Italienische Verhältnisse unter Meloni

Bundeskanzler Olaf Scholz, der Sprecher des deutschen Großbürgertums, findet seine Kollegin, die italienische Ministerpräsidentin und Postfaschistin Georgia Meloni schlicht und einfach gut und schätzt Italien als verlässlichen Freund und die Beziehungen zwischen beiden Ländern als eng und vertrauensvoll ein. Auch die deutsche Kommissionspräsidentin der EU, Ursula von der Leyen, biederte sich bei Meloni an.

Natürlich, die deutsche Wirtschaft profitiert von der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Italien und wie die Postfaschisten in Italien den Staat umbauen, könnte als Vorbild für Deutschland dienen.

Schauen wir uns das Ganze mal genauer an:

Am 22.11.2023 wurde zwischen der deutschen und der italienischen Regierung (also der Meloni-Regierung) ein Deutsch-italienischer Aktionsplan für strategische Zusammenarbeit auf bilateraler und EU-Ebene unterzeichnet. Solch ein Abkommen gibt es schon mit Frankreich. (https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975228/2244468/dc5441c1b7497c5855a723c87ffbf3a8/2023-11-22-dtitaktionsplan-data.pdf)

Dieser Plan umfasst viele Bereiche der staatlichen, wirtschaftlichen, sozialen, militärischen und kulturellen Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten und der EU. D.h. die deutsche Bourgeoisie geht davon aus, dass auch die  Regierung Meloni fest zur EU steht. In dem Abkommen steht auf S. 20:

Angesichts dessen, dass Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in vielen Teilen der Welt unter Druck sind, treten Italien und Deutschland gemeinsam für die Bewahrung und die Weiterentwicklung der regelbasierten Weltordnung ein. Rechtsstaatlichkeit ist ein Eckpfeiler Europas. Deutschland und Italien werden sich im Europarat und in der Europäischen Union für die Verteidigung und Förderung eines starken Ansatzes zur Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit einsetzen.“ Das ist natürlich ein Hohn, bezogen auf die Lage in Italien.

Kein EU-Land bekommt mehr finanzielle Mittel von der EU für die Beseitigung der Folgen der Corona-Pandemie wie Italien. Es bekommt 68,9 Mrd. € aus der sog. Aufbau- und Resilienzfazilität als nicht rückzahlbaren Zuschuss und weitere 122,6 Mrd. in Form von billigen Krediten. Außerdem bekommt es noch 42,7 Mrd. € aus der Kohäsionspolitischen Förderung, sowie 2,7 Mrd. der EU-Finanzierung REPower. (https://www.gtai.de/de/trade/italien/specials/konjunktur-und-hilfsprogramme-532466 und https://www.gtai.de/de/trade/italien/specials/eu-foerderung-in-italien-673136)

Dieses Geld bekommen u.a. große italienische Unternehmen in Form von Steuergutschriften für die Anschaffung von Industrie 4.0-Ausrüstung. Davon profitieren wiederum deutsche Firmen, die diese Ausrüstung liefern. Auch die italienische Bahn bekommt ihren Anteil an der Förderung. Auch davon profitieren deutsche Firmen, weil die italienische Bahn mit Vorliebe bei deutschen Firmen einkauft. Deutsche Firmen haben auch direkten Zugang zu den Fördergeldern, wenn sie mit einer italienischen Steuernummer und Rechtsform registriert und im Land aktiv sind.

Die Meloni-Regierung gerät bisweilen sogar in Widerspruch zwischen ihrer Klientel und der EU. Da ist dieser jahrelange Streit um die Strandbäder. Es gibt ca. 30.000 privat betriebene Strandbäder, die in Familienbesitz sind, teilweise auch der Mafia gehören. Die EU will schon seit 2006, dass die Lizenzen dafür öffentlich und europaweit ausgeschrieben werden, damit auch Unternehmer aus anderen EU-Ländern diese Lizenzen bekommen können. Das lehnen die italienischen Strandbäderbetreiber aber seit 18 Jahren ab. Sie beschäftigen saisonal bis zu 300.000 Arbeitskräfte. Sie rufen bis zu 80 € für 2 Liegestühle und einen Sonnenschirm pro Tag auf, bezahlen aber nur geringe Gebühren an die Gemeinden. Bis Januar 2024 sollte die EU-Richtlinie durchgesetzt sein. 2 Strafverfahren wurden schon von der EU durchgeführt. Die Schwierigkeit für Meloni ist, dass die Bäderbetreiber zum größten Teil Wähler ihrer Partei, der Fratelli d’Italia sind. (https://www.diepresse.com/18642924/meloni-beisst-sich-an-strandbad-betreibern-die-zaehne-aus)

Auf der anderen Seite streicht die Meloni-Regierung massiv eine der wenigen Sozialleistungen. Zeitweise erhielten über eine Million Italienerinnen und Italiener das reddito di cittadinanza, das italienische Bürgergeld, das erst 2019 eingeführt wurde. Während der Pandemie hatte es viele ItalienerInnen vor der totalen Armut geschützt. Ab Januar 2024 gibt  es stattdessen ein niedrigeres Inklusionsgeld für Haushalte, in denen Kinder und Senioren leben. Allerdings nur so lange, bis eine arbeitsfähige Person zwischen 18 und 59 Jahren in deren Haushalt ein Jobangebot ablehnt. Für Personen im arbeitsfähigen Alter gibt es nur noch ein Qualifizierungsgeld: 350 Euro monatlich, ein Jahr lang, und nur, wenn man an Maßnahmen teilnimmt. (https://www.zeit.de/2023/47/buergergeld-italien-folgen-donato-di-carlo)

Während sich die bundesdeutsche Regierung darüber streitet, wie man den Bürgern schmackhaft machen kann, dass man den angeblichen Leistungsverweigerern das Bürgergeld kürzt oder ganz streicht, geht man in Italien radikal gegen die Ärmsten der Armen vor. Man weiß nicht, ob die deutsche Regierung darüber neidisch oder ob sie klüger ist als die italienische Regierung. Weil. die radikale Vorgehensweise erzeugt ja einen größeren Solidarisierungseffekt bei Protesten. Bloß, in Italien gab es zwar Proteste gegen diese Strangulierung der Armen, aber sie hielten sich bisher in Grenzen. Was aber nicht heißt, dass sie nicht doch stärker werden könnten.

Meloni treibt den Umbau des Staates voran. Sie besetzt wichtige Posten mit ihren Anhängern, besonders auch beim Staatsfernsehen RAI. Einflussreiche Manager wurden ausgetauscht. Die rechte Regierung greift über ihre Gefolgsleute direkt in das Programm der RAI ein. Wäre je auch noch schöner, wenn man abweichenden Meinungen eine Plattform gibt. Bekannte Journalisten und Moderatoren verließen daraufhin den Sender.

Dagegen gab es Proteste: Eine Sprecherin der Frühnachrichten verliest einen Protest der Journalisten-Gewerkschaft: Die Kontrollen von Seiten der obersten Führungsriege der RAI über die Nachrichten, so heißt es, würden von Tag zu Tag erdrückender. „Wir stehen vor einem allgegenwärtigen Kontrollsystem, das gegen die Grundsätze journalistischer Arbeit verstößt.“  (Italiens Staatsender RAI: Zensurvorwurf gegen Regierungschefin Meloni | tagesschau.de)

Zum 6.5.2024 hatte die Journalisten-Gewerkschaft Usigrai zum Streik aufgerufen. 75 bis 85 Prozent der Journalistinnen und Journalisten beteiligten sich an dem Streik.

Des Weiteren zieht die Regierung Meloni eine Verfassungsreform durch, nach der u.a. MinisterpräsidentIn (also Meloni) mehr Macht bekommt und  nicht mehr so leicht gestürzt werden kann. Die Vorsitzende des sozialdemokratischen PD, Elly Schlein, warnt: „Faktisch demontiert diese Reform die parlamentarische Republik, so wie wir sie bislang gekannt haben.“ (Mehr Macht für Italiens Ministerpräsidentin Meloni | tagesschau.de)

Vor allen Dingen wird in Italien gerade ein Kulturkampf durchgeführt. Der Faschismus soll wieder salonfähig gemacht werden. Die Casa-Pound-Bewegung, die sich selbst Faschisten des dritten Millenniums nennen und von der Regierung Meloni wohl gelitten wird, ist angetreten, um eine Konservative Revolution durchzuführen (Italien – Der Angriff der Rechten auf die Demokratie).

Die erste große Kraftprobe zwischen der Regierung und der Arbeiterklasse ging  zugunsten der Regierung aus, weil Vizepremier und Transport- und Infrastrukturminister, sowie Bundessekretär der rechtsextremen Partei  Lega, Matteo Salvini mit drakonischen Maßnahmen gedroht hat und die Gewerkschaftsführungen eingeknickt sind. Im November 2023 hatten die Gewerkschaften CGIL und UIL im öffentlichen Dienst zum Generalstreik aufgerufen.  Sie forderten  höhere Gehälter und Renten, eine Erneuerung der Tarifverträge, die Abschaffung der Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, generell eine Politik für die junge Generation und Arbeitsplatzsicherheit. Salvini hatte von den Vorsitzenden von CGIL und UIL, Maurizio Landini und Pierpaolo Bombardieri, gefordert, die Einschränkungen für Züge und öffentlichen Transport auf vier Stunden am Vormittag zu beschränken. Da die Gewerkschafter sich weigerten, wandte Salvini sich an die parlamentarische Kommission, deren Aufgabe es angeblich ist, darauf zu achten, dass der rechtlich festgelegte Anspruch auf Streik nicht beschnitten wird. Die Kommission gab Salvini Recht, mit der Begründung, es handle sich nicht um einen echten Generalstreik – unter anderem deshalb nicht, weil der Privatsektor davon ausgeschlossen sei.

Als die Gewerkschaft trotzdem auf den acht Stunden auch im Nah- und Fernverkehr bestanden, drohte Salvini damit, die Arbeitnehmer zum Erscheinen bei der Arbeit zu verpflichten, die Gewerkschaften mit einer  Geldbuße von bis zu 100.000 zu bestrafen und auch jedem renitenten Arbeiter eine Strafe von bis zu 1000 Euro aufzuerlegen.  Daraufhin knickten die Gewerkschaftsführer ein.  Der Streik wurde in den zwei  Bereichen auf vier Stunden begrenzt.  Bei  solchen Gewerkschaftsführungen wundert es nicht, dass die Faschisten leichtes Spiel haben.

Und das alles hört sich doch in den Ohren des deutschen Großbürgertums nicht schlecht an. Für sie ist das ein vorbildliches Verhalten. Die Faschisten werden  halt wieder gebraucht als Bündnispartner gegen die Arbeiter und sonstige aufmüpfigen Strömungen. Sie werden gebraucht für den Abbau von Freiheit und demokratischen Rechten. Aber natürlich nur unter dem Vorbehalt, dass die jeweiligen Rechtsextremisten, Rechtspopulisten, Post- und Neofaschisten  die EU und den EURO nicht in Frage stellen. Und das ist von Land zu Land in Europa verschieden.

Die AfD z.B. ist nicht bereit, ihre Forderung nach Austritt aus der EU und dem EURO fallen zu lassen. Deshalb wird sie von der Großbourgeoisie auch bekämpft.

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