfahl im Fleisch des Gegners und dementsprechenden Unruheherd erkannt hatten, diametral entgegen. Und so konnten sich die westlichen Alliierten den Berlinern erkenntlich zeigen, indem sie eine mit viel Propagandaaufwand begleitete Luftbrücke durchführten.

    Die Luftbrücke war ein einschneidendes Erlebnis im Leben der Westberliner, deren Nachwirkungen noch heute zu spüren sind.

    Sie versorgte Berlin 322 Tage lang über 3 Luftkorridore mit lebensnotwendigen Materialien. Die SU hatte schon vor der Blockade kleinere Verkehrsbeschränkungen vorgenommen. Doch diese Nadelstiche schürten bei der Bevölkerung der Westzonen das ohnehin schon vorhandene Misstrauen. (Das schändliche Verhalten von vielen Soldaten der Roten Armee bei der Einnahme Berlins war noch in guter Erinnerung. Das schändliche Verhalten der deutschen Soldaten in der SU und die Tatsache, dass die Soldaten der anderen Alliierten auch Frauen vergewaltigt haben, wurde schnell vergessen.)

    Die Blockade war aber keineswegs vollständig. Die Verkehrswege innerhalb Berlins und der SBZ waren von der sowjetischen Blockade nicht betroffen. Die Berliner U- und S-Bahnen verkehrten ohne jede Einschränkungen. Die Westberliner Bevölkerung und Firmen konnten ungehindert im Ostsektor der Stadt und in der SBZ einkaufen. Die Berliner nutzten die Verkehrsverbindungen zu Lande und zu Wasser, um im großen Stil hamstern zu fahren. Der SED- Landesvorsitzende Matern sprach von täglich 200.000 zersetzenden Berlinern, die die Ostzone ausplünderten. Deshalb kam es auch zu Beschlagnahmungen der Hamsterware durch Volkspolizisten.

    Ab dem 24. Juli 1948 konnten sich Westberliner in Ostberlin registrieren lassen, um Lebensmittel und Heizmaterial auf Karten zu bekommen. Es wurden zu den bestehenden 10 Kartenstellen im Ostteil zusätzlich 33 Nebenstellen eingerichtet, um den erwarteten großen Andrang zu bewältigen. Registrieren ließ sich aber nur ein verschwindend geringer Teil der Westberliner Bevölkerung. Der Tagesspiegel geht von insgesamt 103.000 im März 1949 aus. (Geschichte Berlins: Die andere Seite der Blockade – Geschichte – Politik – Tagesspiegel) Das sind ungefähr 4 % der damaligen Einwohnerzahl. Die geringe Anzahl von Abnehmern führte dann zu der Situation, dass bereit gestellte Lebensmittel, die den Bewohnern der SBZ vom Munde abgespart wurden, in den Berliner Lagerhäuser verrotteten. Vielen Bewohnern der SBZ ging es zur Blockadezeit entschieden schlechter als West- und auch Ostberlinern, wobei die Ostberliner etwas schlechter versorgt waren als ihre Westberliner Nachbarn. Es kam in der SBZ zu Mangelerscheinungen wie Ödeme, Herzmuskelschwäche, Magen- und Darmerkrankungen oder Sehstörungen aufgrund von Unterernährung. Auch das wirkt bis in die heutige Zeit nach. Es zeigt sich z.B. an der Ablehnung der Brandenburger, eine politische Einheit mit Berlin zu bilden.

    Auch der Handel zwischen den westlichen Sektoren Berlins und der SBZ und den westlichen Besatzungszonen funktionierte trotz Blockade und der im September 1948 von den westlichen Alliierten verhängten Gegenblockade (ab diesem Zeitpunkt eingeschränkt) sehr gut. Am 23. Oktober 1948 kam der US-Nachrichtendienst „zu der Einschätzung, dass das Volumen des Handels zwischen den Westsektoren und dem Ostsektor bzw. der SBZ weit über das der Luftbrücke hinausging. Der überwiegende Teil des Bedarfs der Bevölkerung und der Industrie, so die Nachrichtendienstler, werde noch immer durch die Ost-West-Geschäfte gedeckt.“ (Volker Koop: Kein Kampf um Berlin? ISBN: 3-416-02754X, S. 223/224)

    Beim Handel zeigte es sich, dass die Firmen aus den Westsektoren Deutschlands und auch westdeutsche Politiker kein großes Interesse an Berlin hatten:

    Der spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard z.B. sprach sich strikt gegen eine Einbeziehung der Westsektoren Berlins in die Währungsreform der Westzonen aus, die er nicht für möglich hielt. (Volker Koop: Kein Kampf um Berlin? S. 42)

    Westlichen Firmen war es nur recht, sich die unliebsame Berliner Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Über die Luftbrücke wurden zum größten Teil Fertigwaren transportiert, z.B. Mehl in teilweise mieser Qualität. Dadurch wurden aber den Berliner Getreidemühlen die Rohstoffe entzogen. Sie wurden stillgelegt, die Belegschaft wurde arbeitslos und lag dem Westberliner Magistrat noch zusätzlich auf der Tasche.

    Dasselbe geschah mit den Zigarettenfabriken in den Westzonen Berlins. Trotz dringender Bitten, die Fabriken mit Rohtabak zu versorgen, wurden „riesige Mengen fertiger, im Westen versteuerter Zigaretten nach Berlin eingeflogen, die vor allem aus amerikanischer Produktion stammten und die der Magistrat zu zahlen hatte. Nicht nur Arbeitsplätze gingen auf diese Weise verloren, es entstanden auch zusätzliche, vermeidbare Lager- und Transportkosten.“ (Volker Koop: Kein Kampf um Berlin? S. 102)

    Die dringende Bitte des Magistrats, die moderne Kreuzberger Staatsdruckerei mit dem Druck von Geldscheinen bzw. Postwertzeichen zu beauftragen, wurde von den mit Deutschen besetzten Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (VWG) abgelehnt. Stattdessen planten sie die Wiedererrichtung einer Zentralen Druckerei an anderer Stelle. Auch die Post und die Bank Deutscher Länder erteilten der Staatsdruckerei eine Absage.

    Berlins Oberbürgermeister Ernst Reuter schrieb daraufhin an den Oberdirektor des westdeutschen Wirtschaftsrates Dr. Hermann Pünder, dass „der Erfolg einer solchen Politik (…) nur sein (kann), dass man das Wirtschaftsleben Berlins systematisch aushöhlt“. (Volker Koop: Kein Kampf um Berlin? S. 96)

    Ganz nebenbei konnten die beteiligten Unternehmen mit der Luftbrücke schöne Gewinne machen. „Allein die Lieferung von Säcken für den Kohletransport brachte britischen Konzernen die beachtliche Summe von 5,8 Millionen DM.“ (Joachim Mitdank: Berlin zwischen Ost und West, ISBN: 3-897-06880X, S. 46)

    Westdeutsche Unternehmen produzierten in den ersten Monaten der Blockade am Berliner Bedarf vorbei eher Trockengemüse, weil mit ihm mehr Geld zu verdienen war, als mit Trockenkartoffeln. (Volker Koop: Kein Kampf um Berlin? S. 116)

    Nach Beendigung der Blockade musste der Westberliner Magistrat die eingelagerten Vorräte an Trockengemüse und Trockenkartoffeln übernehmen und sie kostenlos an Futtermittelgroßhändler abgeben, weil sie unverkäuflich waren. Nach Berechnung durch das Institut für Besatzungsfragen in Tübingen belief sich der sich hierdurch ergebende Blockadeverlust auf 48.8 Millionen DM. (Volker Koop: Kein Kampf um Berlin? S. 115. Das Buch des Journalisten Volker Koop sticht durch seine akribische Aufarbeitung der damaligen Geschehnisse hervor.)

    Zusammenfassend kann man sagen, dass Westberlin nur aufgrund des strategischen Interesses der westlichen Alliierten, besonders der USA, gehalten wurde.

    Das Leben nach dem Krieg war schon nicht einfach, aber durch die Blockade war das Leben noch beschwerlicher geworden. Die ständige Suche nach etwas Essbarem oder Heizmaterial kostete viel Kraft und Zeit. Die Verursacher waren schnell ausgemacht: Die Kommunisten waren schuld. Dass diese Vorgänge aber auf den Kampf zwischen imperialistischen Supermächten um Einflussgebiete (ein Kampf, wie er heute z.B. wieder in der Ukraine oder in Syrien zu beobachten ist) zurückzuführen ist, diese Einsicht wurde durch die gegenseitigen Anschuldigungen und den täglichen Kampf ums Überleben zunichte gemacht. Entweder man stellte sich auf die eine oder auf die andere Seite. Eine dritte Seite konnte sich gar nicht erst entwickeln.

    Dabei gingen die westlichen Imperialisten wesentlich geschickter als die SU vor. Während sich vor allen die USA für ihre strategischen Ziele den Rückhalt bei der Bevölkerung sicherte, war die SU bei der Durchsetzung ihrer strategischen Ziele nicht zimperlich. Sie nahm die Westberliner Bevölkerung einfach in Geiselhaft und die Werktätigen in der SBZ durften für diese Politik hart arbeiten und bekamen obendrein noch zu wenig zu essen. Die westlichen Imperialisten wissen und wussten, dass es immer um Vertrauen geht, das man erringen muss. Auch Ludwig Erhard formulierte, dass Vertrauen der wichtigste Rohstoff in einer Ordnung der sozialen Marktwirtschaft sei. Denn hast du das Vertrauen erst mal gewonnen, kannst du die Leute in deinem Sinn beeinflussen.

    Und als die Westberliner die nicht enden wollende Reihe von Flugzeugen sahen und hörten, die bei Tag und Nacht den Nachschub heranschafften, da war es ganz klar, zu wem sie Vertrauen fassten. Sie erlebten am eigenen Leib, dass die westlichen Alliierten sie nicht im Stich ließen. Was sich hinter den Kulissen abspielte, war ihre Sorge nicht. Es entstand ein Gruppenzwang. Die Nachbarn übten Druck und Kontrolle auf diejenigen aus, die nicht so dachten wie die Mehrheit. Diejenigen, die das Angebot annahmen und sich im Ostteil der Stadt für Lebensmittelkarten registrieren ließen, wurden als Außenseiter und Verräter angesehen und behandelt. Das führte dazu, dass sich sogar nicht alle Mitglieder der SED trauten, sich im Osten registrieren zu lassen. (Hinweis: Der amerikanische Professor für Journalismus und Soziologie W. Phillips Davison hat in seinem Buch Die Blockade von Berlin (ASIN: B0021MGLVM) ab S. 363 die Gründe für das Verhalten der Westberliner mithilfe einer Leserumfrage der Zeitung Abend beleuchtet.)

    Der Erfolg der Blockade war, dass die SU und mit ihr der Kommunismus in den Augen der Bevölkerung völlig und gründlich diskreditiert waren und die westlichen imperialistischen Staaten als die großen Helfer und Retter gefeiert wurden.

    Es folgte am 23. Mai 1949 die endgültige Teilung Deutschlands mit der Gründung des Separatstaates Bundesrepublik Deutschland. Das wiederum zog am 7. Oktober 1949 die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach sich.

    • Entfernung aller Mitglieder der nazistischen Partei aus den Ämtern und von den verantwortlichen Posten in wichtigen Privatunternehmen?

    Es wurde schon weiter oben ausgeführt, dass die Siegermächte eine selbständige antifaschistische Neuordnung in Deutschland verhinderten. Im Westen Deutschlands waren es nicht nur einige Hundert, sondern einige Hunderttausend der alten Funktionseliten, Unternehmer, Manager, Politiker, Mediziner, Offiziere, Juristen, Journalisten, die wieder zu Rang und Ansehen kamen.

    Hier nur eine kleine Auswahl aus der Welt der Banken, Konzerne und Politik, aufgeführt in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen:

    1.  Abs, Hermann Josef                                                               
    2.  Ambros, Otto                                                                          
    3.  Best, Werner                                                                           
    4.  Flick, Friedrich                                                                        
    5.  Goetz, Carl                                                                               
    6.  von Halt, Karl Ferdinand                                                          
    7.  ter Meer, Fritz                                                                           
    8.  Mückter, Heinrich                                                                     
    9.  Neckermann, Josef     
    10.  Quandt, Günter
    11.  Rasche, Karl
    12.  Reemtsma, Philipp Fürchtegott
    13.  Ries, Fritz
    14.  Rohland, Paul Walter
    15.  Schleyer, Hanns Martin
    16.  Schmitz, Hermann
    17.  Strauß, Franz Josef
    18.  Zangen, Wilhelm                                                             

    1. Hermann Josef Abs, ist ein Paradebeispiel dafür, welche Art von Menschen durch das kapitalistische System in die beherrschenden Stellungen gebracht werden, weil sie dort gebraucht werden. Er hatte einen exzessiven Hang zur Selbstdarstellung, war nach Aussagen eines Mitarbeiters eitel bis zur Menschenverachtung und legte ein despotenhaftes Verhalten an den Tag. Seinen Namen pflegte er so zu buchstabieren: „A wie Abs, B wie Abs und S wie Abs.“ Er war, obwohl nicht Mitglied der NSDAP, von 1938 – 1945 Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und damit der größte Financier des 2. Weltkrieges. Er war Mitglied des Aufsichtsrats in über 40 Banken und Industriekonzernen, z. B.:

    – bei der Kontinentale Öl AG, die im März 1941 von Göring gegründet wurde, um ein deutsches Ölmonopol in Europa zu schaffen. Die AG erwarb den Kern ihres ersten Aktienbesitzes der beiden größten rumänischen Ölgesellschaften, von der Deutschen Bank, die diese Anteile ihrerseits von den ehemaligen französischen und belgischen Besitzern übernommen hatte.

    – bei der IG Farben, die, wie schon ausgeführt, für 900 Millionen Reichsmark ein Bunawerk in der Nähe des Vernichtungslagers Auschwitz baute. 25.000 Häftlinge starben auf der Baustelle oder im Außenlager Monowitz, das von der SS für die IG Farben betrieben wurde.

    – bei der Pittler AG, die Werkzeugmaschinen herstellte, mit denen Waffensysteme und Munition produziert werden konnten. Abs ließ sich vierteljährlich über die Kosten, die Anzahl der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen und deren Herkunft berichten. Aufgrund der zunehmenden Luftangriffe der Alliierten wurde die Hydraulikproduktion einer Tochterfirma der Pittler AG, der Mechanik GmbH Rochlitz (Aufsichtsratschef: Abs) in das unterirdische Salzbergwerk Wansleben bei Halle verlegt. Ein geheimes KZ mit dem Tarnnamen „Kali-Werk Georgi“ entstand. „In dem unterirdischen Moloch mussten Häftlinge, beaufsichtigt von der SS und angeleitet von Facharbeitern, unter unmenschlichen Bedingungen in 385 Meter Tiefe bei 30 Grad Hitze schuften, in Maschinennähe waren es sogar 55 Grad. Prügelorgien der SS und stundenlange Appelle waren an der Tagesordnung. „Fluchtversuche endeten am Galgen. Die Häftlinge mussten stundenlang um die Aufgehängten herum marschieren“, so Heinz Scharf, der das als Hitlerjunge einst vom Hügel aus beobachtete.“ (ZEITGESCHICHTE: Geheimes KZ im Untergrund – DER SPIEGEL 19/2006)

    Abs besaß das volle Vertrauen der führenden Nazis. Er kaufte 1940 in Görings Auftrag deutsche Auslandsanleihen im neutralen Schweden mit erbeutetem Gold aus der Niederländischen und der Belgischen Notenbank – wofür ihm Göring 293.000 Reichsmark zahlte.

    Abs pflegte intensive Geschäftsbeziehungen zur Spitze des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW). Z.B. hatte er enge Kontakte zum Chef der Abteilung I (Geheimer Meldedienst, zuständig für Auslandsspionage und Nachrichtenbeschaffung), Oberst Hans Piekenbrock. Dieser Kontakt gestaltete sich zum gegenseitigen Vorteil, denn Abs war sowohl als Agent der Abwehr als auch als deren Auftraggeber tätig (nachzulesen bei Julius Mader, Hitlers Spionagegenerale sagen aus, ASIN: B0000BSGI8).

    Abs wurde nach dem Sieg über den Faschismus gemäß Anweisung der Alliierten von seinem Vorstandsposten suspendiert und für etwa drei Monate inhaftiert, wurde aber schon kurz darauf Finanzberater in der britischen Besatzungszone. Ein kometenhafter Wiederaufstieg begann: Er war von 1948 bis 1952 Vorstandsvorsitzender der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), ab 1952 Sprecher des Vorstands in der Süddeutschen Bank AG München, und 1957 auch Sprecher des Vorstands der wiedervereinten Deutschen Bank in Frankfurt am Main.

    Wiederum rückte er in Vorstände, bzw. Aufsichtsräte von 20 Firmen ein, u.a. Badische Anilin und Soda, Siemens, Daimler-Benz, Lufthansa, Deutsche Bundesbahn, Dortmund Hörde Hüttenunion, RWE (Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk).

    Abs stieg nach den Worten von David Rockefeller zum „führenden Bankier der Welt“ auf.

    Er wurde enger Vertrauter und Finanzberater von Bundeskanzler Konrad Adenauer und verhandelte mit den USA über Wirtschaftskredite. Er leitete 1952 in London die Delegation der Bundesrepublik bei den Verhandlungen zur Regelung der deutschen Auslandsschulden. Anfang 1953 endeten die Gespräche mit dem Londoner Schuldenabkommen, welches mit der Halbierung der Schulden, der Minimierung der aufgelaufenen Zinsen, mit der Zahlung von 14 Milliarden DM in kleinen jährlichen Raten und einem Moratorium der Reparationen bis zu einem Friedensvertrag endete. (Diesen Friedensvertrag gibt es bis heute noch nicht. Im Rahmen des Zwei-plusVier-Vertrages vom 12. September 1990 wurden die deutschen Reparationszahlungen abschließend geregelt. Der Vertrag sah keine Zahlungen mehr vor. Der Vertrag durfte auf keinen Fall Friedensvertrag heißen, weil er dann nämlich alle ehemaligen Kriegsgegner auf den Plan gerufen hätte, die ihre Ansprüche geltend gemacht hätten.) 1988 waren die letzten Schulden bezahlt. Zwangsarbeitern aus dem Ausland wurden mit dem Hinweis auf dieses Abkommen von deutschen Unternehmen und Gerichten bis in die 1990er Jahre Entschädigungen verweigert. So wurden die Zwangsarbeiter, die vorher bis aufs Blut in den von Abs beaufsichtigten Betrieben ausgesaugt wurden, von Abs, der Bundesregierung und den Gläubigerstaaten um eine Entschädigung betrogen.

    Er verstarb im Februar 1994 als hochgeehrter Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem.

    Es wurde Abs zugute gehalten, dass er auch Kontakte zum sog. Widerstand hatte. Abs wäre ein schlechter Vertreter des Kapitals gewesen, wenn er nicht zu allen gesellschaftlich relevanten bürgerlichen Kräften, natürlich auch im Militär, Verbindungen gehabt hätte. Wenn heute Konzerne alle wichtigen bürgerlichen Parteien mit Spenden versehen, ist das nichts anderes.

    Vor Gerichten wurde darum gestritten, was und wieviel Abs von den Zuständen in den KZ’s und Arbeitslagern wusste, um ihm eine persönliche Schuld nachzuweisen. Abgesehen davon, dass so ein Nachweis immer schwierig zu führen ist, ist diese Fragestellung müßig und führt am Kernproblem vorbei. Für Abs galt nur eine Moral und das war die Moral des Geldes und der Vermehrung des Kapitals. Über die Effektivität der Ausbeutung der Beschäftigten war er immer bestens informiert. Und wenn ihm diese Ausbeutung zu niedrig war, intervenierte er. Wie die Ausbeutung maximiert wurde, war dann das Problem der anderen. Er war einer, der im Hintergrund die Fäden zog und dabei bediente er sich virtuos des faschistischen Staates; so wie sich das Kapital jeden Staat zunutze macht.

    2. Otto Ambros ging 1919 als Zeitfreiwilliger zu einem Freikorps. Er war ab 1926 bei BASF im Werk Oppau, ab 1934 Prokurist bei der I.G. Farben und ab 1935 als Leiter des neuen Bunawerkes in Schkopau tätig. Er war der Giftgas- und Bunaexperte der I.G. Farben im „Sonderausschuß C“ zur Entwicklung chemischer Kampfstoffe und war federführend an der fabrikmäßigen Herstellung der in den Labors der I.G. Farben von Gerhard Schrader entwickelten chemischen Kampfstoffe Sarin und Tabun beteiligt. (Sarin und Tabun wurden in großen Mengen hergestellt, kamen im 2. Weltkrieg aber nicht zum Einsatz. Nach Kriegsende wurden durch die britische Militärveraltung große Mengen mit Tabun gefüllte Granaten in die Nordsee südlich von Helgoland versenkt. Heute wäre eine Bergung gefährlicher als das Liegenlassen (Umwelt: Bergung von Nordsee-Giftgasgranaten zu riskant – WELT). Tabun ist mäßig wasserlöslich. Höchstwahrscheinlich sind schon viele Granaten verrottet und das Nervengift ausgetreten, mit unbekannten Folgen. Die Bundesregierung kümmert sich nicht darum, was da unten passiert. 1937 trat er in die NSDAP ein und war von 1938 bis zum Kriegsende 1945 Vorstandsmitglied des Technischen und Chemischen Ausschusses der I.G. Farben. Ambros beriet Carl Krauch ab 1940 bei der Erstellung des Vierjahresplans als Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung. Als Wehrwirtschaftsführer für „Chemische Kampfstoffe“ erläuterte Ambros Mitte Mai 1943 im Führerhauptquartier Adolf Hitler persönlich die Auswirkungen der Nervengifte Sarin und Tabun. Er war Geschäftsführer einer Tochter der I.G. Farben, der Anorgana GmbH, die in der Fabrik Dyhernfurth bei Breslau die Giftgase Sarin und Soman, sowie in der Fabrik Gendorf den chemischen Kampfstoff Senfgas (Lost) herstellte.

    Ambros, der den „Arbeitseinsatz“ von KZ-Häftlingen befürwortete, leitete zudem die Abteilung Textilhilfsmittel und den Sonderausschuss Kunststoffe im Reichsministerium für Bewaffnung und Munition (Minister: Fritz Todt und nach dessen Tod Albert Speer). 1944 wurde ihm das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes verliehen.

    Nach Kriegsende wurde er zu acht Jahren Haft verurteilt, aber 1952 nach drei Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen.

    Nach seiner Freilassung übernahm er zahlreiche Aufsichtsratsposten: bei den Süddeutschen Kalkstickstoffwerken, bei Scholven Chemie, Pintsch Bamag, Knoll, Feldmühle, Telefunken, Chemie Grünenthal. Grünenthal stellte das Medikament Contergan her. Und da außer Ambros noch andere Chemiker der I.G. Farben und ehemalige Nazi-Ärzte wie Heinz Baumkötter und Heinrich Mückter (s.u.) bei Grünenthal ein neues Betätigungsfeld fanden, schrieb der Spiegel im Februar 2009: „Der Sprecher der rund 450 britischen Contergan-Opfer behauptet, dass KZ-Ärzte den fatalen Wirkstoff Thalidomid bereits während des Krieges in Auschwitz-Monowitz als Gegenmittel zum Nervengas Sarin entwickelt hätten. Das gehe aus einem neu entdeckten Dokument hervor.“ (MEDIKAMENTE: Gerüchte um Schlafmittel Contergan – DER SPIEGEL 8/2009)

    Grünenthal behauptete stets, den Wirkstoff selbst entwickelt zu haben. Das Gegenteil konnte nicht bewiesen werden, weil die Inhaber der Firma, die Familie Wirtz den Zugang zum Firmenarchiv verweigert. Ambros war außerdem Berater von Konrad Adenauer, Friedrich Flick und des in einen Asbestskandal verwickelten amerikanischen Konzerns W. R. Grace and Company. Nach seinem Ableben am 23.07.1990 wurde er in einer Todesanzeige durch die BASF/Knoll AG gewürdigt: „Eine ausdrucksvolle Unternehmerpersönlichkeit von großer Ausstrahlungskraft.“ (Wollheim Memorial)

    3. Dr. Werner Best, der Verfasser der Boxheimer Dokumente, stand im hessischen Justizdienst und war in Hessen ein prominenter Nazi- und SS-Führer. Das gegen ihn wegen dieser Dokumente von der Reichsanwaltschaft sofort eingeleitete Strafverfahren wegen Verdachts der Vorbereitung zum Hochverrat wurde bald wegen angeblichem Mangel an Beweisen eingestellt. Dr. Best wurde 1933 Chef der hessischen Polizei und übernahm dann eine leitende Stellung bei der Gestapo und im Sicherheitshauptamt der SS. 1939-1940 war er Chef einer Einsatzgruppe in Polen, die rund zehntausend Angehörige der politischen Intelligenz ermordete. Von 1942 bis Kriegsende hatte er im besetzten Dänemark das Amt eines Reichsbevollmächtigten inne. Er wurde 1945 in Dänemark zum Tode verurteilt, aber schon 1951 zu einer Freiheitsstrafe begnadigt, aus der Haft entlassen und in die Bundesrepublik abgeschoben.

    Nach seiner Ausweisung in die Bundesrepublik fand Best in Essen schnell als Jurist (ohne Anwaltszulassung) in der Kanzlei von Ernst Achenbach, der sich als Rechtsanwalt und FDP-Politiker für die Rehabilitierung von NS-Tätern einsetzte, eine Stelle.

    In dieser Kanzlei arbeitete Best sowohl juristisch wie publizistisch intensiv an der Rehabilitierung von NS-Belasteten. Mitglieder der Gestapo und Beamte des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) wurden bevorzugt. Er übernahm die Koordination der Kampagne für eine Generalamnestie, die die Kanzlei Achenbach durch zahlreiche Presseerklärungen, die monatlich an Redaktionen verschickt wurden, und persönliche Einflussnahme auf Meinungsträger auch im Deutschen Bundestag zu fördern suchte.

    1957 wurde er auf Vorschlag eines Mitglieds der Familie Stinnes Justitiar und Direktoriumsmitglied der Hugo-Stinnes Industrie- und Handels GmbH und es gelang ihm in kurzer Zeit der Aufstieg ins gehobene Bürgertum.

    Mit Einverständnis und Förderung durch Stinnes stand er weiterhin über viele Jahre hinweg ehemaligen Kollegen und Mitarbeitern aus der Gestapo juristisch zur Seite.

    Einfallstor war dabei der Artikel 131 des Grundgesetzes, der die Wiedereinstellung ehemaliger Beamter in den Staatsdienst ermöglichte, sofern sie von ihren Posten „verdrängt“ worden waren. Ursprünglich für politisch und rassisch Verfolgte des NS-Staates sowie für aus den Ostgebieten und der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) vertriebene Beamte geschaffen, wurden auch Beamte, die nach 1945 von den Westalliierten wegen ihrer NS-Belastung entlassen worden waren, wieder in Dienst genommen.

    Das umfasste auch ehemalige Beamte der Gestapo, der Ordnungspolizei und des RSHA, allerdings nur, wenn sie als „Mitläufer“ eingestuft wurden, oder wenn sie nachweisen konnten, zur Gestapo versetzt worden zu sein. Best gab bis in die 1960er Jahre Hunderte eidesstattliche Versicherungen ab, die ehemaligen Beamten der Gestapo bescheinigten, durch Versetzung und ohne besondere nationalsozialistische Überzeugung zur Gestapo gekommen zu sein. Er erreichte so deren Wiedereinstellung oder zumindest Entschädigungszahlungen.

    Best betätigte sich auch schriftstellerisch. Er verfasste eine Verteidigungsschrift für das RSHA, die er Die Gestapo nannte. Hier verteidigte er seine alte Behörde als rein sachlich orientiertes Instrument in den Händen des Staates, das mit der Judenvernichtung als „polizeifremder Aufgabe“ im Rahmen der Amtshilfe betraut worden sei und insgesamt nur insoweit als verbrecherisch zu bezeichnen sei, als jede Polizei verbrecherisch sei, sobald ihr Staat einen Krieg verloren hat. Auch dort, wo es zu Verbrechen gekommen sei, seien diese im Befehlsnotstand erfolgt und nicht den beteiligten Beamten zuzurechnen.

    Irgendwann dämmerte es dann auch der westdeutschen Justiz, dass Best nicht nur ein Mitläufer, sondern einer der Haupttäter war. Es wurde Anklage erhoben, er konnte sich aber immer wieder der Schlinge um seinen Hals entziehen, z.B. unter Hinweis auf seine angegriffene Gesundheit. Am 13. April 1989 stellte der medizinische Gutachter eine partielle Verhandlungsfähigkeit fest, und die Staatsanwaltschaft stellte am 5. Juli 1989 einen Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens.

    Zu diesem Zeitpunkt lebte Werner Best jedoch nicht mehr. Er war am 23. Juni 1989 gestorben.

    4. Friedrich Flick, wurde 1915, gerade mal 32 Jahre alt, Mitglied des Vorstandes der Charlottenhütte, einer Eisenhütte in Niederschelden, und 1917 deren Generaldirektor.

    Mit eigenen Ersparnissen und Bankkrediten verschaffte er sich bis 1918 die Mehrheit der Anteile an diesem Werk. Flick verwandelte die Charlottenhütte in eine Goldgrube. Er setzte ein neues Verfahren ein, das es ermöglichte, die Hochöfen nicht nur mit Erz, sondern auch mit Stahlspänen zu füttern, die sich bei den eisenverarbeitenden Betrieben zu Bergen türmten. Niemand wollte damals die Späne haben, weil sie den Luftdurchzug im Hochofen blockierten. Flicks neue Hochöfen aber schluckten die Späne anstandslos.

    Gestützt auf die erste Million in Charlottenhütte-Aktien, machte der junge Flick nach dem ersten Weltkrieg die tollsten Geschäfte. Er setzte wie manch anderer Finanzjongleur in dieser Zeit der Inflation und des Börsentaumels jede Mark, die er einnahm oder sich von den Banken noch borgen konnte, sofort in Sachwerte um, tilgte dann seine Schulden mit völlig wertlosem Bargeld, verkaufte aber die heißbegehrten, staatlich subventionierten Erzeugnisse seiner Betriebe nur noch gegen Devisen, Rohstoffe oder Aktien. 1924, als die deutsche Inflation endete, zählte er zu deren großen Gewinnern. Er war 41 Jahre alt und bereits ein Industriemagnat mit einigen hundert Millionen Mark neuer, stabiler Währung und weit gestreutem Konzernbesitz.

    1925/26 geriet die deutsche Stahlindustrie in eine Absatzkrise und schloss sich zusammen. Der wichtigste Zusammenschluss war die Vereinigte Stahlwerke AG, (Stahlverein) zu dem sich Thyssen, Rheinstahl, Phoenix und auch Flick zusammenfanden.

    Für die Einbringung aller Charlottenhütte-Betriebe bekam Flick 20 Prozent der Stahlvereins-Aktien, und damit gehörte ihm genau ein Fünftel des neuen Konzerns, der seinerseits fast die Hälfte der gesamten Stahlerzeugung und rund ein Drittel der Kohleförderung des Deutschen Reiches beherrschte.

    Knapp vier Jahre später, mitten in der Weltwirtschaftskrise, die fast 10 Millionen Deutsche arbeitslos machte, verschaffte sich Flick durch einen Trick die Mehrheit des Stahlverein-Kapitals, ohne dass er auch nur eine Mark zusätzlich investiert hatte:

    Die Mehrheit der Stahlverein-Aktien war im Besitz der Gelsenkirchener Bergwerks-AG (Gelsenberg) gewesen. Wer Gelsenberg beherrschte, hatte damit auch den Stahlverein in der Tasche. Also verkaufte Flick seinen Stahlverein-Anteil und erwarb mit dem Erlös Gelsenberg-Aktien. Das reichte, um sich die Kontrolle über Gelsenberg und damit über den ganzen Stahlverein zu verschaffen, und so hatte er plötzlich die beherrschende Stellung in der Montanindustrie und damit im gesamten Wirtschaftsleben des krisengeschüttelten Reiches.

    Der große Coup kam aber noch, der ihn in den Jahren des Elends und der Massenarbeitslosigkeit zum reichsten Mann Deutschlands machen sollte: Im November 1931 kam an den Börsen das Gerücht auf, der Crédit Lyonnais, die stärkste Bank Frankreichs, wolle sich die deutsche Not zunutze machen und mit einem Schlag die Kontrolle über die Industrie des Ruhrgebiets erobern, mit Hilfe der Gelsenberg-Mehrheit. Gelsenberg-Aktien wurden an den Börsen nur noch zu 20 Prozent des Nennwerts notiert und die Franzosen sollten schon 100 Prozent geboten haben. Die Nachricht kam angeblich aus Paris und soll durch den Hinweis gewürzt gewesen sein, daß Crédit Lyonnais im Auftrage der französischen Rüstungsfirma Schneider-Creusot vorfühle.

    Die Brüning-Regierung trat daraufhin eiligst zu einer Sondersitzung zusammen und beschloss, den Ausverkauf des Ruhrgebiets um jeden Preis zu verhindern.

    Zwar waren die Kassen leer, Renten, Beamtengehälter und Unterstützungssätze waren schon drastisch gekürzt worden. Aber dennoch, darin waren sich Regierung und Reichswehr-Generalität einig, die Ruhrindustrie durfte nicht den Franzosen ausgeliefert werden. Also verhandelte Reichsfinanzminister Dr. Dietrich mit Flick, und am Ende kaufte das arme Reich die Gelsenberg-Mehrheit zum Vierfachen des Kurses (aber immer noch unter dem Preis, den die Franzosen angeblich geboten hatten). Denn Flick wollte als guter Patriot erscheinen. Außerdem spendete er dem Finanzminister Dietrich und dem Kanzler Brüning (Katholisches Zentrum) zusammen rund eine Million Reichsmark für deren Wahlfonds.

    Mit derselben Skrupellosigkeit riss sich Flick in der Zeit des Nationalsozialismus jüdische Konzerne unter den Nagel. Sein Jurist Hugo Dietrich arbeitete die Verordnung über das jüdische Vermögen vom 3. Dezember 1938 für die Nationalsozialisten aus, mit deren Hilfe die Enteignung im großen Stil und auf gesetzlicher Grundlage möglich wurde. So übernahm Flick 1938 die Anteile der jüdischen Besitzer des Hochofenwerkes Lübeck und 1938/39 fast das gesamte Vermögen der jüdischen Familie Petschek aus Böhmen. Von den Erben der Familie Petschek wurden in den 1990er Jahren immerhin Ausgleichsforderungen in Höhe von 400 Millionen DM geltend gemacht. Mithilfe der vom Dritten Reich angeordneten Aushebelung des Wettbewerbs verschaffte Flick sich enorme Vorteile, stellte die Produktion radikal auf Rüstungsproduktion um (Flugzeuge, Bomben, Granaten und Munition) und beschäftigte im großen Stil Zwangsarbeiter. Der Anteil der Zwangsarbeiter betrug in einzelnen Betrieben bis zu 85 %, die dort unter unmenschlichen Bedingungen ausgebeutet wurden.

    Flick wurde Unterstützer und Großspender der NSDAP (insgesamt 7,5 Millionen RM), ab 1937 selbst Mitglied und natürlich auch Mitglied im „Freundeskreis des Reichsführers SS“.

    Schon früh bereitete er sich auf die Folgen eines verlorenen Krieges vor. Seinen Söhnen, die bereits seit 1941 die Mehrheit des Flick-Konzern hielten, stockte Flick den Anteil bis auf 90 Prozent auf. 16 Monate vor Kriegsende begann sein Konzern mit der Verlagerung seiner wertvollsten Besitztümer von Osten nach Westen, vor allem in die künftige amerikanische Zone. In den letzten Kriegstagen verlegte er die Konzernzentrale von Berlin nach Düsseldorf, verlagerte die Zentralakten in den Westen und ließ belastende Akten in großen Mengen vernichten.

    Er wurde 1947 wegen Sklavenarbeit, Verschleppung zur Sklavenarbeit, Ausplünderung der besetzten Gebiete und Teilnahme an Verbrechen der SS zu sieben Jahren Haft verurteilt, kam aber 1950 schon wieder frei. In den 1950er Jahren war er schon zu einem der reichsten Männer Westdeutschlands geworden, wurde zum größten Aktionär bei Daimler-Benz und hatte Beteiligungen bei der Feldmühle, Dynamit Nobel, Buderus und Krauss-Maffei. Bis Ende der 1960er Jahre wurde Flick unumstritten der reichste Mann Deutschlands. Als Friedrich Flick 89-jährig starb, hinterließ er seinen Erben einen Konzern mit 330 Unternehmen, rund 300.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von circa 18 Milliarden DM.

    (Bernt Engelmann hat in seinem Buch Schwarzbuch Kohl – oder: wie man einen Staat ruiniert (ISBN: 3-882-435704) Friedrich Flick einen Abschnitt gewidmet: Flick – Musterbeispiel für den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht. Daraus wurden einige Passagen übernommen.)

    5. Carl Goetz, wie Abs auch kein Mitglied der NSDAP, war seit Dezember 1933 offiziell Vorstandssprecher der Dresdner Bank. Daneben hatte er noch zahlreiche Aufsichtsratsmandate inne, so z.B. bei der AEG und der Deutsch-Südamerikanischen Bank.

    Im Jahr 1936 wechselte er an die Spitze des Aufsichtsrates, nachdem die letzten verbliebenen jüdischen Führungspersonen dort ihre Posten räumen mussten. Goetz konnte sich mit Rückendeckung des Reichswirtschaftsministeriums derartig umfassende Kompetenzen sichern, dass er faktisch sowohl dem Vorstand wie auch dem Aufsichtsrat vorstand. Er übte das Aufsichtsratsmandat hauptamtlich aus, hatte das Recht, an Vorstandssitzungen teilzunehmen und der Geschäftsführung Weisungen zu erteilen. Später wurde ihm in einem gesonderten Vertrag noch die Befugnis erteilt, die Beziehungen zu den Großkunden der Bank und zur politischen Führung zu pflegen. Erst 1942 wurde er auf die reine Aufsichtsratstätigkeit zurückgedrängt. Bis dahin war Goetz die eindeutig führende Persönlichkeit der Bank und trug die Verantwortung für alle wichtigen Entscheidungen, über die er in der Regel auch informiert war. Er trug auch die Verantwortung dafür, dass der SS-Flügel immer stärker und die Bank immer näher an das Regime heranrückte.

    Die Dresdner Bank hatte eine zentrale Rolle beim Aufbau der Autarkiewirtschaft des Dritten Reiches inne. Sie handelte mit Raubgold und mit Gold aus der Hinterlassenschaft der Opfer der Konzentrationslager, wurde zum wichtigsten Kreditgeber der SS und unterhielt enge Beziehungen zu den Zwangsbetrieben der SS.

    Von April 1946 bis Dezember 1947 war Goetz von den Amerikanern interniert. Nach dem Krieg wurde die Dresdner Bank in verschiedene Unternehmen aufgespalten. Goetz nahm erheblichen Einfluss auf die Neuordnung des Bankwesens in der Bundesrepublik und setzte sich für die Überwindung der Aufspaltung der Großbanken ein. Zwischen 1952 und 1957 war er Aufsichtsratsvorsitzender der Rhein-Ruhr Bank AG als einer der Nachfolgeinstitute der Dresdner Bank. Nach dem erneuten Zusammenschluss war er von 1957 bis 1965 wiederum Aufsichtsratsvorsitzender der Dresdner Bank. Danach war er Ehrenvorsitzender. In seiner Amtszeit an der Spitze der Bank stieg diese zur zweitgrößten hinter der Deutschen Bank auf. Er verstarb 1965.

    6. Dr. Karl Ferdinand Ritter v. Halt trat 1933 in die NSDAP und in die SA ein, gehörte zum Freundeskreis Reichsführer-SS, wurde ab 1936 Direktor und ab 1938 Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, spendete erhebliche Beträge an die SS. Von Halt wurde 1929 in das Internationale Olympische Komitee (IOC) gewählt und bekleidete bei den Nazis das Amt des „Reichssportführers“. Von 1945 bis Anfang 1950 wurde er in dem ehemaligen KZ Buchenwald gefangengehalten. Nach seiner Freilassung aufgrund eines Deals des IOC mit der Sowjetunion wurde er 1952 Aufsichtsratsmitglied der Deutsche-Bank-Nachfolgerin Süddeutsche Bank in München. Und er wurde Präsident des westdeutschen Olympischen Komitees und war von 1961 bis 1964 dessen Ehrenpräsident. Er verstarb als 73-jähriger mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland auf der Brust.

    7. Fritz ter Meer war von 1925 bis 1945 Mitglied im Vorstand der I.G. Farben AG, ab 1932 Mitglied des Arbeitsausschusses und des Technischen Ausschusses, Leiter der Sparte II im Reichskriegsministerium und Wehrwirtschaftsführer und trat im Mai 1937 der NSDAP bei. Am 7. September 1939 verabredeten er und Heinrich Hörlein mit dem Heereswaffenamt die Herstellung des Nervengases Tabun. Beim Bau der dafür vorgesehenen Giftgasfabrik in Dyhernfurth wurden über 100 Kriegsgefangene eingesetzt.

    Er war verantwortlich für den Aufbau des I.G.–Farben-Werks bei Auschwitz, in dem Menschenversuche stattfanden und rund 25.000 Zwangsarbeiter unter grausigen Umständen den Tod fanden. 1943 erhielt er das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes.

    Er wurde im I.G.-Farben-Prozess am 30. Juli 1948 wegen Plünderung und Versklavung im Zusammenhang mit dem KZ Auschwitz III Monowitz als Kriegsverbrecher zu sieben Jahren Haft verurteilt. Im Prozess befragt, ob er die Versuche an Menschen im KZ Auschwitz für gerechtfertigt gehalten habe, antwortete er, dass dies unerheblich gewesen sei:

    Den Häftlingen ist dadurch kein besonderes Leid zugefügt worden, da man sie ohnedies getötet hätte.“ (Reportage Besuch in Buchenwald – Reportagen.de Texte Reportagen Medienservice Journalismus). Er wurde im Sommer 1950 wegen „guter Führung“ vorzeitig aus der Haft entlassen und unmittelbar nach Aufhebung der Kriegsverbrecher-Sperrklausel des Alliierten Gesetzes im Jahr 1956 Aufsichtsratsvorsitzender der Firma Bayer AG. Auch in anderen Firmen erhielt er Aufsichtsratsposten, so unter anderem bei der Theodor Goldschmidt AG, Commerzbank-Bankverein AG, Duewag, VIAG und Bankverein Westdeutschland AG. Seine Leistungen beim Wiederaufbau der chemischen Industrie in Deutschland gelten als bedeutsam. Er verstarb 1967 als angesehenes Mitglied der Gesellschaft.

    8. Heinrich Mückter wurde 1933 Mitglied der SA und 1937 der NSDAP. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs war er Stabsarzt und stellvertretender Direktor des Instituts für Fleckfieber und Virusforschung des Oberkommandos des Heeres unter Hermann Eyer in Krakau. Mit menschenverachtenden Methoden wurde dort der Weigl-Impfstoff gegen Fleckfieber hergestellt. Bei den „medizinischen Experimenten“ wurden KZ-Häftlinge als Versuchspersonen missbraucht, nicht wenige starben dabei. Polnische Zwangsarbeiter kamen als Wirte für die Erregerläuse zu Tode. 1946 stellte die Krakauer Staatsanwaltschaft deshalb Haftbefehl gegen Heinrich Mückter, dem er sich jedoch durch seine Flucht in die westlichen Besatzungszonen entzog.

    Mückter kaufte sich 1946 in die Firma Grünenthal GmbH ein, indem er einen in England illegal beschafften Penicillin-Stamm als Stammkapital einbrachte. Er ließ sich am Umsatz für das Antibiotika beteiligen und verdiente Millionen daran. Jahre später landete er den nächsten Coup:

    Unter seiner Leitung wurde (angeblich) die Substanz N-Phthalylglutaminsäureamid, die die Bezeichnung Thalidomid erhielt, entwickelt. Thalidomid bildete die Grundlage des Schlaf- und Beruhigungsmittels Contergan, das am 1. Oktober 1957 in den Handel gebracht und als in Deutschland nicht verschreibungspflichtiges Präparat für schwangere Frauen aggressiv beworben und verkauft wurde. Contergan ist für die Fehlbildung von ca. 10.000 neugeborenen Kindern, die Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre zur Welt kamen, sowie für zahlreiche Fehlgeburten und auch für Nervenschäden bei Erwachsenen verantwortlich. Mückter verstarb 1987 als reicher Mann, ohne dass er für seine Taten zur Rechenschaft gezogen worden wäre.

    9. Josef Neckermann, Arisierungsgewinnler und Dressurreiter, konnte nur aufgrund des Raubes von jüdischen Firmen seinen Versandgroßhandel aufbauen.

    Am 25. Oktober 1935 übernahm er vom jüdischen Unternehmer Siegmund Ruschkewitz dessen Textilkaufhaus in Würzburg sowie das Niedrigpreisgeschäft Merkur. Da die Warenhausbranche in der Krise steckte, bekam er die Firma für wenig Geld.

    Neckermann trat 1933 der Reiterstaffel der SA bei und 1937 der NSDAP. Im darauffolgenden Jahr entstand durch Arisierung des florierenden Textilherstellungs- und -versandunternehmens von Karl Amson Joel die Wäsche- und Kleiderfabrik Josef Neckermann.

    Neckermann drückte den Kaufpreis und überwies das Geld auf ein Treuhandkonto mit seinem eigenen Namen beim Bankhaus Hardy & Co. in Berlin. Er begründete dies damit, dass er das Geld vor dem Zugriff der NSDAP schützen wollte. Der mittlerweile in die Schweiz geflüchtete Joel klagte auf Auszahlung des Geldes, die Klage wurde aber mit der Begründung abgewiesen, er sei „Devisenausländer“.

    Neckermann besaß damit das viertgrößte deutsche Textil-Versandhaus (nach Quelle, Witt Weiden und Schöpflin). Mit den Unternehmen Joels übernahm Neckermann auch den Mietvertrag von dessen Villa in der Tannenbergallee in Berlin, die er zu seiner eigenen machte.

    Ende Dezember 1941 gründete er gemeinsam mit Hertie-Chef Georg Karg die Zentrallagergemeinschaft für Bekleidung (ZLG), eine Gesellschaft öffentlichen Rechts. Über Otto Ohlendorf (SS-Brigadeführer und Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium), den Neckermann bei einer Betriebsbesichtigung kennengelernt hatte und der auch stiller Teilhaber an der ZLG war, wurden der Firma Aufträge der Reichsstelle Kleidung vermittelt. Das Unternehmen lieferte unter anderem Bekleidung für Zwangsarbeiter und Uniformen für die Soldaten an der Ostfront. Neckermann wehrte sich immer gegen den Vorwurf, dass als Rohstoff die den Juden geraubten Kleider benutzt wurden, Zeitzeugen berichteten aber von eingenähtem Schmuck in diesen Kleidern. Er wurde Leiter der Reichsstelle Kleidung.

    Nach dem Krieg wehrte sich Neckermann vehement gegen die Entschädigungsforderungen der enteigneten Unternehmer, vermutete sogar eine „jüdische Verschwörung“ gegen sich. Mit den Erben von Siegmund Ruschkewitz einigte er sich in einem Vergleich letztlich auf eine Entschädigung in Höhe von 50.000 Mark und ein Grundstück in Würzburg. Karl Amson Joel erhielt erst 1957 nach einem jahrelangen, über mehrere Instanzen dauernden Wiedergutmachungsverfahren zwei Millionen DM Entschädigung, ein Bruchteil des tatsächlichen Werts des Unternehmens, das Neckermann zwanzig Jahre zuvor übernommen hatte.

    Am 1. Dezember 1945 wurde er von einem Militärgericht wegen Verletzung des Militärgesetzes Nr. 52, nach dem den Inhabern „arisierter“ Betriebe jegliche „Weisung, Verwaltung und Aufsicht oder sonstige Kontrolle über Vermögen“ untersagt war, angeklagt und anschließend zu einem Jahr „hard labor“ (Arbeitslager) verurteilt. Er musste in der Haftanstalt Ebrach für sein eigenes Unternehmen, das nun unter Verwaltung der Alliierten stand, für einen Hungerlohn an der Nähmaschine arbeiten. Im Sommer 1946 erkrankte Neckermann an Tuberkulose und wurde in ein Hospital verlegt. Die Genesungszeit wurde auf seine Haftstrafe angerechnet. Ende 1946 wurde Neckermann gesund und ein freier Mann.

    Trotz seiner Profite aus den „Arisierungen“ und der Beschäftigung von Zwangsarbeitern, wurde er im Entnazifizierungsprozess im Mai 1948 als „Mitläufer“ eingestuft und lediglich ein Bußgeld von 2.000 Mark über ihn verhängt.

    So konnte er im Herbst 1948 die Textilgesellschaft Neckermann KG gründen, die 1950 in die Neckermann Versand KG überging. Das Unternehmen erlebte in den 1950er Jahren einen rasanten Aufschwung. Neckermann baute seine Firma zu einem Konzern aus. Der Firmenslogan „Neckermann macht´s möglich“ wurde zu einem Symbolspruch für das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit und Neckermann zu einer seiner Galionsfiguren.

    Das Unternehmen geriet in den 1970er Jahren in finanzielle Nöte und Neckermann musste es schließlich 1976/77 mehrheitlich an die Karstadt AG verkaufen. Er verließ das Unternehmen ein Jahr später, um sich nun vornehmlich seiner Tätigkeit als Sportfunktionär zu widmen. Er verstarb 1992 als hoch angesehener Olympiasieger.

    10. Günter Quandt aus der Quandt-Familie gehörte zu jener Gruppe von Industriellen, die sich Mitte 1931 mit Adolf Hitler im Berliner Hotel Kaiserhof trafen und der NSDAP im Falle eines Linksputsches 25 Millionen Reichsmark zur Verfügung stellen wollten. Er war Teilnehmer des Geheimtreffens vom 20. Februar 1933 von Industriellen mit Hitler, bei dem eine Wahlkampfhilfe von 3 Millionen Reichsmark für die NSDAP beschlossen wurde. Folgerichtig trat er 1933 in die NSDAP ein. Quandts Betriebe wurden wichtige Zulieferanten für die Rüstungsindustrie. Er hatte vorher schon die Aktienmehrheit an der „Accumulatoren Fabrik Aktiengesellschaft Berlin-Hagen (AFA)“, dem größten Hersteller von Batterien und Akkumulatoren im damaligen Europa erworben und auch die Kontrolle über die Berlin-Karlsruher Industrie-Werke AG, vormals Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM), einer traditionsreichen Rüstungsschmiede, erlangt. Auch er beschäftigte KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im großen Stil. Die Arbeit mit dem giftigen Blei und ätzenden Säuren forderte durchschnittlich 80 Tote pro Monat, welche im Voraus mit eingeplant und bewusst als zu erwartende „Fluktuation“ einkalkuliert wurden. Gleichzeitig saß er im Aufsichtsrat von Daimler-Benz, Deutsche Bank und AEG. Auch bei den Arisierungen bekam er einen Teil des Kuchens ab. Der Luxemburger Batteriehersteller Léon Laval, der sich standhaft weigerte, seine Fabrik zu verkaufen, wurde kurzerhand in einem Konzentrationslager inhaftiert. So kam Quandt günstig an die Fabrik des Konkurrenten. Er wurde am 18. Juli 1946 verhaftet und interniert, aber im Juli 1948 in einem Gerichtsverfahren nur als Mitläufer eingestuft. Er verstarb unbehelligt im Alter von 73 Jahren.

    11. Karl Rasche war 1935 – 1945 Vorstandsmitglied der Dresdner Bank. Charakteristikum: „Wer marschiert hinter dem ersten Tank? Das ist Dr. Rasche von der Dresdner Bank!“. Dieser Spruch macht die Aggressivität deutlich, mit der sich die Dresdner Bank jüdische Geschäfte unter den Nagel riss. Er hatte als Mitglied der SS gute Verbindungen zu Wilhelm Keppler, (Berater von Hitler und Göring), und war Mitglied im „Freundeskreis Reichsführer SS“.

    Nach Einschätzung der Justus-Liebig-Universität Giessen war Rasche verantwortlich für die erste Arisierung eines jüdischen Unternehmens, der Engelhardt AG, der zweitgrößten deutschen Brauerei. In der Zeit-online vom 21. April 1989 „Der Revolver lag schon auf dem Tisch“ wird anschaulich der Krimi beschrieben, wie der Inhaber der Brauerei Ignaz Nacher gezwungen wurde, sein gesamtes Vermögen an die Dresdner Bank zu verscherbeln. Nacher verlor nicht nur sein Brauerei-Reich: Sein bayerisches Landhaus „Gut Sauersberg“ bei Bad Tölz nahm sich der Industrielle Friedrich Flick. Nacher starb 1939 bettelarm in Zürich. (Brachiale Gewalt und subtilste Erpressung – den Nazis war jedes Mittel recht, um das Vermögen jüdischer Unternehmer in ihre Hände zu bekommen; „arische“ Großindustrie und Banken profitierten. Wie die „Arisierung“ im einzelnen geplant und ausgeführt wurde,)

    Mit den vereinnahmten Dividenden aus den Aktien diente sich die Geschäftsbank den neuen Machthabern und der SS als finanzkräftige Hausbank an. Dabei profitierte Rasche von seinen guten Beziehungen zu Hermann Göring. Der sorgte dafür, dass die Dresdner Bank Hausbank seines Lieblingsunternehmens, des Montankonzerns Reichswerke AG, wurde.

    „Die beherrschende Stellung, zu der sie in den zwölf Jahren der Nazi-Herrschaft aufstieg, resultierte aus ihrer skrupellosen Ausnutzung aller Bereicherungsmöglichkeiten“, fasst 1946 der O.M.G.U.S.-Report die Ermittlungen zusammen.

    Am 11. April 1949 wurde Rasche als Kriegsverbrecher zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, im August 1950 vorzeitig entlassen, er verstarb im September 1951 an Herzinfarkt.

    12. Philipp Fürchtegott Reemtsma, meldete sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges freiwillig zur Infanterie, wurde später Flieger und trat nach schweren Kriegsverletzungen 1917 in die Zigarrenfirma seines Vaters in Erfurt ein.

    Zur Blüte gelangte das Unternehmen nach anfänglichen Schwierigkeiten im Dritten Reich. Der Konkurrent Dressler versuchte nämlich mit der Firma Sturm, die SA durch Prämien auf seine Seite zu ziehen. Dabei kam ihm in seiner Propaganda zu Hilfe, dass Reemtsma Juden in leitender Position beschäftigte. Während die SA gewalttätig gegen Händler vorging, die Zigaretten des „verjudeten“ Konzerns anboten, ermittelte die Justiz wegen angeblicher Korruption in der Weimarer Zeit. Philipp F. Reemtsma wendete sich an Hermann Göring, den zweitwichtigsten Nazi, mit der Bitte, etwas gegen die lästigen Anti-Reemtsma-Attacken von SA und preußischer Justiz zu tun. Und das ließ er sich einiges kosten. Insgesamt 12,3 Millionen RM flossen an Hermann Göring. Dafür schlug Göring Anfang 1934 das Verfahren nieder. Görings „rechte Hand“, Paul Körner, erhielt jährlich 40.000 Mark. Sepp Dietrich, „persönlicher Begleiter des Führers“, der eine herausragende Rolle bei der Liquidierung der SA-Führungsspitze während des „Röhm-Putsches“ spielte und selbst zusammen mit weiteren SS-Leuten am 30. Juni 1934 sechs prominente SA-Führer ermordete, erhielt nach diesen Taten eine Reemtsma-Spende von 40.000 Mark. So viel wie Reemtsma spendete niemand anderer.

    Diese Spenden zahlten sich tausendfach aus: 1935 produzierte Reemtsma rund 75 % der etwa 40 Mrd. Zigaretten, die man damals jährlich in Deutschland rauchte.

    Der Absatz von Zigaretten stieg mit Kriegsbeginn stark an. Jeder Soldat erhielt monatlich eine Sonderration. Den Rekord schaffte Reemtsma im Herbst 1941: Als die Wehrmacht die Sowjetunion überfiel, verkaufte er in einem einzigen Monat 3,7 Milliarden Zigaretten. Die Soldaten marschierten mit Reemtsma-Zigaretten in der Tasche in Richtung Moskau.

    Durch die Nähe von Reemtsma zum Nazi-Regime (Hermann Göring badete nackt im Schwimmbecken von Reemtsmas Hamburger Villa) konnte er sich einiges erlauben. Die Firma unterstützte jüdische Zigarettenindustrielle und eigene Angestellte bei der Emigration. Und Bruder Hermann F. Reemtsma förderte den verfemten Ernst Barlach, präsentierte dessen Skulpturen in seinem Haus.

    Die drei Reemtsma-Brüder wurden 1945 von den Briten interniert. Sie hatten kein Schuldbewusstsein wegen ihrer Förderung des Regimes und empfanden auch keine Reue. Philipp F. Reemtsma saß über 20 Monate in Lagern und Haftanstalten, bis ihn ein deutsches Gericht 1948 wegen der Zahlung von insgesamt 12,3 Millionen an Göring anklagte. Er wurde in erster Instanz schuldig, in zweiter freigesprochen. Im gleichen Jahr wurde er im Entnazifizierungsausschuss entlastet. Danach übernahm er erneut die Leitung des Unternehmens, das bis Ende der 1950er Jahre wieder den Hauptanteil am deutschen Zigarettenmarkt besaß.

    Philipp F. Reemtsma starb Ende 1959 als Entnazifizierter.

    13. Fritz Ries war seit 1933 Mitglied der NSDAP und einer von denen, die es geschafft haben, das Kriegsverdienstkreuz der Nazis und das Große Bundesverdienstkreuz der BRD zu bekommen.

    Er hat die politische Landschaft in Nachkriegsdeutschland entscheidend mitgestaltet.

    Ries hatte mit dem Geld seines Schwiegervaters, des Zahnarztes Dr. Heinemann den 120-Mann-Betrieb Flügel & Polter KG, Leipzig erworben. Durch Arisierungen und „Übernahmen“ erweiterte er diesen Betrieb zu einem Konzern mit über 10.000 Beschäftigten und wurde dessen Hauptgesellschafter.

    Bei den von ihm „übernommenen“ Betrieben der Oberschlesischen Gummiwerke in Trzebinia (Westgalizien) beschäftigte er, laut einer „Gefolgschaftsübersicht“ vom 30. Juni 1942, insgesamt 2653 jüdische Zwangsarbeiter, davon 2160 Frauen und Mädchen. Nach Übernahme durch Ries stieg der Umsatz in Trzebinia innerhalb von 4 Monaten um das Zwölffache.

    Die mörderische Ausbeutung erfolgte beispielsweise durch solche Anordnungen: „Wir haben den Arbeitskräften . . . erklärt, dass die Arbeitsleistung in den nächsten Tagen wesentlich gesteigert werden muss, da wir sonst annehmen, dass die Arbeit sabotiert wird“. (Missbach Artur) Das war eine klare Morddrohung, denn nachlassende Leistung oder gar Sabotage wurde mit sofortiger Umsiedlung in das knapp 20 Kilometer entfernte KZ Auschwitz geahndet, wo Arbeitsunfähige sofort vergast wurden.

    Im polnischen Łódź übernahm Ries einen „arisierten“ Großbetrieb mit 15 Walzwerken. Er entzog rechtzeitig Maschinen für etwa 1,5 Millionen RM sowie einige hunderttausend Meter Stoff dem Zugriff der Roten Armee durch Verlagerung nach Westen. Durch die Flucht rettete er den Großteil seines liquiden Kapitals. Später bestritt er, etwas aus den Wirren des Krieges gerettet zu haben.

    Anfang der 1950er Jahre meldete Ries Ansprüche als Vertriebener in Höhe von vier Millionen Mark an. Aufgrund des Lastenausgleichsgesetzes erhielt er eine (teilweise) Entschädigung für seine Produktionsstätten in der Sowjetischen Besatzungszone. Mit dem Geld gründete er die Pfälzischen Gummiwerke sowie die Badischen Plastic-Werke in Baden.

    Aus den Pfälzischen Gummiwerken, die besonders im Präservative-Markt sehr erfolgreich waren, gingen die Pegulan-Werke AG in Frankenthal hervor. Ries hatte die Aktienmehrheit und war Vorstandsvorsitzender. Er war außerdem Ehrenvorsitzender des Verbands der Deutschen Bodenbelags-, Kunststoff-Folien- und Beschichtungsindustrie, Aufsichtsratsvorsitzender der Badischen Plastic-Werke in Bötzingen und Mitglied des Beirats der Commerzbank AG. Sein ehemaliger Fuchs bei der schlagenden Verbindung Suevia, Hanns Martin Schleyer, war stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Pegulan-Werke AG.

    Ries förderte in der Bundesrepublik systematisch Politiker der Unionsparteien. Dazu gehörten neben Kurt Biedenkopf auch der spätere Bundeskanzler Helmut Kohl sowie der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß, dessen Ehefrau Marianne Strauß in den 1970er Jahren eine zehnprozentigen Beteiligung der Pegulan-Tochter Dyna-Plastik-Werke hielt.

    Auf seinem Schloss Pichlarn in der Steiermark wurde, wie Der Spiegel am 16.10.1972 unter dem Titel Korruption – Besuch im Schloss berichtete, gegen die bestehende SPD/FDP-Regierung intrigiert:

    Mit Aufträgen von der Industrie und Beraterverträgen sowie durch eine Absicherung über die Landeslisten bei der nächsten Bundestagswahl sollte zunächst eine Vierer-, später eine Achtergruppe von Abgeordneten aus der SPD/FDP-Koalition herausgebrochen und der Union zugeführt werden. Dabei seien die Namen der FDP-Abgeordneten Gerhard Kienbaum (inzwischen aus der FDP ausgetreten), Wilhelm Helms (zur CDU übergetreten), Knut Freiherr von Kühlmann-Stumm (CDU-Kandidat für den neuen Bundestag) und Karl Geldner (nach einem Scheinübertritt bei der FDP geblieben) gefallen.“ (KORRUPTiON: Besuch im Schloß – DER SPIEGEL 43/1972)

    Häufig zu Gast auf Schloss Pichlarn waren außer Biedenkopf, Kohl und Strauß beispielsweise folgende Personen:

    – Dr. Eberhart Taubert, von 1942 an Chef des Generalreferats Ostraum, daneben seit 1938 auch Richter am 1. Senat des berüchtigten Volksgerichtshofs, beteiligt an Todesurteilen gegen Widerstandskämpfer. Ministerialrat Dr. Taubert lieferte Text und Idee zu dem 1940 uraufgeführten Hetzfilm Der ewige Jude, worin die in KZs und Gettos eingepferchten Juden mit Ratten und anderem lebensunwerten Ungeziefer verglichen wurden. Er gehörte in der Bundesrepublik zu den Gründern des Volksbundes für Frieden und Freiheit, der zentralen antikommunistischen Organisation der Bundesrepublik. Er leitete in enger Abstimmung mit Ries und Strauß sowie mit finanzieller Hilfe aus Bonn und von etlichen Industriellen die Hetzkampagnen gegen Willy Brandt und den Aufbau ultrarechter und neonazistischer Gruppen und Presseorgane.

    – Siegfried Zoglmann, ab 1934 HJ-Führer in der Reichsjugendführung in Berlin, 1939 Oberster HJ-Führer im Protektorat Böhmen und Mähren und Abteilungsleiter des Reichsprotektors. Ab 1950 Mitglied des NRW-Landesvorstands der F.D.P., ab 1972 CSU-Abgeordneter. Mit seiner Hilfe sollte Willy Brandt gestürzt werden.

    – Rudolf Tesmann, ehemaliger SS-Obersturmbannführer, ab 1948 im Horten-Konzern tätig, zuletzt als Generalbevollmächtigter, außerdem Präsidiumsmitglied des Wirtschaftsrats der CDU.

    Ries hat sich am 20. Juli 1977 in seinem Haus in Frankenthal angeblich selbst erschossen, weil seine Firmengruppe in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, obwohl er im Prozess gegen Bernt Engelmann geprahlt hatte, dass er einige zehn Millionen im Ausland habe, wie der Spiegel vom 05.04.1976 berichtet. (UNTERNEHMER: Millionen im Ausland – DER SPIEGEL 15/1976) Der Leichnam wurde obduziert und die Frankenthaler Staatsanwaltschaft war in aufwendigen Ermittlungen vergeblich bemüht, Fingerabdrücke auf der Pistole zuordnen zu können. Drei Monate später wurde sein Fuchs aus Studentenzeiten Hanns Martin Schleyer erschossen.

    Im Jahre 1977 starben einige Männer aus den Reihen der Bourgeoisie unter nicht in jedem Fall vollständig aufgeklärten, aber mit einem Beigeschmack versehenen Umständen, was zumindest Stoff zum Nachdenken gibt:

    Am 7. April 1977 wurde der Generalbundesanwalt am Bundesgerichtshof, Siegfried Buback, mit der NATO-Standardwaffe Heckler & Koch HK 43 erschossen. Buback ermittelte in Sachen Terrorismus, Spionagefälle und auch in der Guillaume-Affäre, die 2 Jahre zuvor zum Sturz von Willy Brandt geführt hatte. Sein Sohn Michael war der Ansicht, dass die Geheimdienste von der Tat im Vorfeld wussten, also die RAF entweder unterwandert hatten oder eigene Operationen unter diesem Label durchführten und er warf der Generalbundesanwältin Monika Harms vor, dass sie die seiner Ansicht nach dringend tatverdächtige Verena Becker decke.

    Am 30. Juli 1977 – 10 Tage nach dem Tod von Fritz Ries – wird Jürgen Ponto, Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG, in seinem Haus in Oberursel (Taunus) erschossen. Auch Pontos Tochter Corinna ging davon aus, dass die Täter Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar und Susanne Albrecht von Geheimdiensten instrumentalisiert wurden.

    Am 5. September 1977 wird Hanns Martin Schleyer durch ein Kommando der RAF entführt und am 19. Oktober erschossen aufgefunden. Schleyer wurde zuerst in einer Wohnung in Erftstadt-Liblar versteckt. Die zur Aufklärung gebildete Sonderkommission ging, ähnlich wie beim Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), vier Hinweisen der örtlichen Polizei auf das Versteck nicht nach.

    (Auch hier hat Bernt Engelmann hervorragende Arbeit geleistet: In seinem Buch Großes Verdienstkreuz (ISBN: 3570022595) hat er einiges über Fritz Ries geschrieben und mit Dokumenten unterlegt.)

    14. Paul Walter (eigentlich Walther) Rohland, (auch als Panzer-Rohland bekannt) leitete das Werk der Tochter der Vereinigten Stahlwerke AG, die Deutsche Edelstahlwerke AG in Krefeld von 1930 bis 1940 und war Mitglied des Vorstands dieser AG von 1933 bis 1940.

    Er wurde 1933 Mitglied der NSDAP und übernahm von 1940 bis 1943 die Leitung des „Sonder- (später Haupt-)ausschusses Panzerwagen“ im Reichsministerium für Bewaffnung und Munition und war damit Verantwortlicher für die Rationalisierung und Organisation der Panzerproduktion. Seit 1942 war er zusätzlich Vorsitzender des Industrierats im Oberkommando des Heeres (OKH) und ist deshalb mitverantwortlich für Zwangsarbeit und Ausbeutung der besetzten Gebiete. 1943 erhielt er das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes.

    Parallel zu seiner politischen Laufbahn entwickelte sich auch seine Karriere in der Vereinigten Stahlwerke AG. 1941 wurde er Mitglied des Vorstandes und übernahm ab 1943 den Vorsitz.

    Rohland gilt als Vertrauter Albert Speers, dessen Angehörige er später im Rahmen des „Rudolf-Wolters-Schulgeldfonds“ finanziell unterstützte. Er verhinderte zusammen mit dem Reichsminister für Bewaffnung und Munition die konsequente Durchführung des Nerobefehls vom 19. März 1945, der u.a. eine Vernichtung der industriellen Grundlagen an der Ruhr vorsah.

    Deshalb trat Rohland auch als Entlastungszeuge für Albert Speer auf, der stets behauptete, vom Holocaust keine genaue Kenntnis gehabt zu haben. Rohland unterschrieb eine eidesstattliche Erklärung, dass er zusammen mit Speer die Gauleitertagung vom 6. Oktober 1943 verlassen habe, noch bevor sich Heinrich Himmler in seiner zweiten dortigen Posener Rede offen und eindeutig zur Ermordung der europäischen Juden bekannte.

    Nach Ende des Krieges wurde Rohland kurz inhaftiert und trat als Zeuge im Nürnberger Prozess im Verfahren gegen Friedrich Flick und Alfried Krupp von Bohlen und Halbach auf. 1948 erhielt er im Rahmen der Entnazifizierung eine Einstufung als „Mitläufer“ und arbeitete seitdem mit seinem „Westdeutschen Ingenieurbüro Dr. Rohland GmbH (Wedexro)“ erfolgreich als Berater der Industrie. In der Bundesrepublik fand er gesellschaftliche Anerkennung, so wurde er z.B. Mäzen und Ehrenbürger der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Er verstarb 1981.

    15. Hanns Martin Schleyer war Nazi mit Leib und Seele. Mit 16 Jahren trat er in die Hitler-Jugend und 2 Jahre später, am 1. Juli 1933, in die SS ein.

    Im Frühjahr 1935 warf er seinem studentischen Corps Suevia „mangelnde nationalsozialistische Gesinnung“ vor, weil dieses sich weigerte, jüdische Alt-Herren auszuschließen, und trat unter öffentlichem Protest aus, woraufhin er vom Corpsburschen-Convent der Suevia mit Schimpf und Schande ausgeschlossen wurde. Sein Fuchsmajor bei der Suevia war Fritz Ries (siehe oben).

    Er schloss sich dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSStB) an und fand im Heidelberger Studentenführer (und späteren Gauleiter) Gustav Adolf Scheel einen ersten wichtigen Mentor. Während der Auseinandersetzung um das Heidelberger Spargelessen, eine Reihe von gegen Hitler gerichteten Bekundungen Heidelberger Corpsstudenten, vertrat Schleyer entschieden den Standpunkt der Nationalsozialistischen Studentenschaft, deren Funktionär er wurde. 1937 trat er dann folgerichtig in die NSDAP ein.

    Im Juli 1941 übernahm Schleyer die Leitung des Studentenwerks der Deutschen Karls-Universität in Prag und wurde am 1. April 1943 Sachbearbeiter im Zentralverband der Industrie für Böhmen und Mähren. Der Verband war unter anderem für die Arisierung der tschechischen Wirtschaft und die Beschaffung von Zwangsarbeitern für das Deutsche Reich zuständig.

    Es gibt glücklicherweise Schriftsteller, die über das Wirken von Schleyer und seinen Kumpanen Recherchen anstellten. In Villa Waigner – Hanns Martin Schleyer und die deutsche Vernichtungselite in Prag 1939-45 (ISBN: 3-930-786575) schildert Erich Später den Prozess der Entrechtung, Enteignung, Deportation und Ermordung der tschechischen Juden. Beispielhaft rekonstruiert er die Enteignung und Ermordung des jüdischen Ehepaares Waigner, dessen Prager Villa ein begehrtes Objekt der Begierde hoher Nazifunktionäre wurde. Ab 1944 wohnte der SS-Untersturmführer Hanns Martin Schleyer in der „Judenvilla“.

    Dank des Schriftstellers Bernt Engelmann kam noch folgendes an das Licht der Öffentlichkeit: Am 5. Mai 1945, zwei Tage vor der deutschen Kapitulation, hatten tschechische Aufständische ein Schulgebäude umzingelt, in dem sich eine SS-Einheit verschanzte, die 20 Geiseln in ihrer Gewalt hatte. Gegen Garantien für die SS-Leute kam es zur Freilassung der 20 Geiseln, indem sie gegen die Frau und das Kind des SS-Kampfkommandaten ausgetauscht wurden. Am nächsten Morgen richtete die SS in unmittelbarer Nähe des Schulgebäudes ein Massaker an: 41 Menschen, unbewaffnete alte Männer, Kinder unter drei Jahren und Frauen, darunter zwei Hochschwangere waren die Opfer. Auf Schleyer, der selbst äußerte, der letzte Kampfkommandant von Prag gewesen zu sein, passte als einzigen SS-Führer die folgende Beschreibung: 30 Jahre alt, verheiratet, sein Sohn sieben Monate alt und das Gesicht geziert mit Mensurnarben. Gegen diese Veröffentlichungen von Engelmann wurden niemals rechtliche Schritte unternommen. Sie dürften also wahr sein. (siehe Bernt Engelmann – Großes Bundesverdienstkreuz ISBN: 3-570-022595)

    Nach dem Massaker floh Schleyer zu seinen Eltern nach Konstanz. Dort wurde er verhaftet und kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

    Nach drei Jahren, im April 1948 wurde er entlassen. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er zunächst zum Minderbelasteten erklärt. Hiergegen legte Schleyer Widerspruch ein und wurde dann im Revisionsverfahren zum Mitläufer herabgestuft. Um das Strafmaß zu reduzieren, hatte er angegeben, dass er nur SS-Oberscharführer anstatt SS-Untersturmführer gewesen sei.

    Schon am 1. März 1949 wurde er Referent bei der Industrie- und Handelskammer Baden-Baden. Zum 1. Oktober 1951 wechselte er als Sachbearbeiter zur Daimler-Benz AG. Er stieg rasch auf und wurde zum 1. Januar 1959 als stellvertretendes Mitglied in den Vorstand berufen. Ab dem 1. Oktober 1963 war er dann ordentliches Vorstandsmitglied, zuständig für das Ressort Personal- und Sozialwesen.

    1951 gründete Daimler Benz in Argentinien über Strohmänner eine Niederlassung. Unter den Leuten, die eingestellt wurden, sind einige geflohene Nazis, darunter ein gewisser Adolf Eichmann. (Schleyer wurde des öfteren von „alten Kameraden“ um Gefälligkeiten und Spenden gebeten.) Nach dem Sturz Perons wurde die Firma beschlagnahmt. Schleyer musste nach Argentinien, um zu retten, was zu retten ist. Nach Zahlung einer hohen Geldstrafe wegen Steuerbetrugs wurde Mercedes-Benz Argentina eine Tochtergesellschaft von Daimler Benz.

    Als Vorsitzender des Landesverbands der Metallindustrie wurde Schleyer als knallharter Verhandler in Tarifrunden berühmt und berüchtigt. Streikende Metallarbeiter ließ er in mehreren Fällen einfach aussperren. Er verstand unter Freiheit vor allen Dingen das freie Unternehmertum. Der Unternehmer hatte über dem Parlament zu stehen und musste eingreifen, wenn das Parlament falsche Entscheidungen fällt.

    1970 wurde er Mitglied der CDU und am 6. Dezember 1973 zum Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gewählt. Ab dem 1. Januar 1977 amtierte er zusätzlich als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und konzentrierte so eine ungeheure Machtfülle in einem einzelnen Menschen.

    1977 wurde er von der RAF entführt und in Frankreich erschossen.

    16. Hermann Schmitz war Vorstandsmitglied in der „Interessengemeinschaft der deutschen Teerfarbenindustrie“, dem Vorläufer des späteren Zusammenschlusses zur I.G. Farben. In dieser Position war Schmitz einer der Vertreter Deutschlands als Sachverständiger bei den Verhandlungen zum Versailler Vertrag nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg.

    Bei dieser Gelegenheit lernte Schmitz Carl Bosch kennen, den Vorstandsvorsitzenden der BASF und trat 1919 in diese Firma ein, die 1925 in der I.G. Farben aufging. Er wurde persönlicher Finanzberater von Bosch, der durchsetzte, dass Schmitz bald zum Finanzdirektor der I.G. Farben aufstieg. 1925 erwarb Schmitz im Namen der I.G. Farben das Patent auf das Bergius-Verfahren zur Hochdruck-Verflüssigung von Kohle zu Öl. Von 1926 an war er Mitglied des Vorstands des Konzerns. Er war der Initiator und Hauptaktive bei der Verschleierung des Auslandsbesitzes der I.G. Farben vor den Alliierten durch Gründung von Tarngesellschaften, wie beispielsweise der Interhandel. Schmitz’ raffiniertes Vorgehen zeigte sich erneut 1928: Im Vorfeld einer Aktienemission der I.G. Farben in Höhe von 250 Millionen Reichsmark kündigte er eine Anhebung der Dividende an, um damit den Aktienkurs zu steigern. Nach Ausgabe sank der Kurs durch von ihm veranlasste Maßnahmen wieder. Damit brauchte der Konzern rund 10 Millionen Reichsmark weniger Dividende auszahlen und die Aktien konnten mit Gewinn zurückgekauft werden. Dieses Vorgehen war eigentlich ein Verstoß gegen den § 226,1 (Aktienrückkauf) des damaligen Handelsgesetzes.

    Schmitz war von November 1933 bis 1945 Mitglied des Reichstags und trat der NSDAP bei. 1935 wurde er zum Wehrwirtschaftsführer ernannt und erhielt 1941 das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse. 1935 wurde Schmitz Boschs Nachfolger als Vorstandsvorsitzender der I.G. Farben und war somit hauptverantwortlich für den Einsatz von Zwangsarbeitern in den Fabriken der I.G. Farben und für die Finanzierung und Errichtung des KZ Auschwitz III Monowitz. Im I.G.-Farben-Prozess wurde er 1948 wegen Plünderung zu vier Jahren Gefängnisstrafe verurteilt, aber schon 1949 entlassen.

    Schmitz wurde 1952 Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bank Berlin-West und 1956 Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats der Rheinischen Stahlwerke (Rheinstahl), deren größter Aktionär in der Zeit des Nationalsozialismus die I.G. Farben war. Er verstarb 1960.

    17. Franz Josef Strauß (FJS) war ein besonderes Kaliber.

    Wer noch einmal das Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen.“ Sagte FJS im Jahre 1949. (Worte von Franz Josef Strauß | ZEIT ONLINE) 7 Jahre später war er Bundesverteidigungsminister (BVM). Er hatte natürlich nicht zu befürchten, dass ihm die Hand abfällt, weil er kein Gewehr in die Hand nehmen musste. Die Hände der Soldaten waren ihm egal, Hauptsache, sie konnten tragen und schießen. Er machte nur die Geschäfte mit den Waffen.

    Er war ein Meister der Täuschung, der Lüge und der Intrige. Das hatte er bei den Nazis gelernt als Offizier für wehrgeistige Führung. Und das wurde man nur, wenn man sich die Ideologie des Nationalsozialismus zu 100 Prozent zu eigen gemacht hatte und auch die Fähigkeiten mitbrachte.

    Nachträglich sollte er noch zum Widerstandskämpfer aufgebaut werden, indem man ihm Kontakte zum amerikanischen Geheimdienst OSS nachsagte. Wenn dem tatsächlich so gewesen sein sollte und er den Amerikanern Koordinaten zum Angriff auf Würzburg geliefert hat, hat er sich auch noch der Beihilfe zum Massenmord an 5.000 Würzburgern und der Zerstörung der historischen Altstadt schuldig gemacht (Dokumentation: Zu einer möglichen Spionagetätigkeit von Franz Josef Strauß für das Office of Strategic Services (OSS) | bpb). Fest steht, dass die Akte des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR über Strauß vom bayrischen Verfassungsschutz aufgekauft und vernichtet wurde.

    Nach Kriegsende machte sich Strauß durch seine guten Englisch-Kenntnisse bei den amerikanischen Besatzungsbehörden in Schongau in Bayern unentbehrlich. Er wurde ständiger Begleiter des Chefs der für den Landkreis Schongau zuständigen Einheit des militärischen Geheimdienstes (CIC) First Lieutenant (später Captain) Ernest. F. Hauser. Dieser Hauser wurde auch der Schrecken von Schongau genannt. Er war in seinem Bereich ein unumschränkter Herrscher. Er ließ eingesperrte Nazis gegen Sachwerte wieder laufen, sperrte dafür andere, mitunter völlig Unschuldige ein, darunter auch hübsche junge Frauen, die ihm nicht zu willen waren. Wir treffen Ernest F. Hauser später in der Starfighter-Affäre wieder.

    Schon am Anfang seiner jungen Karriere zeigte Strauß, wie man sich Mehrheiten zusammen kauft. Es ging um die Frage, ob Bonn oder Frankfurt am Main Bundeshauptstadt werden soll. Strauß als Generalsekretär der CSU sorgte dafür, dass einige Mitglieder der Bayernpartei, die nicht für Bonn, aber in finanziellen Nöten waren, mit Geldgeschenken aus nicht verbrauchten Mitteln aus dem Wahlkampffonds der Union umgestimmt wurden.

    FJS war der erste Atom-Minister der Bundesrepublik. Er setzte sich entschieden für die Erforschung und Nutzung der Kernenergie ein und forderte, dass bis 1970 die ersten Kernkraftwerke Strom produzieren sollten. Am 25. Juli 1956 stellte er einen Gesetzentwurf zur „Erzeugung und Nutzung der Kernenergie“ vor, der 1960 zum ersten deutschen Atomgesetz führte. Ihm haben wir zu verdanken, dass Deutschland bzw. dessen zukünftiger Nachfolger sich noch über Jahrhunderte mit dem Problem der Atommüllentsorgung herumschlagen muss.

    Das genügte ihm aber nicht. Er wollte unbedingt Verteidigungsminister und damit Oberbefehlshaber der im November 1955 gegründeten Bundeswehr werden. Er verfolgte ganz besondere Ziele: Die Bundeswehr sollte sich vorwärts verteidigen, also angreifen. Zu diesem Zweck wollte Strauß sie mit Raketen ausrüsten und auch atomar bewaffnen. Er setzte eine Flut von Intrigen gegen den amtierenden Verteidigungsminister Theodor Blank (CDU) in Gang und es gelang ihm tatsächlich, Blank mithilfe dieser Intrigen aus dem Amt zu verdrängen und am 16. Oktober 1956 seinen Posten zu übernehmen.

    Angekommen im innersten Zirkel der Macht, setzte FJS diese Macht ein, um die Geschäfte der darniederliegenden Rüstungsindustrie mit lukrativen Aufträgen anzukurbeln und die zu verfolgen, die sich gegen ihn stellten. So bezeichnete er gern kritische Schriftsteller, wie z.B. Bernt Engelmann, aus dessen Schwarzbuch über Franz Josef Strauß (Kiepenheuer & Witsch) einige Passagen hier übernommen wurden, als Ratten und Schmeißfliegen. Diese Wortwahl wurde noch einmal von seinem Sekretär Edmund Stoiber gegenüber Südfunk-Redakteuren bekräftigt (AFFÄREN: Das deutsche Wort – DER SPIEGEL 9/1980).

    Dazu muss man wissen, dass ein gewisser Eberhard Taubert, ehemaliger Referatsleiter im Goebbels-Ministerium und zuständig für die Aktivpropaganda gegen die Juden, dem Bundesverteidigungsministerium unter Franz Josef Strauß ab 1958 als Mitarbeiter in Fragen der psychologischen Kampfführung diente. Von diesem Taubert stammten Idee und Text zu dem NS-Propagandastreifen Der ewige Jude. Der Film zeigt im Wechsel Aufnahmen von Ratten und Bilder von Juden aus dem Warschauer Getto. Herrn Taubert treffen wir später als Rechtsberater des Pegulan-Fabrikanten Fritz Ries wieder, von dem weiter oben schon die Rede war: die Seilschaften funktionierten hervorragend. Überall wurden die alten Kameraden wieder gebraucht. (AFFÄREN: Das deutsche Wort – DER SPIEGEL 9/1980)

    Die großzügige Unterstützung der ach so notleidenden Rüstungsindustrie führte gleich zu den ersten beiden großen Skandalen unter vielen des FJS:

    Der HS 30 – Skandal

    Hierbei ging es um die Lieferung eines Schützenpanzerwagens des Typs HS 30 von der schweizerischen Firma Hispano-Suiza (HS). Der Vertrag war schon unter dem Vorgänger von Strauß Theodor Blank eingefädelt worden. Am 5. Juli 1956 beschlossen der Verteidigungs- und der Haushaltsausschuss in gemeinsamer Sitzung für die Beschaffung von 10.680 (zehntausendsechshundertachtzig) Schützenpanzern eine Bindungsermächtigung in Höhe von 2,78 Milliarden DM (das wären heute 7 Mrd €, HS-30-Skandal – Wikipedia), die höchste Summe, die bis dato für einen einzelnen Rüstungsauftrag ausgegeben wurde. Es wurden Anzahlungen von insgesamt 205 Millionen DM geleistet.

    Das Dumme war nur: Es gab zu diesem Zeitpunkt keinen einzigen Prototyp, keine Null-Serie und natürlich auch keine Erprobungsergebnisse. Die Firma Hispano Suiza hatte auch noch nie einen Schützenpanzer gebaut, sondern nur eine Selbstfahrlafette. Der Auftrag war einfach durch massive Bestechung zustande gekommen. Der Reichsminister a.D. Gottfried Treviranus, der lt. einer eidesstattlicher Erklärung eine Bestechungsliste an FJS übergeben hat, was dieser aber bestritt, bezifferte die von HS gezahlten Bestechungsgelder auf 18 Millionen DM. Allein 3 Millionen DM sollen an Dr. Otto Lenz gezahlt worden sein. Lenz war Rechtsanwalt und Mitglied des Fraktionsvorstandes der CDU/CSU, gleichzeitig auch als Berater und Interessenvertreter des Hispano Suiza-Generalbevollmächtigten Conrado José Kraémer bei den HS 30-Vertragsvorbereitungen tätig.

    Dieser Dr. Lenz starb am 2. Mai 1957 im Armen-Spital von Cotugno bei Neapel, angeblich an Malaria und Harnvergiftung. Auch andere an diesem Deal Beteiligten verstarben unter mysteriösen Umständen:

    Der CDU-Politiker Werner Plappert, der 1969 vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagte, dass das Panzergeschäft auf deutscher Seite nur ein Mittel zur illegalen Parteienfinanzierung war, verschwand im Februar 1970 spurlos und wurde 1974 tot im Bodensee aufgefunden. (Bericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zum HS 30-Skandal, Bundestagsdrucksache V/4527 vom 26. Juni 1969. In: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksachen, Band 132.)

    Der ehemalige Nazi, Gynäkologe (Spezialist für Abtreibungen bei von NS-Agenten geschwängerten Frauen) und Waffenhändler Otto Praun, der auch von den Schmiergeldzahlungen in der HS 30 – Affäre profitierte, wurde Ostern 1960 ermordet. Diesen Fall muss man sich etwas genauer ansehen, weil wir hier in die Abgründe der politischen Kriminalität hinabsteigen:

    Am 4. Juni 1962 wurden 2 Unschuldige, Vera Brühne und ihr Freund Johann Ferbach in einem aufsehenerregenden Prozess für den Mord an Otto Praun nur auf der Grundlage von unzureichenden und wie sich später herausstellte falsch gedeuteten Indizien und aufgrund falscher Aussagen zu lebenslanger Haft verurteilt.

    In dem Buch Die Vergangenheit, die nicht endete – Machtrausch, Geschäft und Verfassungsverrat im Justizskandal Brühne-Ferbach (ISBN: 3-883-493244) vom Herausgeber Ulrich Sonnemann hat die Publizistin Gaby Weber unter dem Titel Neue Recherchen und Mutmaßungen in mühevoller Kleinarbeit eine große Zahl von Fakten zu diesem Fall zusammengetragen (machtrausch_kapitel.pdf):

    Sechs Jahre nach dem Urteil war in die Ermittlungen über den ermordeten Dr. Praun und seine zwielichtigen Geschäfte in einem Wiederaufnahmeverfahren auch das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) eingeschaltet worden. Einmal stellte das LKA fest, dass es Kreise gibt, die wissen, dass zwei Menschen für eine Tat bestraft wurden, die sie nicht begangen haben und die versuchen, auf die verschiedensten Arten, der Brühne und dem Ferbach zu einem Wiederaufnahmeverfahren zu verhelfen. (S. 40 ebda.) Das LKA stellte weiterhin fest, dass die Hauptbelastungszeugin Renate Meyer, die damalige Sprechstundenhilfe von Otto Praun, im Prozess gegen Brühne und Ferbach falsche Angaben gemacht hatte. Am 28 Januar 1969 gab Frau Meyer in einem Gespräch mit dem Würzburger Journalisten Hans-Dieter Orttner (alias Peter Anders) zu, dass sie vor Gericht gelogen habe. Frau Meyer verstarb kurz darauf, am 1. Februar 1969 in einem Schwabinger Krankenhaus, angeblich an Darmkrebs, obwohl sie von Nachbarn als kerngesund beschrieben wurde. Sie wurde sofort ohne Obduktion eingeäschert. (machtrausch_kapitel.pdf S. 39)

    Im September 1967 gab der BND-Agent Roger Hentges bei der Bonner Staatsanwaltschaft zu Protokoll, dass er am 15. April 1960 um 1 Uhr nachts, also zu einem Zeitpunkt, an dem Praun offiziell schon einige Stunden tot war, mit seinem damaligen Chef und persönlichen Referenten des BVM Strauß, Oberst Werner Repenning und einem Mann mit dem Decknamen Schröder einen Besuch bei dem putzmunteren Praun gemacht habe. Er schildert die Vorkommnisse so: „Die Pistole hielt Dr. Praun in der rechten Faust. Sofort nach Abgabe des Schusses schlug Schröder dem Dr. Praun die Pistole aus der Hand. Während er sich bückte, fasste Repenning mich am rechten Arm. ‚Kommen Sie, Hentges, schnell weg.‘ Etwa 10 Minuten lang saß ich mit Repenning zusammen in dem PKW, als Schröder zu uns zurückkehrte. ‚Dem habe ich aber Bescheid gesagt.‘ (S. 42 ebda.)

    Hentges schrieb am 26. April 1960 einen Brief an den BVM Strauß, in dem er sich von den Vorfällen in dieser Nacht distanzierte. Wörtlich schrieb er, dass ich von den Absichten ihrer zwei Vertrauenspersonen vorher nicht informiert gewesen bin, ich bin gegen solche Gewaltanwendung und es gab noch andere, elegantere Möglichkeiten, unseren Kontrahenten zur Raison zu bringen. (S.43 ebda.)

    Danach befragt, warum er seine Aussage bei der Staatsanwaltschaft erst 5 Jahre nach dem Prozess gemacht hat, gab Hentges an, dass der inzwischen zum Brigadegeneral beförderte Werner Repenning ihm angedeutet hatte, dass der auf die Sache soweit Einfluss nehmen wolle, dass die Angeklagten auf irgendeine Weise frei kämen, bzw. begnadigt würden. (S. 43 ebda.) Repenning kam kurz darauf in eine hoffnungslose Lage. Strauß und Freunde ließen ihn fallen. Der Leiter des Anti-Korruptionsreferates beim BVM Ministerialrat Karl-Helmut Schnell, von dem gleich die Rede sein wird, leitete gegen ihn eine Untersuchung wegen Bestechung durch die Firma Lockheed ein. Repenning offenbarte sich seinem Seelsorger und ehemaligen Kriegskameraden Albrecht von Mutius, dass er kurz zuvor für Strauß eine Liste mit Gegenständen angefertigt habe, die als Bestechungsgeschenke von Lockheed nach Bonn gekommen waren und die alle in der Villa von Strauß zu finden seien. Am 2. Januar 1967 nahm sich, den Worten von Strauß an Repennings Grab zufolge der Depp das Leben. Aber vielleicht war es auch ganz anders. Strauß hätte so eine Aussage auch machen können, um abzulenken. Offiziell starb Repenning an Herzmuskelversagen. (S. 43/44 ebda.)

    Jener Ministerialrat Karl-Helmut Schnell entpuppte sich als der geheimnisvolle Herr Schröder, mit dem zusammen Hentges und Repenning in der Nacht vom 15. April 1960 bei Praun gewesen waren. Schnell konnte als Anti-Korruptions-Bekämpfer eine erstaunlich hohe Summe Geldes beiseite schaffen.

    Dieser Mann versuchte nun, im Januar 1969 einen anderen Zeugen im Prozess gegen Vera Brühne, den Geschäftsführer der Fritz-Werner-Betriebe Geisenheim (Waffenschmiede) Hans Brandes, zu veranlassen, den Agenten Roger Hentges als unglaubwürdig hinzustellen. Nun kannte Brandes den Hentges aber gut, sie hatten Ende der Fünfziger-Jahre ein gemeinsames Büro in Frankfurt. Brandes ließ sich nicht beeinflussen und hielt an seinen Aussagen fest. Im April 1971 wurde Brandes in einem Wald bei München vergiftet aufgefunden. Angeblich Selbstmord.

    Derselbe Schnell gab in einer Vernehmung vom 5.2.1967 im Verfahren Großkopf gegen die BRD zu, dass der Eindruck entstand, dass tatsächlich die Beschaffung der Bundeswehr eine von der Korruption nicht zu trennende Angelegenheit sei. (S. 54 ebda.) Bestechung hat ja nicht nur den Effekt der persönlichen Bereicherung, sondern man baut sich gleichzeitig einen Kreis von abhängigen Unterstützern, einen eigenen Hofstaat auf. Dumm ist nur, wenn der eine oder andere, der zu viel weiß, den Hals nicht voll kriegen kann, und sein Wissen in bare Münze umwandeln will. Das kann und konnte seinem Leben abträglich werden.

    Als der SPD-Politiker und Chef des Bundeskanzleramtes Horst Ehmke im März 1971 nach einer vorenthaltenen Akte beim BND in Pullach suchte, hielt er in einer Aktennotiz fest, wie Strauß ihn bedroht hatte: „Wenn du an die Praun-Geschichte gehst, dann musst du schon eine hohe Lebensversicherung haben. Wenn dir dein Leben lieb ist, dann lass die Finger von der Praun-Geschichte.“ (S. 34 ebda.)

    Einer, der die Stufen hoch geklettert ist, war der Knastbruder Siegfried Schramm. Er war ein Mithäftling von Ferbach und als Polizeispitzel bekannt. Er hatte unter Eid ausgesagt, dass ihm Ferbach die Tat in allen Details in der Zelle gestanden habe. Statt für den Meineid zur Rechenschaft gezogen zu werden, kandidierte er als CSU-Mitglied zum Gemeinde- und Kreisrat im oberbayrischen Weilheim.

    Zu guter Letzt ist noch zu erwähnen, dass Strauß das Buch Der bundesdeutsche Dreyfus-Skandal (ASIN: B00E4SOIHK) des Schriftstellers Dr. Ulrich Sonnemann über den Brühne-Prozess beschlagnahmen ließ. Eine der beliebten Maßnahmen von Strauß, um die Wahrheit zu unterdrücken. Auch gegen das Buch Die Vergangenheit, die nicht endete, aus dem hier zitiert wird, erzwang Karl-Helmut Schnell ein Verbot.

    Alle Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurden von der bayrischen Justiz abgelehnt. Im Mai 1979 wurde Vera Brühne schließlich von Franz Josef Strauß begnadigt. Für Johann Ferbach kam das zu spät. Er war während der Haft verstorben.

    Trotzdem Strauß den Vertragsabschluss über den Schützenpanzer nicht zu verantworten hatte, trieb er die Durchführung dieses Vertrages trotz aller desaströsen Meldungen nach anfänglichem Zögern energisch voran und belog ständig Parlament und Öffentlichkeit. (Bernt Engelmann – Das neue Schwarzbuch über Franz Josef Strauß, S. 55 ff., ISBN: 3-462-013904 )

    So erklärte er am 3. November 1958, dass der Auftraggeber (also das BMV) diese Verträge ohne Angabe von Gründen jederzeit mit sofortiger Wirkung kündigen könne.

    Am 18. Oktober 1966 erklärte er hingegen, dass die Lieferverträge wegen der eindeutigen Rechtslage aufgrund der hohen Schadenersatzansprüche nicht annulliert werden konnten.

    Am 25. Oktober 1966 schob er eine dritte Version hinterher, nach der die Annullierung der Verträge wegen der inzwischen veranlassten Verbesserungen nicht mehr nötig gewesen wäre.

    Zwei von einer Untersuchungskommission bestellte Rechtsanwälte stellten fest, dass die Bundesrepublik durchaus zum Rücktritt vom Vertrag oder zur Forderung von Schadenersatzforderungen wegen Nichterfüllung berechtigt sei. Es stünden ihr Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss und positiver Vertragsverletzung zu.

    Die ersten beiden Prototypen des Schützenpanzers waren eine Katastrophe. Trotzdem gab Strauß am 3. November 1958 die Erklärung ab, dass beabsichtigt sei, fünfzig Schützenpanzer bei der Truppe zu erproben und vier Monate nach Abschluss des Truppenversuches die Lieferungen aus der Serienproduktion beginnen würden und die Gesamtauslieferung im Frühjahr 1961 abgeschlossen sei.

    Die Bundeswehr erhielt schließlich 2.176 Panzer für 517 Millionen DM zwischen September 1959 und Februar 1962. (HS-30-Skandal – Wikipedia)

    Der Starfighter-Skandal

    Um die atomare Bewaffnung voranzutreiben, traf Strauß im Oktober 1958 die Entscheidung, die Luftwaffe mit dem Starfighter F 104 der amerikanischen Flugzeugbaufirma Lockheed auszurüsten. Noch ehe über Preise, Lizenzgebühren, Garantien verhandelt worden wäre, erklärte Strauß gegenüber der Verluste produzierenden Lockheed, dass er sich endgültig für den Starfighter entschieden habe. Damit war Lockheed konkurrenzlos und konnte Preise und Bedingungen diktieren.

    Es war dasselbe Muster wie beim HS 30: Noch ehe auch nur ein Prototyp des Starfighters F 104 G ausprobiert worden war, war schon die Entscheidung gefallen. Es war nicht so, dass es keine Konkurrenz gab. Nur war Lockheed bekannt dafür, dass die Firma sehr spendabel war und gern Schmiergelder an höchste Regierungsvertreter bezahlte (Lockheed-Skandal – Wikipedia). Auch Strauß hatte vor seinem Besuch bei Lockheed noch die französische Mirage favorisiert und sich nach dem Besuch für die F-104 ausgesprochen. Ein Beweis für Korruption wurde natürlich nie gefunden. Die meisten Lockheed-Dokumente des BMV waren bereits 1962 vernichtet worden (Lockheed-Skandal – Wikipedia). Auch eine Aussage seines ehemaligen Kumpel und damaligen Lockheed-Lobbyisten Ernest F. Hauser, nach der Franz Josef Strauß und seine Partei 1961 10 Millionen US-Dollar für den Kauf der Starfighter erhalten haben soll, brachte Strauß nicht in Verlegenheit. Es gab keine Beweise. Außerdem für Lockheed ein Taschengeld bei einem Auftrag von 5 Milliarden DM.

    Auf jeden Fall wollte Strauß der bayrischen Luftfahrtindustrie einen Gefallen tun: der Starfighter sollte nämlich in Lizenz auch in Bayern zusammengebaut werden (Dornier, BMW/MAN, Messerschmitt). Und dieser amerikanische Schönwetter-Abfangjäger sollte mit US-Atombomben ausgerüstet werden.

    Das BVM hatte noch einige andere Wünsche:

    – eine Autopilot-Einrichtung

    – ein Mehrzweck-Radar-System

    – einen Bombenrechner

    – einen Luftwertrechner

    – eine Positions- und Zielfluganzeige

    – Vorrichtungen zum Bau von Kameras

    – ein Trägheitsnavigationsgerät.

    Dafür bekamen die Prototypen der deutschen Version einen verstärkten Rumpf und ein anderes Triebwerk.

    Im Grunde war es ein völlig neues Flugzeug, das mit vielen Konstruktionsfehlern belastet durch viele dramatische Abstürze auf sich aufmerksam machte.

    Bis zur Ausmusterung 1991 waren 916 Stück des Witwenmachers bei der Bundeswehr im Einsatz, 300 gingen durch Unfälle verloren, davon 269 durch Abstürze. Die Entscheidung von FJS bezahlten 116 Piloten mit dem Leben. Ein Starfighter kostete 1,42 Millionen Dollar. (Lockheed F-104 G Starfighter: Der „Starfighter“ war ab den 60er Jahren das wichtigste Kampfflugzeug der NATO)

    Da der Kurs DM-Dollar in den 60er-Jahren konstant auf 4:1 stand und erst in den 70er-Jahren fiel, auf der anderen Seite für die Nachrüstung 750 Millionen DM aufgewendet werden mussten, kann man getrost von einem Preisumfang von 5 Milliarden DM ausgehen. Also hat die Bundesrepublik rund 43 Millionen DM aufgewendet, um einen eigenen Piloten umzubringen, und das in Friedenszeiten.

    Die Spiegel-Affäre

    Nachdem der Spiegel immer wieder die Aktivitäten von FJS beleuchtet und immer wieder bei seinen verschieden Affären nachgehakt und den Finger in die Wunde gelegt hatte (FIBAG-Affäre, Onkel Aloys-Affäre), brachte die Zeitung in der Nummer 41/1962 einen Artikel unter der Überschrift Bedingt abwehrbereit vor folgendem Hintergrund heraus:

    Die NATO probte mit dem Manöver Fallex 62 den 3. Weltkrieg. Die Manöverleitung ließ eine Atombombe von mittlerer Sprengkraft über einem Fliegerhorst der Bundeswehr explodieren. Weitere Atomschläge gegen die Flugplätze und Raketenstellungen der Nato in der Bundesrepublik, in England, Italien und der Türkei folgten (Bundeswehr: Bedingt abwehrbereit – DER SPIEGEL 41/1962).

    Dabei stellte sich heraus, dass die Verbände der NATO und besonders die deutschen Verbände nicht in der Lage waren, dem sowjetischen Vorstoß ausreichend und nachhaltig Widerstand zu leisten. Strauß favorisierte deswegen statt der teuren Aufstockung der konventionellen Verbände die Ausrüstung der Truppe mit der amerikanischen Gefechtsfeld-Atomwaffe von kurzer Reichweite und begrenzter Wirkung Davy Crockett. Für ihn war das Wesen der Atombombe eine politische Waffe, mit der man die Angst der Bevölkerung vor der Bombardierung steigern kann. Die NATO kam dagegen zu folgendem Ergebnis: Mit Raketen an Stelle von Brigaden und mit Atom-Granatwerfern an Stelle von Soldaten ist eine Vorwärtsverteidigung der Bundeswehr nicht möglich, eine wirksame Abschreckung bleibt fraglich (Bundeswehr: Bedingt abwehrbereit – DER SPIEGEL 41/1962).

    Die Untersuchung der Abwehrbereitschaft im Spiegel brachte das Fass des Herrn Strauß zum Überlaufen. Sein Parteifreund Friedrich August Freiherr von der Heydte erstattete Strafanzeige gegen die Zeitung und deren verantwortliche Redakteure wegen Landesverrats und landesverräterischer Fälschung. Herr von Heydte wurde 1944 als Fallschirmoffizier mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz ausgezeichnet und 1987 mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Nicht lange nach der Anzeige durchsuchten acht Beamte der Sicherungsgruppe Bonn, alsbald verstärkt durch drei Überfallkommandos und 20 Hamburger Polizisten, die Redaktionsräume und das Archiv, besetzten die Telefonzentrale und beschlagnahmten alle Papiere, die mit Militärischem oder mit Strauß-Affären zu tun hatten. Es gab einen öffentlichen Aufschrei. Es wurde klar, dass es sich nicht um einen Abgrund von Landesverrat handelte, sondern um einen Abgrund von Amtsanmaßung, Kompetenzüberschreitungen, Rechtsverletzungen und Lügen handelte:

    Strauß hatte in einem nächtlichen Telefonat nach Madrid mit seinem dortigen Spezi, dem Militärattaché Achim Oster, der ihm beim Sturz des ehemaligen BVM Blank geholfen hatte, veranlasst, dass der als Urlauber in Spanien weilende Redakteur Conrad Ahlers von der spanischen Polizei festgesetzt wurde. Ein Haftbefehl von Interpol sei unterwegs. Dabei hatten Justizministerium sowie Bundesanwaltschaft ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Einschaltung von Interpol bei der Verfolgung von politischen Angelegenheiten nicht zulässig sei.

    Es wurden insgesamt 7 Spiegel-Redakteure verhaftet, auch der Chefredakteur und Herausgeber Rudolf Augstein. Der später von der RAF ermordete Generalstaatsanwalt Siegfried Buback hatte die Haftbefehle auf seiner persönlichen Schreibmaschine getippt, damit niemand Wind von der Sache bekommt.

    Der damalige Bundesjustizminister Wolfgang Stammberger (FDP) wurde von der Aktion gegen den Spiegel nicht unterrichtet.

    Strauß behauptete gar, er handle auf direkte Weisung des Bundeskanzlers, was von Adenauer ausdrücklich bestritten wurde. Der Fraktionsvorstand der CDU/CSU gab am 29.11.1962 eine offizielle Erklärung heraus: „Der Bundeskanzler hat im Einzelfalle keine Weisung erteilt. Das gilt auch für die Frage der Nichtunterrichtung des Justizministers.“ (DOKUMENTATION – Dr. h. c. Strauß in eigener Sache vor dem Deutschen Bundestag – DER SPIEGEL 34/1965).

    Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Adenauer den Spiegel erledigen und Leser und Anzeigekunden abschrecken wollte: „Gott, was ist mir schließlich Augstein. Der Mann hat Geld verdient auf seine Weise. Es gibt Leute, die ihm dabei geholfen haben, indem sie den Spiegel abonniert haben und Anzeigen hineingesetzt haben.“ (50 Jahre Spiegel-Affäre – Der Tag, an dem die Republik erwachte – Medien – Süddeutsche.de)

    Strauß täuschte tagelang Parlament und Öffentlichkeit über seine Beteiligung bei der Aktion. Am 3. November 1962 behauptete er noch: „Ich habe mit der Sache nichts zu tun, im wahrsten Sinne des Wortes nichts zu tun.“

    Am 15. November schon gab er zu: „Ich habe nie behauptet, dass ich mit der ganzen Angelegenheit nie etwas zu tun gehabt habe.“ („ICH HABE MIT DER SACHE NICHTS ZU TUN“ – DER SPIEGEL 48/1962)

    Strauß wurde durch andauernde Demonstrationen und den Austritt der FDP-Minister aus der Regierung dazu gezwungen, am 11. Dezember 1962 seinen Hut zu nehmen.

    Die ganze Angelegenheit hatte ja auch eine positive Seite. Es gab die erste große Protestwelle der akademischen Intelligenz gegen staatliche Unterdrückung, die ein paar Jahre später in die Studentenrevolte von 1968 münden sollte.

    An den Hochschulen verging kein Tag ohne Sit-ins, Demonstrationen und Protestaufrufe. „Spiegel tot, Freiheit tot“, „Sie schlagen den Spiegel und meinen die Demokratie“ oder „Augstein raus, hinein mit Strauß“ wurden zündende Parolen. Tausende Studenten strömten zu Podiumsdiskussionen. Hunderte Professoren unterschrieben Protestaufrufe, insgesamt mehr als 600 Wissenschaftler. Schriftsteller und Künstler traten für den Spiegel ein. Der konservative Schriftsteller Hans Habe, den der Spiegel vielfach geschmäht hatte, schrieb: „Die Aktion gegen den Spiegel und seinen Herausgeber stellt den größten Skandal seit der Verhaftung Carl von Ossietzkys dar.“

    Der Publizist Sebastian Haffner, dem Spiegel nicht sehr gewogen, schrieb: „Das Gesamtbild ist nicht das eines rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens, sondern eines von Vernichtungswillen getragenen kriegsähnlichen Überfalls der Staatsgewalt auf missliche Staatsbürger, wie sie dem Deutschen aus der nationalsozialistischen Zeit geläufig ist.“ (50 Jahre Spiegel-Affäre – Der Tag, an dem die Republik erwachte – Medien – Süddeutsche.de)

    Und dieser Mann wollte 1980 Bundeskanzler werden. Es bildete sich eine breite Bewegung, die das einzige Ziel hatte, gerade das zu verhindern. In ganz Deutschland gingen die Menschen gegen Strauß auf die Straße, es bildeten sich Anti-Strauß-Aktionsbündnisse. Hunderttausende vor allem junge Menschen steckten sich Anti-Strauß-Pins an ihre Kleidung mit Mottos wie „Freiheit statt Strauß“, „Stoppt StrauSS“ (mit SS-Runen) oder „Gott schütze uns und unser Haus vor AKWs und Franz Josef Strauß“. (60 Jahre BRD – Strauß, bekannt für seine kraftstrotzende – Politik – Süddeutsche.de)

    Die Schülerin Christine Schanderl vom Albertus-Magnus-Gymnasium in Regensburg machte damals Schlagzeilen, weil sie einen Stoppt-Strauß-Button in der Schule trug und ihn trotz Aufforderung nicht ablegte. Sie wurde daraufhin von der Schule verwiesen. Ihre Klage gegen den Rauswurf war erfolgreich.

    Auch die Kampagne war erfolgreich. Die Union erlitt mit ihrem Kanzlerkandidaten eine entscheidende Niederlage und büßte 4,1 % der Wählerstimmen ein. Der Spiegel schrieb: 2,1 Millionen Unionswähler auf der Flucht vor FJS. Dieses Ergebnis verhalf Helmut Kohl, der 1982 Bundeskanzler wurde, zum Durchbruch.

    Strauß wurde mit Ehrungen durch die bürgerlich-kapitalistischen Staaten nur so überschüttet. Lt. Wikipedia erhielt er 32 in- und ausländische Orden, darunter das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

    Bedingt einsatzbereite Waffensysteme sind nicht nur das spezifische Charakteristikum eines Franz Josef Strauß. Das können andere Bundesverteidigungsminister auch ganz gut. Am 9.8.2016 waren nur 12 von 27 Kampfhubschrauber vom Typ Tiger einsatzbereit. (Bundeswehr: „Tiger“-Hubschrauber sind für Mali einsatzbereit – SPIEGEL ONLINE)

    Der Mehrzweckhubschrauber NH 90 gilt in der Branche als Hubschrauber mit vielen Problemen. (Sicherheit des Airbus-Helikopters NH90: Konzern rüstet nach – WELT)

    Das Transportflugzeug A 400 M ist ein Pannenflugzeug. Probleme mit den Getrieben und der Softwaresteuerung der Triebwerke führten zu einem Absturz, diversen Flugverboten und massiven Verzögerungen. 53 Stück waren bestellt, bislang erhalten 5. Das BVM will jetzt Maschinen bei Lockheed bestellen. (Pannen-Airbus A400M: Luftwaffe muss US-Transportmaschinen zukaufen – WELT)

    Alle 3 Typen werden von Airbus hergestellt. Sie funktionieren zwar nicht, wie sie sollen, aber dafür hat Airbus einen eigenen Mann beim Bundesverteidigungsministerium. Nach Recherchen von Frontal 21 vom 29.11.2016 arbeitet ein Mitarbeiter von Airbus ausgerechnet im Beschaffungsamt, der Behörde, die eigentlich für die Kontrolle der Rüstungsprojekte zuständig ist. (Frontal 21 Folge 562 HD(29.11.16) – YouTube)

    18. Wilhelm Zangen wurde 1934 zum Generaldirektor der Mannesmannröhren-Werke ernannt.

    Er trat1937 der NSDAP bei und wurde im selben Jahr Wehrwirtschaftsführer. Ab November 1938 war er Leiter der Reichsgruppe Industrie und Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. Zusätzlich hatte er zahlreiche Aufsichtsratsposten inne. Im Sommer 1942 wurde er in die Reichsvereinigung Eisen berufen.

    Zangen gilt als mitverantwortlich für die Verschleppung zahlreicher Fremdarbeiter nach Deutschland während des Zweiten Weltkrieges, weil er unter anderem in seiner Funktion als Mitglied im Industrierat des Oberkommandos des Heeres (OKH) auf ein „Arbeitskräftereservoir in Südosteuropa“ hinwies, welches für die Kriegswirtschaft auszubeuten sei.

    Von Juli bis November 1945 war Zangen in einigen alliierten Internierungslagern als vermutlicher Kriegsverbrecher inhaftiert. Später wurde er vom Düsseldorfer Entnazifizierungsausschuss als „minderbelastet“ eingestuft.

    Ab 1948 war er schon wieder Generaldirektor der Mannesmannröhren-Werke. Nach seinem Ausscheiden aus der Unternehmensführung 1957 wechselte er in den Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender er bis 1966 war.

    1958 wurde Zangen Ehrendoktor der Universität Münster und erhielt 1965 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern. Er verstarb 1971.

    Das war nur eine kleine Auswahl von Top-Managern der damaligen Konzerne und Banken und anderen Führungskräften. Die Mitgliedschaft in der Partei war nicht die Voraussetzung, diese Positionen zu besetzen. Das beweisen die Leiter der beiden größten deutschen Banken Abs und Goetz. Die meisten waren aber in der Partei, freiwillig, weil die Nazis die größten Profite gewährleisteten. Die Geschichte von dem Zwang ist ein Märchen, um sich selbst reinzuwaschen. Nein, sie waren die Nazis. Es fiel ihnen nicht schwer, das demokratische Mäntelchen der Weimarer Republik abzulegen und das wahre räuberische Gesicht des Kapitalismus zu zeigen und es fiel ihnen nach einer kurzen durch die Besatzungsmächte hervorgerufenen Karenzzeit auch nicht schwer, sich das demokratische Mäntelchen der Bundesrepublik wieder anzuziehen, weil die Grundlage der verschiedenen politischen Systeme immer die gleiche war, nämlich der Kapitalismus im Stadium der Monopole und Oligopole und damit die Konzentration von Besitz und Reichtum in den Händen von wenigen.

    In den folgenden beiden Büchern werden die personellen Kontinuitäten in größerem Umfang beschrieben:

    Karrieren im Zwielicht – Hitlers Eliten nach 1945 von Norbert Frei u.a., ISBN: 3-593-36790-4

    Das Personenlexikon zum Dritten Reich von Ernst Klee, ISBN-10: 3868203117, ISBN-13: 978-3868203110


    • Zerschlagung der Nazi-Organisationen?


      Die NSDAP wurde am 10. Oktober 1945 mit allen Gliederungen und angeschlossenen Verbänden durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 des Alliierten Kontrollrates verboten.


      Aber schon im gleichen Monat, also 5 Monate nach dem Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft wurde die erste nationalkonservative deutsche Partei, die Nationaldemokratische Partei (NDP) gegründet.


      Gründer waren Heinrich Leuchtgens und Heinrich Fassbender, wobei der erstere Monarchist war und der zweite später mit Umweg über FDP und DNVP bei der NPD landete, deren stellvertretender Vorsitzender er wurde. Die NDP konnte 1948 nur in Hessen zu den Kreistagswahlen antreten. Sie erhielt, obwohl sie mangels Lizenzen in zwei Dritteln des Landesgebiets nicht wählbar war, landesweit 3,4%. Ohne Landeslizenz musste die NDP mit der zu dieser Zeit äußerst reaktionären FDP, in die Fassbender bereits übergetreten war, ein Wahlbündnis schließen. Aufgrund dieses Bündnisses kam der Vorsitzende der NDP, Heinrich Leuchtgens, als Abgeordneter in den Deutschen Bundestag.


      Der soziale Träger für die faschistischen Ideen ist in erster Linie das Kleinbürgertum. Die Begeisterung für diese Ideen ist aber nicht die einzige Eigenschaft des Kleinbürgertums. Andere sind Individualismus, Egoismus und Konkurrenzdenken und besonders für die Führer gilt Geltungsdrang, der fehlende Wille zur Unterordnung und persönliche Bereicherung. So nimmt es nicht wunder, dass in der Folgezeit immer neue nationalistische Gruppierungen aus dem Boden sprossen. Es wurde gegründet, zusammengelegt, abgespalten, aufgelöst, dass einem ganz schwindlig werden kann:


      Am 21. Januar 1950 schloss sich die NDP mit der Deutschen Konservativen Partei – Deutsche Rechtspartei (DKP-DRP) zur Deutschen Reichspartei (DRP) zusammen. Der radikalere Flügel der NDP unter Karl-Heinz Priester spaltete sich ab und agierte fortan als Nationaldemokratische Partei – Deutsche Reichspartei, welche eng mit anderen reaktionären Parteien wie mit der NSDAP-Nachfolgeorganisation, der Sozialistischen Reichspartei Deutschlands (SRP) zusammenarbeitete.


      Karl-Heinz Priester war noch vor der NS-Machtergreifung Führer im Jungvolk und Publizist bei der Hitler-Jugend. Im Zweiten Weltkrieg wurde er bei der Luftwaffe als Verbindungsoffizier zur Waffen-SS eingesetzt.


      Die Sozialistische Reichspartei Deutschlands (SRP) entstand am 2. Oktober 1949 als Abspaltung des nationalsozialistischen Flügels der DKP-DRP um Otto Ernst Remer, einem ehemaligen Generalmajor der Wehrmacht, und dem nationalistischen Schriftsteller Fritz Dorls. Prominenter Unterstützer der Partei war u.a. der ehemalige Luftwaffenoberst Hans-Ulrich Rudel.


      Da das Parteiprogramm der SRP dem der NSDAP sehr ähnlich war, rekrutierte die SRP ihre Mitglieder und Wähler vor allem unter ehemaligen NSDAP-Angehörigen. Sie zählte zeitweise annähernd 40.000 Mitglieder. Jeder zweite von ihnen hatte die nationalsozialistische Diktatur als Jugendlicher erlebt.


      Die SRP wurde am 23. Oktober 1952 wegen ihrer offenen Bezugnahme auf die NSDAP verboten. Sämtliche Mandate wurden ersatzlos gestrichen und es wurde die Einziehung des Parteivermögen angeordnet.


      Die Deutsche Reichspartei (DRP) ging Anfang 1950 aus einer Zusammenlegung der niedersächsischen Deutschen Rechtspartei, einem Landesverband der DKP-DRP, mit der Nationaldemokratischen Partei (NDP) hervor. Die DRP war bis 1953 im Bundestag vertreten, da sich ihr ein Teil der Abgeordneten der Deutschen Rechtspartei angeschlossen hatte, darunter der spätere DRP- und NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden.


      Sie kam 1951 und 1955 auch in den Landtag von Niedersachsen.


      Der DRP-Landesverband in Rheinland-Pfalz wurde 1960 verboten. Bei Wahlen blieb die DRP ohne dauerhafte Erfolge und verlor in der Zeit ihres Bestehens an Bedeutung. Als Krönung dieser Parteienorgie bildete die DRP im November 1964 zusammen mit Teilen der Gesamtdeutschen Partei (GDP), der 1962 von Heinrich Fassbender gegründeten DNVP und der DP Bremen in Hannover die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Was keinesfalls das Ende der Gründung von faschistischen Parteien war.


      1983 wurden in München von ehemaligen Mitgliedern der CSU die Partei Die Republikaner (REP) gegründet. 1994 wurde Rolf Schlierer Parteivorsitzender. Unter ihm verlor die Partei gegenüber anderen rechtsextremen Parteien wie der NPD an Bedeutung. Sie ist seit 2001 nur noch in kommunalen Parlamenten vertreten.


      Das Parteienkarussell drehte sich im März 1987 mit der Gründung der Deutschen Volksunion (DVU) weiter. Hauptfinanzier und Alleinherrscher war der Zeitungsverleger Gerhard Frey. Die Partei war in finanzieller Hinsicht vollkommen abhängig von ihm.


      Die DVU verschmolz ab Januar 2011 mit der NPD und der Rest löste sich im Mai 2012 endgültig auf.


      Ehemalige Mitglieder der DVU gründeten daraufhin am 27. Mai 2012 die Partei Die Rechte. Sie wurde ausdrücklich als Konkurrenz zur NPD gegründet, wegen deren weichgespültem Auftreten. Eine führende Rolle spielte der Aktivist Christian Worch. Der war schon aufgefallen als Leiter der Aktionsfront Nationaler Sozialisten (ANS), stellvertretender Vorsitzender der FAP (siehe unten), Aktivist der Freien Kameradschaften (siehe unten) und durch mehrere Strafverfahren, in denen er einmal zu 3 Jahren und ein anderes Mal zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde. Die Partei fordert „die Aufhebung der Duldung von Ausländern“ und Freiheit für den Holocaust-Leugner Horst Mahler: Sie wird immer mehr zum politischen Auffangbecken für rechte Gestalten aus dem Dunstkreis der NPD und verbotener Kameradschaften. (Die Rechte: Diese Neonazi-Partei ist gefährlicher als die NPD)


      Die Pro-Bewegung entstand im Jahr 1996 mit der Gründung der Wählergemeinschaft Bürgerbewegung pro Köln. Es ist der Dachverband für z.B. die Bürgerbewegung pro NRW, pro Deutschland oder pro Köln, die als Keimzelle der pro-Bewegung gilt. Diese Bewegung hat sich wie die Alternative für Deutschland (AfD) das Schüren von Ängsten gegenüber Muslimen, die Ablehnung der multikulturellen Gesellschaft sowie die Warnung vor Islamisierung und Überfremdung auf die Fahnen geschrieben. Einem von pro Köln und pro NRW in 2008 durchgeführten Anti-Islamisierungskongress mit 100 Teilnehmern standen 40.000 Gegendemonstranten gegenüber. Im November 2017 hat Pro Deutschland ihre Auflösung beschlossen und ihre Mitglieder aufgefordert, zur AfD zu wechseln.


      Radikale völkische Nationalisten, unter ihnen ehemalige NPD-Funktionäre und Aktivisten des im Juli 2014 verbotenen Freien Netzes Süd (FNS), gründeten im September 2013 die Partei Der III. Weg. Sie versteht sich als Kaderpartei und wird als höchst gewaltbereit eingestuft. Sie propagiert einen deutschen Sozialismus als dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus in Anlehnung an die Programmatik des linken Flügels der NSDAP um Otto Strasser. Diese Ideen stoßen sowohl in der NPD als auch in den Freien Kameradschaften und den Autonomen Nationalisten auf Resonanz. Die Partei verbreitet rassistische Ressentiments gegen Asylsuchende und gibt Tipps zur Verhinderung von Flüchtlingsheimen heraus.


      Die drei zuletzt genannten Organisationen sind Miniparteien bzw. -vereine ohne nennenswerten Einfluss und Erfolge. Dafür sorgte eine andere Partei in letzter Zeit für Furore, die Alternative für Deutschland (AfD). Zur Einschätzung des Wahlprogramms 2017 siehe die Ausführungen auf dieser Website: (Einige Gedanken zum Programm der AfD – NORBERTs GESCHICHTEN ÜBER GESCHICHTE) Die AfD ist nach diesem Programm eine kleinbürgerliche Partei, aber sie ist aufgrund ihrer Flüchtlings- und Islamfeindlichkeit zum Sammelbecken rassistischer und neonazistischer Personen geworden. Im Jahre 2017 ist sie mit 11 Frauen und 83 Männern in den Deutschen Bundestag eingezogen. Mit den Stimmen der anderen bürgerlichen Parteien, darunter auch der SPD, sind drei ihrer Mitglieder zu Vorsitzenden in den Ausschüssen des Bundestages gewählt worden. Darunter der rechtspopulistische Hardliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch, der vom Leiter des Instituts für Konfliktforschung und Strafverteidiger Günter Tondorf als geistiger Brandstifter bezeichnet wurde. (Jugendkriminalität: Senatorin geht auf Distanz zu Staatsanwalt – WELT) Reusch wurde Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, also dem Gremium, das sich u.a. mit den deutschen Geheimdiensten befasst.


      Das sind noch längst nicht alle Parteien im rechtsextremen Karussell: Z.B. wurde 1962 auf Betreiben des Arnsberger DSU-Bezirksvorsitzenden Erhard Kliese die Unabhängige Arbeiterpartei (UAP) als Abspaltung von der 1956 gegründeten Deutsch-Sozialen Union (DSU) ins Leben gerufen. Von der UAP wiederum spaltete sich 1968 in Baden-Württemberg die Sozial-Liberale Deutsche Partei (SLP) unter Martin Pape ab, die sich 1978 in Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) umbenannte. Die FAP war unter anderem berüchtigt für aggressiv-nationalistische Propaganda, ihre inhaltliche Nähe zum Nationalsozialismus und gewalttätige, rassistisch motivierte Übergriffe, vor allem gegen dunkelhäutige Menschen unterschiedlicher (auch deutscher) Nationalität und andere Minderheiten in Deutschland. Sie unterstützte kroatische Paramilitärs mithilfe angeheuerter Söldner aus Deutschland. (siehe: Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei – Wikipedia) Einige Anhänger und Mitglieder der FAP wurden wegen unterschiedlicher Straftaten angeklagt und verurteilt. Viele ehemalige Kader der FAP sind heute in der NPD und den Freien Kameradschaften aktiv. Sie wurde 1995 verboten.


      Wenn man sich auch über das auf dem Konkurrenzdenken basierende Parteienwirrwar lustig machen kann, so sind die zugrundeliegenden Ideen nicht so lustig:


      Diese Parteien propagieren einen völkischen Nationalismus. Mit der Forderung, dass eine Überfremdung verhindert werden müsse, agitieren sie für die Ausweisung der nichtdeutschen Bevölkerung aus der Bundesrepublik. Sie setzen sich für die Wiedereinführung der Deutschen Mark und den Austritt Deutschlands aus internationalen Bündnissen wie NATO und EU ein. Sie hetzen gegen Juden und sind gegenüber Israel feindlich gesinnt. Sie fordern einen autoritären Staat, der den Willen der Volksgemeinschaft durchsetzen soll. Sie setzen sich für die Rückverschiebung der deutsch-polnischen Grenze und Wiederherstellung der Staatsgrenzen Deutschlands auf den Stand von Ende 1937 ein. Das alles lässt sich durch folgende Begriffe umreißen: Nationalismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Revanchismus und Befürwortung einer Diktatur.


      Alle diese Ideen sind einerseits ein Aufwärmen von nationalsozialistischem Gedankengut und andererseits ein Aufgreifen der Stimmung in Teilen des Kleinbürgertums.


      Mit der FAP sind wir beim gewalttätigen Teil der Rechtsextremisten gelandet. Während die vorgenannten Parteien mit ihrer Ideologie, ihrer Hetze und ihrem Hass den Boden für die Gewalttaten vorbereiten, wird die Gewalt von anderen Gruppen in die Tat umgesetzt. Das hat für die Parteien den Vorteil, dass sie jederzeit den Vorwurf der Gewalttätigkeit zurückweisen können.


      Da sind zuerst einmal die verschiedenen Wehrsportgruppen (WSG) zu nennen.


      WSG’s führten Waffentraining und Gelände- und Nahkampfübungen durch. Eine Einzelkämpferausbildung gehörte dazu, sowie das lautlose Töten potentieller Gegner und des Wachpersonals an besonders gesicherten Objekten sowie das Legen von Hinterhalten und die Durchführung von Überfällen.


      Die bekannteste WSG, die durch ein fürchterliches Massaker auf sich aufmerksam machte, ist die WSG Hoffmann.


      Die 1973 von Karl-Heinz Hoffmann gegründete Gruppe übernahm anfänglich den Saalschutz für verschiedene rechtsextreme Veranstaltungen, z.B. der NPD und der DVU. Anlässlich einer Veranstaltung des reaktionären Hochschulring Tübinger Studenten am 4. Dezember 1976 in der Tübinger Universität verletzten Mitglieder der WSG Hoffmann mehrere Gegendemonstranten so stark, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Auf einer „Hitler-Gedenkfeier“ der Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) am 22. Juli 1978 in Lentföhrden lieferten sich Mitglieder der WSG Hoffmann zusammen mit ANS/NA und NSDAP/AO-Anhängern eine Saalschlacht mit der Polizei.


      Die Aktivitäten der WSG Hoffmann wurde vom CSU- Politiker und Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß folgendermaßen heruntergespielt: Man solle Hoffmann doch „in Ruhe lassen“, wenn er „sich vergnügen will, indem er am Sonntag auf dem Land mit einem Rucksack und einem mit Koppel geschlossenen ,battledress‘ spazieren geht“. (DER SPIEGEL 43/2011 – Im rechten Netz)


      Die WSG begriff sich als Speerspitze eines Umsturzes. In einem 1. Manifest der Bewegung zur Verwirklichung der Rational Pragmatischen Sozial-Hierarchie forderte Hoffmann „eine radikale Veränderung der Gesamtstruktur in allen Bereichen“. Das bestehende System sollte durch eine „nach dem Leistungs- und Selektionsprinzip ausgerichtete Führerstruktur“ ersetzt werden, wobei die Regierungsgewalt „von einer in der obersten Führung zusammengefassten Gruppe“ ausgehen solle. In dieser der „Volksgemeinschaft dienenden Staatsform“ sollten die Mitglieder der Regierung anonym sein. Wahlen wären verboten, Gewerkschaften und Kirchen seien zu entmachten. (siehe: Wehrsportgruppe Hoffmann – Wikipedia)


      Die WSG Hoffmann wurde am 30. Januar 1980 durch den Bundesinnenminister Gerhart Baum wegen des Ziels der Untergrabung und Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland verboten und aufgelöst.


      Bei Hausdurchsuchungen wurden nach offizieller Angabe in drei Bundesländern 18 Lastwagenladungen an Material beschlagnahmt. Darunter befanden sich u.a. Waffen wie Karabiner, Pistolen, Munition, Bajonette und Handgranaten.


      Nach dem Verbot setzte sich ein Teil der Gruppe in den Libanon ab. Hoffmann unterhielt gute Kontakte zur Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO). Sie stellte der WSG im Lager Bir Hassan im Süden von Beirut ein Teil des Geländes zur Verfügung. Von hier aus sollten terroristische Akte in der Bundesrepublik durchgeführt werden. Hartmut Brenneisen, Juliane Bohrer, Dirk Staack schreiben in ihrem Buch: 60 Jahre Grundgesetz. Polizei und Sicherheitsmanagement. Bd 6. LIT, Münster 2010, S. 216, dass es das Ziel der im Libanon tätigen WSG-Ausland war, die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland durch terroristische Akte zu bekämpfen und den Boden für eine Diktatur zu bereiten. Die Ziele der faschistischen WSG Hoffmann damals und des faschistischen Islamischen Staates (IS) heute liegen also nicht so weit entfernt voneinander.


      Folgerichtig verübte am 26. September 1980 das Mitglied der WSG Hoffmann Gundolf Köhler einen Bombenanschlag auf das Münchner Oktoberfest, bei dem 13 Menschen, darunter Köhler selbst, getötet und über 200 zum Teil schwer verletzt wurden. (Zum Verhalten der bundesrepublikanischen Behörden in diesem Fall siehe den Abschnitt über die Geheimdienste.)


      Am 19. Dezember 1980 wurden der jüdische Verleger und ehemalige Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, Shlomo Levin, und seine Lebensgefährtin Frieda Poeschke in Erlangen von Uwe Behrendt, einem weiteren Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann, erschossen. Levin hatte zuvor mehrfach öffentlich vor der deutschen Neonaziszene und insbesondere vor Hoffmann gewarnt. Die Tatwaffe, eine Maschinenpistole vom Typ Beretta, gehörte Hoffmann; am Tatort wurde die Brille von Hoffmanns Ehefrau Franziska Birkmann gefunden. Uwe Behrendt flüchtete anschließend in den Libanon. Bei späteren Prozessen berichteten Mitglieder der Wehrsportgruppe von den Plänen Hoffmanns, einen Staatsanwalt ermorden zu lassen. Obwohl Generalbundesanwalt Kurt Rebmann 1981 die im Libanon tätige Wehrsportgruppe Ausland zur terroristischen Vereinigung deklarierte, verhinderte der Bundesgerichtshof weitere Ermittlungen und ein Strafverfahren mit der Begründung, nur diejenige Gruppe, „die im räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes besteht“, dürfe als terroristische Vereinigung verfolgt werden. (siehe: Wehrsportgruppe Hoffmann – Wikipedia )


      Sturm 34 wurde im März 2006 ausgerufen. Der Name war von einer SA-Brigade übernommen, die während der Zeit des Nationalsozialismus in der Region Mittweida stationiert war. Ziel der Gruppe war es, die Region durch Gewalt und martialisches Auftreten zu terrorisieren und einzuschüchtern. Sie richtete sich vornehmlich gegen Ausländer und Vertreter der Linken. Beispielsweise überfiel sie das Büro der Ortsgruppe der Linkspartei, Döner-Imbissstände, Afrodeutsche und Punks. Die Angriffe erfolgten meist aus einer zahlenmäßig überlegenen Gruppe heraus. Die Gruppe wollte eine „national befreite Zone“ um Mittweida errichten.


      Der NPD-Kreisvorsitzende von Mittweida hat Sturm 34 mehrfach für Veranstaltungen angefordert. Dabei stiftete er deren Mitglieder zu Straftaten an, indem er sie beispielsweise aufgefordert hat, gegen Linke, die auf der Veranstaltung auftauchen würden, körperliche Gewalt anzuwenden.


      Die sächsische Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Die Linke) bezeichnete Sturm 34 als „den bewaffneten Arm der NPD“.


      Nach Hausdurchsuchungen am 26. April 2007, bei der unter anderem Schreckschusswaffen, Sturmhauben und rechtsextremes Propagandamaterial gefunden wurden, verbot der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo die Gruppe mit sofortiger Wirkung. (siehe: Sturm 34 – Wikipedia)


      Aufgrund der Verbote von mehreren faschistischen Parteien und Gruppen (FAP, Wehrsportgruppen, Sturm 34) bildeten sich Mitte der 1990er Jahre Freie Kameradschaften heraus. Das waren autonome, aber miteinander vernetzte Gruppen, die sich als Teil des nationalen Widerstandes verstehen, einer rechten Einheitsfront. Diese Gruppierungen haben keine feste Organisationsstruktur. Sie fallen nicht unter das Vereinsrecht, besitzen aber auch nicht das Parteienprivileg. Parteienprivileg heißt, dass die Parteien


      – das Recht haben, mit Landeslisten zur Bundestagswahl antreten zu können. Sonstige politische Vereinigungen dürfen dort lediglich Direktkandidaten nominieren.


      – in besonderem Maße vor einem Verbot geschützt sind. Ein Parteiverbot kann nur vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden.


      – vom Staat bei einer Wahl pro erhaltener Wählerstimme (und pro erhaltenem Spenden-/Beitrags-Euro) einen bestimmten Betrag (früher „Wahlkampfkostenerstattung“ genannt) bekommen. Außerdem sind die Mitgliederbeiträge bei der Einkommensteuer weit höher absetzbar als Spenden an beispielsweise gemeinnützige Vereine.


      Die Mitglieder dieser Kameradschaften sind tendenziell viel gewalttätiger als die Mitglieder der NPD, von der sie sich auch abgrenzen, weil sie die Teilnahme an den Wahlen zu diesem Schweinesystem ablehnen und das als Verrat an ihren Ideen betrachten. Und sie haben eine Vorliebe für Waffen und Sprengstoff. So wurden 1997/98 in Jena bei drei Mitgliedern des Thüringer Heimatschutzes Sprengstoffattrappen und drei Rohrbomben mit insgesamt 1,4 kg TNT gefunden. Ein vierter Kamerad hatte sich in Jena am 28. September 1998 beim Bombenbau selbst in die Luft gesprengt. Weitere Waffendepots der THS und zugehöriger Kameradschaften in Thüringen wurden in Heilsberg bei Saalfeld und 2004 in Weimar sowie 2003 das Sprengstofflabor eines 19-jährigen Neonazis in Ohrdruf entdeckt. Im Januar 2004 wurden zudem bei einer Abspaltung der Kameradschaft Elbmarsch in Pinneberg (Schleswig-Holstein) namens Combat 18 Pinneberg über ein Dutzend Schusswaffen nebst Beweisen für einen regen Waffenhandel unter norddeutschen Neonazis gefunden.


      Der ehemalige Funktionär und Schulungsleiter der FAP Detlef Nolde, der die Kameradschaft Treptow in Berlin gegründet und geleitet hatte, war in einen Mordfall verwickelt. Ein Mitglied dieser Kameradschaft verübte 1995 einen Brandanschlag auf das Jugendzentrum Gerard Philipe. Kay Diesner. ein weiteres Mitglied dieser Kameradschaft verletzte einen der PDS angehörenden Buchhändler mit Schüssen schwer und tötete kurz darauf einen Polizisten. Weitere Kameradschaftsmitglieder waren der 17-jährige Patrick Demming und der 20-jährige Carsten Müller, die zusammen eine Rohrbombe bauten, deren Opfer ein PDS-Mitglied in Treptow werden sollte.


      Zum 65. Jahrestag der Reichspogromnacht, am 9. November 2003, plante die Kameradschaft Süd unter Führung von Martin Wiese ein Sprengstoffattentat bei der Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums am St.-Jakobs-Platz in München, das jedoch vereitelt werden konnte. (siehe: Freie Kameradschaften – Wikipedia )


      Eine andere Spielart dieser Struktur ohne Organisation sind die Autonomen Nationalisten.


      Im ersten Demonstrationsaufruf 2004 hieß es: „Der nationalrevolutionäre, schwarze Block unterscheidet sich nicht hauptsächlich durch sein Äußeres von den anderen Demonstrationsteilnehmern, sondern durch die revolutionären Inhalte und seine Aktionen (Blockaden, Besetzungen, Verweigerungen, etc.): Wir glauben nicht daran, dass das kapitalistische System reformiert oder verbessert werden kann – das vorherrschende System IST der Fehler und muss durch eine neue, freie, gerechte und NATIONAL UND SOZIALE Gesellschaftsform ersetzt werden.


      Ihr Ziel ist es, „alle relevanten Teile der Jugend und der Gesellschaft zu unterwandern und für (ihre) Zwecke zu instrumentalisieren. Es spielt keine Rolle welche Musik man hört, wie lang man seine Haare trägt oder welche Klamotten man anzieht.“ (Autonome Nationalisten – Wikipedia)


      Dafür übernehmen sie das Auftreten, den Kleidungsstil und die Aktionsformen der Linksautonomen. Sie geben sich unangepasst, sprühen Graffitis und zeigen sogar die geballte Kommunistenfaust.


      Nach anfänglichen gegenseitigen Berührungsängsten und Anfeindungen kamen sich die Autonomen Nationalisten und die Altnazis von der NPD näher. Die neuen und die alten Nazis stehen fest auf dem Boden der nationalsozialistischen Ideologie, des Rassismus, des Antisemitismus und des Nationalismus.


      Aus den Freien Kameradschaften entwickelte sich z.B. der Thüringer Heimatschutz, aus dem wiederum der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) hervorging. (Zum NSU siehe Abschnitt zum Verfassungsschutz)


    • Einige wichtige Stationen der Entwicklung des Kapitalismus in Nachkriegs-Deutschland

    Um das Verhalten der beteiligten Kräfte zu verstehen, ist es notwendig, den Hintergrund zu kennen, auf dem sich das wirtschaftliche und politische Leben abspielt.

    Die außerordentliche Schlagkraft des deutschen Imperialismus zu Kaisers Zeiten als auch zur Zeit des Faschismus erklärt sich in erster Linie durch die enge finanzielle und personelle Verflechtung der industriellen Konzerne mit den Banken und mit dem Staat. Die Banken hielten Anteile an den Industriekonzernen und umgekehrt und die Industriekonzerne hielten Anteile untereinander. Dazu saßen die führenden Bankiers in den Aufsichtsräten der Konzerne und umgekehrt und die führenden Industriekapitäne in den Aufsichtsräten anderer Konzerne. Dieses spezifisch deutsche Dickicht, das man schon fast mit ökonomischer Inzucht bezeichnen kann, stand aber der weiteren Entwicklung des Kapitals im Weg. Diese Konstellation, die unter dem Namen Deutschland AG in die bürgerlichen Geschichtsbücher Eingang gefunden hat, musste sich ändern. Und das tat sie auch:

    • Objektiver Zwang zur europäischen Vereinigung

    Das deutsche Kapital allein hätte es nicht geschafft, nach dem Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle im Konzert der großen kapitalistischen und imperialistischen Staaten zu spielen. Den anderen europäischen Staaten, allen voran Frankreich, erging es ebenso. 6 Jahre nach Kriegsende, im Jahre 1951 wurde auf Initiative Frankreichs die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion genannt) gegründet. Mit dieser EGKS sollte die gegenseitige Kontrolle der kriegswichtigen Güter Kohle und Stahl, sowie die für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidenden Rohstoffe sicher gestellt werden. Besonders Frankreich wollte sich die Kontrolle über die Ruhrkohle verschaffen. Wiederum 6 Jahre später, im Jahre 1957 schlossen sich die 6 Mitglieder der EGKS – Frankreich, Italien, Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Niederlande und Luxemburg – zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zusammen. Sie hatte zum Ziel

    • die Abschaffung von Kontingentierungen (mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen) und von Zollschranken,
    • den freien Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr,
    • eine gemeinsame Handelspolitik gegenüber Drittstaaten und
    • die Schaffung europäischer Institutionen.

    1992 wurde die EWG mit dem Vertrag von Maastricht in Europäische Gemeinschaft (EG) umbenannt.

    In Europa entstand so eine große Freihandelszone, in der die Grenzen keine Rolle mehr spielen und deren Außengrenzen immer weiter nach außen geschoben werden. Also genau das, was das europäische Kapital braucht: Es braucht die europäischen Länder als Absatzmärkte, als Märkte für den Export von Kapital und es braucht die gut ausgebildeten Arbeitskräfte der anderen Länder. Das internationale Kapital würde am liebsten die ganze Welt zur Freihandelszone erklären. Die nationalen Grenzen stehen dem aber entgegen; genauso wie die Kleinstaaterei im 19ten Jahrhundert der Entwicklung des Kapitalismus im Wege stand und in Deutschland von Bismarck mit eiserner Faust beseitigt wurde. Deshalb auch die Idee der internationalen Freihandelsabkommen TTIP und CETA mit einer außerhalb aller Staaten stehenden Gerichtsbarkeit.

    Noch Ende der 1990er-Jahre standen die deutschen Unternehmen stark untereinander in Kontakt. Im Kern des Netzwerks befanden sich die großen Finanzdienstleister: Allianz, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Münchener Rück, Bayerische Hypo- und Vereinsbank (UniCredit) und Commerzbank. Sie besaßen in ihren Portfolios mehrprozentige Beteiligungen an den größten deutschen Industrieunternehmen. Außerdem waren sie stark untereinander verflochten und hielten gegenseitige Anteile am Grundkapital. Auch die Industrieunternehmen kontrollierten sich gegenseitig. Bis zum Jahr 2008 nahmen die Kapitalverflechtungen der größten deutschen Unternehmen weiter ab. (MPIfG Themen – Deutschland AG)

    Auch die personellen Verflechtungen haben sich im Zeitraum von 1996 bis 2006 deutlich reduziert. Während die Deutsche Bank beispielsweise 1996 noch insgesamt 32 Aufsichtsratspositionen einnahm, waren es im Jahr 2006 lediglich noch 4. (MPIfG Themen – Deutschland AG) Hatte das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank Hermann Josef Abs in Nachkriegsdeutschland noch 30 Aufsichtsratsmandate, so besaß ein Josef Ackermann nur noch deren 4. Ein fünftes hatte er noch bei einem kurzen Gastauftritt bei Mannesmann inne, den er dazu benutzte, um dieses Unternehmen an Vodafone zu verscherbeln, wobei als Prämie Millionenbeträge an ehemalige Vorstandsmitglieder von Mannesmann gezahlt wurden. Klaus Esser als ehemaliger Vorstandsvorsitzender erhielt als Geschenk für die gelungene Übernahme 50 Millionen DM. Gewerkschaftsfunktionär und Mitglied des Aufsichtsrates Klaus Zwickel enthielt sich der Stimme bei der Abstimmung über die Prämien, was dazu führte, dass der Deal zustande kam. Aber das ist eine andere Geschichte.

    •    Besitzverhältnisse einiger Konzerne in Deutschland

    Auch die Besitzverhältnisse bei den deutschen Konzerne internationalisierten sich. Genauso wie deutsche Konzerne ihr Kapital in alle Welt exportierten, ging es auch in die umgekehrte Richtung. Investoren legten ihr Kapital zunehmend in Deutschland an. Große Konzerne fusionierten mit anderen Konzernen, wurden von ihnen geschluckt, gefleddert und teilweise völlig zerschlagen. Traditionsreiche Unternehmen verschwanden von der Bildfläche:

    • Der Konzern Mannesmann, dessen Gründung auf das Jahr 1890 zurückgeht, war einer der größten Röhrenproduzenten der Welt. Er wurde, wie schon ausgeführt, von der britischen Vodafone übernommen und anschließend in kleine Einheiten zerschlagen, die an andere Konzerne verkauft wurden. Bei Vodafone blieb nur der Telekommunikations-Bereich.


    • Der Kriegsverbrecher-Konzern I.G. Farben wurde nach dem Krieg in seine einzelnen Bestandteile zerlegt. Einer der Nachfolgekonzerne, der derzeit größte Chemiekonzern der Welt, die BASF, hatte Ende 2017 400.000 Anleger, von denen nur noch 26 % die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Der Rest der Anleger kommt aus der ganzen Welt. Größter Einzelaktionär ist die US-amerikanische Investmentgesellschaft BlackRock mit rund 6 Prozent.


      Bei einem anderen Nachfolgekonzern, der Bayer AG befinden sich Ende 2017 80 % des Aktienkapitals in Streubesitz. Der größte Einzelaktionär ist wiederum die Black Rock Inc. mit 7 %.


      Der dritte Nachfolgekonzern Hoechst fusionierte 1999 mit der französischen Pharmafirma Rhône-Poulenc zu Aventis. Aventis wiederum fusionierte 2004 mit dem französischen Pharmakonzern Sanofi-Synthélabo zum größten Pharmakonzern Europas, der heutigen Sanofi. An die Firma Hoechst, deren Anfänge bis ins Jahr 1863 zurückgehen, die Teerfarben und Polymere, Pyramidon und Novocain, aber auch Präparate für Pharmaversuche im KZ Buchenwald, entwickelte und herstellte, erinnert nur noch der Industriepark Hoechst in Frankfurt am Main.


    • Am zweitgrößten Automobilkonzern in Deutschland, der Daimler AG, ist mit 6,8 % das Emirat Kuwait über die Kuwait Investment Authority (schätzungsweise hält KIA etwa 213 Milliarden US-Dollar an Vermögenswerten und ist damit einer der größten Staatsfonds der Welt) und mit 3,1 % der internationale Konzern Renault-Nissan B.V. beteiligt. Den Rest halten private und institutionelle Investoren auf der ganzen Welt. Bis 2013 war die Daimler AG über ihren 30 %igen Anteil am Rüstungsunternehmen EADS beteiligt am Handel mit Atomwaffen und Anti-Personenminen, beteiligt an der Kooperation mit Militärregimes und an Umweltzerstörung.


      Daimler-Benz erhielt 2007 zusammen mit den deutschen Automobilherstellern BMW und Porsche für ihre gemeinsame Kampagne für „die Verwässerung und Verzögerung von verpflichtenden CO2-Reduktionszielen“, den Worst EU Lobby Award.


      Die Daimler AG spendete seit 2000 6,9 Millionen Euro an SPD, CDU, CSU, FDP und Grüne. (Stand 3.02.2018 Parteispenden – Lobbypedia)


    • Die BMW AG ist eins der wenigen Unternehmen, die noch zum großen Teil in Familienbesitz sind. 46,8 % des Stammkapitals liegen in den Händen der Familie Quandt. Der Rest ist Streubesitz. Auch die Familie Quandt ist Großspender: Seit 2000 hat sie 9,3 Millionen Euro an politische Parteien gespendet. (Stand 3.02.2018 Parteispenden – Lobbypedia)


    • Auch bei der Volkswagen AG haben sich alte Besitzstrukturen erhalten. Ende 2017 liegen 30,8 % der Stammaktien bei der Porsche Automobil Holding SE, deren alleinige Inhaber die Familien Porsche und Piëch sind. 11,8 % besitzt das Land Niedersachsen und 14,6 % die Quatar Holding Germany GmbH. Trotz des niedrigen Anteils der Familien verfügen sie über 52,2 % der Stimmrechte.


    • Ein besonderes Kapitel in der monopolkapitalistischen Geschichte der Bundesrepublik ist die Subventionierung der Steinkohle und die Subventionierung des Ausstiegs aus der Steinkohle. Laut 20. Subventionsbericht der Bundesregierung wurden zwischen 1997 und 2006 Beihilfen im Gesamtumfang von 29,9 Milliarden Euro vom Bund (3 Mrd. pro Jahr) und weitere 4,9 Mrd. Euro durch das Land Nordrhein-Westfalen (0,5 Mrd. pro Jahr) gezahlt. Oder um es anders auszudrücken: Im Jahre 2003 wurde die Deutsche Steinkohle AG (DSK AG) pro Beschäftigen mit 57.000 Euro subventioniert.


      Die Ruhrkohle AG wurde 1968 gegründet. Sie umfasste zu diesem Zeitpunkt 80 % der bundesdeutschen Steinkohlenbergwerke. 1998 übernahm die Ruhrkohle AG die Saarbergwerke und 1999 die Preussag Anthrazit GmbH. Dadurch wurde die Ruhrkohle-Tochtergesellschaft DSK AG Eigentümerin sämtlicher noch fördernden deutschen Steinkohlezechen. Nach der Übernahme der Unternehmen Degussa und STEAG wurde die Ruhrkohle AG zu einem weltweit tätigen Montan-, Energie- und Chemiekonzern. Nach dieser Übernahme änderte die Ruhrkohle AG ihren Namen in RAG Aktiengesellschaft. 2006 wurden die Geschäftsfelder Chemie, Energie und Immobilien in die RAG Beteiligungs AG ausgegliedert, die 2007 in Evonik Industries AG umbenannt wurde.


      Im Februar 2007 einigten sich Bund, Länder, RAG AG und die IG Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) darauf, die Subventionen für den Steinkohlenbergbau im Jahr 2018 zu beenden. Es wurde im Steinkohlefinanzierungsgesetz geregelt, dass von der Bundesregierung für die Jahre 2009 bis 2019 bis zu rund 14 Milliarden Euro an die Bergbauunternehmen (also faktisch an das einzig noch bestehende, die DSK AG) gezahlt werden. Darüber hinaus wird ab 2019 den Bergbauunternehmen eine Summe bis zu 1,6 Milliarden Euro für die weiter bestehenden Verpflichtungen (z. B. Pensionsverpflichtungen) und wiederum weitere Mittel für die Bergbauarbeiter zur sozialverträglichen Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus für längstens fünf Jahre zur Verfügung gestellt. Der Bundesrechnungshof kam auf einen Gesamtumfang von bis zu 21,6 Milliarden Euro Beihilfen für die RAG AG.


      Das sind aber nicht alle Kosten, die mit der Beendigung des Steinkohlebergbaus anfallen. Für die sogenannten Ewigkeitskosten, also Grubenwasserhaltung, Dauerbergschäden und Grundwasserreinigung, wurde 2007 extra eine Stiftung, die RAG-Stiftung gegründet. Die bisherigen Aktionäre der RAG Aktiengesellschaft (E.ON, RWE, ThyssenKrupp und Société Nouvelle Sidéchar) verkauften ihre Anteile für je einen Euro an die Stiftung und entledigten sich damit ihrer Verantwortung für die Ewigkeitskosten. Diese Kosten sollen aus dem Stiftungsvermögen finanziert werden, wozu drei Viertel der Gewinne von Evonik zählen. Die erforderlichen Aufwendungen werden auf bis zu 6,8 Milliarden Euro veranschlagt. Falls das Stiftungsvermögen dafür nicht reicht, werden die Kosten von den beiden Revierländern Nordrhein Westfalen und Saarland übernommen, wobei der Bund mit einem Drittel zur Kasse gebeten wird. Einerseits ist das Risiko mit 6,8 Milliarden Euro sehr wahrscheinlich viel zu niedrig geschätzt und man muss kein Hellseher sein, um zu sagen, dass das Stiftungsvermögen nicht ausreichen wird.


      Die Subventionierung führt aber auch dazu, dass die Tochterfirmen des Konzerns RAG/DSK ihre Dienstleistungen günstiger anbieten können als nicht subventionierte kleinere Betriebe.


    •    Die Förderung der kapitalistischen Umgestaltung durch den deutschen Staat

    Schon im Februar 1990 trat ein „Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Finanzmärkte“ in Kraft. Bundesfinanzminister war damals Theo Waigel im schwarz-gelben Kabinett von Einheitskanzler Helmut Kohl. Die Börsenumsatzsteuer und die Wechselsteuer entfielen. Beide waren die Vorläufer dessen, was heute unter dem Stichwort „Finanztransaktionssteuer“ wieder heftig und parteiübergreifend diskutiert wird.

    Im November 2001 stellte der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel von der SPD dann den Entwurf für das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz im Bundestag vor. Ziel des Vorhabens waren die Modernisierung und Förderung des Finanzplatzes Deutschland.

    Zwei Jahre später – im Jahr 2003 – ließ die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder durch das Investmentmodernisierungsgesetz die heute so verachteten Hedgefonds, die „Heuschrecken“, an den deutschen Kapitalmärkten zu. Das Investmentmodernisierungsgesetz war ein wichtiger Schritt bei der Deregulierung des deutschen Finanzmarktes.

    Und im gleichen Jahr legte Finanzminister Hans Eichel einen Finanzmarktförderplan vor. Damit wollte er schrittweise moderne Anlageinstrumente einführen und Geldhäusern den Umgang mit Kreditrisiken erleichtern. Risiken und Forderungen sollten leichter als Wertpapiere am Kapitalmarkt gebündelt, verbrieft und in handelbare Anleihen umgewandelt werden können. Der deutsche Finanzplatz sei reif genug, um mit alternativen Anlageinstrumenten umgehen zu können, resümierte Eichel. (Die Politik und die Finanzmärkte (Archiv)

    Und diese Schritte wurden begleitet durch einen Steuerdeal. Bei den Banken und Versicherungen war am Ende des 20ten Jahrhunderts viel Kapital gebunden durch große Anteile an Industriekonzernen. Um freie Hand für die oben genannten Geschäfte zu bekommen, mussten diese Anteile verkauft werden. Damit Banken und Versicherungen durch den Verkauf aber steuerlich nicht belastet werden, verabschiedete die Schröder-Fischer-Regierung mit Eichel als Finanzminister eine Steuerreform, die am 1.1.2002 in Kraft trat. Durch diese Reform wurde der Gewinn aus dem Verkauf von Industriebeteiligungen von der Steuer frei gestellt. Mit dem durch den Verkauf der Anteile erzielten frischen Kapital konnten die deutschen Banken endlich teilnehmen am großen internationalen Geschäft, u.a. auch am Lotteriespiel mit Derivaten aller Art, das 2007/2008 in die Finanzkrise führte.

    Die Banken verlegten sich nach dem steuerfreien Verkauf ihrer Industriebeteiligungen mehr auf das Investmentbanking, also das Geschäft mit Anleihen, Aktien, Fusionen und Übernahmen. Wenn man das Geschäft der Beratung bei Fusionen und Übernahmen aber erfolgreich betreiben will, ist Distanz zu wahren zu den Unternehmen. Will ein Unternehmen ein anderes übernehmen, so braucht es als Berater keine Bank, die unter Umständen mit der Konkurrenz zusammenarbeitet. Folgerichtig waren es 2010 nur noch 21 Beteiligungen, die Banken, im wesentlichen aber Versicherungen an industriellen Konzernen hielten, im Gegensatz zu 1996, als es noch ca. 50 waren. Quelle: (http://www.mpifg.de/aktuelles/themen/doks/Deutschland_AG_1996bis2010.pdf)

    •    Bad Banks

    Nachdem sich viele Banken mit den faulen Papieren so richtig verspekuliert und verzockt hatten, stellte sich die Frage: Wohin mit den Derivaten, die z.B. Lehman-Brothers die Existenz gekostet hatten? Kein Problem, viele Banken richteten Bad Banks ein, in die die Schrottpapiere ausgelagert wurden. Viele machen das intern, damit ihnen keiner dazwischen reden kann, bei 2 Banken sind sie staatlich, bei der HRE und der WestLB. Das österreichische Wirtschaftsportal format.at schätzt die ursprüngliche Höhe der in diese Banken abgeschobenen Ausfallrisiken auf insgesamt 637 Milliarden Euro. (Geheimsache „Bad Banks“ 600 Milliarden Euro Schrott, der von der Krise übrig blieb • format.at)

    • Als die Commerzbank in den Jahren 2008 und 2009 in Schwierigkeiten geriet, stellte ihr der Staat über den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) insgesamt 16,2 Milliarden Euro stille Einlagen zur Verfügung. Zusätzlich kaufte die SoFFin im Zuge einer Kapitalerhöhung 1,772 Milliarden Aktien. 2011 wurden 3,3 Milliarden stille Einlagen in Aktien umgewandelt, so dass der Anteil des Bundes an der Commerzbank 5,1 Milliarden Euro betrug.


      Die Commerzbank kann jetzt mit Fug und Recht behaupten, dass sie alle stillen Einlagen des Bundes zurückgezahlt hat. Nur sind die obigen 3,3 Milliarden bis jetzt nicht beim Steuerzahler angekommen. Der Kurs der Commerzbank-Aktie ist zwischenzeitlich enorm gefallen. Im Mai 2017 war das Aktienpaket nur noch 1,7 Milliarden Euro wert (Sachstand – wd-4-052-17-pdf-data.pdf). Zu diesem Zeitpunkt waren also zwei Drittel der 5,1 Milliarden verbrannt. Wie sich der Kurs der Commerzbank-Aktie weiter entwickeln wird, steht in den Sternen. Nun kann man die Bundesregierung als gewöhnliche Zocker bezeichnen. Das trifft aber nicht den Kern der Sache. Die Bundesregierung hat alles in ihrer Macht Stehende getan, um zu verhindern, dass Anleger und Investoren der kriselnden Banken Verluste einfahren. Und das mit dem Geld des Steuerzahlers. Jegliche Bundesregierung kann das auch guten Gewissens tun, weil sie weiß, dass sie von niemandem zur Rechenschaft gezogen wird.


      In die Schlagzeilen ist die Commerzbank auch geraten, weil sie sich bei den Cum-Cum-Deals sehr engagiert hat. Diese Geschäfte gehen folgendermaßen: „Einmal im Jahr schütten deutsche Konzerne eine Dividende aus. Ausländische Anleger müssen darauf eigentlich Kapitalertragsteuer zahlen, meistens 15 Prozent. Um das zu vermeiden, machen sie einen Deal, zum Beispiel mit einer deutschen Bank: Sie verleihen ihre Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag nach Deutschland. Denn der deutsche Aktienhalter kann sich die Kapitalertragsteuer anrechnen oder vom Staat erstatten lassen. Kurz nach dem Dividendenstichtag wandern die Aktien zurück ins Ausland zu den ursprünglichen Besitzern. Kursrisiken wurden vorher abgesichert, die gesparte Steuer teilen sich die Partner auf. Der deutsche Staat geht leer aus.“ (Fragwürdige Geschäfte der Commerzbank: Millionendeals zur Steuervermeidung? | tagesschau.de) Das Bundesfinanzministerium war zu einem Interview mit dem Bayrischen Rundfunk, der das recherchiert hatte, nicht bereit. Der Kommentar des Sprechers des Ministeriums lautete kurz und knapp: „Wir erwarten, dass sich die Commerzbank AG an alle geltenden rechtlichen Vorgaben hält.“ Besser kann man die Rolle des kapitalistischen Staates, seine Kapitulation gegenüber dem Kapital nicht umreißen.


      Die Commerzbank hatte betriebseigene Bad Banks. Auffangeinrichtungen mit Namen Portfolio Restructuring Unit (PRU) oder Non Core Assets (NCA), in denen faule Kredite der Commerzbank, der 2009 übernommenen Dresdner Bank und der Sorgentochter Eurohypo zwischengelagert wurden. Diese toxischen Papiere wurden aber zügig ohne nochmalige Hilfe des Staates abgebaut.


      Bei anderen Banken war das nicht so:

    • Im Oktober 2009 wurde der durch ihre irische Tochterfirma Depfa in Schwierigkeiten geratene Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) als erste Bank in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit 1949 mit Hilfe einer gewaltigen Kapitalerhöhung verstaatlicht. Eine durch den Staat finanzierte Kapitalerhöhung war und ist ein beliebtes Mittel der Bankenrettung. Schon während der Weltwirtschaftskrise 1932 brachte eine Kapitalerhöhung die Aktienmehrheit der Commerzbank in den Besitz des Deutschen Reiches.


      Spezialität der Depfa war, langfristige Anlagen mit kurzfristigen Krediten zu finanzieren. Das geht aber nur so lange gut, wie die Banken sich noch untereinander Geld geben. Passiert das nicht mehr, wie in der Finanzkrise 2008, nach der Pleite der amerikanischen Bank Lehman Brothers, gerät das jeweilige Institut ganz schnell in Schwierigkeiten.


      Die HRE brauchte unbedingt Geld. Sie stellte bei der Deutschen Bank (DB) einen Antrag auf Kredit über 15 Milliarden. Bei der Prüfung der Bücher stellten die Deutschbanker fest, dass die HRE die Risiken zu niedrig eingeschätzt hatte und sie mindesten 27 Milliarden Euro brauchte. Deshalb lehnte die DB den Antrag ab. Sie wollte ihr Geld nicht in ein Fass ohne Boden stecken.


      „Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers tickte die Uhr erbarmungslos. Wenn die HRE keinen Weg finden sollte, um an neue Gelder zu kommen, würde binnen weniger Tage die Situation eintreten, dass sie ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen könnte und Insolvenz anmelden muss. Obgleich die Bankenaufsicht und nun auch das Finanzministerium natürlich wussten, dass, sofern kein Wunder geschieht, nur noch der Staat die Bank wird auffangen können, übertrug man die Regie an die Deutsche Bank.“ (Eine systemrelevante Bank kollabiert | Telepolis


      Nun war aber ein Hauptgläubiger ausgerechnet die DB. Sie hatte natürlich kein Interesse an einer Insolvenz der HRE.


      Sie und viele, viele anderen Banken, Versicherungen und Pensionskassen hatten der HRE mehr als 100 Milliarden Euro ohne Sicherheiten geliehen. Ginge die HRE pleite, wäre all dieses Geld höchstwahrscheinlich verloren. (Eine Liste der Gläubiger ist hier zu finden: Licht ins Dunkel der Profiteure der Bankenrettungen! – Sven Giegold – Mitglied der Grünen Fraktion im Europaparlament)


      Das Konzept der Banken, insbesondere des Chefs der Deutschen Bank Josef Ackermann bestand darin, den Konkurrenten HRE abzuwickeln, ohne dass die Banken dabei Verluste erleiden. Der Finanzminister Peer Steinbrück und sein Abteilungsleiter Finanzmarktpolitik Jörg Asmussen übernahmen dieses Konzept. (zu Jörg Asmussen siehe: Schattenmann unter Beschuss | Telepolis) Der einzige Streitpunkt bestand darin, in welcher Höhe Banken belastet werden.


      Es kam die große Stunde von Josef Ackermann. Zur Krisensitzung am 28.09.2008 kam von staatlicher Seite Jörg Asmussen. Die Abwicklung stand ja bereits fest. Es ging nur noch darum, welchen Teil die Banken zur Rettung beitragen sollten. Die aber wollten nicht. Josef Ackermann soll sogar damit gedroht haben, den Einlagensicherungsfond der Banken nicht mehr zu bedienen. Konsequenz: Die Menschen hätten die Banken gestürmt, um ihre Ersparnisse in Sicherheit zu bringen. (Ackermanns harte Drohnung – FOCUS Online) Man kann davon ausgehen, dass Ackermann seine Drohung nicht in die Tat umgesetzt hätte, weil auch mit dieser Variante die DB nicht ungeschoren davongekommen wäre. Also ging es nur noch darum, wie man in der breiten Öffentlichkeit den Eindruck erwecken konnte, dass die Banken sich beteiligen.


      „Am Montag um 2.00 Uhr eröffnete die Tokyoter Börse und es hätte wohl ein Börsenbeben ungekannten Ausmaßes gegeben, wenn im fernen Frankfurt keine Lösung gefunden worden wäre. Zu einem Börsenbeben kam es natürlich nicht. Nach einem letzten Telefonat zwischen Ackermann und Kanzlerin Merkel um 1.05 Uhr stand die Auffanglösung. Der HRE wurde ein Notkredit in Höhe von 35 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, 15 Milliarden davon von den Privatbanken – bestens verzinst und kurze Zeit später auch abgesichert durch eine Garantie des Bundes.“ (Der Staat kapituliert vor den Banken | Telepolis). Der Staat musste später noch Milliarde um Milliarde nachschieben. Die Banken hat es nicht einen einzigen Euro gekostet. Im Gegenteil, sie verdienten noch an den staatlich abgesicherten hohen Zinsen, aber ihre nicht besicherten Einlagen waren gesichert.


      Das ist aber noch nicht das Ende vom Lied. Aktionäre klagen gegen die HRE und deren Ex-Chef Georg Funke. Sie werfen ihm vor, die wahre Lage der HRE zu lange verschleiert und ihnen dadurch massive Verluste eingebrockt zu haben. In dem Musterprozess fordern die Kläger mehr als eine Milliarde Euro Schadenersatz. Im Dezember 2014 gab das Oberlandesgericht München den Klägern grundsätzlich Recht. Die Bank habe die Anleger über ihre tatsächliche Lage getäuscht. Mit diesem Grundsatzurteil können sich die Anleger Schadenersatz erstreiten. Das würde wiederum die Steuerzahler in Deutschland treffen, da die Bank immer noch im Staatsbesitz ist. Man spricht von mehr als einer halben Milliarde.


      Ein Prozess gegen Georg Funke und seinen Finanzchef Markus Fell wegen Bilanzfälschung wurde im September 2017 gegen eine Zahlung von 18.000 Euro für Funke und 25.000 Euro für Fell an gemeinnützige Vereine eingestellt.


      Zum 1. Oktober 2010 lagerte die HRE Darlehen und Wertpapiere im Wert von rund 175,7 Milliarden Euro in die Bad Bank FMS Wertmanagement aus. Bis zum 16.04.2017 hat die FMSW insgesamt 11,6 Milliarden Euro Verluste gemacht, die vom Steuerzahler zu tragen sind. (Skandalbank Hypo Real Estate: Milliarden verdient und doch in den Miesen | FR.de)Aber das dicke Ende kommt erst noch. Die restlichen 89 Milliarden toxischer Papiere lassen sich nicht so leicht versilbern. 70 Prozent davon entfallen auf Großbritannien, Italien und die USA, was mit Blick auf Brexit, italienische Bankenkrise und US-Präsident Donald Trump kein Ruhekissen ist. Die Gelder stecken in italienischen Staatspapieren, US-Bundesstaaten oder britischen Krankenhäusern und das teilweise sehr langlaufend. (Skandalbank Hypo Real Estate: Milliarden verdient und doch in den Miesen | FR.de)


    • Die Krise, die die HSH-Nordbank AG ins Schleudern brachte, war eine klassische Überproduktionskrise, an der die Bank selbst tatkräftig mitgewirkt hat. Die Bank ist 2003 durch eine Fusion der Hamburgischen Landesbank mit der Landesbank Schleswig-Holstein entstanden. Sie war auf Kredite für den Bau von Frachtschiffen spezialisiert und Marktführer in diesem Bereich. Die Kredite bot sie für billiges Geld an. Der Staat spielte mit und gewährte Steuervergünstigungen für Schiffsfinanzierungen, so dass auch Kleinanleger verführt wurden. Für die Reedereien gab es fürstliche Steuergeschenke. „Mehr Subventionen pro Beschäftigten kassiert keine andere Branche“, sagt Michael Thöne, Vorstand beim Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut der Universität Köln. (Schifffahrt: HSH Nordbank vor Verkaufsentscheidung – manager magazin. Das Magazin untersucht die ganze Misere in einem fünfteiligen Beitrag). So kam es, dass innerhalb kürzester Zeit viele Schiffe mit viel Frachtraum auf den Markt kamen. Soviel Fracht gab es aber nicht zu transportieren, schon gar nicht in und nach der Finanzkrise. Überangebot von Frachtraum traf auf wenig Fracht. Die Folge: Die Preise sanken, die Schiffe waren nicht ausgelastet. Reedereien konnten ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen. Sie gingen in die Insolvenz. Das fiel voll auf die HSH-Nordbank zurück. Sie hatte sich selbst das Grab geschaufelt. Dazu kommt, dass die HSH Nordbank in ihren Bilanzen zu wenig Risikovorsorge getroffen hat, d.h. sie hat zu wenig Geld für etwaige Risiken zurück gelegt. Es war von Anfang an ein Spiel mit gezinkten Karten von Kapital und Staat. Sogar das Manager-Magazin schreibt despektierlich von der unheilvollen Allianz von Politik und Großreedern.(Schifffahrt: HSH Nordbank vor Verkaufsentscheidung – manager magazin)


      Ende 2013 lagern immer noch ca. 50 Milliarden an faulen Krediten und Wertpapieren in den Tresoren der bankinternen Abbaubank Restructuring Unit. Der Finanzfriedhof startete 2010 mit 69 Milliarden Euro. Da die Verluste der Abbaubank in die Bilanz der HSH-Nordbank einfließen und sich in den zusammengefassten Zahlen verstecken, ist es nicht möglich, anhand der Bilanzen die Höhe der bis jetzt aufgelaufenen Verluste zu ermitteln.


      Die Geschichte der HSH-Nordbank ist der Stoff, aus dem Krimis gemacht werden. Es geht um Intrigen, Bespitzelung, Unterschieben von Kinderpornos, Falschaussagen von Politikern, Bilanzfälschung und Bereicherung von Vorständen auf Kosten des Steuerzahlers. Auch die Überweisung an Goldman Sachs in Höhe von 45 Millionen im November 2008 ohne irgendeine Verpflichtung gehört dazu. (Die Chronologie der HSH-Nordbank-Krise | NDR.de – Regional)


      Auch die HSH-Nordbank hat bei den Cum-Ex-Deals mitgemacht. Das sind die Geschäfte, mit denen sich Investoren eine einmal abgeführte Kapitalertragssteuer zweimal vom Fiskus zurückzahlen lassen. Außerdem hatte die Bank reichen Kunden geholfen, Vermögen über eine Tochterfirma in Luxemburg in Briefkastenfirmen in Panama zu verschieben.


      Gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dirk Jens Nonnenmacher und fünf weitere Mitglieder des Vorstandes lief seit dem 24.07.2013 ein Prozess wegen schwerer Untreue und gegen Nonnenmacher und Jochen Friedrich auch noch wegen Bilanzfälschung. Dafür, dass er den Steuerzahler viele Millionen gekostet hat, ließ Nonnenmacher sich bei seinem Ausscheiden auch noch Tantiemen und eine Abfindung in Höhe von 3,9 Millionen Euro genehmigen. Der Prozess wurde am 9.07.2014 mit einem Freispruch für alle Angeklagte abgeschlossen. Man kann als Banker mit Steuergeldern zocken, den Staat nach Strich und Faden betrügen. Passieren tut ihnen nichts.


      Die HSH Nordbank wurde am 28.02.2018 an die Finanzinvestoren, Cerberus und J.C. Flowers für 1 Milliarde Euro verkauft. Verluste für den Steuerzahler mindestens 13 Milliarden Euro. Cerberus (Höllenhund) ist ein knüppelharter Finanzinvestor, der z. B. den Berliner Mietern der Wohnungsbaugesellschaft GSW in allerschlechtester Erinnerung ist. Cerberus kaufte die Wohnungsbaugesellschaft vom Berliner Senat für einen Apfel und ein Ei, trieb die Mieten in die Höhe und verkaufte daraufhin einen Teil der Wohnungen mit enormen Gewinnen. (Berlin: Der rot-rote Senat füttert die Heuschrecken – Hintergrund) Cerberus ist auch im Waffenhandel tätig. (Eine Auflistung der abstoßenden und menschenverachtenden Taten dieser Firma findet man hier: Die HSH und der Hedgefonds Cerberus | Telepolis) Und diesem Höllenhund werfen die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein die HSH Nordbank zum Fraß vor.


    Die Deutsche Wirtschaftsnachrichten berichtete am 23.06.2015, dass die deutschen Steuerzahler laut Mitteilung der Deutschen Bundesbank seit 2008 insgesamt 236 Milliarden Euro für die Bankenrettung bezahlt haben. (Banken-Rettung kostet deutsche Steuerzahler 236 Milliarden Euro – DWN) (Siehe zu diesem Thema auch: Deutschland hat die größten Bad Banks der Welt | Telepolis)

    • Auswirkungen der kapitalistischen Entwicklung auf das Kleinbürgertum

    Die größte Stütze des Faschismus war und ist heute auch wieder das Kleinbürgertum, also die Schichten, die in der bürgerlichen Soziologie als Mittelstand bezeichnet werden. Dazu gehören u.a.: Kleinunternehmer, Bauern, Akademiker, Beamte. Aus diesem Bereich formiert sich im Augenblick (2017/2018) auch der größte Widerstand gegen die Regierung, Ausländer, Flüchtlinge und Islam. Die Führung der AfD besteht aus Unternehmern, Selbständigen aller Schattierungen und Beamten. Um die Verhaltensweisen der Kleinbürger zu verstehen, muss man die wirtschaftliche Lage dieser Schichten kennen.

    • Über die Kleinunternehmer

    Die kleinen Unternehmer befinden sich unmittelbar im Würgegriff der großen Konzerne. Im Zeitalter der immer größer werdenden Wirtschaftsmacht der Warenhäuser wie Karstadt und Galeria Kaufhof, Discounter wie Aldi und Lidl, Einkaufsgenossenschaften wie Edeka und REWE und Baumärkten wie OBI und Bauhaus hat die Anzahl der Einzelhändler rapide abgenommen. So ging in den 1990er Jahren die Zahl der kleinen Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte um fast 50 Prozent zurück. Vom Jahr 2000 an hat sich ihre Zahl in nur 7 Jahren um 17.000 Geschäfte auf 28.900 Läden (- 37 %) dramatisch reduziert. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Discounter von 12.970 auf 14.806 und die Zahl der Verbrauchermärkte von 2.363 auf 3.150. Die Zahl der Verkaufsstellen im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ist in den letzten vier Jahrzehnten von 160.000 Geschäften (um 1970) auf unter 39.000 LEH-Geschäfte (2012), und zwar Discounter, Supermärkte, SB-Warenhäuser und kleiner LEH zusammen, dramatisch gesunken. (Zahlen und Fakten – Dorfladen-Netzwerk)

    In den Jahren 1995 bis 2016 ging die unglaubliche Zahl von 941.864 Unternehmen bankrott. (Gesamtwirtschaft & Umwelt – Insolvenzen – Insolvenzen – Statistisches Bundesamt (Destatis)

    Auch die von den Konzernen abhängigen Zulieferbetriebe sind betroffen. In der Krise 2008/2009 mussten in dem Zeitraum von November 2008 bis Juli 2009 50 von 1.000 Autozulieferern in Deutschland Insolvenz anmelden. (Branchen und Märkte: Autozulieferer: Ein Flächenbrand von Insolvenzen – Unternehmen – FAZ) Die Konzerne geben den Preisdruck an die Zulieferer weiter. Und mancher Betrieb kann diesem Druck nicht standhalten und muss aufgeben. Besonders gefährdet sind die Betriebe, die in der Hand von Finanzinvestoren sind, weil die zum größten Teil die für die Übernahme aufgenommenen Kredite nebst Zinsen den gekauften Betrieben aufbürden.

    Schlecker musste in die Insolvenz, zur Freude der unmittelbaren Konkurrenten dm und Rossmann.

    In den Dörfern hat sich dieser Trend geradezu katastrophal ausgewirkt. Bäcker, Metzger, Kaufleute gaben auf, weil sie mit den Niedrigpreisen der Konzerne nicht mithalten können. Zu dem wirtschaftlichen gesellt sich der soziale Niedergang. Es entfallen wichtige Kommunikationszentren. Die Dörfer veröden. Einzelkämpfer und ganze Dörfer bzw. Vorstadtgemeinden wollen sich das verloren gegangene Terrain wieder zurück erobern. Aber auch sie unterliegen den Gesetzen des kapitalistischen Konkurrenzkampfes.

    Die übergroße Mehrzahl dieser Insolvenzen ist verbunden mit Vernichtung von materiellen Ressourcen, aufgewendeter Arbeitskraft und schöpferischer Kreativität. Sie ist verbunden mit menschlichen Katastrophen, der Zerstörung von menschlichen Existenzen über Jahre, Jahrzehnte, ja das ganze Leben hinweg, geopfert dem kapitalistischen Konkurrenzwahn. Es herrscht Krieg in diesem anarchischen, kapitalistischen System, Krieg der Mächtigen und Starken gegen die Kleinen, Krieg ohne Waffengewalt. Die Waffen des Kapitals sind in diesem Fall die Niedrigpreise auf der einen Seite, auf der anderen Seite die hohen Mieten und die zeitweise hohen Kreditzinsen. Denn wenn sich von dem von den Werktätigen eines Landes in einer Periode geschaffenen Mehrwert die Immobilienbesitzer, die Kreditinstitute und die Zwischenhändler den größten Batzen unter den Nagel reißen, bleibt für die anderen nicht mehr viel übrig.

    • Über die kleinen Bauern

    Auch die kleinen Bauern gehören zu den großen Verlierern des kapitalistischen Konkurrenzkampfes. Gab es 1949 in der alten Bundesrepublik etwa zwei Millionen landwirtschaftliche Betriebe, so waren im Jahr 2007 davon in ganz Deutschland nur noch 374.500 übrig geblieben. Im Jahr 2016 sank die Zahl der Betriebe auf 276.000. Die große Mehrheit der überlebenden Höfe wird nur noch im Nebenerwerb betrieben. Und das Bauernsterben geht unvermindert weiter. Allein in den fünf Jahren zwischen 2007 und 2012 haben fast 23% der Bauern aufgegeben, in den letzten 20 Jahren hat sich ihre Zahl halbiert. Quelle: Fakten (meine-landwirtschaft.de)

    Dabei ändert sich die bewirtschaftete Fläche wenig. 2007 betrug die Größe der bewirtschafteten Fläche 16,9 Millionen ha, 2013 waren es 16,7 Millionen ha. 52 % dieser Fläche wurden 2007 aber von nur 9 % der landwirtschaftlichen Unternehmen bewirtschaftet bzw. umgekehrt bewirtschafteten 91 % der Betriebe 48 % der Fläche. D.h. es findet ein zunehmender Verdrängungswettbewerb statt und die großen Agrarbetriebe übernehmen die aufgegebenen Höfe.

    Gerade in jüngster Vergangenheit sind die Preise für Ackerland enorm gestiegen. Kapitalgesellschaften und landwirtschaftsfremde Investoren haben den Acker als interessantes Spekulationsobjekt entdeckt; besonders seit die Energieproduktion aus Biomasse zusätzliche Subventionen und eine am Ölpreis orientiere Rendite verspricht.

    Auch die Agrarsubventionen, die jährlich von der EU in Höhe von ca. 60 Milliarden vor allen Dingen an die Großbetriebe großzügig verteilt werden, spielen bei der Verdrängung eine große Rolle.

    Bei den Direktzahlungen (der Subventionen) gibt es keine Prämien für besonders umweltfreundliche Höfe oder Betriebe mit artgerechter Tierhaltung, mit Gewässer- oder Artenschutz. Nur die Fläche zählt und wird bezahlt. Das bedeutet: Hecken, Feldrände und Bäume stören nur, es entstehen immer mehr große Flächen mit Monokulturen, bestens geeignet für den Einsatz der auf dem Acker rollenden Industrie-Ungetüme. Der Personalaufwand dafür bleibt gering. Diese Direktzahlungen unterstützen den Futtermittelanbau mit intensivem Einsatz von Pestiziden, Überdüngung, Erosion und fördert die Massentierhaltung.“ (LANDWIRTSCHAFT und Argarsubventionen in Deutschland)

    Die Landwirtschaft wird auch durch die staatliche Förderung von Biomasseanlagen extrem umgestaltet. Der Anbau von Getreide als Nahrungsmittel geht rapide zurück zugunsten von Anbau von Raps und Mais zur Erzeugung von Bioenergie. Dadurch explodieren die Bodenpreise. Konnte man vor 10 Jahren einen Hektar Ackerland noch für 4.000 Euro erwerben, so sind es heute 20.000 Euro, die man für einen Hektar hinlegen muss. Entsprechend steigt auch die Pacht. Kleinere Bauern können sich das nicht mehr leisten.

    Nach Angaben des BUND bekommt knapp die Hälfte der Bauern (46 Prozent) in Deutschland nicht einmal 5.000 Euro im Jahr von den EU-Subventionen ab. Dagegen fließt ein Drittel aller Direktzahlungen an wenige Großbetriebe (1,6 Prozent der Betriebe), die jährlich über 100.000 Euro bis hin zu mehreren Millionen erhalten. Millionen fließen an Großgrundbesitzer wie Thurn und Taxis, Konzerne wie Nestlé, Stromriesen wie RWE und Funktionäre der Agrarlobby.

    Greenpeace stellt dazu fest: „Ein Drittel aller Direktzahlungen fließt an wenige Großbetriebe wie zum Beispiel die Südzucker AG. Da Zucker auch Zigaretten beigemischt wird, erhält auch Philip Morris eine Agrarförderung. Mit Steuergeldern unterstützt wird ebenfalls die Lufthansa, da sie ihren Gästen unter anderem Kaffeesahne anbietet.“

    veggiday.de wartet mit anderen Beispielen für diesen irrwitzigen und völlig intransparenten Subventionsdschungel auf: „Die Südzucker AG, Mannheim, ein Konzern mit 6 Mrd. Euro Umsatz, kassierte 2008 Agrarzahlungen in Höhe von 34,4 Mio. Euro und konnte so einen Jahresgewinn von fast 190 Mio. Euro ausweisen. Die Emsland-Stärke GmbH, Emlichheim/Niedersachsen, erhielt im gleichen Jahr 8,1 Mio. Euro, die 5 größten Subventionsabstauber der fleischverarbeitenden Industrie bekamen zusammen 19,4 Mio. Euro.
    Aber selbst der Energieriese RWE hielt die Hand auf und erhielt 514.000 Euro dafür, dass er durch den Braunkohleabbau erstmal Milliarden verdiente und sich dann großzügig bereit erklärte, das aufgerissene Tagebaugebiet wieder zu rekultivieren. Da zeigte sich der Chemiegigant Bayer Leverkusen (Pestizide, Düngemittel, Antibiotika und Gentech-Pflanzen) mit nur 183.000 Euro recht bescheiden.“
    LANDWIRTSCHAFT und Argarsubventionen in Deutschland

    Der NDR gibt am 25.04.2013 noch folgende Zahlungsempfänger für 2012 an: „Die Waffenschmiede Rheinmetall kassierte etwa 38.923 Euro aus dem Agrartopf, der Energieriese „Eon“ 95.111,13 Euro und der Chemiekonzern BASF sogar 143.289,90 Euro.“ (Team Recherche macht Agrarsubventionen einsehbar | NDR.de – Fernsehen)

    Und es droht der hiesigen Landwirtschaft noch eine große Gefahr aus den USA: US-Präsident Barack Obama hat im April 2013 den sogenannten Monsanto Protection Act (Verfügung zum Schutz Monsantos) unterzeichnet. Monsanto wird dadurch in die Lage versetzt, sich über Entscheidungen von amerikanischen Bundesgesetzen hinwegzusetzen. Wenn ein Gericht zu dem Schluss kommt, dass eine gentechnisch veränderte Nutzpflanze Mensch oder Umwelt gefährdet, so kann es Monsanto (oder irgend ein anderes Unternehmen) nicht mehr dazu verurteilen, den Anbau dieser Pflanze zu stoppen. Stattdessen verlangt das Gesetz, dass der Landwirtschaftsminister Genehmigungen und Verordnungen erlässt, die den weiteren Anbau, das Inverkehrbringen und weitere im Einzelnen bezeichnete Aktivitäten ermöglichen. Das gilt auch dann, wenn eine Pflanze in dem Verdacht steht, eine Krankheit oder eine gefährliche genetische Verschmutzung auszulösen. Wenn das Freihandelsabkommen TTIP in der von den USA gewünschten Form durchgesetzt würde, so hätte uns die schöne neue Welt der genmanipulierten Pflanzen auch in Europa geblüht. Und noch mehr, wie das Beispiel Kolumbiens zeigt: Das mit den USA ausgehandelte Freihandelsabkommen hat unter anderem zur Folge, dass die Bauern in Kolumbien durch die Auflagen des Abkommens dazu gezwungen sind, ihre traditionelle Form der Agrarkultur aufzugeben und nur genmanipuliertes Saatgut von Großkonzernen wie Monsanto, Syngenta oder Dupont jährlich neu zu kaufen.

    Angesichts der alten Tradition in Kolumbien, die besten Früchte der Ernte aufzuheben, um die darin enthaltenen Samen für das nächste Jahr wieder zu verwenden, sodass auf natürlichem Wege die Ernte Jahr für Jahr an Qualität gewinnt, ist das Freihandels-abkommen eine besondere Katastrophe. Denn die alte Tradition, die eine stetig steigende Qualität bei der jährlichen Ernte garantierte, wurde nun verboten.

    Dies führt logischerweise dazu, dass die Bauern den Preis für ihre Ware erhöhen müssen, da sie weder von anderen Bauern die Samen für einen angemessen Preis kaufen können, noch die durch die Ernte entstandenen wieder einpflanzen können. Daraus folgt, dass die Bauern nicht mehr in der Lage sind, ihre Waren zu verkaufen, da sie mit den niedrigen Preisen aus den USA schlichtweg nicht mithalten können. So kommt es dazu, dass in Kolumbien seit beginn des Freihandelsabkommen immer mehr Nahrung importiert und immer weniger exportiert wird. Selbst ihre eigenen Landsleute kaufen den Bauern ihre Produkte nicht mehr ab, weil sie im Vergleich zu den Importwaren zu teurer geworden sind.

    Sogar Kaffee wird in Zeiten des Freihandelsabkommen importiert, obwohl die Kolumbianer für ihren unvergleichbar guten Kaffee weltberühmt sind. Immer mehr Bauern leben aufgrund dessen am Existenzminimum, bis sie sich in die Slums der Großstädte flüchten und ihre Grundstücke für einen Spottpreis an ausländische Großkonzernen verkaufen. So vernichtet die Globalisierung der freien Marktwirtschaft den kleinen Bauern überall auf der Welt. In Indien trieb dieses Spiel bereits 250.000 Bauern in den Suizid. (Freihandelsabkommen: Von unterdrückten Bauern und einer betrogenen Bevölkerung in Kolumbien – NOVAYO)

    Auch der Präsident des Bauernverbandes Joachim Rukwied, der auf der Grünen Woche 2014 als Glaubenssatz seines Joachims-Evangeliums dem ungläubigen Publikum verkündete, dass es gar keine Massentierhaltung gibt, ist ein Mann der Agrarindustrie. Hans Foldenauer vom Bundesverband deutscher Milchviehhalter kommentierte die Neuwahl 2012 und die damit verbundenen Auswirkungen für die deutschen Bauern so: Die inhaltliche Ausrichtung des Bauernverbands hänge nur marginal an der Person des Präsidenten. Bestimmend seien vielmehr die Interessen der Agrarindustrie, die im Präsidium vertreten sei und oft den Bedürfnissen der Bauern entgegenstehe. So seien etwa Molkereien und Milch verarbeitende Betriebe nicht daran interessiert, dass der Milchbauer ausreichend Geld für seine Milch bekommt. „Wir Milchbauern erhoffen uns daher durch Herrn Rukwied und den Bauernverband nicht mehr Unterstützung.“ (Bauernverband: Joachim Rukwied ist neuer Präsident – SPIEGEL ONLINE)

    Rukwied, mit seinen 300 ha schon selbst fast ein Großbauer, verteidigt die Interessen der Agrarindustrie, schiebt dafür in seiner Argumentation aber immer den Kleinbauern vor, so wie es geschickte Schlitzohren halt machen: Wird die Agrarindustrie kritisiert, diffamiert man damit seiner Ansicht nach die bäuerliche Familie. Mit solchen billigen Tricks versucht er, die im Verband organisierten Kleinbauern bei der Stange zu halten.

    In den letzten Jahren hat sich die Diskussion über die Produktionsweise der Agrarindustrie verstärkt. Umweltschützer und Konsumenten fordern das Verbot von umweltvernichtenden und lebensgefährlichen Pestiziden und Herbiziden wie z.B. Glyphosat. Und sie fordern die Aufgabe der tierquälerischen Massentierhaltung. Unterstützt von einer breiten Bewegung gehen immer mehr kleinere Bauern zur biologischen Produktionsweise ohne Einsatz von Pestiziden und zu tiergerechter Haltung über. Das ist auch ihre einzige Chance, im Konkurrenzkampf gegen Agrarkonzerne und Großbauern zu bestehen. So können sie für ihre Produkte mehr Geld verlangen.

    Jedes Jahr zur Grünen Woche marschieren Zehntausende durch Berlin, angeführt von Traktoren der Bauern, unter dem Motto „Wir haben die Agrarindustrie satt!

    Dass die Bundesregierung auch hier wieder auf der Seite der Großindustrie steht, wird daran deutlich, dass Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) im Alleingang am 27.11.2017 in der EU gegen das Verbot von Glyphosat gestimmt hat und damit dafür gesorgt hat, das gefährliche Gift auf weitere 5 Jahre in der EU zuzulassen. Das ist kein Wunder, sind doch Agrarindustrie, Großbauern, Bauernverband und Politik, vor allen Dingen die CSU, sehr eng verflochten. Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Keinem anderen Wirtschaftsverband in Deutschland wird so großer, so unmittelbarer Einfluss auf die Politik zugeschrieben.“ (5)Die Agrarwirtschaft ist ein Paradies für Lobbyisten – Wirtschaft – Süddeutsche.de) Eine groß angelegte Studie aus dem Jahr 2013 bestätigt das: (Studie groß Finish – Studie_Bauern_und_Bonzen.pdf)

    • Über die Intelligenz

    Auch die Intelligenz wird zunehmend in den Kapitalverwertungsprozess eingebunden. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts dringt das Kapital und seine Ideologie der marktwirtschaftlichen Orientierung verstärkt in die Hochschulen ein. Mit den Hochschulreformen in den Bundesländern wurden die Universitäten grundlegend verändert:

    Funktionierten die Universitäten davor noch hauptsächlich nach dem Prinzip Freiheit von Forschung und Lehre, so gilt danach das Prinzip der Auftragsforschung.

    Entschieden in der selbstverwalteten Universität vor allem die Gemeinschaft der Lehrenden und (in Studienangelegenheiten mit einer Drittelparität) auch der Studierenden, über welche wichtigen Themen geforscht und gelehrt wurde, so muss jetzt nach den Gesetzen des Wettbewerbs und der Konkurrenz auf dem Wissenschafts- und Ausbildungsmarkt gehandelt werden.
    Dazu wurden die Gremien völlig umgekrempelt: Fakultätsräte und Senate wurden entmachtet. Der Präsident bekam die Funktion eines Chief Executive Officer (CEO), also eines Unternehmensvorstandes, der auch universitätsfern sein kann und gegen dessen Stimme keine Entscheidung getroffen werden kann. Der Präsident nimmt seine Professoren mit Hilfe von LOM (Leistungsorientierter Mittelverteilung) an die Kandare, um im globalen Wettbewerb Profite zu erwirtschaften.

    Der Soziologe Richard Münch sagt dazu folgendes: „Aus Forschern und Lehrern, die in eigener Verantwortung vor der wissenschaftlichen Gemeinschaft handeln und auf dem Fundament des akkumulierten Wissens das Neue und Überraschende suchen, werden durch »Konditionierung« Punktejäger gemacht. Die letzte Stufe dieser nach rückwärts gerichteten Evolution wird man dann erreicht haben, wenn es der Neurowissenschaft gelungen ist, die Gehirne der Forscher und Lehrer so zu kontrollieren, dass sie genau jene Kennziffern erfüllen, die nach zentralverwaltungswirtschaftlichem Plan gewünscht werden. Man müsste dann nur noch die Gehirne der Gehirnforscher richtig steuern, sodass sie zu genau jenen Forschungsergebnissen gelangen, die sich für die Steuerung von Forschergehirnen eignen.“ (Kapitalismus: Akademischer Kapitalismus | ZEIT ONLINE)

    Gewählt und abgewählt werden der Präsident als auch die Vizepräsidenten durch den Hochschulrat. Der Hochschulrat hat als zentrales Entscheidungsgremium die Funktion eines Aufsichtsrates. Zudem beschließt er unter anderem über die Grundordnung, also das Grundgesetz der Universität. Im Hochschulrat der Ludwig-Maximilians-Universität in München zum Beispiel saß der Unternehmensberater Roland Berger. Als Präsident fungiert, (2017 immer noch) der ehemalige Rektor der Universität Zürich Prof. Dr. Hans Weder. Weders Zeit in der Uni Zürich kommentiert der mittlerweile pensionierte Rechtsprofessor Hans Ulrich Walder so: „An der Uni Zürich herrscht eine Erscheinungsform des neuen Absolutismus, der sich in unserer Gesellschaft ausbreitet: Man darf nicht mehr sagen, was man will, ohne diszipliniert zu werden.“ ((i)) ch.indymedia.org/de | Uni-Rektor Hans Weder und sein Schattenreich ((i))
    Die Qualität einer Hochschule bestimmt sich nicht mehr aus ihrer wissenschaftlichen Anerkennung innerhalb der Wissenschaftlichen Gemeinde und einem anspruchsvollen wissenschaftlichen Studium, sondern in der unternehmerischen Hochschule erweist sich Qualität in der Konkurrenz mit ihresgleichen.

    In den USA, wo es dieses System schon lange gibt, hat sich eine hierarchisch tief gestaffelte Hochschullandschaft mit einigen wenigen Spitzenuniversitäten mit Ausbildungsangeboten für den Nachwuchs der Höheren Klasse und der großen Masse von Hochschulen ganz unterschiedlicher Qualität für die Masse der Studierenden gebildet. Auf diese Art und Weise wird die Spreu vom Weizen getrennt. Und das wird noch dadurch verschärft, indem die Masse der Studierenden in verschulte Bachelor-Studiengänge gedrängt werden und nur noch eine quotenmäßig festgelegte, kleine Gruppe zu einem Masterstudium mit wissenschaftlichem Anspruch zugelassen wird.

    Dieses Modell hat natürlich auch Auswirkungen auf die Beschäftigten der Unis: „Wie die amerikanische Vereinigung der Hochschulprofessoren kürzlich (2004) berichtete, sind laufend 44% aller lehrenden Mitarbeiter auf Teilzeitstellen tätig, während befristete Arbeitsverträge aller Art mehr als 60% aller Anstellungsverhältnisse an den US-Universitäten ausmachen. Sowohl die Teilzeitstellen als auch die befristeten Vollzeitstellen nehmen weiter zu, wobei der schnellste Anstieg bei den befristeten Vollzeitstellen zu verzeichnen ist.“

    Gute wissenschaftliche Arbeit ist kaum noch anzutreffen, und die Bereiche mit realem Wachstum an Beschäftigten – sowohl bei den abhängig Beschäftigten als auch bei den Führungskräften – zeigen deutlich das Bild einer Institution, die zunehmend von betriebswirtschaftlichen Praktiken und Ideologien dominiert wird. Es ist billiger, Personal zeitlich befristet einzustellen. Zudem behaupten die universitären Manager, daß mit befristeter Arbeit flexibler und effizienter dem Personalbedarf und der Zahl der Einschreibungen begegnet werden kann. Dagegen können sich die in der Universität abhängig Beschäftigten kaum von ihrem Gehalt über Wasser halten, sie bekommen nur geringe Zuschüsse zur Krankenversicherung und erleben auszehrende Bedingungen der beruflichen Unsicherheit.“ (Larry Hanley, Wie die Universitäten zu Markte getragen werden, Universitärer Kapitalismus in den Vereinigten Staaten)

    Und wenn man sich fragt, welch kluger Kopf hinter der Neuorientierung der Unis in Deutschland steckt, dann stößt man bald auf Reinhard Mohn und seine Bertelsmann-Stiftung, genauer das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Über den Umweg über private Hochschulen kam er zu dem Schluss, dass es viel effizienter sei, die weitgehend staatlich finanzierten Hochschulen wie private Unternehmen in den Wettbewerb zu schicken und über die Konkurrenz um Studiengebühren und ergänzende private oder auch öffentliche Drittmittel das Hochschulsystem steuern zu lassen. (Die Rolle der Bertelsmann Stiftung beim Abbau des Sozialstaates und der Demokratie oder: Wenn ein Konzern Politik stiftet – zum gemeinen Nutzen? | NachDenkSeiten – Die kritische Website) Und so kam es dann ja auch. Wie die Steuerung durch das CHE vor sich geht, kann gut an dem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz in Nordrhein-Westfalen demonstriert werden. Ende 2005 veröffentlichte der CHE „Zehn CHE-Anforderungen an ein Hochschulfreiheitsgesetz für Nordrhein-Westfalen“. In diesen „Anforderungen“ finden sich teilweise sogar bis in den Wortlaut hinein die Formulierungen wieder, die der nordrhein-westfälische „Innovationsminister“ Pinkwart, ohne jede politische Debatte in seiner Partei, geschweige denn im Landtag kurze Zeit später auf einer Pressekonferenz am 25. Januar 2006 als seine eigenen „Eckpunkte des geplanten Hochschulfreiheitsgesetzes“ vorstellte … (Die Rolle der Bertelsmann Stiftung beim Abbau des Sozialstaates und der Demokratie oder: Wenn ein Konzern Politik stiftet – zum gemeinen Nutzen? | NachDenkSeiten – Die kritische Website)

    Als Ergebnis kann man feststellen, dass hier eine Degradierung und Deklassierung der Intelligenz stattfindet. Deshalb darf es auch keinen verwundern, dass sich einige Intelligenzler rechtsgerichteten Parteien wie der Alternative für Deutschland (AfD) zuwenden.

    Das sind u.a. die Bedingungen, unter denen Kleinbürger leben. Dazu kommt noch die Niedrigzinspolitik, die das angesparte Vermögen dieser Schichten verringern: Sparvermögen werfen keine Zinsen mehr ab, Lebensversicherungen verlieren drastisch an Wert, d.h. das Vermögen dieser Schichten verringert sich. Und dazu kommt noch das Gefühl der Unterwerfung und Hilflosigkeit gegenüber den intransparenten, undemokratischen Handlungen der Europäischen Union (EU), die Konzerne und Banken bevorzugt, sie auch schon mal vor dem Ruin rettet, dem Mittelstand aber keine Vorteile bringt.

    Ein nicht unbeträchtlicher Teil der kleinbürgerlichen Schichten sieht die Lösung in einer Zurückdrängung des Einflusses des Großkapitals und der Renationalisierung. Mit der Stärkung ihres Einflusses in den nationalen Parlamenten glauben sie dann, dem Großkapital Paroli bieten zu können. Mit der Schließung der Grenzen meinen sie, die Kontrolle im eigenen Land wieder zu erringen und die Folgen der Globalisierung, die sich auch in den großen Flüchtlingsströmen ausdrückt, auszuschließen. Sie brauchen den Welthandel nicht, weil sie keinen betreiben. Das sind die Leute, die in der Führungsschicht von Pegida & Co und der AfD sind und den Austritt aus der EU befürworten. Sie gebärden sich antikapitalistisch wie die Nationalsozialisten, sind es aber nicht, weil sie vom Kapitalismus gut leben. Sie wollen nur das Rad der Geschichte zurückdrehen und den Kapitalismus wieder zur kleinen, feinen Marktwirtschaft in engen nationalen Grenzen machen. Sie sind so im wahrsten Sinne des Wortes reaktionär, weil sie den Rückschritt befürworten. Für sie ist es keine Option, vorwärts zu gehen, diese Situation der ungeheuren technischen Möglichkeiten und diesen ungeheuren, in privaten Händen aufgehäuften gesellschaftlichen Reichtum auszunutzen, die Banken und Konzerne, sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zu übernehmen. Das heißt nichts anderes, als die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel zu erringen. Was wiederum heißt, dass die Produzenten darüber bestimmen, wie produziert wird, welche Produkte hergestellt werden und wie die Erträge daraus verteilt werden.

    Diesen reaktionären Kleinbürgern gemeinsam ist, dass ihr Handeln vom Konkurrenzkampf bestimmt ist, der nun mal die Grundlage des Kapitalismus ist. Kleinbürger sind in ihrer materiellen Existenz meistens Einzelkämpfer. Sie müssen sich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Und das tun sie mit harten Bandagen. Ihnen ist egal, wenn ein Konkurrent vor die Hunde geht. Hauptsache, sie selber überleben. So unversöhnlich verhalten sie sich auch gegenüber potentiellen Konkurrenten, z.B. Flüchtlingen.

    Die Aussage mit dem Konkurrenzkampf wird durch die Studie Fragile Mitte der Friedrich-Ebert-Stiftung über „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ untermauert. (141120presse-handout.pdf) Die Untersuchung stellt fest, dass die wirtschaftliche Wettbewerbslogik, das Kosten-Nutzen-Kalkül, die Gründe liefert für die Abwertung von Behinderten, Obdachlosen, Roma und anderen.

    Noch ein Wort zu den Mitläufern von Pegida & Co aus dem sog. Prekariat, also aus den abgehängten, an die Wand gedrückten Schichten. Diese Leute verfügen über kein hohes Selbstwertgefühl. Das können sie aufgrund ihrer Lage auch gar nicht entwickeln. Selbstwertgefühl entwickelt sich doch nur aufgrund von Leistungen, die man erbringt. Woher soll aber das Selbstbewusstsein kommen, wenn diese Leute keine Leistungen erbringen können, weil sie ausgeschlossen sind von Erwerbsarbeit und von Almosen des Staates leben? Diesen Leute werden Vorbilder, Gruppen, Nationen vorgesetzt, woran sie sich hochziehen können. Auf diese Weise bekommen sie das Gefühl, etwas wert zu sein. Der entscheidende Hebel, ihr Selbstwertgefühl zu heben und dem Einfluss des reaktionären Kleinbürgertums zu entziehen, ist Arbeit. Und das kann man durch gleichmäßige Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Schultern erreichen. Aber auch das gibt es nicht in den kapitalistischen Verhältnissen, unter denen wir leben.

    Der Antisemitismus bleibt fest verwurzelt

    Bundeskanzler Adenauer versicherte in einer Rede am 10.04.1961, das es im deutschen Volkskörper keine Nazis mehr gäbe. Das war geschickt, denn mit einem nicht existenten Problem braucht man sich nicht zu beschäftigen und muss es auch nicht bekämpfen. Dieselbe Linie verfolgte jahrelang der Verfassungsschutz: Bis 2010 behauptete er frank und frei, dass in Deutschland keine rechtsterroristischen Strukturen feststellbar seien. Und das auf dem Höhepunkt der Mordserie des NSU. Und auch die DDR hatte 1968 auf ihrem Gebiet den Nazismus angeblich ausgerottet.

    Dementsprechend war es für die jüdische Philosophin Hannah Arendt, die in die USA emigriert und vier Jahre nach dem mörderischen Krieg auf Deutschlandbesuch war, praktisch unmöglich, einen Nazi zu finden. Keiner wollte einer gewesen sein. Aber das rassistische und antisemitische Gedankengut war ja nicht tot. Es hatte sich nur versteckt, vor sich selbst, vor der öffentlichen antifaschistischen Stimmung, vor den teilweise rigorosen Entnazifizierungsmaßnahmen der Alliierten.

    Zwei Jahre später sah es schon wieder ganz anders aus. Die alten Kameraden hatten keine Mühe, Posten in Wirtschaft und Politik zu besetzen. Man wurde ja gebraucht. Und man traute sich wieder aus der Deckung:

    In Landsberg am Lech waren viele Nazi-Verbrecher inhaftiert. Und zwar in dem Gefängnis, in dem Adolf Hitler nach dem Münchner Putschversuch von 1923 einsaß und den ersten Teil seines Buches Mein Kampf schrieb.

    Bis 1951 wurden hier die Todesurteile für mehr als 250 der in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen Verurteilten vollstreckt. Die Folgeprozesse gegen Juristen, Ärzte, Diplomaten und Unternehmer, aber auch gegen SS-Offiziere stießen bei deutschen Bürgern zunehmend auf Ablehnung. Das sei Siegerjustiz und das deutsche Volk unter der alliierten Willkür und Ungerechtigkeit seiner Ehre beraubt. Man forderte Begnadigung, vor allem für die Todeskandidaten. Manch Kriegsverbrecher war nicht sofort nach dem Urteil hingerichtet worden, sondern war noch aufgrund langwieriger Revisionsverfahren inhaftiert. So zum Beispiel Oswald Pohl, der als Chef des SS-Wirtschaftsverwaltungs-Hauptamtes für das Massensterben der Zwangsarbeiter in den KZs unmittelbar verantwortlich gewesen war, und Otto Ohlendorf, der 1941/42 in der besetzten Sowjetunion als Kommandeur der SD-Einsatzgruppe D die Ermordung Zehntausender jüdischer Kinder, Frauen und Männer befohlen und geleitet hatte.

    In Landsberg identifizierten sich besonders viele mit den verurteilten NS-Tätern. Mitte November 1950 setzte sich der Stadtrat in einer von allen Fraktionen getragenen Resolution für die Insassen des Kriegsverbrechergefängnisses ein.

    Am 5. Januar 1951 verbreitete sich das Gerücht, die zum Tode Verurteilten sollten am 10. Januar hingerichtet werden. Sofort wurden Proteste organisiert. Gebhard Seelos, der Fraktionsvorsitzende der Bayern-Partei war besonders rührig. Trotz der kurzen Frist versammelten sich am 7. Januar 4.000 Menschen in Landsberg, ein Drittel der damaligen Einwohner. Der CSU-Abgeordnete und ehemalige SA-Angehörige Richard Jaeger appellierte an die Amerikaner, auf die Stimme des Herzens zu hören und die Vollstreckung der Todesurteile auszusetzen. Richard Jaeger wurde später Bundesjustizminister und ein vehementer Befürworter der Todesstrafe. Auch Gebhard Seelos kritisierte die Nürnberger Prozesse in scharfer Form. Seine Rede ging allerdings in Tumulten unter, denn es hatten sich auch 300 Holocaust-Überlebende, von den Amerikanern Displaced Persons (DP) genannt, aus einem nahegelegenen Camp als Gegendemonstranten eingefunden. Es kam zu Rangeleien und Wortgefechten, wobei die Landsberger Bürger u.a. „Juden raus“ riefen. Die Polizei nahm mehrere jüdische DP’s fest. Nachdem die Landsberger Bürger sich zerstreut hatten, hielten die DP’s ihre Kundgebung ab mit dem Versprechen, jedes Jahr eine Gedenkveranstaltung für die 90.000 von Ohlendorf ermordeten Juden abzuhalten, was wiederum durch Pfiffe und Zwischenrufe der verbliebenen Landsberger quittiert wurde.

    Der Auschwitz-Überlebende Philipp Auerbach, Präsident des Bayrischen Landesentschädigungsamtes und Mitglied im Zentralrat der Juden, kritisierte die Landsberger scharf, die sich für Massenmörder einsetzen würden, die den Tod von Hunderttausenden auf dem Gewissen hätten. Gegen die Ermordung Tausender Menschen in den KZs rund um Landsberg habe keiner die Stimme erhoben. Auerbach wurde nur wenige Wochen nach der Landsberger Kundgebung wegen angeblicher Veruntreuung von Geld innerhalb seiner Entschädigungsbehörde verhaftet.

    Es folgte ein zweifelhaftes und durch den bayerischen Justizminister Josef Müller (CSU) politisch instrumentalisiertes Verfahren, das am 14. August 1952 mit der Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe endete. In der Nacht nach der Urteilsverkündung nahm sich Auerbach, der bis zuletzt seine Unschuld beteuert hatte, das Leben. Man sieht, die neuen Eliten waren den alten Eliten geistig und durch die Tat verbunden, indem sich diese Taten schon wieder gegen Juden richteten.

    Pohl und Ollendorf gehörten zu den wenigen, die noch hingerichtet wurden. In der Folgezeit ließen die Amerikaner die verbliebenen, noch über 500 Landsberger Gefangenen nach und nach frei. („Juden raus“ Landsberg am Lech, Januar 1951 – LandsbergAntisemitismus.pdf)

    (wird noch aktualisiert)

    • Rassistische Politik gegenüber Flüchtlingen

    Das Verhältnis der deutschen Staaten zu Ausländern war immer geprägt von objektiven Notwendigkeiten, was sich wiederum auf das Verhältnis der Einheimischen zu den Ausländern auswirkte. Rassistische Bewegungen haben sich besonders gut auf dem Rücken der Flüchtlinge entwickelt.

    Als der Markgraf Friedrich Wilhelm, bekannt als der Große Kurfürst, im Jahre 1685 mit dem Edikt von Potsdam die französischen Hugenotten in das durch den Dreißigjährigen Krieg zerstörte Brandenburg einlud, tat er das nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern, weil er Arbeitskräfte brauchte, die tatkräftig das Land wieder aufbauen und der Dezimierung der Bevölkerung entgegen wirken sollten. Ihre Manufakturen wurden bald zu Taktgebern des wirtschaftlichen Fortschritts und ihre Bereitschaft, schnell Deutsch zu lernen und sich dem Gesellschaftssystem Brandenburg-Preußens anzupassen, sorgten für eine gelungene Integration. (Einwanderung: Gebildete Migranten machten Preußen zur Großmacht – WELT)

    Vor den Hugenotten wurden schon seit 1648 Holländer für den Garten-, Landschafts- und Kanalbau angesiedelt. Durch sie belebte sich das Handwerk.

    Nach der Krönung Friedrich I. zum König von Preußen im Jahre 1701 setzte eine erneute Kolonisierungswelle ein: Preußisch-litauische Bauern, französische Schweizer, Nassauer, Pfälzer, Süddeutsche, Magdeburger und Halberstädter kamen ins Land. (rbb Preußen-Chronik | Thema: Preußen – eine multikulturelle Gesellschaft?)

    1732 lud König Friedrich Wilhelm I. die aus dem Erzbistum Salzburg vertriebenen Protestanten nach Ostpreußen ein. Auch böhmische Protestanten kamen.

    Damit wollten die preußischen Machthaber die Stärkung der Wirtschaftskraft des Landes, die Erhöhung des Steueraufkommens und den Ausbau der Armee und ihre materielle Versorgung erreichen.

    Das Zusammenwachsen der Einwanderer mit der einheimischen Bevölkerung verlief nicht reibungslos. Doch die, die den weiten Weg nach Ostpreußen gekommen, um sich ein neue Existenz aufzubauen, widerstanden den Hindernissen. Sprachschwierigkeiten, fremdartige Moden und unbekannte Traditionen verlangten nach gegenseitiger Toleranz. Diese konnte erst über einen längeren Zeitraum erreicht werden. Auch wirtschaftliche Gründe bedingten wiederholt eine ablehnende Haltung gegen neue Siedler. Die Einheimischen befürchteten Konkurrenz in Handel und Gewerbe. (rbb Preußen-Chronik | Thema: Preußen – eine multikulturelle Gesellschaft?)

    Ab 1873 veränderten sich die Verhältnisse in Preußen. In der Großen Depression verfiel der Weltwirtschaftspreis für Getreide. Die Folge war, dass Landarbeiter aus den ostelbischen Gebieten in den Westen Deutschlands zogen. Dort lockten infolge der Industrialisierung höhere Löhne im Bergbau. Dafür wanderten Polen in die preußischen Ostgebiete ein.

    Aber diesmal ließ Preußen eine Einwanderung der dringend benötigten Arbeitskräfte nicht zu. Es wollte nur saisonale Wanderarbeiter, zum überwiegenden Teil für die landwirtschaftlichen Güter der ostelbischen Junker haben, und etablierte ab 1890 ein Kontrollsystem zur Steuerung und Überwachung der Arbeitsmigration. Die polnischen Arbeiter sollten sich nur bei Bedarf im Land aufhalten. Auf keinen Fall während der Sperrzeit im Winter. Schon ab 1885 wies die Hohenzollern-Monarchie die ausländischen Polen massenweise aus den Grenzregionen aus und erließ ein Zuwanderungsverbot. Die geduldeten Arbeiter bekamen eine Legitimationskarte, die sie zum Aufenthalt auf dem Territorium des Deutschen Reiches berechtigte. Hatten sie keine, wurden sie sofort ausgewiesen. Die preußische Ausländerpolitik war rigide. „Die polnischen Wanderarbeiter wurden gezielt aus eventuellen Gruppierungen aussortiert, Familienverbände und Gruppen zerrissen. Familiennachzug war nicht gestattet und die einzelnen Kolonnen wurden nach jeweiligem Geschlecht getrennt. Eventuelle Schwangerschaften zogen die sofortige Abschiebung auf eigene Kosten nach sich.“ ( Ausländerpolitik – Wikipedia)

    Alle nachfolgenden Regierungen in Deutschland nahmen das Modell Preußen als Vorbild und bauten es sogar noch aus. Die Weimarer Republik erließ Zuwanderungsbeschränkungen und ein Inländerprimat. 1933 wurde vom Kabinett Schleicher der Inlandslegitimierungszwang wieder eingeführt, es wurden Arbeitskarten verteilt und Zugereiste überwacht.

    Das nationalsozialistische Deutschland brauchte dann wieder viele Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie und die Landwirtschaft. Es schloss im Dezember 1937 ein Anwerbeabkommen mit Italien. Während des Krieges ersetzten die Nationalsozialisten die an die Front abkommandierten deutschen Arbeiter durch ins Deutsche Reich verschleppte Ausländer sowie Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Nach dem Bundesarchiv war allein in den Grenzen des Großdeutschen Reiches ca. 13,5 Millionen ausländische Arbeitskräfte und Häftlinge von Konzentrationslagern und ähnlichen Haftlagern eingesetzt. (Begriffe, Zahlen, Zuständigkeiten – Portal zur Zwangsarbeit im NS-Staat). Davon waren etwa 80 bis 90 % Zwangs- bzw. Sklavenarbeiter. Dabei pflanzten die Nazis ins Herz der Deutschen, auch der Arbeiter, die Überlegenheit von der deutschen Rasse ein, was einem Zusammenleben auf Augenhöhe mit Ausländern einen Riegel vorschob.

    Nach dem Weltkrieg II entwickelte sich im Westen Deutschlands das sog. Wirtschaftswunder. Und das brauchte eine große Anzahl Arbeitskräfte. Also wurde wieder kräftig importiert. 1955 wurde ein Anwerbeabkommen mit Italien, 1960 mit Spanien und Griechenland und 1961 mit der Türkei abgeschlossen.

    1973 kam dann der Ölpreisschock, ausgelöst durch die Drosselung der Erdölproduktion der Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten (OAPEC) anlässlich des Jom-Kippur-Krieges. Die Wirtschaft geriet in die Krise, die Verbraucherpreise stiegen 1973 und 1974 um jeweils 6,9 %, die Arbeitslosenzahlen stiegen auch und die Bundesrepublik wollte die angeheuerten Ausländer wieder los werden. In der Zeit zwischen 1955 und 1973 waren 14 Millionen Ausländer nach Deutschland eingereist und 11 Millionen wieder ausgereist. 3 Millionen wollten also in der BRD bleiben. In der Zeit zwischen 1973 und 1979 konzentrierte sich die Ausländerpolitik auf die Begrenzung der Zuwanderung, die Rückkehrförderung und auf ganz schwache Ansätze zur sozialen Integration der Arbeitsmigranten und ihrer Familien.

    1979 kam die nächste Ölpreiskrise. Sie wurde im Wesentlichen durch Förderungsausfälle nach der Islamischen Revolution im Iran und dem folgenden Angriff des Iraks auf den Iran ausgelöst. Der Preis für einen Barrel Öl stieg auf 38 US-Dollar. Die Teuerungsrate kletterte 1981 bis auf 6,3 %. 1982 schrumpfte das Bruttosozialprodukt um 1,1 Prozent.

    In den anschließenden Jahren kam es zu einem regelrechten Begrenzungswettlauf. SPD, FDP, CDU und CSU brachten 1981 ihre Empfehlungen zur Begrenzungspolitik ein. Der Nachzug von Ehegatten sollte limitiert werden und das Nachzugsalter abgesenkt werden. Grenzen sollten also dicht gemacht und die Zuwanderung gedrosselt werden. (Das alles kommt so merkwürdig bekannt vor.) Die Parteien weigerten sich, die Realität anzuerkennen, dass Deutschland zu einem Einwanderungsland geworden war und die Politik dementsprechend auf Integration auszurichten.

    Mitte der 1980er Jahre sank die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer. Dafür stieg aber die Zahl der Asylsuchenden. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre kamen zunehmend osteuropäische Flüchtlinge. 1988 machten sie schon mehr als die Hälfte der Asylbewerber aus. Vorher hatten vor allem Menschen aus den Krisengebieten Afrikas, Asiens und aus der Türkei um Asyl nachgesucht. Ab 1991 kamen viele Flüchtlinge aus den Jugoslawienkriegen hinzu. Die Kriege wurden in erster Linie von Serbien geführt, um die Unabhängigkeitsbestrebungen von Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina zu unterdrücken. Die meisten Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien wurden zwar nicht anerkannt, aber sie wurden aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention in der Bundesrepublik geduldet (de-facto-Flüchtlinge). Sie übertrafen 1992 mit 640.000 die Zahl der Asylbewerber (610.000) und die Zahl der Asylberechtigten mit ihren Familien (230.000). (Asyldebatte – Wikipedia)

    Neben dem oben angesprochenen Begrenzungswettlauf wurden von reaktionären Politikern Ängste und Abwehrhaltungen in der Bevölkerung (auch damals schon mit Fake News) vor der Flut aus dem Ausland geschürt, welche zu einer weiteren Ausgrenzung und Ablehnung von Ausländern führte. Im SPIEGEL-Artikel vom 7.12.1981 Ausländer: „Schmerzhafte Grenze gezogen“ – DER SPIEGEL 50/1981 wird die Problematik recht gut von allen Seiten beleuchtet und aufgearbeitet. Der Artikel kam zu dem Schluss, dass es die Ausländerpolitik jahrelang unterlassen hat, dem Zustrom der Fremden die Anpassung an die Gesellschaft zu ermöglichen.

    So behauptete der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß 1985: „Es strömen die Tamilen zu Tausenden herein, und wenn sich die Situation in Neukaledonien zuspitzt, dann werden wir bald die Kanaken im Land haben.“ Der Berliner Innensenator Heinrich Lummer (CDU) warnte, es sei dringend geboten, Deutschland „vor einer Überflutung zu schützen“, denn „Wir haben ein Asylrecht, da kann die ganze Rote Armee kommen und der KGB dazu. Wenn die an unserer Grenze nur das Wörtchen ‚Asyl‘ sagen, können wir sie nicht zurückschicken“. (Asyldebatte – Wikipedia)

    1986 starteten CDU und CSU eine Kampagne gegen Asylbetrug und Wirtschaftsflüchtlinge, die maßgeblich von der Bild-Zeitung und der Welt am Sonntag mitgetragen wurden und heizten damit die Stimmung gegen Ausländer weiter an. Der bayerische Innenminister Edmund Stoiber warf den Asylbewerbern im Oktober 1992 hunderttausendfachen Asylmißbrauch vor. Die braven deutschen Bürger wurden mit Worten wie Asylantenstrom und -flut geradezu überschwemmt und hysterisiert (genau wie 2015). Der Journalist Heribert Prantl stellte die Frage, ob nicht durch zahlreiche Äußerungen in der Asyldebatte der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt sei. Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, konstatierte im Dezember 1992: „Die Art und Weise, wie in den letzten Wochen und Monaten über die Asyl- und Ausländerpolitik geredet und gestritten wurde, hat das Ihre dazu beigetragen, daß Ausländerfeindlichkeit gesellschaftsfähig geworden zu sein scheint.“ (Asyldebatte – Wikipedia)

    Gregor Gysi brachte es auf den Punkt: „Und Sprache ist verräterisch. Es waren Politikerinnen und Politiker, die Begriffe von Scheinasylanten, von Flüchtlingsströmen, von Wirtschaftsflüchtlingen, vom Asylmissbrauch, von asylfreien Zonen, von Durchmischung und Durchrassung und das schlimme Wort vom Staatsnotstand in die Debatte brachten und solche Worte zeigen Wirkung. All jene, die in der beschriebenen Art und Weise die Asyl-Debatte führten und führen, haben an rassistischen und ausländerfeindlichen Pogromen als intellektuelle Urheber ihren Anteil.“ (Diskurs um Flucht und Asyl in den 1990er-Jahren – Hetze gegen „Scheinasylanten“ und „Asylmissbrauch“)

    Auffällig war, dass die sogenannten Christdemokraten und die sogenannten Christsozialen entgegen den christlichen Grundwerten (Liebe deinen Nächsten wie dich selbst) die Hetze gegen Ausländer dominierten.

    Ab dem Jahr der Kampagne 1986 kam es verstärkt zu Überfällen von Neonazis auf Ausländer. Die rechtsradikalen Parteien Die Republikaner und DVUprofitierten ab 1989 von der Radikalisierung und Emotionalisierung des Themas und zogen mit fremdenfeindlichen Parolen in mehrere Landesparlamente ein.

    1987 wurde das Asylverfahrensgesetz völlig neu gefasst. Gesetzgebung und Rechtsprechung sahen jetzt selbst die Bedrohung mit Folter in der Heimat nicht mehr als beweiskräftigen Grund für die Gewährung von Asyl an. Flüchtlingen aus dem Ostblock wurde dagegen von vornherein politische Verfolgung zuerkannt. Dies führte dazu, dass das Bundesverwaltungsgericht einerseits Strafverfolgung eines sich kommunistisch nennenden Staates als politisches Mittel der Herrschaftssicherung, andererseits aber Folter in dem NATO-Mitglied Türkei als übliches Mittel zur Einhaltung der staatlichen Ordnung und als nicht asylrelevant bewertete.

    Ab 1980 betrug die Wartezeit für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ein Jahr und wurde 1981 auf zwei Jahre, 1987 auf fünf Jahre ausgeweitet. Osteuropäer mussten nicht bzw. nur ein Jahr warten. Das erzwungene Nichtstun förderte bei den Asylbewerbern die Frustration und Teile der deutschen Bevölkerung sahen in den Asylbewerbern nur unnütze Mitesser.

    Ab 1990/91 wurde im Osten Deutschland sichtbar, dass die von Bundeskanzler Helmut Kohl versprochenen blühenden Landschaften nur von westlichen Abzockern und Spekulanten abgeerntetes Brachland waren. Bis 1992 verloren über 14 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung ihren Arbeitsplatz. Aber ab Dezember 1990 wurden Asylbewerber auch auf die Städte und Kreise der neuen Bundesländer verteilt, die darauf weder organisatorisch noch politisch vorbereitet waren. Diese beiden Entwicklungen trafen auf eine ostdeutsche Bevölkerung, die statt im internationalistischen (wie es sich für einen sozialistischen Staat gehören würde) im nationalistischen Geist erzogen worden war. „Die Propaganda, die die SED-Herrschaft in den fünfziger Jahren legitimieren sollte,“ schreiben sie (das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, der Verf.), „knüpfte ungeniert an ältere nationale Legitimationsmuster an. Nach ihrer Rhetorik zu urteilen, verstand sich die DDR als die wahre Vertreterin der deutschen Nation: sozialistischer Inhalt in nationaler Form.“ Ein unverhohlener Nationalismus zieht sich in der Tat wie ein roter Faden durch die Geschichte der DDR. Besonders krass war dies in den Gründungsjahren. Schon das „Nationalkomitee Freies Deutschland“, das 1943 unter der Leitung Walter Ulbrichts gegründet wurde und für die sowjetische Propaganda in Deutschland zuständig war, appellierte nicht an den Internationalismus der Arbeiterbewegung, sondern – wie schon der Name sagt – an den deutschen Nationalismus. („Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in den Neuen Bundeslaendern“) Der Beitrag geht umfangreich auf die Problematik ein.

    Das Zusammentreffen dieser Faktoren verlieh den Ereignissen im Osten Deutschlands eine besondere Brisanz:

    Im September 1991 wurde im sächsischen Hoyerswerda ein Wohnheim für Vertragsarbeiter sowie ein Flüchtlingswohnheim von Neofaschisten mit Steinen und Molotow-Cocktails angegriffen. Anwohner sahen tatenlos zu oder klatschten Beifall. Die Polizei griff kaum bzw. zu spät ein.

    Das war nicht der erste Angriff auf ein Flüchtlingswohnheim, aber der erste, der von der Öffentlichkeit richtig wahrgenommen wurde. Auf der Seite Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen – Wikipedia steht eine lange Liste von brutalen Überfällen und Anschlägen auf Asylbewerberheime und einzelne Ausländer seit dem 19. 2.1991 allein in Mecklenburg-Vorpommern.

    Dabei gingen die Rassisten mit unmenschlicher Brutalität vor. Auch Menschen, die vermitteln wollten, wurden niedergemacht:

    In der Nacht zum 11. Oktober 1992 schlug ein Neonazi der Aushilfskellnerin Waltraud Scheffler in Geierswalde mit voller Wucht eine Holzlatte auf den Kopf. Scheffler hatte versucht, auf die mit „Sieg Heil“-Rufen in ein Lokal eindringenden Skinheads einzureden. 13 Tage später starb sie.

    Am 19. Februar 1993 wurde der 22-jährige Mike Zerna bei einem Überfall von rechtsextremen Skinheads auf Jugendliche vor dem Jugendklub „Nachtasyl“ in Hoyerswerda zusammengeschlagen. Die Angreifer, darunter drei wegen fremdenfeindlicher Gewalttaten Vorbestrafte, prügelten auf Konzertbesucher und den Fahrer und Techniker der christlichen Gothic-Metal-Band Necromance aus Spremberg ein. Dann kippten sie ein Auto auf den am Boden liegenden Zerna. Sechs Tage später erlag er seinen Verletzungen. (Ausschreitungen in Hoyerswerda – Wikipedia)

    Es ging Schlag auf Schlag, im wahrsten Sinn des Wortes:

    – Im August 1992 gab es die massivsten rassistisch motivierten Angriffe in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Rostock. Ziel waren die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter im sogenannten Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen. Das Wohnheim wurde von mehreren hundert Faschisten mit Molotow-Cocktails in Brand gesetzt. 3.000 Zuschauer applaudierten. Auf dem Höhepunkt der Mordbrennerei zog sich die Polizei zeitweise völlig zurück und die im brennenden Haus Eingeschlossenen waren schutzlos sich selbst überlassen. Die Vorgänge in Rostock waren auch ein Beispiel für die Unfähigkeit und den fehlenden Willen der politischen und polizeilichen Führung, die bedrohten Ausländer (und auch ein Fernsehteam des ZDF, den Rostocker Ausländerbeauftragten und dessen Mitarbeiterin und einige Wachleute) vor den Faschisten zu schützen. In der Nacht vom 23. zum 24. August wurden 130 Menschen festgenommen. Über 60 davon waren Jugendliche, die eine Solidaritätsdemonstration für die Ausländer durchführten. (Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen – Wikipedia)

    – Im November 1992 gingen 2 von türkischstämmigen Menschen bewohnte Häuser in Mölln in Flammen auf. 2 Mädchen und eine Frau kamen in den Flammen um. Es waren die ersten Toten bei einem solchen ausländerfeindlichen Anschlag. Ein Täter wurde zu 10 Jahren Jugendhaft verurteilt. Der andere zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Beide Täter sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. (Mordanschlag von Mölln – Wikipedia)

    – Im Mai 1993 wurde ein von türkischstämmigen Menschen bewohntes Zweifamilienhaus in Solingen in Brand gesetzt. 2 Frauen und 3 Mädchen starben. Drei Täter wurden zu 10 Jahren Jugendstrafe und einer zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei davon waren Neonazis, die anderen beiden stammten aus dem klassischen Kleinbügermilieu und waren noch nicht aufgefallen. Alle Täter sind inzwischen wieder frei. (Brandanschlag von Solingen – Wikipedia)

    – Das waren Anschläge, die groß durch die Presse gingen. Es gab aber viel mehr Vorfälle, die über den lokalen Rahmen hinaus nicht publik wurden: In Mannheim-Schönau gab es auch ein Asylbewerberheim. Der Mannheimer Gemeinderat hatte 1991 die Aufhebung des Grundrechts auf Asyl gefordert. Nachdem das schon zwei Tage vorher widerlegte Gerücht, dass ein afrikanischer Asylbewerber ein 16-jähriges Mädchen vergewaltigt haben sollte, auf einem Fest in Schönau am 28. Mai 1992 die Rund machte, rottete sich vor der Flüchtlingskaserne eine wild entschlossene Menge von ca. 400 Leuten zusammen. „Asylantenschweine!“, „Wir brennen Euch ab!“ Steine flogen, Flaschen. Die Polizei konnte den Sturm verhindern. Sie sicherte die Kaserne mit einem zusätzlichen Zaun und mit Drahtverhauen vor den Fenstern. Sie und die Mannheimer Politiker bis zum Oberbürgermeister ließen aber die lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger gewähren, die weiterhin allabendlich vor dem Heim ihre Hassausbrüche, Verbalattacken und Morddrohungen gegen die Flüchtlinge schrien. Ganz anders ging die Polizei gegen 400 Demonstranten vor, die gewaltlos ihre Solidarität mit den Flüchtlingen bekunden wollten: Nach diesem Einsatz waren 20 Menschen z.T. schwer verletzt, 140 festgenommen. Die Frankfurter Rundschau berichtete: „In den Hauseingängen der Seitenstraßen schlugen Polizisten vor laufenden Fernsehkameras auf bereits am Boden liegende Frauen ein, die sich nicht wehrten. Verletzten wurde Verbandsmaterial aus den Einsatzfahrzeugen verwehrt.“ (Am Anfang stand ein Gerücht – 28. Mai 1992: – Bürgerzorn vor Asylbewerberheim – Zeitworte Folge 2 – NRhZ-Online – Neue Rheinische Zeitung – info@nrhz.de –)

    – Im Mai 1994 wurde eine Gruppe von Schwarzafrikanern stundenlang von jugendlichen Neonazis durch die Innenstadt von Magdeburg gejagt. Sechs Menschen wurden dabei verletzt. Polizeibeamte drückten offen ihre Sympathie für die Angreifer aus. Als die Polizei dann endlich eingriff, nahm sie die Afrikaner fest, die dabei nach ihren Angaben von Beamten schwer misshandelt wurden. Die Neonazis wurden größtenteils laufen gelassen. (Magdeburger Himmelfahrtskrawalle – Wikipedia)

    – Im Januar 1996 starben bei einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Lübeck 10 Asylbewerber. 38 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Drei junge Deutsche mit versengten Haaren und Augenbrauen, die zumindest zeitweise in der rechten Szene aktiv waren, wurden festgenommen. Sie wurden aber aufgrund kruder Erklärungen und vermeintlicher Alibis frei gelassen. „Stattdessen wird nunmehr ein im Haus wohnender Libanese, der beim Brand selbst Verletzungen erlitten hat, verdächtigt. Er soll die Tat angeblich auf dem Weg ins Krankenhaus einem Sanitäter gestanden haben.“ „Plötzlich geht es um angebliche Autoschiebereien, Kinderpornografie, Drogenhandel. Auch eine andere Version passt in die Logik der Ermittlungsbehörden: Es hätte zwischen den Flüchtlingen aufgrund ihrer verschiedenen »ethnischen« Hintergründe Auseinandersetzungen gegeben.“ (20 Jahre nach Lübecker Brandanschlag: Die Vergangenheit ist nie vergangen | PRO ASYL). Die Ermittlungsbehörden gingen hier also genauso wie beim NSU vor. Die Opfer wurden zu Täter gemacht. Mitte 1997 musste der Libanese freigesprochen werden. Gegen die drei Deutschen wurden aber keine neue Ermittlungen angestellt.

    – Im Februar 1999 griffen in Guben elf jugendliche Neonazis drei Ausländer an. Der 28-jährige algerische Asylbewerber Farid Guendoul starb bei diesem Angriff. Der Haupttäter wurde letztendlich zu 2 Jahren Jugendstrafe verurteilt. (Hetzjagd in Guben – Wikipedia)

    Am 6. Dezember 1992 beschlossen CDU, CSU, FDP und SPD eine Änderung des Artikel 16 des Grundgesetzes, die am 1. Juli 1993 in Kraft trat. Danach können Asylsuchende ohne Anhörung zurückgewiesen werden, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat oder einem sicheren Herkunftsstaat einreisen. Da alle Nachbarländer Deutschlands als sichere Drittstaaten gelten, wurde es für Asylsuchende praktisch unmöglich gemacht, auf dem Landweg einzureisen. Durch das gleichzeitig in Kraft tretende Asylbewerberleistungsgesetz wurden Bargeldleistungen durch Sachleistungen ersetzt und Gesundheitsleistungen auf das Notwendigste reduziert.

    Danach sank die Zahl der Asylbewerber kontinuierlich bis auf 19.164 im Jahr 2007. Die Anerkennungsquote sank bis auf 0,8 Prozent im Jahr 2006, bewilligt wurden nur noch 251 Asylanträge. (Asyldebatte – Wikipedia)

    Der Schriftsteller Heribert Prantl sagte dazu, dass das Grundrecht nur noch als Attrappe stehen bleibe und die Gesetzesänderung letztlich bedeute: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht – aber nicht in Deutschland“. Der Asylkompromiss wälzte durch die Drittstaatenregelung die Probleme auf die Nachbarländer ab.

    Die CDU hielt das Thema Ausländerfeindlichkeit immer wieder am Köcheln. Anfang 1999 führte die CDU in Hessen vor der Landtagswahl eine Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft durch. Sie wurde dazu benutzt, um Stimmung gegen Migranten zu machen. Historisch geworden ist der Satz: „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben“. (Populismus: Die bellen doch nur | ZEIT ONLINE) Die CDU gewann die Wahl. Der CDU-Nachwuchspolitiker Roland Koch wurde auf der Welle der Ausländerfeindlichkeit auf den Sessel des Ministerpräsidenten gespült. Er gab den rassistischen Einpeitscher. Nach dem Überfall zweier Jugendlicher auf einen Rentner in einer Münchener U-Bahn-Station räsonierte Roland Koch: Wir haben zu viele kriminelle Ausländer“. Er empfahl die Abkehr von einer Integrationspolitik in „multi-kultureller Verblendung“. Man habe zu lange ein seltsames soziologisches Verständnis für Gruppen aufgebracht, die bewusst als ethnische Minderheiten Gewalt ausübten, sagte Koch. (Nach Rentner-Überfall : Koch will kriminelle Ausländer loswerden – Nachrichten Politik – DIE WELT)

    Wie alle skrupellose Politiker hatte auch Koch seine Skandale: U.a. wurden illegale Parteispenden als Vermächtnis verstorbener Juden ausgegeben und ein Kreditvertrag zur Rechtfertigung von Geldflüssen zurückdatiert, was er aber auf einer Pressekonferenz im Jahr 2000 trotz mehrmaligen Nachfragens verschwieg. Das alles hat ihm aber nicht geschadet. Er wurde zweimal wieder gewählt und 2010 Ehrenvorsitzender der CDU Hessen. 2011 wechselte er zum Baukonzern Bilfinger Berger, zuerst als Vorstandsmitglied und dann als Vorstandsvorsitzender. In der Regierungszeit von Koch hatte Bilfinger den Zuschlag für den Bau von Teilen der umstrittenen Landebahn Nordwest und anderer Einrichtungen am Frankfurter Flughafen erhalten. Ein Auftrag im Wert von rund 80 Millionen Euro. Im Jahr 2012 hat Roland Koch 1,5 Millionen Euro bei Bilfinger verdient (Roland Koch – Wikipedia). Das verstehen Politiker dieses Schlages unter dem Schlagwort Dem Volke dienen. Statt Millionen für die werktätige Bevölkerung, Millionen für die eigene Tasche.

    Die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime wird von vielen Deutschen gewaltig überschätzt. Manche schätzen den Anteil mit 20 % ein. Zu der falschen Einschätzung beigetragen hat die im Februar 2013 gegründete Alternative für Deutschland (AfD) und die PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), die seit dem 20. Oktober 2014 Kundgebungen und Demonstrationen in Dresden gegen die Asyl- und Einwanderungspolitik Deutschlands und Europas und gegen eine angebliche Islamisierung durchführt. Die Teilnehmerzahl schwankte zwischen anfangs 350 und 25.000 am 12.01.2015 (von der Polizei festgestellt). Lt. dem Wissenschaftszentrum Berlin waren es 17.000 Teilnehmer. (Pegida – Wikipedia)

    Tatsache ist: „In Deutschland lebten am 31. Dezember 2015 zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime. Bei einer Einwohnerzahl von insgesamt 82,2 Millionen Personen in Deutschland ergibt sich, dass der Anteil der Muslime zwischen 5,4 Prozent und 5,7 Prozent liegt.“ (Zahl der Muslime in Deutschland – Wie viel Millionen sind es wirklich? (Archiv)

    Im Jahr 2014 waren weltweit knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Von dieser gewaltigen Zahl stellten nur 173.072 Menschen einen Asylantrag in Deutschland. (bundesamt-in-zahlen-2014.pdf)

    Im Jahr 2015 stieg die Anzahl der Asylbewerber in Europa sprunghaft an. „Im Jahr 2015 beantragten 1.322.825 Menschen in den Ländern der Europäischen Union Asyl, 2016 waren es 1.259.955.“ (Flüchtlingskrise in Europa ab 2015 – Wikipedia) Herkunftsländer waren vor allem das Bürgerkriegsland Syrien, dann die Westbalkanstaaten, Afghanistan, Pakistan, Eritrea, Nigeria, Somalia, Marokko, Algerien, Tunesien und Bangladesch. Die Menschen flüchteten vor Bürgerkrieg, vor politischer, ethnischer und religiöser Verfolgung, vor Hunger und Arbeits- und Perspektivlosigkeit. In Deutschland stellten 476.649 Menschen in 2015 und 745.545 Menschen in 2016 Asylanträge. (Zahlen zu Asyl in Deutschland | bpb)

    Die geringschätzig als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichneten Leute werden produziert durch die Politik der EU. Durch die Freihandelsabkommen EPA (Economic Partnership Agreements = Wirtschaftspartnerschaftsabkommen) mit afrikanischen Ländern werden diese in Müllhalden für europäische Waren verwandelt. Die einheimischen Anbieter können mit den von der europäischen Landwirtschaftsindustrie hergestellten, mit EU-Geldern hoch subventionierten Produkten nicht mithalten und gehen kaputt. Als afrikanische Länder dieses Abkommen nicht unterschreiben wollten, wurden ihnen mit Strafzöllen gedroht. Also haben sie unterschrieben. Diese Freihandelsabkommen nützen nur den europäischen Konzernen und einheimischen Eliten. Für die anderen verschärft sich die Armut und die Bereitschaft zur Flucht. (Europa erpresst Afrika mit einem rücksichtslosen Freihandelsabkommen! – netzfrauen– netzfrauen) (EU-Importe torpedieren Afrikas Wirtschaft – Wirtschaft – Süddeutsche.de)

    Im August 2015 rang sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem: „Wir schaffen das!“ durch. Sie meinte damit die Bewältigung der sog. Flüchtlingskrise.

    Die Flüchtlinge wurden vielerorts willkommen geheißen. Manche Behörden waren aber nicht bereit, nicht willens und auch nicht in der Lage, zu schaffen, was Frau Merkel versprochen hatte. Die Zustände vor dem Berliner LaGeSo gingen durch die Presse. Die Flüchtlinge standen stundenlang vor der Behörde schutzlos Hitze, Kälte und Regen ausgeliefert, nur um ihren Antrag stellen zu können. Die meisten standen viele Male an, weil das Personal fehlte, weil PC’s aufgrund unterschiedlicher Programme nicht miteinander kommunizierten, weil die handgeschriebenen Unterlagen in irgendwelchen Kartons verschwanden, weil viel zu viele Flüchtlinge auf einmal bestellt wurden usw. Es waren chaotische, unorganisierte und unstrukturierte Zustände. Der Behördenchef, ein Mitarbeiter und der Chef eines Sicherheitsdienstes standen im Verdacht der Bestechlichkeit. (Lageso-Mitarbeiter berichten von Arbeitsalltag – „Das Chaos gibt es wirklich“ | rbb|24 – Nachrichten aus Berlin und Brandenburg) Der Berliner Sozialsenator Mario Czaja war entweder unfähig oder er wollte dieses Chaos nicht beseitigen. „Anfang Dezember 2015 erstatteten über 40 Anwälte Anzeige gegen Czaja und den Lageso-Präsidenten Allert wegen Körperverletzung und Nötigung (von Flüchtlingen, d. Verf.) im Amt. Alle Verfahren wurden eingestellt.“ (Mario Czaja – Wikipedia) Dazu erklärte Rechtsanwältin Christina Clemm aus dem Vorstand des Republikanischen Anwältevereins: „In keinem anderen Bundesland versagen Politik und Verwaltung so systematisch wie hier“. Verletzungen und Erkrankungen, Hunger und Obdachlosigkeit von Flüchtlingen seien in Berlin der Regelfall. (Vorwurf Körperverletzung und Nötigung im Amt: Anwälte erstatten Anzeige gegen Czaja und Allert – Kritik am Lageso | Berliner Zeitung)

    Hätten sich nicht diverse Flüchtlingsinitiativen wie z.B. Moabit hilft aufopferungsvoll um die Flüchtlinge gekümmert, die Lage wäre noch viel chaotischer gewesen und sie wäre wahrscheinlich noch viel häufiger eskaliert.

    Im Jahr 2015 explodierte auch die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Die Zeit hat für den Zeitraum 1.1.2015 bis 3.12.2015 222 schwerere Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte errechnet. Angela Merkels markige Worte in der Generaldebatte am 9.9.2015: „Dagegen werden wir mit der ganzen Härte des Rechtsstaats vorgehen. Auch im Internet.“ (Generaldebatte im Bundestag: Angela Merkel: „Wir müssen jetzt einfach anpacken“ – Politik – Tagesspiegel)

    Die Wirklichkeit sah mal wieder völlig anders aus. Nur in 41 Fällen wurden Tatverdächtige ermittelt, in 8 Fällen Anklage erhoben und nur in 4 Fällen wurden Urteile ausgesprochen. (Brandanschläge auf Flüchtlingsheime: Es brennt in Deutschland | ZEIT ONLINE)

    Thomas Wüppesahl von den Kritischen Polizisten sagte zu der geringen Aufklärungsquote schlicht und einfach: „Man will nicht!“ (FRN: Warum verläuft die Aufklärung bei Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte so schleppend?)

    Fazit: Wie sich die Deutschen gegenüber Ausländern verhalten, ist äußerst abhängig von der Haltung des Staates und seiner Parteien. Braucht die Wirtschaft ausländische Arbeitskräfte, dann bemüht sich der Staat auch um die Integration. Und sie gelingt auch, wenn der Staat dementsprechende Mittel und Werkzeuge bereit stellt. Das beste Beispiel ist die Einwanderungspolitik der preußischen Könige. Die Integration gelingt nicht, wenn der Staat sie nicht will. Eine die Realität negierende Verweigerungshaltung und das Schüren von Ängsten gegen Ausländer ist immer wieder auf das alte Prinzip Teile und Herrsche zurückzuführen. Finde einen Sündenbock, den du verantwortlich machen kannst für all das Unrecht, das du im Kapitalismus erleidest, und der Hass wird sich nicht gegen dich als Verursacher richten, sondern gegen den jeweiligen Sündenbock. Und du kannst daneben stehen, dir die Hände in Unschuld waschen und genüsslich zusehen, wie sich die anderen gegenseitig die Köpfe einschlagen.

    • Die CSU und der Anti-Islam

    2016 entdeckte auch die CSU die Bedeutung der anti-islamischen Propaganda für sich. Im Leitantrag zum Parteitag im November 2016 wird festgestellt: „Der Politische Islam ist die größte Herausforderung unserer Zeit. In den letzten Jahrzehnten hat keine andere ideologische Bewegung weltweit so viel Gewalt, Zerstörung und Destabilisierung hervorgebracht wie der Politische Islam. Terrorismus, Bürgerkriege, zerfallende Staaten und kulturelle Konflikte gehören zu seiner schrecklichen Bilanz.“

    Hier wird nach altem Muster die Wirkung in den Vordergrund gestellt und damit die Ursache für die katastrophalen Vorgänge im Nahen Osten verschleiert. Jedes Ding hat seine Geschichte. Und ohne diese Geschichte zu untersuchen, wird man immer zu falschen Schlüssen kommen:

    „Bis zum Ersten Weltkrieg existierten weder das heutige Syrien noch seine Nachbarstaaten als unabhängige Staaten, sondern waren Teil des Osmanischen Reichs.“ (Grenzen auf dem Reißbrett – Der Erste Weltkrieg und seine Folgen im Nahen Osten | Lebenshaus Schwäbische Alb) Das Osmanische Reich trat auf Seiten der Mittelmächte (Deutschland + Österreich-Ungarn) in den Weltkrieg I ein und verlor. Von arabischen Kämpfern unterstütze britische Truppen nahmen erst Bagdad, dann Jerusalem und 1918 auch Damaskus ein. Der Hohe Kommissar Großbritanniens in Ägypten, Henry MacMahon, hatte 1915 dem Großscherifen von Mekka, Hussein Bin Ali, zugesagt, nach dem Sieg im Krieg gegen das Osmanische Reich ein arabisches Königreich von Palästina bis an den Persischen Golf errichten zu dürfen. Die Briten einigten sich 1916 aber mit den Franzosen im Sykes-Picot-Abkommen über die Aufteilung der Region. Darin war keine Rede von einem arabischen Königreich. Die Briten hatten die arabischen Kämpfer verraten und verkauft und nahmen ihnen die Früchte des Sieges weg. Im April 1920 schlugen sich Frankreich und Großbritannien selbst die Gebiete in Form von Mandaten zu: Libanon und Syrien fiel an Frankreich, der Irak, Palästina und Transjordanien an Großbritannien.

    In der Balfour-Deklaration vom November 1917 erklärte sich Großbritannien einverstanden mit dem Ziel des Zionismus, in Palästina eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk zu errichten. Es versprach sich die Unterstützung der zionistischen Organisationen im Krieg gegen die Mittelmächte. Und ein Palästina unter britischer Herrschaft war eine ideale Landbrücke zu den britischen Einflusszonen im Mittleren Osten und der wichtigsten britischen Kolonie, Indien. Der stärkste Widerstand gegen die Deklaration kam von dem jüdischen Mitglied des britischen Kabinetts Edwin Samuel Montagu. Er erkannte visionär die Folgen dieser Deklaration. Großbritannien aber agierte in imperialer Arroganz über die Köpfe der ansässigen arabischen Bevölkerung hinweg. Deshalb ist die Balfour-Deklaration für die Araber Verrat und sie ist die Gründungsurkunde des Nahost-Konflikts.

    Im Juli 1956 verstaatlichte der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser den auf ägyptischem Territorium liegenden Sueskanal. Die Aktienbesitzer der mehrheitlich in britisch-französischen Händen gelegenen Sues-Gesellschaft wurden finanziell entschädigt. Das genügte Briten und Franzosen aber nicht. Sie fürchteten um ihre guten Einnahmen aus der viel befahrenen Wasserstraße und um den Zugang zum Öl. Imperialisten fackeln nicht lange. Unterstützt von Israel griffen sie ab dem 29. Oktober 1956 Ägypten an. Port Said wurde dabei durch ein Feuer fast völlig zerstört. Auf Druck der USA und der Sowjetunion mussten sich die Invasoren aber wieder zurückziehen.

    Spätestens ab dem Weltkrieg II wurde der Nahe Osten zum Schauplatz der Rivalität zwischen den USA, Großbritannien und der Sowjetunion. Es ging ums Öl. Öl war und ist keine normale Handelsware, sondern ein strategisch wichtiger Rohstoff von entscheidender (auch kriegsentscheidender) Bedeutung. Die britischen Ölinteressen wurden im Irak und Iran durch die Anglo Iranian Oil Company, eine Tochter der BP (British Petroleum Company) wahrgenommen. Die amerikanische Ölgesellschaft Aramco sicherte sich in Saudi-Arabien eine monopolartige Stellung. Die Kontrolle über das Öl im Nahen Osten wurde zum amerikanischen Nationalinteresse. Als in Persien 1951 der damalige Regierungschef Muhammed Mossadegh die Ölquellen und die Ölproduktion in seinem Land verstaatlichte, löste das in den westlichen imperialistischen Staaten Großalarm aus. Die amerikanische CIA inszenierte einen Putsch gegen Mossadegh, der ihn stürzte und einen gewissen Reza Pahlavi, den Schah von Persien, an die Macht brachte.

    Die zur ersten Weltmacht aufgestiegene USA mischte sich immer weiter in unverschämter Weise in die inneren Angelegenheiten der arabischen Länder ein, auch mit Krieg.

    Nach der Annektion von Kuwait durch die irakische Armee sahen die USA ihre Ölversorgung und damit ihr nationales Sicherheitsinteresse bedroht. Die USA schmiedete ein Militärbündnis mit 34 Staaten gegen den Irak. Nach einem verheerenden Luftschlag begannen die Amerikaner und ihre Verbündete am 24. Februar 1991 eine Bodenoffensive in Kuwait. Schon am 26. Februar zogen sich die irakischen Truppen aus Kuwait zurück. „Sie steckten die Ölquellen in Brand und öffneten die Sperrriegel an den Ölterminals, so dass sich riesige Mengen Öl in den persischen Golf ergossen und eine Umweltkatastrophe auslösten.“ (Zweiter Golfkrieg – Wikipedia) Die Truppen zogen sich auf der Hauptverbindungsstraße Irak-Kuwait, zusammen mit vielen Flüchtlingen, zurück. Die Straße wurde als Highway of Death bekannt, weil sie von den Amerikanern und ihren Verbündeten stundenlang bombardiert wurde. Das sind nur zwei der vielen Verbrechen, die von beiden Seiten im Laufe des Krieges verübt wurden. Von Soldaten, Menschen, die von ihrer jeweils herrschenden Klasse gedrillt und manipuliert und mit jeweils anderen Feindbilder gefüttert werden.

    1991 gingen die USA noch nicht so weit, den Präsidenten des Irak Saddam Hussein zu stürzen. Auch Hussein hatte Anfang der 70er-Jahre die Erdölindustrie verstaatlicht, genau wie der Iran. Das war so lange nicht das Problem wie der Irak weiter normalen Handel mit dem Erdöl trieb. Immerhin verfügt der Irak nach Saudi Arabien über die zweitgrößten Erdölvorkommen der Welt.

    Dass Hussein den Iran mit Giftgas angegriffen hatte, war auch nicht das Problem. Denn dabei wurde er von den USA unterstützt. Dann beging aber Saddam Hussein aus amerikanischer Sicht einen entscheidenden Fehler. Er sprach sich dafür aus, das Öl nicht mehr in Dollars abzurechnen, sondern in EURO. Damit wurden die USA in ihren Grundfesten angegriffen. Seit 1975 hatte die USA mithilfe von Deals mit den OPEC-Staaten den Dollar als Leitwährung für das Öl durchgesetzt. Das funktioniert so: Alle Abnehmer des Öls müssen ihre Währung in Dollars umtauschen. Es findet auf diese Weise ein immerwährender Fluss von Devisen in die USA statt. Der einzige Beitrag, den die Amerikaner dabei leisten: sie müssen die Druckmaschinen anwerfen. Die Erdölförderländer als Empfänger der Dollars bringen den größten Teil davon aufgrund fehlender anderweitiger Verwendungsmöglichkeiten in die USA zurück in Form von Anlagen jeglicher Art und verschaffen somit der US-Wirtschaft neuen Schwung. Mit diesem System haben die USA lange Zeit auf Kosten anderer Länder gelebt und nicht umgekehrt, wie Donald Trump behauptet. D.h. eine Abrechnung des Öls in einer anderen Währung wäre ein schwerer Schlag für die Wirtschaft der USA. Das musste unter allen Umständen verhindert werden. Und es mussten Nachahmer verhindert werden.

    Fossile Rohstoffe sind die Grundlage unserer Industriezivilisation. Wer sie kontrolliert, beherrscht die Welt. Das bedeutet aber nicht unbedingt jede Ölquelle besitzen zu müssen, sondern die Kontrolle darüber, in welcher Währung die Welt für wichtige Rohstoffe bezahlt. (Meinung – Der Petrodollar – oder warum die USA endlose, teure Kriege führen können und müssen)

    Die Mitglieder der reaktionären Denkfabrik Project for the New American Century (PNAC) forderten seit 1996 den Sturz Husseins als Schritt zur Neuordnung des Nahen Ostens. Da bot sich nach dem Angriff auf das World Trade Center am 11. September 2001 eine gute Gelegenheit. Obwohl er keine Verbindungen zu den Angreifern hatte, wurde ihm genau das vorgeworfen. Und dem Irak wurde unterstellt, dass er Waffenvernichtungswaffen besitzen würde. Inspektoren der UNO hatten aber bis Dezember 1998 90 % der Massenvernichtungswaffen im Irak zerstört. Diese offensichtlichen Lügen heizten wie die Brutkastenlüge im 1. Irakkrieg (Brutkastenlüge – Wikipedia) die öffentliche Stimmung in den USA an. Es gelingt den Herrschenden doch immer wieder mithilfe von Lügen, die öffentliche Meinung in ihre Richtung zu drehen. (Das ist aber beileibe nicht nur in den USA so: Der Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping hatte 1999 behauptet, die Serben würden im Kosovo Konzentrationslagern und Massenexekutionen betreiben und sie würden einen Plan mit dem Ziel der ethnischen Säuberung verfolgen. Alles war gelogen mit dem Zweck, Deutschland am Kosovo-Krieg zu beteiligen).

    „Am 17. März 2003 stellte US-Präsident Bush Saddam Hussein ein Ultimatum, den Irak innerhalb von 48 Stunden zu verlassen, andernfalls würde man den Irak angreifen. Auf Husseins Weigerung hin eröffnete die Kriegskoalition in der Nacht vom 19. zum 20. März den als Operation Iraqi Freedom bezeichneten Krieg mit gezielten Bombardements in Bagdad.“ (Irakkrieg – Wikipedia)

    Nach dem Ende des Krieges blieben zurück um die 30.000 getötete irakische Soldaten, auf der Seite der Koalition der Willigen (USA und Großbritannien) waren es 4.804 Soldaten, 115.000 – 600.000 tote irakische Zivilisten, eine gesteigerte Anzahl von Missbildungen durch verwendete Uranmunition; durch US-amerikanische Geheimdienstmitarbeiter, Soldaten und Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen gefolterte und gedemütigte irakische Gefangene, Zerstörung und Diebstahl von unschätzbaren Kulturgütern und ein lodernder Hass auf den Westen.

    Der Krieg war auch eine Demonstration der Macht und Stärke der USA für alle, die sich den nationalen Sicherheitsinteressen der USA widersetzten: Seht her, wir können mit unserer technisch hochgerüsteten Armee in kurzer Zeit ein großes Land mit einer starken Armee überrennen und ins Chaos stürzen. Nehmt Euch in acht! (siehe auch: Irakkrieg: Massenvernichtungswaffen oder Erdöl ?)

    Was die CSU heute dem Politischen Islam zuschreibt, nämlich Gewalt, Zerstörung und Destabilisierung haben über lange Zeit die imperialistischen Westmächte gemacht. Und sie haben die gewachsene Gesellschaftsordnung und die eigenständige Kultur der Araber, der Perser und auch der Kurden bei dem Drang der imperialistischen Länder zum Öl überhaupt nicht beachtet und ihre Bemühungen um eine arabische Einheit gezielt verhindert. Das alles hat den Politischen Islam erst hervorgerufen. Hier liegen die Wurzeln für die heutigen Konflikte.

    Immer wieder reißt die CSU neue Gräben zwischen Deutschen und Ausländern auf. Das geht von der Islam-Feindschaft über die Akzeptanz und sogar Übernahme der deutschen Leitkultur (zur Leitkultur: Einige Gedanken zum Programm der AfD – NORBERTs GESCHICHTEN ÜBER GESCHICHTE), der Bevorzugung christlich-abendländischer Flüchtlinge, der Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, der Flüchtlingsobergrenze, einem Kopftuchverbot bis zu dem absurden Vorschlag, dass Ausländer zu Hause deutsch sprechen sollten.

    Weiter oben wurde beschrieben, dass der Staat nur sehr zögerlich bis gar nicht gegen Neonazis vorgeht. Die Bundesregierung wurde sogar von der EU ermahnt, entschlossener gegen die nationalistischen und ausländerfeindlichen Strömungen vorzugehen. Was aber soll man erwarten von bürgerlichen Parteien, die die Ausländerfeindlichkeit selbst angefacht haben und immer noch weiter schüren?

    • Kontinuität der Ziele und Aufgaben von Institutionen im Westen Deutschlands
    •    Staatsbürgerliche Vereinigung (SV)

    Aufgrund der Tatsache, dass sich am Wirtschaftssystem nichts verändert hatte, war es auch nur folgerichtig, dass die neu gegründeten Institutionen das Ziel hatten, den Kapitalismus und dessen Staat zu erhalten und zu stabilisieren.

    So diente die 1953 gegründete Staatsbürgerliche Vereinigung bis zur Flick-Affäre in den 80er Jahren dazu, Spenden der Konzerne (derselben Konzerne, die vorher die Nazis so großzügig mit Spenden bedacht hatten) diskret und steuerbegünstigt in erster Linie an die reaktionären Parteien in der neuen Republik CDU und CSU, aber auch an die damals mehrheitlich rechtsnational gesinnte FDP und an den in Teilen rechtsextremen Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) weiter zu leiten. Es geschah eben ein bisschen unauffälliger, bis die Flick-Affäre die Spendenpraxis an das Licht der Öffentlichkeit brachte.

    Vorsitzender der SV wurde das ehemalige Mitglied der NSDAP Gustav Stein, der auch gleichzeitig stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) war. Stein war eng mit Adenauers Staatsekretär Hans Globke, dem Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, befreundet.

    Als es dem ehemaligen Zwangsarbeiter der I.G. Farben in Auschwitz Norbert Wollheim 1957 gelang, einen gerichtlichen Vergleich für die Zahlung von Schmerzensgeld zu erkämpfen, brach in der deutschen Industrie ein Sturm der Entrüstung los. Die Welt berichtete am 21.11.2010: „Gustav Stein, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), schreibt 1956 ans Kanzleramt, er befürchte, „daß ein gefährliches Präjudiz für die gesamte deutsche Wirtschaft geschaffen wird … an erster Stelle kommt wohl Krupp in Frage“. (Beitz' harter Kampf um Entschädigung für Nazi-Greuel: Zwangsarbeit bei Krupp – WELT)

    Bis zur Auflösung der SV im Jahre 1990 sollen Spenden in Höhe von 214 Millionen DM von ihr gewaschen worden sein. Es ist anzunehmen, dass von der SV die schwarzen Kassen der CDU gespeist wurden, an deren noble Geldgeber sich Bundeskanzler Helmut Kohl nicht mehr erinnern wollte. 1985 wurde der inzwischen zum Bundeskanzler avancierte ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl vor dem Mainzer Spenden-Untersuchungsausschuss befragt: „Das ist die Frage … ob Sie, Herr Bundeskanzler … wussten, dass diese Staatsbürgerliche Vereinigung als Geld- und Spendenbeschaffungsanlage diente.“ Zeuge Dr. Kohl: „Nein“. Dreimal wird ihm diese Frage gestellt. Und dreimal antwortet er dem Ausschuss mit: „Nein“. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sagte dazu am 19.02.1986: „Möglicherweise hat er einen Blackout gehabt, das kann in einer sehr langen Anhörung ja mal der Fall sein.“ (Diskussion:Heiner Geißler – Wikiquote). Ein Witz machte die Runde: Blackout in und black out.

    Nachdem 1998 Kohl den Kanzlersitz an SPD-Schröder abgeben musste, verschwanden Schriftstücke und elektronische Daten aus dem Kanzleramt. Es wurden bewusst und koordiniert Daten von den Festplatten gelöscht, die wahrscheinlich auch mit der Spendenaffäre in Zusammenhang standen.

    Nachdem Hessens Ministerpräsident Roland Koch mehrmals abgestritten hatte, dass die hessische CDU über schwarze Kassen verfügt, funktionierte er das Schwarzgeld zum Darlehen um. Sein Schatzmeister, der Prinz Casimir Wittgenstein im Verein mit dem Steuerberater Horst Weyrauch hatte eine noch bessere Idee: Sie erfanden Tote, die fingierte Vermächtnisse hinterlassen hatten. Als der Schwindel aufzufliegen drohte, dichteten die Geldwäscher der hessischen CDU die fiktiven toten Spender in fiktive jüdische Tote um.

    •    Der Bundesnachrichtendienst (BND)

    Der BND entstand aus der Organisation Gehlen. Reinhard Gehlen, Generalmajor der Wehrmacht und Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) des deutschen Generalstabs, und einige seiner Männer ließen mal eben 50 Stahlkisten mit dem Archiv der FHO Anfang 1945 aus dem Hauptquartier des Heeresgeneralstabs mitgehen, die sie in Bayern vergruben. Gehlen ging berechtigterweise davon aus, dass der größte Feind des Kapitalismus der Kommunismus ist und dass Männer mit seinen Kenntnissen und seiner Datensammlung im Kapitalismus, egal von welchem Staat, immer gebraucht werden. Und so war es auch. Die Amerikaner erkannten schon bald den Nutzen von Gehlen und seinem Archiv mit den systematischen und exakt dokumentierten Details. Diese Details stammten zum großen Teil aus Verhören mit sowjetischen Kriegsgefangenen, die höchstwahrscheinlich mit Hilfe von Folter erpresst wurden. Auch das wurde noch nie untersucht.

    So wurde schon im Juni 1946 in der amerikanischen Besatzungszone der zunächst namenlose, im Sprachgebrauch als Organisation Gehlen bezeichnete Geheimdienst eingerichtet, aus dem dann 1956 der BND hervorging. Nach Angaben des Historikers Gerhard Sälter in der Fernseh-dokumentation Nazis im BND – Neuer Dienst und Alte Kameraden waren in der Organisation ca. 500 Altnazis beschäftigt, vom kleinen SA- und SS-Schergen bis hin zum Massenmörder. (Nazis im BND // Neuer Dienst und alte Kameraden // ARD [HD] – YouTube)

    Im Spiegel 13/2006 steht dazu unter der Überschrift „Schweinehunde willkommen“: „Wir wussten, was wir taten“, sagte der CIA-Russland-Experte Harry Rositzke. „Es war unbedingt notwendig, dass wir jeden Schweinehund verwendeten. Hauptsache, er war Antikommunist.“ (DER SPIEGEL 13/2006 – Schweinehunde willkommen)

    Hier einige ausgesuchte Exemplare:

    • Der Schlächter von Lyon Klaus Barbie, ehemaliger Gestapo-Chef von Lyon, verantwortlich für Massaker, Erschießungen, Folter und Deportationen unter dem Vorzeichen besonderer Grausamkeit. Er wurde 1947 Agent des amerikanischen Geheimdienstes CIC, emigrierte 1951 unter dem Namen Klaus Altmann mit amerikanischer Hilfe auf der sog. Rattenlinie nach Bolivien, wurde dort Ausbilder und Berater der Sicherheitskräfte von reaktionären Regierungen und 1966 als Informant für den BND angeworben.


    • Willi, der Kommunistenfresser, Wilhelm Krichbaum, ehemaliger Leiter der Geheimen Feldpolizei, die an der Ostfront Zehntausende als Partisanen Verdächtigte folterte oder gleich umbrachte, avancierte im BND zum Personalchef.


    • Der Tiger von Como Johannes Clemens zählte zu jenem Kommando, das 1944 in den Adreatinischen Höhlen bei Rom 335 Zivilisten erschoss. Ab 1951 war er bei der Organisation Gehlen, vorher aber schon von der KGB als Doppelagent angeworben worden.


    • Franz Rademacher, ehemaliger Leiter des Judenreferats des Auswärtigen Amtes, war maßgeblich am Entwurf des Madagaskarplanes beteiligt, der die Deportation aller im Deutschen Reich lebenden Juden vorsah, floh nach Syrien und wurde dort 1962 für den deutschen Auslandsnachrichtendienst angeworben.


    • Walther Rauff, koordinierte den Einsatz der mobilen Gaswagen zur Judenvernichtung vor Ort, floh zuerst nach Syrien und dann über die Rattenlinie nach Ecuador, anschließend nach Chile, wurde 1958 unter Zahlung einer monatlichen Pauschale von 2000 DM für den BND angeworben.


    • Konrad Fiebig, ehemaliger Offizier im Einsatzkommando 9 der Einsatzgruppe B, angeklagt wegen der Ermordung von 11 000 Juden in Weißrussland, kam bei der Organisation Gehlen unter.


    • Alois Brunner, ein ungeheuer eifriger Judenverfolger und -verschlepper in vielen Teilen Europas, floh mit Gehlens Hilfe nach Syrien, wurde dort Berater für Judenfragen beim syrischen Geheimdienst Muhabarat, als Dr. Georg Fischer im Auftrag der Organisation Gehlen Geheimdienstexperte in dieser Region des Nahen Ostens unterwegs, nach dem Journalisten der Zeitung Krone Kurt Seinitz der widerwärtigste Mensch, der ihm je untergekommen sei. (Freihofners Fußnoten)


    • Dr. Emil Augsburg, gehörte dem Vorkommando Moskau der Einsatzgruppe B an, das im Rahmen der Gegnerbekämpfung Morde an Juden, Partisanen und kommunistischen Funktionären verübte, wegen außerordentlicher Ergebnisse in diesem Einsatz belobigt, beobachtete als Spezialist für sowjetische Angelegenheiten ab Ende 1947 für die Organisation Gehlen Emigrantenorganisationen, u. a. Aktivitäten der Organisation Ukrainischer Nationalisten.

    Siehe auch: (DER SPIEGEL 7/2011 – Braune Wurzeln)

    Nach der 1961 erfolgten Verhaftung des Doppelagenten Heinz Felfe, einem ehemaligen SS-Obersturmführer, kam es zu einer internen Untersuchung über die Belastung ehemaliger SS-Angehöriger durch ihre Tatbeteiligung an SS-Verbrechen, aber nicht um brutalstmöglich aufzuklären, sondern um vor weiteren unliebsamen Überraschungen sicher zu sein. Die 2006 von BND-Präsident Ernst Uhrlau angekündigte Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit des Dienstes wurde über Jahre nicht in Angriff genommen.

    Dafür vernichtete der BND 2007 vorsichtshalber zahlreiche Dokumente, die nach Einschätzung von Experten von großer historischer Bedeutung waren. Insgesamt 250 Personalakten mit Bezug zur NS-Zeit sollen dem Reißwolf übergeben worden sein.

    Bei Wikipedia sind unter dem Stichwort BND bis dato 11 sog. Affären aufgelistet. (Bundesnachrichtendienst – Wikipedia) Wenn man diesen Abschnitt des angepassten Sprachgebrauchs entkleidet, der Wikipedia in großem Maß zu eigen ist, und die richtigen Schlüsse zieht, kommt folgendes heraus:

    – Der BND hat Journalisten überwacht, die Bücher oder Artikel über den BND geschrieben haben. Dazu verwendete der BND teilweise kein eigenes Personal, sondern benutzte Kollegen der Journalisten, um an Informationen heranzukommen. Auch das ist nicht neu. Und heuchlerisch, wenn man gleichzeitig mit dem Finger auf die Stasi zeigt.

    – Im Irak-Krieg haben BND-Mitarbeiter Ziele ausspioniert und diese Informationen an das US-Militär weitergegeben, obwohl die rotgrüne Schröder-Regierung sich offiziell nicht am Krieg beteiligte. Der US-General a. D. James Marks, der den Aufklärungsstab der Bodentruppen leitete, bezeichnete die Beiträge der Deutschen als extrem wichtig und wertvoll und als detailliert und zuverlässig. Und das haben die BND-Mitarbeiter bestimmt nicht aus eigenem Antrieb gemacht.

    – Der Unternehmer Kremer, der Radar- und Sonarsysteme herstellte, unterhielt geschäftliche Kontakte im mittleren Osten und sollte mit Vergünstigungen, auch finanzieller Art zu einer Zusammenarbeit bewegt werden. Kremer lehnte es ab, den Spitzel zu spielen. Danach hetzte der BND dem Unternehmer die Behörden auf den Hals. Nach Betriebsprüfungen durch das Gewerbeaufsichtsamt und dem Zoll wurde Kremer vorgeworfen, Rüstungsgüter ohne Genehmigung exportiert zu haben. Auch seine Geschäftspartner in Pakistan wurden vom Zoll vernommen. Er verlor den Auftrag und geriet in finanzielle Schwierigkeiten. So setzt der BND auch bürgerliche Existenzen aufs Spiel, wenn die nicht so wollen, wie der Dienst es will.

    – Nach Berichten des österreichischen Nachrichtenmagazins Profil vom 23.10.2010 hat der BND im Jahr 2002 für „mehrere 100.000 Euro“ eine Reise des Erzreaktionärs Jörg Haider in den Irak zu Saddam Hussein finanziert. Saddam Hussein hat übrigens im Gegenzug Millionen an Haiders Partei FPÖ gezahlt. So hat der BND mit dem Geld des deutschen Steuerzahlers für ein gutes Geschäftsklima zwischen den beiden Erzhalunken gesorgt. ( Profil online: Jörg Haiders Observation durch den BND)

    Ein blinder Fleck ist immer noch das Attentat auf dem Münchner Oktoberfest am 26. 9.1980. Durch eine Bombe wurden 13 Menschen regelrecht zerfetzt und 211 zum Teil schwer verwundet. Es war kurz vor der Bundestagswahl. Die Atom- und die Rüstungsindustrie hatten Franz Josef Strauß aufs Schild gehoben und wollten ihn zum Kanzler machen (siehe Abschnitt über Strauß). Er wollte in erprobter Manier das Attentat linken Terroristen in die Schuhe schieben, das Ganze der regierenden SPD/FDP-Koalition (Schmidt/Genscher) anlasten und sie somit zu Fall bringen. Es stellte sich aber ziemlich schnell heraus, dass der Attentäter selbst bei dem Anschlag ums Leben kam und als Neonazi Gundolf Köhler identifiziert wurde. Köhler wurde sofort danach als Einzeltäter präsentiert. Seine Mitgliedschaft in der Wehrsportgruppe Hofmann, deren Gefährlichkeit von Strauß vorher immer verharmlost wurde, spielte keine Rolle. Beweise wurden vernichtet. Seit Jahren kämpfen Opfer mit ihren Anwälten und auch der Journalist vom Bayrischen Rundfunk Ulrich Chaussy um vollständige Akteneinsicht in die Spurenakten des LKA und begaben sich selbst auf Spurensuche.

    Till Rüger, ebenfalls Journalist beim BR stieß bei seinen Recherchen beim Bundesnachrichtendienst auf brisante Akten, die er als erster Journalist einsehen konnte. Diese Unterlagen geben Hinweise darauf, dass Spuren vom Oktoberfestattentat zu internationalen Geheimdiensten und zur Operation GLADIO führen könnten.

    Zum Hintergrund: Nur wenige Wochen vor dem Attentat in München wurde in Italien einen Anschlag auf den Bahnhof in Bologna verübt. 85 Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt. Zunächst wurde der Verdacht in Bologna auf Linksterroristen gelenkt, später aber wurden Neofaschisten und Mitarbeiter des Geheimdienstes für die Tat verurteilt. Heute ist belegt, dass „GLADIO“ in das Bologna-Attentat verwickelt war.

    Unter dem Namen „GLADIO“ firmierte ein sogenanntes „Stay-Behind“-Netzwerk von NATO, CIA und anderen westlichen Geheimdiensten. Diese paramilitärische Geheimorganisation sollte mit Sabotageakten und Guerillaoperationen die Machtübernahme von Kommunisten in Europa verhindern. Ihre Einheiten waren ab den 50er Jahren bis Anfang der 90er Jahre fernab jeder demokratischer Kontrolle in Europa aktiv. (Kontrovers-Story: Oktoberfestattentat: War es wirklich ein Einzeltäter? | Kontrovers | Bayerisches Fernsehen | Fernsehen | BR.de)

    Opferanwälten wurde noch bis Anfang 2014 die Einsicht in wichtige Unterlagen des bayerischen Landeskriminalamts und des bayerischen Verfassungsschutzes verweigert.

    Der BND soll angeblich durch das Parlamentarische Kontrollgremium kontrolliert werden, das aber, sollte ihm ausnahmsweise die Wahrheit gesagt werden, diese noch nicht einmal nach außen tragen darf, weil es zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Und ein Mann vom Format von Edward Snowden ist hier in Deutschland nicht in Sicht.

    •   Bundeskriminalamt (BKA)

    Aufgebaut wurde das 1951 gegründete BKA unter der Leitung der Kriminalkommissare und ehemaligen SS-Angehörigen Paul Dickopf und Rolf Holle. Auch im BKA sammelten sich die alten Kameraden. Wikipedia führt dazu aus: „Nur zwei von 47 leitenden Beamten des BKA hatten keine NS-Vergangenheit, 33 waren ehemalige SS-Führer. Zu diesen SS-Führern zählte auch Theo Saevecke, der stellvertretender Leiter der Sicherungsgruppe wurde.“

    Und die alten Spezialisten konnten wieder genau das machen, was sie vorher auch gemacht hatten:Kurt Amend, Chef-Fahnder des Berliner Reichskriminalpolizeiamts (RKPA) und Ex-Mitglied im Sicherheitsdienst der SS, wurde Chef-Fahnder in Wiesbaden. Otto Martin, Biologe in der SS-Forschungsgemeinde Ahnenerbe, wurde Chef in der Biologischen Abteilung. Heinz Drescher, Chef der Personenfeststellungszentrale und der Fingerabdrucksammlung im RKPA wurde Chef des Erkennungsdienstes.“ (Bundeskriminalamt (Deutschland) – Wikipedia)

    Dass sich beim BKA nicht nur Altnazis breit machten, sondern auch neue, kann man an Martin Hohmann sehen. 1948 geboren war er von 1980 bis 1984 beim Bundeskriminalamt angestellt, zuletzt als Kriminaloberrat in der Abteilung Terrorismus. Da ihm aber dort der Wirkungskreis zu klein war, ging er in die Politik, und zwar zur CDU. 1999 reichte Hohmann zusammen mit anderen Bundestagsabgeordneten einen Antrag ein, in dem sie die Errichtung eines Holocaust-Denkmals ablehnten. Das Holocaust-Denkmal war für ihn ein Hinweis darauf, dass die Deutschen sich ihre Vergangenheit nicht verzeihen konnten. 2003 hielt Hohmann eine Rede zum Tag der deutschen Einheit, die zum Parteiausschluss führte. In dieser Rede führte er aus, dass man die Juden selber als Tätervolk bezeichnen kann und dass daher weder die Juden noch die Deutschen ein Tätervolk seien. Von der evangelikalen „idea-Redaktion“ wurde Hohmann zum Politiker des Jahres 2001 gekürt. Er wurde dafür ausgezeichnet, dass er sich nach dem Terror der Anschläge vom 11. September 2001 „gegen ein falsches Toleranzdenken und eine christlich-muslimische Verbrüderung“ gewandt hatte. (Martin Hohmann – Wikipedia)

    Wie aus diesen Beispielen ersichtlich, machten die staatlichen Sicherheitsdienste in der Bundesrepublik genau dasselbe, was sie im Faschismus gemacht hatten: Unterstützung der Reaktion und Bespitzelung von Andersdenkenden.

    •    Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)

    Das BfV wurde 1950 gegründet. Der Auftrag war und ist die Überwachung von Bestrebungen gegen die in diesem Staat geltende Grundordnung, also mit anderen Worten Überwachung aller Personen, die sich kritisch mit diesem Staat und seiner Grundordnung auseinandersetzen: Kommunisten, Antifaschisten, Linke aller Couleur und auch Nazis.

    Auch beim BfV gab es starke personelle Kontinuitäten. Bis zum Ende der alliierten Aufsicht 1955 waren viele ehemalige Mitarbeiter der Gestapo als inoffizielle Mitarbeiter beschäftigt, danach auch offiziell.

    Zeit online beschreibt die Arbeit des Verfassungsschutzes so:

    „… schon 1953 produzierte er seinen ersten Skandal, als er einem Ost-Überläufer aufsaß – wegen angeblicher Wirtschaftsspionage wurden mehr als 30 zu Unrecht Beschuldigte festgenommen. Seitdem lässt sich die Geschichte des Verfassungsschutzes auch als Skandalchronik erzählen: 1954 verschwand der Gründungspräsident des BfV, Otto John, in die DDR. 1963 enthüllte die ZEIT, dass der Dienst verfassungswidrig abgehört hatte; Ende der sechziger Jahre lieferte ein V-Mann des Berliner Dienstes Molotowcocktails an protestierende Studenten; 1978 sprengte der niedersächsische Dienst ein Loch in die Wand des Celler Gefängnisses, um eine RAF-Befreiungsaktion vorzutäuschen; 1985 lief der Chef der Spionageabwehr in die DDR über; und 1991 endete in Berlin nach 15 Jahren Obstruktion durch den dortigen Verfassungsschutz ein Prozess um den Mord an dem Terroristen und Spitzel Ulrich Schmücker mit der Erkenntnis, der Dienst habe an dem Verbrechen mitgewirkt.“ (Geheimdienst: Eine Chronik der Skandale | ZEIT ONLINE)

    Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 24.01.2012 unter der Überschrift: Mit dem Linken sehen sie besser: Auf der Überwachungsliste (des BfV, der Verfasser) standen jedenfalls viele Demokraten, die sich kritisch über die Regierung äußerten. Die Pazifistin Klara Marie Faßbinder etwa, die sich gegen die Aufrüstung unter Konrad Adenauer einsetzte. Sie wurde nicht nur observiert, sondern wegen angeblicher prokommunistischer Äußerungen 1953 von ihrem Amt als Geschichtsprofessorin suspendiert.

    In den sechziger Jahren bespitzelte der Verfassungsschutz auch einen Anwalt aus Essen, der KPD-Mitglieder verteidigte, die nach dem Verbot ihrer Partei in Haft gekommen waren. Gustav Heinemann hieß der Mann, 1969 wurde er deutscher Bundespräsident. Heinemanns Kollege Diether Posser, der später Justizminister in Nordrhein-Westfalen wurde, stand ebenfalls auf der Liste der potentiellen Landesfeinde. Anfang der achtziger Jahre beobachtete der Verfassungsschutz die gerade gegründete Partei Die Grünen. Besonders verdächtig erschien ihm der frühere RAF-Verteidiger Otto Schily – der später zur SPD wechselte und Innenminister einer rot-grünen Bundesregierung wurde.“ (Bundesamt für Verfassungsschutz – Mit dem Linken sehen sie besser – Politik – Süddeutsche.de)

    Es gibt ein Schlüsseldokument aus dem Jahr 2004, das als Verschlusssache eingestuft ist. Es trägt den Titel „Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten – Entwicklungen von 1997 bis 2004“.

    „Schlägt man das Papier heute auf, wird einem schwindelig. Neben anderen Fällen wird auf Seite 5 ein »Rohrbombenfund in Jena« von 1998 geschildert. Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten damals in einer Garage Sprengstoff gehortet; eine Festnahme scheiterte. Als die Broschüre verfasst wurde, sechs Jahre später, hatte das Trio längst den NSU gegründet und angefangen, Migranten zu erschießen, zuletzt im Februar 2004 den Dönerverkäufer Mehmet Turgut, das fünfte der zehn Mordopfer. An dem Eintrag verstört, wie er endet: nicht mit einer Frage oder einer Warnung. Sondern mit der lapidaren Feststellung, dass »das Ermittlungsverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung nach §170Abs2 StPO« eingestellt wurde.“ (Geheimdienst: Eine Chronik der Skandale | ZEIT ONLINE)

    Dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) werden in der Zeit zwischen Oktober 1999 und November 2011 10 Morde, 14 Bankeinbrüche und 3 Sprengstoffanschläge zugeschrieben.

    Nichts charakterisiert den Verfassungsschutz besser als die Vorgänge um den NSU. Im Zusammenhang mit der Mordserie des NSU wird seitens staatlicher Organe verheimlicht, gelogen, vertuscht und gemauert, was das Zeug hält. Und das ist auch nicht verwunderlich. Denn der BfV hatte 1999 betont, dass es keine Ansätze für eine braune RAF gebe, dass es der Szene an Planung, Logistik und vor allem einer zielbildenden Ideologie fehle und dass die Neonaziszene einen planmäßigen, auf Dauer angelegten Kampf zur Durchsetzung politischer Ziele nicht akzeptieren würde. (Die Zelle – Rechter Terror in Deutschland, S. 137 – Christian Fuchs, John Goetz).

    Oktober 2003 sind sich alle angeblichen Rechtsextremismus-Experten der Bund- Länder-Tagung einig, dass eine Gewalt bejahende Diskussion in der rechtsextremistischen Szene zur Zeit nicht stattfindet. Vielmehr lehnt sie – möglicherweise taktisch motiviert – terroristische Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele nahezu einhellig ab.(ebda. S.162). Und das, obwohl immer wieder in Publikationen des konspirativ organisierten Netzwerks Blood & Honour, dem die NSU nahe stand und in dem auch V-Leute des Verfassungsschutzes aktiv waren, gefordert wurde, den „Rassenkrieg“ vorzubereiten: man müsse geheime Strukturen schaffen und bereit sein, sein Leben zu opfern. („Blood & Honour“: NSU-Helfer in Sachsen — venceremos antifa dresden) Auch nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln im Juni 2004 ist sich der damalige Bundesinnenminister Otto Schily sicher, dass nichts auf einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminelles Milieu hindeutet. Zu diesem Zeitpunkt haben die Spurensicherer der Soko noch nicht einmal den Tatort verlassen. (Die Zelle, S.167/168).

    Die Ermittlungsarbeiten werden also ganz offen von den höchsten Stellen aus in die falsche Richtung gelenkt. Und das, obwohl sämtliche Geheimdienste ihre V-Leute rund um die NSU-Zelle verteilt hatten und genau wissen mussten, was dort passiert.

    Die Reaktion nach Auffliegen des NSU war nur konsequent. Die Frankfurter Rundschau berichtete, dass das von Hans-Peter Friedrich (CSU) geführte Bundesinnenministerium in weit größerem Umfang Akten zur NSU-Affäre vernichten ließ, als bisher bekannt war. Wie dessen Sprecher Jens Teschke am Freitag einräumte, habe sich die Vernichtung von Abhörprotokollen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bis zum Mai dieses Jahres hingezogen. (…)Bekannt war, dass mehrere Beamte im Bundesamt für Verfassungsschutz im November 2011 in zwei Schritten und auf eigene Faust Akten vernichtet haben. Dabei ging es um Informationen über die „Operation Rennsteig“. Sie hatte zum Ziel, V-Leute in der Neonazi-Gruppe Thüringer Heimatschutz zu platzieren, dem auch die mutmaßlichen NSU-Terroristen zeitweise angehörten. Der Vorgang führte zum freiwilligen Rückzug von Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm.

    Darüber hinaus, das wird seit Mittwochabend schrittweise öffentlich, wurden auf Geheiß des Ministeriums vom 14. November 2011 viermal Akten über Abhörmaßnahmen im rechtsextremistischen Bereich geschreddert, in deren Zentrum offenbar auch Personen standen, die mit dem NSU um Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu tun hatten – nämlich im November, im Dezember, im April und im Mai. (NSU-Akten: Friedrich ließ in Serie schreddern | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau)

    Im Anschluss eine kleine, nicht vollständige Übersicht über die Arbeitsweise der Verfassungsschutz- und auch anderer Behörden:

    • Thüringen

    Eine geplante Festnahme des Neonazi-Trios ist dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) zufolge Ende der 90er-Jahre in letzter Minute gestoppt worden. Fahnder hätten die drei Verdächtigen zwischen 1998 und 1999 in Chemnitz in Sachsen aufgespürt, berichtete der MDR Thüringen am Freitag. Das alarmierte Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamtes (LKA) habe einen Einsatzplan für die Festnahme gehabt, sei aber kurz vor dem Aufbruch nach Sachsen gestoppt worden. Laut MDR soll das LKA damals auch ihre Zielfahnder zurückgerufen haben.

    Nach MDR-Informationen hatten sich die beteiligten LKA-Beamten nach dem geplatzten Zugriff massiv beschwert. Daraufhin soll es ein Gespräch zwischen „hohen Vertretern des Innenministeriums“ und den Polizisten gegeben habe. (Zwickauer Terrorzelle: Neonazis sollten bereits 1999 verhaftet werden – Nazi-Terror – FOCUS Online – Nachrichten) Wir wüssten sehr viel mehr, wenn ein beteiligter Beamter berichten würde, wie dieses Gespräch abgelaufen ist. Aber das wäre wohl zu viel verlangt von einem deutschen Beamten.

    Der Thüringer Verfassungsschutz hat nach SPIEGEL-Informationen Ende der neunziger Jahre mindestens drei V-Leute im Umfeld der Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe geführt.

    Neben dem Kopf des Thüringer Heimatschutzes, Tino B. (Brandt, der Verfasser), Deckname Otto, gehörte zu den Informanten des Geheimdienstes auch der Chef der Thüringer Sektion der Organisation Blood & Honour. (NSU-Ermittlungen : Verfassungsschutz führte drei V-Leute im Umfeld des Terror-Trios – SPIEGEL ONLINE) Es handelt sich bei letzterem um Marcel Degner. Marcel D. war ein überzeugter Neofaschist. Er organisierte Konzerte von neofaschistischen Bands und klagte 2001 gegen das Verbot von Blood & Honour und der Jugendorganisation White Youth.

    V-Mann Tino Brandt bekam übrigens insgesamt 200.000 DM vom LfV Thüringen. Er brüstete sich damit, dass er die V-Mann-Gehälter in die rechte Szene zurückfließen ließ und für Aktionen verwendete. Gegen Brandt wurde seit 1994 35mal unter anderem wegen Volksverhetzung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Betrug und der Bildung krimineller Vereinigungen ermittelt. Die Mehrzahl der Verfahren wurde eingestellt. Achtmal wurde Brandt angeklagt, letztendlich jedoch nie verurteilt. (35 erfolglose Ermittlungsverfahren gegen früheren V-Mann | Thüringer Allgemeine)

    Ein weiterer V-Mann des Verfassungsschutzes im unmittelbaren Umfeld des NSU war Michael See (infolge Heirat benannte er sich in von Dolsperg um), der unter dem Decknamen Tarif geführt wurde. Michael S. war nach Einschätzung des Polit-Magazins Fakt von 1994 bis wenigstens 2002 einer der wichtigsten Neonazi-Aktivisten Deutschlands. Er hatte gute Verbindungen zum „Thüringer Heimatschutz“, zur Terrorgruppe Combat18 (bewaffneter Arm des Netzwerkes Blood & Honour), zum V-Mann Tino Brandt und zum Unterstützer des NSU, Ralf Wohlleben. (FAKT: V-Mann mit Verbindung zum Umfeld des NSU | DasErste.de) Michael S. soll nach Informationen der Berliner Zeitung das Konzept für die NSU geliefert haben und für seine Dienste 66.000 DM vom Verfassungsschutz bekommen haben. Das von ihm herausgegebene Propagandablatt Sonnenbanner ließ er sich vom VS absegnen und finanzieren. Seine Akte und die von weiteren sechs V-Männern aus der Thüringer Szene wurden kurz nach Auffliegen des NSU vom BfV geschreddert. (Ex-Neonazi: Architekt des NSU als V-Mann enttarnt | NSU-Prozess – Berliner Zeitung). Genauer gesagt, an dem Tag, an dem sich Beate Zschäpe der Polizei gestellt hatte. Der Spiegel berichtete am 24.02.2014 darüber.

    Übrigens, die V-Leute bekommen das Geld von den Verfassungsschutzämtern steuerfrei. Die Ämter führen eine Pauschale von 10 % der ausbezahlten Gelder an die Finanzämter ab. Nach Informationen der Bild-Zeitung kosten die V-Leute den Steuerzahler rund 20 Millionen EURO jährlich. (V-Leute: Der Verfassungsschutz zahlt 20 Millionen Euro in bar – Politik Inland – Bild.de)

    Der thüringische Verfassungsschutz hat den NSU sogar direkt mit Geld unterstützt. Es übergab 2000 DM an ihren V-Mann Tino Brandt. Damit sollte sich das Trio falsche Pässe besorgen. Außerdem kaufte er dem Terrortrio mindestens drei Exemplare des von ihnen hergestellten antisemitischen Brettspiels „Pogromly“ für je 100 Mark ab. (Neonazi-Trio: Fahnder arbeiteten gegeneinander | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau)

    Von 1994 bis 2000 war Helmut Roewer Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (TLfV). Der TLfV unter seiner Führung marschierte in die gleiche Richtung wie das BfV: Verharmlosung des Rechtsextremismus und Darstellung des Linksextremismus als gewaltbereit. V-Mann Tino Brandt konnte unkommentiert in einem vom TLfV hergestellten Film sagen: „Wir sind […] prinzipiell gegen Gewalt“. Die Befragungen vor dem NSU-Untersuchungsausschuss verglich Roewer in einem Interview, das er der Zeitung Junge Freiheit (Sprachrohr der Neuen Rechten, der Verfasser) gab, mit einem „stalinistischen Schauprozess“. Im Jahr 2000 wurde Roewer aufgrund einer Reihe von Affären vom Dienst suspendiert. Ein 2005 gegen Roewer begonnener Strafprozess wegen Untreue in seiner Zeit als Verfassungsschutzpräsident wurde 2008 wegen fortdauernder Verhandlungsunfähigkeit vorläufig eingestellt, und endgültig im März 2010 gegen Zahlung von 3000 Euro Geldauflage an eine gemeinnützige Einrichtung. (Helmut Roewer – Wikipedia) Danach betätigte sich Roewer als Publizist im Grazer Ares-Verlag. Der Verlag bietet nach Auffassung der Grünen im Landtag Steiermark in gehäufter Zahl antisemitischen, rassistischen und rechtsextremen Autoren sowie Geschichtsrevisionisten eine Plattform. Außerdem veröffentlicht er eigene Dossiers im Compact-Magazin, das in der Süddeutschen Zeitung als rechtspopulistisches Magazin mit Hang zu Verschwörungstheorien eingeschätzt wird. Dort ist er in der guten Gesellschaft von Thilo Sarrazin und Eva Hermans. Noch mehr über diesen Mann steht in der Frankfurter Rundschau vom 3. 4.2012: (Rechtsterrorismus: Undurchsichtiger Zeuge | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau).

    • Sachsen

    Bei einem der wichtigsten Unterstützer des NSU, dem Neonazi André Eminger aus Zwickau, der Beate Zschäpe am Tag ihrer Flucht am 4.11.2011 mit Auto hilfreich zur Seite stand, wurden Handydaten auf Weisung des BKA gelöscht. (Ermittlungen zur NSU: Gegeneinander statt miteinander | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau) André E. und seine Frau Susann versorgten das Trio mit Tarnidentitäten, unter denen u.a. Campingplätze angemietet, DVDs in einer Zwickauer Videothek ausgeliehen und Bahncards beantragt wurden.

    Ein anderer V-Mann in Sachsen war Mirko Hesse. Hesse hatte 1997 eine Firma mit Namen Hate Records angemeldet. Hier produzierte er Hass-CDs. Mit Fördergeldern des Freistaats Sachsen und der EU – insgesamt 13 000 Mark – baute er sein Unternehmen schnell zu einer der zentralen Vertriebsorganisationen rechtsradikaler Nazirock-CDs aus. Gemeinsam mit ausländischen Partnern schmuggelte er Zehntausende von indizierten Platten quer durch Europa. (…) Außer als Dealer verbotener Musik-CDs agierte Hesse auch als Mitproduzent von Platten deutscher Nazirocker. So war er beispielsweise maßgeblich an der Herstellung der Hass-CD „Ran an den Feind“ der deutschen Nazi-Rockband Landser beteiligt. Auf dieser Platte rufen die Landser – ihnen wird derzeit vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gemacht – zum Mord an Juden und Ausländern sowie zur Tötung von Verantwortlichen der Wehrmachtsausstellung auf. Auch die Platte „Noten des Hasses“ der Naziband White Aryan Rebels hat Hesse produziert. Auf dieser Platte wird zum Mord an Michel Friedman und an der CDU-Politikerin Rita Süssmuth aufgerufen. (NEONAZIS – Die Dresdner Staatsanwaltschaft will erneut eine rechtsextreme Gruppe zur kriminellen Vereinigung erklären lassen. Diesmal geht es um die Sächsischen Hammerskins.: Die erstaunliche Nazikarriere des V-Manns Mirko H. | Archiv – Berliner Zeitung)

    Am 24.6.2013 erstatteten 2 Mitglieder von Bündnis90/Die Grünen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Dresden gegen den ehemaligen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Reinhard Boos, und den ehemaligen G10-Beamten und LfV-Vize, Dr. Olaf Vahrenhold. Sie warfen ihnen vor, vor dem NSU-Untersuchungausschuss in einem entscheidenden Punkt nicht die Wahrheit gesagt zu haben. „Obwohl die beiden (ehemaligen) Führungskräfte Reinhard Boos und Dr. Olaf Vahrenhold im Jahr 2000 einen Antrag auf Überwachungsmaßnahmen gegen das NSU-Trio und seine Unterstützer damit begründet haben, dass ihr Vorgehen der ‚Strategie terroristischer Gruppen‘ ähnele, sagten sie als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss im Dezember 2012 bzw. März 2013 aus, sie hätten damals ‚keine‘ (Vahrenhold) bzw. ‚keinerlei‘ (Boos) Anhaltspunkte für Rechtsterrorismus gehabt“, kommentieren die beiden Abgeordneten die Anzeige. (Wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem NSU-Untersuchungsausschuss: Grüne erstatten Strafanzeige gegen Ex-Verfassungsschutz-Chefs – Leipziger Internet Zeitung :: Mehr Nachrichten. Mehr Leipzig.) Der sächsische NSU-Untersuchungsausschuss lehnte es aber mit den Stimmen von CDU und FDP ab, Strafanzeige zu erstatten.

    Boos war am 11. Juli 2012 zurückgetreten. Beim Zimmerwechsel eines Mitarbeiters war in dessen Tresor eine Akte mit Protokollen einer Telefonüberwachung (laut Medienberichten bei einem Mitglied des verbotenen Netzwerks Blood and Honour) von Ende 1998 aufgetaucht, die das Landesamt im Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz angefertigt hatte und wegen der dort durchgeführten Aktenvernichtung als verloren galten. Zuvor hatte Boos dem sächsischen Innenminister immer versichert, den Ermittlungsbehörden bzw. dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages alle Unterlagen zur Verfügung gestellt zu haben. (Reinhard Boos (Verfassungsschutz) – Wikipedia

    Der sächsische Verfassungsschutzbericht 2012 haute in die gleiche alte Kerbe: Vernachlässigung des Rechtsextremismus bei gleichzeitiger Überzeichnung des Linksextremismus. Die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz von der Partei Die Linke stellte fest, dass die Gefahr im Freistaat Sachsen von der extremen Rechten ausgeht. Menschen, die das nach dem NSU noch immer nicht begriffen haben, ist nicht zu helfen. Dass solche Menschen Innenminister sind oder ‚Verfassungsschutz‘-Chef werden, ist Teil des Problems. (Sachsens Verfassungsschutzbericht 2012: Aus Behördenversagen noch immer nichts gelernt – Leipziger Internet Zeitung :: Mehr Nachrichten. Mehr Leipzig.)

    • Hessen

    Gemäß der vorgegebenen Prämisse wurde auch in Hessen eine fremdenfeindliche Tat von vornherein ausgeschlossen, obwohl der Vater des in Kassel ermordeten Halil Yozgat diesen Verdacht äußerte. Das wurde einfach beiseite gewischt. Hessen hat unter Führung des ehemaligen Innenministers und jetzigen Ministerpräsidenten Bouffier den Vorschlag des BKA rundweg abgelehnt, in Nürnberg eine Lage- und Informationsstelle einzurichten, um eingehende Hinweise zentral zu sammeln und auszuwerten. Auch der Vorschlag, dass die Ermittlungen in der Mordserie einer zentralen Ermittlungsführung durch das BKA unterstellt werden sollten, wurde von Hessen rundweg abgelehnt. (SPD und GRÜNE: Versäumnisse hessischer Behörden bei NSU-Morden müssen akribisch aufgearbeitet werden | Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag)

    Der hessische Verfassungsschutz hat bestätigt, dass er beim Rechtsterrorismus-Verfahren in München den Anwalt für einen früheren Zuträger aus der rechtsextremen Szene bezahlt hat. Auch bei der Vernehmung durch das Bundeskriminalamt im Jahr 2012 habe die Behörde den Rechtsanwalt Volker Hoffmann für den früheren Rechtsextremisten Benjamin G. entlohnt, sagte ein Sprecher des Verfassungsschutzes der Frankfurter Rundschau am Donnerstag. (…) Der Verfassungsschutz habe sicherstellen wollen, dass die „weit gezogenen Grenzen der Aussagegenehmigung“ nicht überschritten würden, teilte er zur Begründung mit. Benjamin G. sei es untersagt gewesen, „Aussagen zur Arbeitsweise“ der Behörde und „zum Zusammenarbeitsverhältnis der dortigen Mitarbeiter“ zu machen, erläuterte der Sprecher. Ein weiterer Grund für die staatliche Bezahlung des Anwalts sei es gewesen, „im Sinne Herrn G.s“ zu verhindern, dass er zum bloßen „Objekt des Verfahrens“ degradiert werde. Die Bezahlung von Anwalt Hoffmann habe sicherstellen sollen, dass G. „nicht aus finanziellen Gründen auf einen Anwalt verzichtet“, formulierte die Behörde. (NSU-Prozess: „Aufpasser“ für den V-Mann | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau)

    Zur Tatzeit des Mordes an Halil Yozgat saß auch ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes im Internet-Café: Andreas Temme. Mag sein, dass es Zufall gewesen ist, denn auch ein einfacher Mitarbeiter des Verfassungsschutzes kann nicht so tumb sein, sich am Ort des Verbrechens in eine Flirt-Seite einzuloggen, über die er ermittelt werden kann. Seine Person und sein Verhalten werfen aber ein Schlaglicht auf seine Behörde. Erst stritt er ab, überhaupt in dem Café gewesen zu sein. Dann will er im Gegensatz zu den anderen Besuchern des Cafés nichts gehört und schon gar nichts gesehen haben, obwohl es für ihn als 1,90-m-Mann ein leichtes gewesen war, den Bereich hinter dem kleinen Schreibtisch zu überschauen, wo Halil lag. Außerdem gab es auch noch Blutflecken auf dem Schreibtisch. Vier Tage nach dem Mord trifft sich Andreas T. mit dem oben angesprochenen V- Mann Benjamin G. im Burger King und übergibt ihm Geld. In seinem Wohnort wird Andreas T. der „kleine Adolf“ genannt. In der abgefackelten Wohnung des NSU in Chemnitz wird ein Stadtplan gefunden, auf dem zehn Punkte eingezeichnet sind. Neun davon liegen auf der Strecke, die Andreas T. täglich abfährt. „Von neun auf dem Kartenmaterial markierten möglichen Tatorten liegen fünf unmittelbar an der Fahrtstrecke zwischen Wohnort und Arbeitsstelle“, sagt Kienzle. (Nebenkläger-Anwalt, der Verfasser) (NSU-Mordserie : Neue Zweifel an Verfassungsschützer Andreas T. – Nachrichten Politik – Deutschland – DIE WELT) Einsichtnahme in die Akten über die Ermittlungen gegen Andreas T. wurde den Anwälten der Nebenkläger vom Münchener Gericht verwehrt.

    • Berlin

    Ein anderer V-Mann, bzw. in diesem Fall Vertrauensperson des Berliner LKA war Thomas Starke. Er war von Ende 1996 bis April 1997 mit Beate Zschäpe liiert. In dieser Zeit hatte er für das Jenaer Trio rund ein Kilo TNT-Sprengstoff besorgt. Nachdem ihre Bombenwerkstatt in Jena aufgeflogen war, half Starke nach eigenen Angaben seinen KameradInnen bei der Suche nach einem ersten Versteck in Chemnitz. Als ein Blood & Honour-Funktionär Thomas Starke einige Jahre später eine Geldspende für die gesuchten Neonazis anbot, wusste er zu berichten, dass die Drei kein Geld mehr bräuchten, da sie nun »jobben« würden. Offenbar eine Umschreibung für das vorhandene Geld aus Banküberfällen.(…)

    Zwischen 2001 und 2005 lieferte Starke (Kennnummer »VP 562«) bei 38 Treffen mindestens fünf Mal Hinweise zu dem seit 1998 untergetauchten Neonazi-Trio des NSU und dessen UnterstützerInnen-Umfeld. So berichtete er im Februar 2002, dass der sächsische Blood & Honour-Neonazi Jan Werner zu »drei Personen aus Thüringen« Kontakt habe, »die per Haftbefehl gesucht werden« und »dass die wegen Waffen- und Sprengstoffdelikten gesucht werden«. Ob diese zutreffende und relevante Information jemals vom Berliner LKA weitergegeben wurde ist bisher fraglich. Das letzte Treffen fand 2009 statt, bevor Starke im Januar 2011 als Quelle abgeschaltet wurde. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages erfuhr erst Monate später und nur mittelbar von dem Vorgang. Der Karlsruher Bundesanwaltschaft (BAW) war nach langem Schweigen vom Berliner LKA ein Behördengutachten geschickt worden, in dem abstrakt über Starkes Angaben berichtet worden war. Nach Bekanntwerden dieses Skandals behauptete Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU), er sei zu diesem Stillschweigen von der BAW gedrängt worden, was diese jedoch prompt entschieden zurückwies. Der SPIEGELblog veröffentlichte ein Schreiben des Berliner Staatsschutzchefs Oliver Stepien vom 3. April 2012 (durch Berlins Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers »in Vertretung« unterzeichnet) an einen Bundesanwalt in Karlsruhe. Hierin befindet sich die deutliche Absage an eine lückenlose Aufklärung: »Gleichwohl darf ich rechtliche Gegebenheiten, die beispielsweise in Beachtung einer Garantenpflicht gegenüber der ehemaligen ›VP‹ wesentliche Aspekte des Quellenschutzes berühren, nicht außer Acht lassen. Vor diesem Hintergrund erscheint mir derzeit eine Offenlegung der angeforderten Akten nicht möglich«. (Spitzel im NSU-Umfeld | Antifa Infoblatt)

    Im November 2012 räumte die Leiterin der Berliner Landesbehörde für Verfassungsschutz Claudia Schmid weitere Fälle von rechtswidriger Aktenvernichtung in ihrer Behörde ein. Im Juli 2010 seien Unterlagen zum Rechtsextremismus geschreddert worden, teilte Schmid in einer Pressekonferenz in Berlin mit. Diese hätten auch die verbotene Organisation Blood and Honour betroffen, es handele sich um ein „bedauerliches Versehen“, so Schmid. (NSU-Morde – Wikipedia)

    In einem Internetvideo behauptet die mutmaßliche Vertrauensperson des LKA Berlin Nick Greger, Polizisten des LKA hätten ihn Ende Oktober 2013 in Thüringen aufgesucht und ihm dabei geraten, vor Untersuchungsausschüssen zu den Morden des NSU nichts zu Carsten Szczepanski, alias »Piatto«, zu sagen, einem direkten Unterstützers des Mordtrios und V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes. (28.01.2014: Henkel steckt wieder im NSU-Sumpf (neues-deutschland.de)

    • Zweifel an der Theorie, dass der NSU die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet hat

    Der Mord an der Polizistin fiel völlig aus dem Rahmen des Üblichen. Sie passt nicht in das übliche Opferprofil des NSU. Während bei den anderen Ermordeten regelrechte Schießorgien veranstaltet wurden, wurde auf die Polizistin und ihren Kollegen jeweils nur ein Schuss abgegeben. Die Ermittler beim Landeskriminalamt in Stuttgart sagen, dass die Tat von vier bis sechs Personen begangen wurde. Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) antwortete auf eine Kleine Anfrage von grünen Landtagsabgeordneten: „Mit Bekanntwerden des NSU wurde deutlich, dass es sich bei dem Trio um die mutmaßlichen Täter des Mordes und versuchten Mordes in Heilbronn handelt. Die Ermittlungen wurden in der Folge darauf gerichtet, diese Täterschaft nachzuweisen.“ Das heißt nichts anderes als: Es wird seit dem 4. November 2011 praktisch nicht mehr ermittelt, sondern nur noch versucht, dem Trio „diese Täterschaft nachzuweisen“. (…) In Schwäbisch Hall wurde auch der deutsche Zweig des rassistischen Geheimbundes Ku-Klux-Klan (KKK) gegründet. Ein Mitglied des KKK stand auf der Garagenliste von Mundlos – und war zugleich V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Auch der Gründer des KKK war V-Mann des Verfassungsschutzes, in diesem Fall von Baden-Württemberg. Er wurde aber auch vom Verfassungsschutz Sachsen bei der Fahndung nach dem Trio eingesetzt. Das wiederum bedeutet, dass die Dienste das Trio auch in Baden-Württemberg gesucht haben müssen. Mehrere Mitglieder des Ku-Klux-Klans waren zudem Polizeibeamte aus Baden-Württemberg. Zwei gehörten zu einer Sondereinheit in Böblingen, wo auch Michèle Kiesewetter und ihr Kollege, der das Attentat in Heilbronn überlebte, ihren Dienst taten. (Der NSU-Komplex: Wer ermittelt gegen den Verfassungsschutz? | Blätter für deutsche und internationale Politik). Möglicherweise hat sich Michèle Kiesewetter Feinde bei ihrer Arbeit gemacht. Manchmal betätigte sie sich als verdeckte Ermittlerin, ließ uniformierte Kollegen zur Razzia in einer Diskothek durch die Hintertür herein und kaufte undercover Heroin, woraufhin die Dealer festgenommen wurden.

    • Zweifel an der Selbstmordtheorie

    Es ist auch keineswegs sicher, ob Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tatsächlich Selbstmord begangen haben. Der Sender N24 hat sich auf Spurensuche begeben. Er interviewte den Waffenexperten Siegmund Mittag aus Brandenburg und der kommt zu dem Schluss, dass es aufgrund der Funktionsweise der verwendeten Waffe und der gefundenen Anzahl der Patronenhülsen unmöglich gewesen sei, dass Mundlos sich selbst umgebracht hat. Anwohner berichteten von einer dritten Person, die kurz vor Ausbruch des Feuers aus dem Wohnmobil geklettert sei und es wurden im Wohnmobil DNA-Spuren gefunden, die weder den beiden Uwes noch Beate Zschäpe zuzuordnen sind. Ganz in der Nähe wurde aber das Mobiltelefon des gewalttätigen Neonazis André Kapke, der auch dem „Thüringer Heimatschutz“ angehörte, geortet. („Der NSU – Eine Spurensuche“: War es wirklich Selbstmord? – N24.de) Wie es der Zufall so will, hatte André K. Ende 1997 – längst wurde die Jenaer Gruppe überwacht – aus dem Thüringer Sozialministerium einen Existenzgründerzuschuss über 23.000 Mark für ein rechtes Zeitungsprojekt mit dem Namen „Neues Denken“ erhalten.

    • Haltung des Staates und seiner Institutionen zu den Neonazis

    Vertuschung, Verharmlosung, Verschleierung und Unterstützung rechtsextremer Gruppen und die Behinderung der Ermittlungen durch den Staat hat Methode: Bis zum Juni 2017 werden von der Bundesregierung seit 1990 75 Morde gezählt, die von Rechtsextremen verübt worden sind. Die Amadeu-Antonio-Stiftung geht von mindestens 192 Todesopfer rechter Gewalt aus. (siehe Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 | Mut Gegen Rechte Gewalt)

    Der Bundestag verabschiedete im November 2011 einen Entschließungsantrag zur Mordserie der NSU (Drucksache 17/7771). Darin heißt es u.a.:

    „Wir fühlen mit den Angehörigen der Opfer, die geliebte Menschen verloren haben. Die Unbegreiflichkeit des Geschehenen, die jahrelange Ungewissheit über Täter und ihre Motive waren und sind eine schwere Belastung für die Betroffenen.

    Wir sind zutiefst beschämt, dass nach den ungeheueren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes rechtsextremistische Ideologie in unserem Land eine blutige Spur unvorstellbarer Mordtaten hervorbringt.

    Dem Extremismus muss entschieden entgegengetreten werden. Wir alle sind gefordert, zu handeln – überall dort, wo Rechtsextremisten versuchen, gesellschaftlichen Boden zu gewinnen.

    Rechtsextreme, Rassisten und verfassungsfeindliche Parteien haben in unserem demokratischen Deutschland keinen Platz.

    Wir müssen gerade jetzt alle demokratischen Gruppen stärken, die sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus engagieren.“ (1707771 – 1707771.pdf)

    Der erste oben angeführte Satz aus diesem Antrag ist eine regelrechte Verhöhnung der Angehörigen der Opfer angesichts der Tatsache, dass die Opfer und ihre Angehörigen zuerst vom Staat verdächtigt worden sind, selbst in kriminelle Machenschaften verstrickt gewesen zu sein, dass die Opfer Geliebte gehabt haben sollen usw.

    Und wie vertragen sich die anderen schönen Worte mit der Wirklichkeit?

    Wenn man sich die jährlichen Berichte des Verfassungsschutzes durchliest, fällt folgendes auf:

    Mit Akribie und durchaus vollkommen richtig werden jedermann zugängliche öffentliche Äußerungen von Mitgliedern der NPD analysiert und der ideologische Hintergrund aufgezeigt.

    Mit Akribie werden die Straftaten von Linksextremisten nicht nur gezählt, sondern auch viele davon beschrieben.

    Mit sehr viel weniger Akribie werden die Straftaten der Rechtsextremisten gezählt und es werden auch nur wenige beschrieben.

    Bis zum Verfassungsschutzbericht 2010 (also dem Höhepunkt der Mordserie des NSU) wurde behauptet, dass „in Deutschland keine rechtsterroristischen Strukturen feststellbar seien. (Verfassungsschutzbericht 2010 – S. 57) (vsb2010.pdf)

    In der von der Amadeu-Antonio-Stiftung in Auftrag gegebene Studie „Das Kartell der Verharmloser – Wie deutsche Behörden systematisch rechtsextremen Alltagsterror bagatellisieren“ wird anhand von mehreren Beispielen erläutert, dass Polizei und Behörden in vielen Fällen überhaupt nicht daran interessiert waren, rechtsextreme Gewalttäter zu verfolgen.

    In Wismar gibt es das alternative Zentrum TIKO, das regelmäßig von Neonazis angegriffen wird. Doch noch nie haben die bei solchen Vorfällen herbeigerufenen Polizisten einen der Neonazis gefasst, obwohl die Polizeistation nur wenige hundert Meter entfernt liegt. In der Polizeistatistik von Wismar findet sich in den letzten Jahren keine einzige Straftat, die sich im Umfeld des TIKO abgespielt hat.

    In Chemnitz gibt es ein koscheres Restaurant mit dem Namen Schalom. Der Besitzer zählte in den vergangenen Jahren über hundert Angriffe von Neonazis auf das Restaurant. Die angerichteten Schäden belaufen sich mittlerweile auf mehr als 40.000 €. Es wurde kein einziger Täter gefasst. Von behördlicher Seite wurde der Betreiber selbst verantwortlich gemacht: „Wenn Sie ein Unternehmen mit so einem Logo führen, müssen Sie sich über so eine Aufmerksamkeit nicht wundern“. Der Restaurantbesitzer stellt erschüttert fest: „Es ist unglaublich, was die Rechten hier anrichten können, ohne dass es irgendwelchen Konsequenzen nach sich ziehen würde“.

    In Sachsen-Anhalt wurde Ende Februar 2012 ein türkischer Imbissbetreiber durch Angreifer mit dem Tode bedroht. Wenn er seinen Imbiss nicht bis zum 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, schließe, werde er das nächste Opfer sein. Die Polizei kam erst nach mehreren Anrufen. Statt den Hinweisen auf das politische Motiv der Neonazis nachzugehen, wurde bei dem aus dem Ohr blutenden Imbissbesitzer ein Alkoholtest durchgeführt. In der Pressemitteilung ging es lediglich um eine Auseinandersetzung um das beschlossene Rauchverbot.

    In Frankfurt am Main wurde ein junger Mann mit äthiopischen Wurzeln von vier Angreifern mit Pfefferspray und Baseballschlägern traktiert und als Neger bezeichnet. Zeugen berichteten, dass die angerückte Polizei sich über das Opfer mit diskriminierenden Witzen lustig machten. Und erst durch das Eingreifen der Zeugen ließen sich die Polizisten dazu herab, den Verletzten zu einer nahe gelegenen Disko zu begleiten, um mögliche Täter zu identifizieren. Von einem der Beamten wurde die Beschimpfung „du Neger“ mit den Worten abgetan, dass das in solchen Kreisen Alltagssprache sei.

    Und es geht nicht nur um das Verhalten der Polizei: In Limbach-Oberfrohna wurde das Vereinshaus des Demokratievereins regelmäßig von rechten Schlägern und Gewalttätern belagert. Anstatt dem Verein zu Hilfe zu kommen, wurde im Kriminalpräventiven Rat, dem auch der Stellvertreter des Oberbürgermeisters angehörte, darüber diskutiert, wie man den damaligen Vorsitzenden des Vereins wegen Missbrauch des öffentlichen Notrufs belangen könnte. Außerdem unterstellte man dem Verein, die Hakenkreuze selbst gesprüht und die Sachbeschädigungen an den Autos selbst verursacht zu haben. Und die Vereine gegen Rechts seien auch selbst schuld an der Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen. Sie würden durch Kleidung und Aussehen die Neonazis provozieren. (kartell-internet.pdf (application/pdf-Objekt)

    Seit Oktober 2010 gab es sogar eine Weisung der Familienministerin Kristina Schröder (CDU), dass die Initiativen gegen Rechts eine sog. Extremismuserklärung unterschreiben müssen. Ansonsten würde es keine finanzielle Unterstützung mehr geben. Es wurde von den Gruppen eine Erklärung verlangt, dass sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, also eine ideologische Reinheitserklärung. Das war also von dem Passus zu halten, dass alle demokratischen Gruppen gestärkt werden sollen, die den Kampf gegen Rechts führen. Die Extremismuserkärung musste 2014 wieder abgeschafft werden.

    Das sind einzelne Beispiele von vielen. Die ihnen zugrundeliegende Haltung des Staates und seiner Organe gegenüber Neonazis, Ausländern und Flüchtlingen hat eine lange Tradition.

    • Staatliche Überwachung der werktätigen Bevölkerung statt staatlicher Schutz

    Man darf sich nicht über das weiter oben geschilderte Verhalten der Verfassungsschutzbehörden wundern, ist doch die wichtigste Aufgabe des VfS die Überwachung von Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und gegen den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind. Von der Sicherheit der in diesem Land lebenden Mehrzahl der Menschen ist nicht die Rede. Im Gegenteil ist die Aufgabe des VfS und anderer staatlicher Behörden die Überwachung, Aushorchung und Bespitzelung der großen Mehrheit. Dafür haben sich die Herrschenden seit jeher eine Menge einfallen lassen.

    Staatliche Überwachung gibt es schon so lange, wie Staaten die herrschende Klasse repräsentieren. Und da der Staat schon immer die herrschende Klasse repräsentiert hat, gibt es diese Überwachung seit es Klassengesellschaften gibt. Immer hatten die Herrschenden Angst vor ihren Untertanen und vor Ideologien, die ihrer Herrschaft gefährlich werden konnten:

    399 vor unserer Zeitrechnung (v.u.Z.) wurde der Philosoph Sokrates in Griechenland wegen angeblicher Gotteslästerung und Verführung von Jugendlichen zum Tode verurteilt.

    Bücherverbrennungen sind schon lange Zeit ein probates Mittel gewesen, die Verbreitung abweichender Meinungen zu verhindern. 12 v.u.Z. ließ der römische Kaiser Augustus mehr als 2.000 sog. Zauberbücher, Orakelbücher und Weissagungsschriften verbrennen, damit seine politischen Entscheidungen nicht mehr vom Volk angezweifelt werden konnten. (Bücherverbrennungen: Die Glut des Bösen – Kultur – Tagesspiegel)

    Der erste chinesische Kaiser Qin Shi Huangdi ließ 213 v.u.Z. wertvolle historische Aufzeichnungen und die Aufzeichnungen von Streitgesprächen zwischen Vertretern unterschiedlicher philosophischer Schulen verbrennen. In der Begründung hieß es: „Diese Gelehrten lernen nicht von der Gegenwart, sondern von der Vergangenheit und kritisieren damit unsere Zeit und stürzen die Schwarzhaarigen (die Bauern d. Verf.) in Verwirrung.“ (Qin Shihuangdi – Wikipedia) 460 Gelehrte, die gegen die Bücherverbrennungen protestierten, wurden hingerichtet.

    Aus der Zeit dieses chinesischen Kaisers stammt noch eine andere Art der Überwachung, die Denunziation. Die Bauern wurden in Gruppen zu je fünf Familien eingeteilt. Diese Familien sollten sich gegenseitig überwachen und Fehlverhalten melden. Dutzende Gesetze regelten das Verhalten der Untertanen: „Wer einen Schuldigen nicht denunziert, wird in zwei Teile gehackt; derjenige, der einen Schuldigen denunziert, erhält die gleiche Belohnung wie der, der einen Feind in der Schlacht köpft.“ (Qin Shihuangdi – Wikipedia)

    Auch Volkszählungen, bei denen sehr persönliche Dinge abgefragt wurden, sind nicht neu. Sie fanden im alten Rom regelmäßig statt. Dafür mussten sich alle Erwachsenen, die rechtlich unabhängig waren, „persönlich auf dem Marsfeld einfinden und unter Eid vor den Zensoren ihren vollen Namen sowie den ihres Vaters oder bei Freigelassenen des Freilassers, die Namen ihrer Familienangehörigen, ihren Herkunftsort, den tribus und ihr steuerpflichtiges Vermögen, besonders den Landbesitz, angeben… Wer sich dem Zensus entzog, konnte als Sklave verkauft werden.“ (Zensus (Rom) – Wikipedia) Wir kennen eine Volkszählung aus der Weihnachtsgeschichte in der Bibel (Lukas-Evangelium 2,1-2). Diese Volkszählung des römischen Statthalters Quirinius rief schon damals bei den Juden heftigen Widerstand hervor. (Alte Geschichte: Die Mutter aller Volkszählungen zu Jesu Geburt – WELT)

    Nach der Erfindung des Buchdrucks in Europa Mitte des 15. Jahrhunderts und der dadurch hervorgerufenen schnellen Verbreitung von Ideen musste man zu anderen Mitteln greifen. Im Jahre 1486 erließ der Fürstbischof von Mainz, Berthold von Henneberg eine erste Verordnung zur Einrichtung einer Zensurkommission für das gesamte Bistum. Ein Jahr später folgte in Form einer Bulle die erste päpstliche Zensurverordnung durch Papst Innozenz VIII. (Derselbe Papst wies alle auswärtigen Herrscher an, die auf ihr Territorium geflohenen Ketzer dem Großinquisitor Thomas Torquemada auszuliefern.) Begründet wurde die Zensur mit dem Schutz der Religion, dem Staatsinteresse und dem Schutz der guten Sitten.

    Die anfänglich rein kirchlich organisierte Zensur wurde bald von weltlichen Instanzen übernommen. Doch auch nachdem dies geschehen war, stellte die katholische Kirche ihre eigenen Zensurmaßnahmen keineswegs ein, die im Zeitalter der Gegenreformation ihren Höhepunkt erreichten. 1557 wurde ein Verzeichnis der verbotenen Bücher, der Index librorum prohibitorum eingeführt, der der kirchlichen Zensurpolitik eine dauerhafte Form gab. Dieser Index wurde erst 1966 von Papst Paul VI. außer Kraft gesetzt (wilkej-2013a-de.pdf). Die Heilige Inquisition der katholischen Kirche spielte bei der Zensur eine besondere Rolle. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sind Schriften und Briefe von in Verdacht geratenen Wissenschaftlern systematisch durch die Inquisition abgefangen, ausgewertet und gegen ihre Absender verwendet worden. (ZKM zeigt Ausstellung zur weltweiten Überwachung – Computer & Medien – Badische Zeitung)

    Die katholische Kirche hatte sich noch eine andere Form der Überwachung einfallen lassen, die Beichte. Für den Gegenwert von ein paar Gebeten, zeitweise auch von klingenden Münzen, war der Gläubige seine Sünden los und die Kirche wusste, was ihre Schäfchen insgeheim dachten.

    So lebensverkürzende Auswirkungen die Zensur auch auf manche Autoren hatte, es gab auch komische Seiten: 1777 wurde der 1754 unter Kaiserin Maria Theresia in Wien eingeführte Index der verbotenen Bücher von der Zensurkommission selbst auf den Index gesetzt, weil er sich zu einem gesuchten Führer durch die kirchenfeindliche und erotische Literatur entwickelt hatte. (wd-10-064-17-pdf-data.pdf)

    Heutzutage gibt es durch die rasante Entwicklung der Technologien ganz andere Möglichkeiten der Überwachung durch den Staat:

    In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurde vom damaligen BKA-Präsidenten Horst Herold die Rasterfahndung gegen die Rote Armee Fraktion (RAF) entwickelt und eingesetzt. Bei der Rasterfahndung werden Informationen aus mehreren Datenbeständen miteinander abgeglichen, um Personen zu ermitteln. Dabei werden bestimmte Verhaltensmuster herausgefiltert. Z.B. welche Person seine Miete bar bezahlt, was beweist, dass sie unerkannt bleiben will, oder welcher Haushalt einen niedrigen Stromverbrauch hat, was beweist, dass die Wohnung nur sporadisch genutzt wird. Dafür wurden Daten der Einwohnermeldeämter, Wohnungsmakler und Stromversorger benutzt. Es ging aber nur das Mitglied der RAF Rolf Heißler ins Netz der Ermittler. (Zu den Erfolgen und Misserfolgen der Rasterfahndung siehe Eene meene muh: Rasterfahndung in Deutschland – Teil 1 | Telepolis)

    Zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen wollte die Bundesrepublik und auch die EU die Vorratsdatenspeicherung durchsetzen, also die anlasslose Speicherung personenbezogener Daten, ohne dass die Daten aktuell, aber vielleicht irgendwann einmal benötigt werden. Gespeichert werden sollen die Standortdaten der Telefone und Mobiltelefone, die Rufnummern und Dauer der Gespräche und die IP-Adressen eines jeden Internetnutzers sowie Dauer und Zeitpunkt der Nutzung. Und zwar auf die Dauer von 10 bzw. 4 Wochen.

    Die EU erließ 2005/2006 eine Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Im November 2007 setzten CDU/CSU und die SPD ein diesbezügliches Gesetz in Deutschland durch. Nach einer jahrelangen Auseinandersetzung verwarf zuerst der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Richtlinie der EU zur Vorratsdatenspeicherung. Am 22. Juni 2017 stellte das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster fest, dass das deutsche Gesetz gegen EU-Recht verstößt. Daraufhin setzten mehrere Provider die Vorratsdatenspeicherung aus. Auch die Bundesnetzagentur verkündete, keine Bußgelder gegen Firmen zu verhängen, die die Daten nicht mehr speichern. (Vorratsdatenspeicherung: Welche Provider speichern nicht? | Digitalcourage) Ungeachtet dieses Urteils brachten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Gesetzentwurf zum Wohnungseinbruchdiebstahl ein, der am 29. Juni 2017 angenommen wurde. (Drucksache 18/12729 – 1812729.pdf). Mit diesem Gesetz wird die Vorratsdatenspeicherung auf den Einbruchdiebstahl ausgedehnt. Wie netzpolitik.org feststellte, wird hier Privatsphäre mit Verletzung der Privatsphäre geschützt. (Vorratsdaten für Wohnungseinbruch: Einbruch in die Privatsphäre – netzpolitik.org)

    Ein beliebtes Instrument in den Händen der Überwachungsbehörden sind Lauschangriffe mithilfe der Überwachung der Telekommunikation geworden. Das geht vom ganz normalen Abhören der Telefone über die Nutzung von Mobiltelefonen als Wanzen bis zur Online-Durchsuchung von Computern:

    Bei der Telefonüberwachung müssen die betroffenen Personen im Nachhinein von den Behörden informiert werden. 2003 musste die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) einräumen, dass das bei Zwei Drittel der Personen nicht geschehen sei. (Justizministerin bezeichnet Telefonüberwachung als maßvoll | heise online)

    Über Funksignale ist es Kriminalbehörden möglich, die Freisprecheinrichtung des Handys aus der Ferne zu aktivieren, um Gespräche aus der unmittelbarer Umgebung mitzuschneiden. Es ist auch möglich, Handys so zu programmieren, dass sie in einen scheinbar ausgeschalteten Zustand wechseln, bei dem Display und Lautsprecher deaktiviert sind, im Hintergrund aber die Mobilfunkverbindung aufrecht erhalten bleibt. (Polizei nutzt Handys als Wanzen | heise online)

    Zur Überwachung des Internets gibt es verschiedene Programme. PRISM war oder ist immer noch das Programm der amerikanischen NSA, mit der die Kommunikation direkt von den Servern der US-Anbieter Microsoft, Google, Yahoo, Facebook, Paltalk, Youtube, Skype, AOL und Apple mitgeschnitten werden kann. Mit Hilfe dieses Programms kann der Geheimdienst auf E-Mails, Chats (auch Video- und Audioübertragungen), Videos, Fotos, gespeicherte Daten, VoIP-Kommunikation, Datenübertragungen und Videokonferenzen zugreifen. Das Programm Tempora vom britischen Geheimdienst GCHQ (Government Communications Headquarters) soll PRISM bei weitem übertreffen. Der GCHQ rühmt sich, damit den umfangreichsten Zugriff auf das Internet zu haben (NSA-Überwachungsskandal: PRISM, Tempora und Co. – was bisher geschah | heise online). Einen noch besseren und umfangreicheren Einblick in die Privatsphäre im Internet erlaubt das Programm XKeystore. Man kann damit nach einer E-Mail-Adresse suchen oder nach einer bestimmten Zeichenkette, man kann damit alle Internetinhalte erfassen, indexieren (verstichworten), so dass sie dann bequem mit entsprechenden Suchanfragen durchforstet werden können. Die Inhalte von privater Facebook-Kommunikation können nachträglich eingesehen werden und man kann mit XKeystore abfragen, von welcher IP-Adresse welche Websites aufgerufen worden sind. (XKeyscore: Wie die NSA-Überwachung funktioniert – SPIEGEL ONLINE) Auch der BND und der BfV benutzen einem Bericht im Spiegel zufolge das Programm. (BND und BfV setzen NSA-Spähprogramm XKeyscore ein – SPIEGEL ONLINE)

    Aber nicht nur Amerikaner und Engländer können solche Programme entwickeln. Auch hier in Deutschland stellen Firmen Staatstrojaner her, die hier eingesetzt werden und auch an Diktatoren verkauft werden. Die deutsch-britische Firma Gamma Group präsentierte dem turkmenischen Diktator Berdimuhamedow „eine Überwachungslösung namens „Finfly ISP“. Das Produkt wird in den Knotenpunkten des nationalen Internets installiert, dann können Nutzer „infiziert“ werden, deren Daten über die zentralen Kreuzungen geschickt werden – also praktisch jeder. Ist erst ein Gamma-Trojaner auf der Festplatte, hat der Staat potenziell Zugriff auf das gesamte virtuelle Gedächtnis der Zielperson, auf E-Mails, Geschäftsdaten und Unterhaltungen mit dem Videotelefonie-Programm Skype. Es ist mächtiger als Prism. Selbst technisch versierte Nutzer können sich dann nicht mehr gegen die Überwacher wehren.“ (7)Deutsche Hersteller liefern Spähtechnologie an Diktaturen – Digital – Süddeutsche.de)

    Am 22.06.2017 hat der Bundestag auf Antrag von CDU/CSU und SPD den Einsatz von Staatstrojanern in Deutschland beschlossen. Gut verpackt in einem Gesetz zum Fahrverbot als Nebenstrafe (Deutscher Bundestag – Bundestag gibt Strafermittlern neue Instrumente in die Hand).

    Die Polizei darf heute ganz legal die Telekommunikation eines Verdächtigen überwachen. Anbieter, wie die Telekom oder Vodafone, sind gesetzlich verpflichtet, entsprechende Auskünfte zu erteilen. Auf richterliche Anordnung müssen Telefonate, SMS und E-Mails eines mutmaßlichen Terroristen oder Drogenhändlers der ermittelnden Behörde zur Verfügung gestellt werden. Diese Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) gemäß Strafprozessordnung Paragraf 100a ist seit vielen Jahren Standardwerkzeug der Ermittler und kommt jährlich tausendfach zum Einsatz.“ (WhatsApp-Überwachung: Wie staatliches Hacking den Bürgern gefährlich wird – WELT)

    Zu den Lauschangriffen siehe auch: 5.1 Überwachung | bpb

    E Call (Emergency Call) ist eine Software, die ab dem 31. März 2018 in jedem Neuwagen eingebaut sein muss. Sie soll bei Unfällen automatisch den Rettungsdienst alarmieren. Was sich so vorteilhaft anhört, hat natürlich einen Haken. Über die Schnittstelle haben auch andere Zugriff auf die Daten: Kfz-Hersteller, Versicherungen, Werbefirmen und auch der Staat. Mit Hilfe dieser Schnittstelle kann das Auto täglich oder auch sekündlich verfolgt werden. Alle Bewegungen können ausgelesen werden. Gab es gerade den gläsernen Internetnutzer, so ist jetzt der gläserne Autofahrer perfekt.

    Was bei diesem Thema meistens zu kurz kommt, ist die Überwachung am Arbeitsplatz, die gerade durch die Digitalisierung enorme Ausmaße angenommen und bis zur durchgängigen Überwachung in bestimmten Bereichen geführt hat. Siehe dazu (5.1 Überwachung | bpb)

    Und das alles zu unserem Schutz? Lassen wir wieder die Tatsachen sprechen.

    Das NSU-Trio konnte mehr als ein Jahrzehnt ungestört morden, obwohl der Verfassungsschutz seine Vertrauensleute rund um die Bande platziert hatte. Der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt Anis Amri konnte seine Tat ungestört durchführen, obwohl er allen möglichen staatlichen Stellen aufgefallen war. Angriffe auf Migranten und Flüchtlingswohnheime werden nicht aufgeklärt. Im Mutterland der digitalen Überwachung, den USA, finden reihenweise Amokläufe mit vielen Toten statt, die vorher im Internet angekündigt wurden. Wo hat in allen diesen Fällen trotz vielfältiger Methoden der Überwachung der Staat Schutz gewährt?

    Wo ist der Schutz der Menschen vor den gefährlichen Stoffen, die die Kraftfahrzeuge, die Flugzeuge, die Kreuzfahrtschiffe, die Braunkohlekraftwerke ausstoßen? In Deutschland starben 2014 mehr als 80.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung (Mehr als 80.000 Todesfälle durch Luftverschmutzung in Deutschland). 2015 gab es weltweit die sagenhafte Zahl von 9 Millionen Menschen, die an der Verschmutzung von Luft, Wasser und Böden starben. (Zu viel Dreck in Luft und Wasser: 9 Millionen Tote durch Umweltverschmutzung – n-tv.de)

    Wo ist der Schutz der Menschen vor den gesundheitsschädlichen Folgen des Rauchens? Weltweit sterben jedes Jahr unglaubliche 7 Millionen Menschen vorzeitig an den Auswirkungen des Tabakkonsums, in Deutschland liegt die Zahl bei 110.000. Dazu kommen noch Umweltschäden (Rauchen: Millionen Tote, Milliardenkosten und Umweltfolgen).

    Wo ist der Schutz der Menschen vor den krebserregenden und umweltvergiftenden Pestiziden und Herbiziden, vor den krebserregenden Stoffen der Nahrungsmittelindustrie?

    Wo ist der Schutz der Menschen vor dem Individualverkehr, vor dem Auto als Waffe? In Deutschland gab es 2015 3.475 Verkehrstote (Unfallstatistik 2015: Erneut mehr Verkehrstote in Deutschland – SPIEGEL ONLINE). Von 1950 bis Februar 2015 lag die Zahl bei wahnsinnigen 696.226 Toten (Verkehrsunfälle in Deutschland : 696.226 Tote – ein gesellschaftlicher Konsens – Welt – Tagesspiegel).

    Ganz zu schweigen von dem Schutz der Werktätigen vor der kommenden digitalen Revolution.

    • Schutz jeweils Fehlanzeige!

    Werden die Verantwortlichen in den jeweiligen Industrien zur Rechenschaft gezogen, bzw. werden irgendwelche Konsequenzen gezogen? Nein! Produzenten und kapitalistische Staaten nehmen diese vielen, vielen Toten in Kauf, nur damit die Konzerne ihre tödlichen Produkte verkaufen können. Und dabei sind die Toten durch in Deutschland hergestellte Waffen noch gar nicht mit gerechnet.

    Im Gegensatz zu den oben aufgezählten Toten starben 2016 in Europa an den Folgen von islamistischen Terroranschlägen 135 Menschen (Europol: 135 Tote durch islamistischen Terror | ZEIT ONLINE)

    Die Zahlen machen deutlich, dass hier eine Hysterie aufgebaut wird, die jeder rationalen Grundlage entbehrt. Wieder wird eine kleine Gruppe dazu benutzt, um von den viel größeren, durch das kapitalistische System erzeugten Gefahren abzulenken. Die Industrien, die die vielen Toten produzieren, stehen nicht auf der Liste der Angstmacher. Die Konzerne können so weiter machen wie bisher. Die Bürger werden konditioniert, die große Gefahr an anderer Stelle zu suchen.

    Den Schutz, den der Bürger von seinem Staat erwartet, gibt es nicht. Der Staat schützt mit seinen Überwachungsmaßnahmen nur sich selbst und das durch ihn vertretene Kapital. Gleichzeitig vermittelt der Staat ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Scheiterte die geplante Volkszählung von 1983 noch am breiten Widerstand der Bevölkerung gegen die staatliche Erhebung, Speicherung und Verarbeitung eines umfassenden Katalogs persönlicher Daten und deren Abgleich mit den bestehenden Melderegistern, so hat sich das Bewusstsein in den letzten 35 Jahren im Zuge der Digitalisierung geändert. Heute geben die Menschen freiwillig ihre Daten her über „soziale Netzwerke“ wie Facebook & Co. Ein großer Teil der nachwachsenden Generation hat kein Problem damit, auch die privatesten Dinge preiszugeben. Eingelullt durch die bürgerlichen Parteien, fühlt sie auch keine Bedrohung durch den Staat.

    Dabei ist der kapitalistische Staat unfähig und nicht willens, die Menschen zu beschützen und allen die Möglichkeit zu geben, ein Leben in Frieden, Wohlstand, Gesundheit und Sicherheit zu führen. Im Gegenteil leistet er denjenigen Vorschub, die andersdenkende oder anders aussehende Menschen bedrohen, attackieren und sogar ermorden.

    • Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

    Wenn wir das ausgebreitete Puzzle mit einigen weiterführenden Gedanken als Klebstoff zusammenfügen, erhalten wir folgendes Bild:

    Nach dem Ende des Weltkrieges II und der Naziherrschaft herrschte Aufbruchstimmung in ganz Deutschland. „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“, hieß die Parole. Aber diese Stimmung wurde von den Besatzungsmächten in Ost und West schnell nieder gemacht. Selbständig gegründete Gewerkschaften wurden verboten, antifaschistische Komitees aufgelöst. Politische Eigeninitiative war weder im Osten noch im Westen gefragt. Einige Kriegsverbrecher aus Banken und Industrie wurden zwar verurteilt, aber nach kurzer Zeit wieder aus der Haft entlassen. Von den Hunderttausenden Mördern aus NSDAP, SA, SS, SD und Gestapo wurden insgesamt ca. 62.000 Personen verurteilt. 400 Todesurteile wurden im Westen vollstreckt, die anderen Verurteilten kamen nach nicht allzu langer Zeit wieder frei. Im Westen waren die alten Eliten in der Wirtschaft auch die neuen. Zehntausende alter Nazis kamen im Westen im Staat, in der Justiz und in den Parteien unter.

    Das Wirtschaftssystem, was Deutschland in die Katastrophe des II. Weltkrieges geführt hatte, blieb im Westen unverändert. Das politische System nannte sich jetzt in Ost und West Demokratie. Das war und ist so demokratisch, dass im Osten und im Westen Organisationen geschaffen wurden, die im Dunkeln und weitgehend unkontrolliert arbeiten, die Geheimdienste. Und diese Dienste haben nicht nur im Osten die Bevölkerung ausspioniert, sondern tun es auch im Westen. Durch die Digitalisierung haben sie jetzt mächtige Werkzeuge in der Hand. Warum muss die Verfassung überhaupt geschützt werden? Eine Verfassung, die jedem die gleichen Rechte und Pflichten, die gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben bietet, muss nicht geschützt werden. Sie wird von jedem anerkannt. Der Knackpunkt ist Artikel 14 des Grundgesetzes. Darin steht: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“ Was hier so unscheinbar daher kommt und sich jeder sagt: „Na klar, ist richtig!“, birgt großen Zündstoff. Denn hier ist die Grundlage des wirtschaftlichen Handelns verborgen. Es geht hierbei nicht um das bisschen Eigentum oder das Eigenheim, was der durchschnittliche Bürger sich im Laufe seines Lebens erarbeitet hat. Sondern es geht um das Privateigentum an Produktionsmitteln. Mit diesen Mitteln wird Macht ausgeübt, nicht nur über die in den kapitalistischen Unternehmen Arbeitenden, sondern auch über die Gesellschaft, über Staat und Regierungen. Die wichtigste Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die Überwachung von Bestrebungen, die gegen das Grundgesetz, also auch gegen das Privateigentum an Produktionsmitteln, das Eigentum der Banken und großen Konzerne gerichtet sind. Die große Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen hat keinen Schutz zu erwarten.

    Da der Sieg über den Faschismus nicht der Verdienst der Menschen gewesen war und die ersten zaghaften Anfänge der Eigeninitiative rasch unterdrückt wurden, blieb in den Köpfen alles beim alten. Erst die 68er-Revolte brachte Bewegung in die Köpfe. Sie hinterfragte, brach alte Herrschaftsstrukturen auf, führte zu Toleranz bei den Beteiligten, wurde zum antifaschistischen und revolutionären Kontrapunkt. Denn seit Gründung der Bundesrepublik gab es auch wieder faschistische Parteien. Besonders stark wurden sie, wenn die bürgerlichen Parteien gegen Ausländer und Flüchtlinge hetzten, Kampagnen gegen sie führte und ihnen die Integration verweigerten. Ab 2015 wurden faschistische, bzw. reaktionäre Organisationen dadurch stark, weil die Zahl der Asylbewerber stark anschwoll und weil die offizielle Politik sich zumindest kurzzeitig freundlich und aufnahmebereit gegenüber Flüchtlingen gebärdete. Manche besonders radikale, gewalttätige Parteien wurden im Laufe der Zeit verboten, die Mitglieder kamen in anderen Parteien unter, gründeten neue Organisationen oder tummeln sich bei den Autonomen Nationalisten.

    In der Bundesrepublik ging es mit der kapitalistischen Ausbeutung weiter wie gehabt, nur das Banken und Konzerne jetzt auf friedlichem Weg die Welt ausbeuten, was sich aber schnell wieder ändern kann. Das heißt natürlich nicht, dass es dort, wo die Konzerne ihre Interessen durchsetzen, friedlich zugeht. In den Betrieben müssen die Beschäftigten um höhere Löhne, gegen Arbeitsverdichtung, gegen Raubbau an ihrer Arbeitskraft, gegen Arbeitsplatzabbau kämpfen. Bei der Ausbeutung von Rohstoffen in anderen Ländern wird Krieg geführt, Krieg gegen die Bewohner (und das auch mit Waffengewalt), Krieg gegen die Natur. Bei der Eroberung neuer Märkte (das Wort zeigt schon die unfriedliche Natur) wird Krieg gegen Konkurrenten, gegen andere Konzerne, gegen die dortigen Händler und Bauern geführt. Und das alles mit staatlicher Unterstützung in Form von Subventionen, Zöllen und Wirtschaftsabkommen.

    Auch Deutschland musste seine Märkte, natürlich auch die Kapitalmärkte, öffnen. Es strömten ausländische Waren und ausländisches Kapital nach Deutschland. Konzerne verschwanden von der Bildfläche, neue Konzerne entstanden. Und vor allen Dingen, die Konzerne wurden größer und größer, mit anderen Worten, sie kumulierten. Und das nicht, weil sie nichts Besseres zu tun hatten, sondern weil sie mussten. Schon Karl Marx hat erkannt, dass das Kapital einem Zwang zur Akkumulation ausgesetzt ist. Wenn das Kapital nicht mehr akkumulieren kann, bedeutet das Krise, bedeutet es Vernichtung von Produktivkräften und Existenzen.

    Die EU ist nicht entstanden, um den Menschen eine Freude zu machen und die einzelnen Nationalitäten näher zu bringen, sondern sie ist einzig und allein deshalb entstanden, weil kein einziger europäischer Staat allein im Konzert der Supermächte mitspielen kann. Weil die Konzerne und die Banken viel leichter mit gesamteuropäischer Rückendeckung ihre Ziele in den einzelnen Ländern durchsetzen und nach außen hin viel stärker und offensiver auftreten können. Und wenn mal eine Bank ins Straucheln geraten sollte, vergisst man schon mal die Prinzipien der freien Marktwirtschaft. Die EU springt mit dem Geld des Steuerzahlers ein, spannt Rettungsschirme auf und greift den gestrauchelten Zockern hilfreich unter die Arme. Und dieses Ausschalten des unternehmerischen Risikos durch den Staat, der eigentlich ein Griff in die Kiste der Planwirtschaft ist, nennt sich dann „soziale Marktwirtschaft“. Unter sozial ist hier nicht die Unterstützung der Armen und Hilfsbedürftigen gemeint, sondern die Unterstützung der Reichen und Vermögenden, die auf keinen Fall ihr Geld verlieren dürfen. Die Bundesregierung (egal welche) hält unentwegt ihre schützende Hand über die Gewinne von Banken, Industrie und Handelsketten, koste es was es wolle. Ihr ist es egal, wieviel Unternehmen und Existenzen ruiniert werden, wieviel Menschen an den Auswirkungen der industriellen Erzeugnisse sterben. Schutz der Menschen ist Nebensache. Letzte Beispiele (März 2018) sind die Verhinderung der Hardwarenachrüstung bei schmutzigen Diesel-Fahrzeugen auf Kosten der Autobauer und die Verhinderung des Verbotes des Umweltgiftes Glyphosat in Europa. Es werden sogar staatliche bzw. kommunale Unternehmen wie die HSH-Nordbank oder das Wohnungsbauunternehmen GSW in Berlin den schlimmsten Auswüchsen des Kapitalismus, den Finanzinvestoren und Hedgefonds, in den nimmersatten Rachen geworfen.

    Auf der anderen Seite baut die Regierung den Überwachungsstaat mit der Begründung der Gefahr durch den Terrorismus aus. Dabei macht die Zahl der Menschen, die durch Terrorismus zu Tode kommen, einen minimalen Bruchteil aus im Gegensatz zur Anzahl der Menschen, die durch industrielle Erzeugnisse sterben.

    Die Verlierer im kapitalistischen Prozess sind die Werktätigen Europas infolge Arbeitslosigkeit, Lohndumping und verschärfter Arbeitshetze. Nur in Ländern wie Deutschland wird ein Teil der Werktätigen noch durch die Extraprofite bestochen, die durch die Ausbeutung anderer Länder und ihrer Werktätigen entstehen.

    Die Verlierer in diesem Prozess sind auch die kleinbürgerlichen Schichten und das mittlere Bürgertum. Konnten sich diese Schichten damals im Nationalsozialismus noch an den Juden bereichern bzw. sich deren Konkurrenz vom Halse schaffen, so sehen sie heute als Lösung der Probleme die Abschaffung des Euro, die Schließung der Grenzen, die Abschottung vor Flüchtlingen, den Austritt aus der EU. Aber bis auf die Abschottung von Flüchtlingen sind diese Ziele nicht im Sinne des Finanzkapitals. Das europäische Kapital braucht offene Grenzen ohne Zollschranken, braucht den Euro und den europäischen Binnenmarkt. An diesen Punkten geraten die nationalistischen Parteien also in Widerspruch zu den Interessen der Großbourgeoisie.

    Diese Parteien werden aber durchaus noch dazu gebraucht, um mit ihrer rassistischen Ideologie Zwietracht, Abneigung und Hass zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu säen. Es ist ja die objektive Funktion des Rassismus, die Probleme, die der Kapitalismus verursacht, wie Niedriglöhne, hohe Mieten, Arbeitslosigkeit und Ruin der Existenz, einer gesellschaftlichen Minderheit in die Schuhe zu schieben. Das ist durchaus im Sinne des Monopolkapitals, weil es damit selbst aus der Schusslinie genommen wird. Deshalb werden Rassisten und Faschisten verharmlost, nicht verfolgt und sogar geschützt.

    Der kapitalistische Staat ist unfähig zur Integration, weil der Privatbesitz an Produktionsmitteln dem entgegensteht. Wer einen Arbeitsplatz bekommt, bestimmen die Unternehmen. Es sind nicht Hüseyin und Achmed, die den KollegInnen bei Amazon einen vernünftigen Tarifvertrag und menschengerechte Arbeitsbedingungen verweigern oder Post-KollegInnen in Billig-Tochterfirmen abschieben.

    Wer eine Wohnung bekommt, bestimmen die Vermieter und die von ihnen festgesetzten Mieten.

    Nicht Fremde, Behinderte, Schwule sind schuld an Befristungsjobs, Hartz IV und Armutsrenten. Sie sind auch nicht schuld an fehlenden Wohnungen und hohen Mieten, nicht schuld an der Vergiftung der Luft durch Stickoxyde und Feinstaub, nicht schuld am Klimawandel, nicht schuld an der Vergiftung der Natur und des Menschen durch Herbizide, Pestizide und Neonicotinoide.

    Dieser Staat lässt das Privateigentum schalten und walten, wie es ihm seine Profitinteressen vorschreiben. Immer dann, wenn Bürger Druck machen und Veränderungen einfordern, werden ein paar kosmetische Änderungen vorgenommen (mehr Pflegepersonal, das immer noch nicht ausreicht, die Mietpreisbremse, die nicht bremst usw. usf.). Aber hier liegt der Casus Knacksus für den Staat. Für den Fall, dass der Druck zu groß wird und sogar die Gefahr einer Revolution besteht, hat sich der Staat seine Instrumente der Überwachung und Unterdrückung geschaffen. Das Kapital hat gezeigt, dass es ohne Probleme zwischen verschiedenen Herrschaftsformen umschalten und sich die politische Kaste gefügig machen kann: Von der konstitutionellen Monarchie im Kaiserreich zur parlamentarischen Demokratie in der Weimarer Republik, zum Faschismus im Dritten Reich und wieder zur parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik. Während Millionen von Menschen in zwei Weltkriegen starben und in Not, Elend und Verzweiflung geworfen wurden, war das Kapital immer der Gewinner.

    Zwischen dem Kleinbürgertum, dessen Zusammensetzung weiter oben beschrieben wurde und dessen reaktionärer Teil von der AfD (siehe auch die Ausführungen zum Wahlprogramm der AfD auf dieser Website: Einige Gedanken zum Programm der AfD – NORBERTs GESCHICHTEN ÜBER GESCHICHTE) vertreten wird, und dem Großbürgertum bestehen sowohl gleiche als auch gegensätzliche Interessen. Das gleiche Interesse besteht in der Verwirklichung von Gewinnen. Sie haben also ein gleiches Interesse an niedrigen Löhnen. Das entgegengesetzte Interesse besteht darin, dass sich jeder ein möglichst großes Stück vom Kuchen abschneiden will, wobei das Großkapital eindeutig am längeren Hebel sitzt, manches kleine Kapital geradezu abhängig ist von Banken und großen Konzernen. Und diese Abhängigkeit der Kleinbürger, ihre Gier nach dem großen Geld, wird sich das Großkapital zunutze machen, um sich Parteien wie die AfD gefügig zu machen. Wie schon ausgeführt, haben die Konzerne ein großes Interesse an offenen Grenzen ohne irgendeine Beschränkung des weltweiten Handels. Das Kleinbürgertum hat dieses Interesse nicht, es macht es sich lieber in einem abgeschotteten Land gemütlich, wie z.B. die Briten mit ihrem Brexit. Aber das funktioniert beim heutige Stand der Globalisierung nicht mehr. Die Länder sind voneinander abhängig. Es wäre ein großer Schritt rückwärts und würde mit der Zeit in einer weltweiten Krise münden.

    Bei den gegenwärtigen politischen Verhältnissen auf der Welt ist solch eine Krise nicht ausgeschlossen. Das wissen die Herrschenden natürlich. Und da Krieg schon immer das beste Mittel gegen die kapitalistische Krise war, bereitet man sich darauf vor. Alle großen imperialistischen Staaten rüsten auf, auch Europa. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen forderte auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2018, dass die EU mehr Eigenständigkeit und Eigenverantwortung übernehmen muss. Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel untermauerte das noch: „Als einziger Vegetarier werden wir es in einer Welt der Fleischfresser sehr schwer haben“. Man will also eindeutig Fleischfresser werden.

    Vor allen Dingen die USA können einen Krieg gut gebrauchen. Die amerikanische Wirtschaft, bis auf einige wenige Branchen, steckt schon ziemlich lange in der Krise. Stichworte: Deindustriealisierung (Beispiel: Detroit), anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung, marode Infrastruktur. Die Geschäfte der Rüstungsindustrie laufen dagegen glänzend. Also facht die Trump-Regierung erst mal einen Handelskrieg an. Den kann sie auch mit Tatsachen begründen. Die EU belegt einige Waren mit höheren Einfuhrzöllen als die USA, z.B. Kraftfahrzeuge. Mit den Einfuhrzöllen auf Stahl und Aluminium will Trump der heimischen Stahlindustrie einen kurzfristigen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Solchermaßen abgeschottete Industrien führen aber keine Innovationen mehr durch, d.h. sie werden noch konkurrenzunfähiger. Außerdem kann die amerikanische Stahlindustrie die einheimische Nachfrage nach Stahlprodukten nicht befriedigen. Der Stahl aus dem Ausland verteuert sich aber für die stahlverarbeitende Industrie durch die Zölle. Das Ganze ist also wirtschaftlich ein Schuss ins eigene Knie. Politisch wird dadurch die nationalistische Stimmung angeheizt. Das Manöver entpuppt sich also als Schachzug zur Vorbereitung eines neuen Krieges, um die Amerikaner von diesem Krieg überzeugen. Wir brauchen aber nicht nach Übersee zu schauen, wir haben unsere eigenen Trumps. Der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer will die Kontrollen an den deutschen Grenzen wieder verstärken, was bekanntlich Gift ist für den freien Handel. Es läuft aber auf dasselbe wie in den USA hinaus: Anheizen der nationalistischen Stimmung.

    Jede Regierung, die einen Krieg vom Zaun brechen will, braucht irgendeinen Vorwand oder eine Lüge, um die Massen für den Krieg zu begeistern. In Europa z.B. brauchte nur ein Adliger aus dem Fenster geschmissen (Prager Fenstersturz) oder ein Thronfolger ermordet (Attentat von Sarajewo) zu werden, schon hatte man seine Begründung. Das nationalsozialistische Deutschland schoss nur zurück. Die Sowjets verschoben ihre Grenzen daraufhin weit ins Nachbarland Polen vor, natürlich nur zum Schutz der dort lebenden Menschen. Der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) erfand Massaker und einen serbischen Plan zur militärischen Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo, um Deutschland in seinen ersten Krieg nach dem Weltkrieg II hieneinzuziehen. Der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) verschob die deutschen Grenzen ganz weit weg. Er verteidigte die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch. Grundsätzlich wird sich heute sowieso nur verteidigt, auch wenn man angreift. Aber was soll man heutzutage in Europa verteidigen? Gott und die Religion ziehen nicht mehr so recht bei den vielen Gottlosen, die heutzutage herumlaufen. Auch das christliche Abendland mit seinen vielen Gräueln gegenüber Nicht- und Andersgläubigen hat nicht die richtige Wirkung. Die Verteidigung des Vaterlandes ist durch den Kaiser und die Nationalsozialisten in Verruf gekommen und verschlissen. Sie haben sich dieser Terminologie bedient, um die Massen für den Krieg zu begeistern.

    Da ist man jetzt auf die glorreiche Idee der Heimat verfallen. Damit will man die Menschen auf den kleinen Bereich in ihrer unmittelbaren Nähe beschränken. Das ist im Grunde auch nichts anderes als das verstaubte Vaterland. Es ist nur ein anderes Wort mit demselben nationalistischen Hintergrund. Das Kapital dagegen denkt und handelt international, es ist international. Zur Akkumulation verdammt beutet es die ganze Welt aus und zerstört sie. Deshalb kann der Kampf gegen die weltweite Ausbeutung, gegen die Zerstörung der ganzen Welt auch nur international und nicht nur national geführt werden. Ein wie auch immer sich nennender nationaler oder gar regionaler Sozialismus bringt uns keinen Schritt weiter. Im Gegenteil, er ist nur ein Versuch des Bürgertums, die Werktätigen auf der ganzen Welt zu spalten und vom Kampf gegen den gemeinsamen Feind, das Kapital, abzubringen.Wir müssen die künstlichen Barrieren, die nationalen Grenzen, niederreißen, wenn wir Erfolg haben wollen.

    Deshalb müssen wir mit dem Kapitalismus auch den Nationalismus überwinden. Ein zweites 1933, auch im europäischen Rahmen, darf es nicht geben. Einen dritten Weltkrieg auch nicht. Es hängt allein von uns ab, wie sich die Geschichte weiter entwickeln wird. Auf Staat, Regierung und Parteien können und sollten wir uns nicht verlassen.

     

     

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