Marxismus und Dogmatismus

Die Bourgeoisie stellt den Marxismus gern als Dogma hin. Dabei ist der Marxismus das genaue Gegenteil. Die dem Marxismus zugrunde liegenden Weltanschauung ist der Materialismus. Der Materialismus geht aus von der Materie und ihren Bewegungsgesetzen als Ursprung des Seins. Er ist eine Wissenschaft, ein Werkzeug, um die Materie und ihre Bewegungsgesetze zu untersuchen. Auch die Gesellschaft unterliegt bestimmten Entwicklungsgesetzen, die von Marx und Engels untersucht wurden. Der Materialismus kennt kein für die Ewigkeit Feststehendes. Alles ist im Fluss, wussten die alten Griechen schon. Der Materialismus steht damit im Gegensatz zum Idealismus, der das Bewusstsein, den Geist als Ursprung des Seins annimmt. Die Religion z.B. ist eine idealistische Ideologie. Die Bourgeoisie hat es sogar geschafft, den Materialismus als den Hang zum Materiellen, also Reichtum und Macht hinzustellen. Damit hat er aber überhaupt nichts zu tun. 

Dass das Bürgertum den Marxismus überhaupt als Dogma hinstellen kann, liegt zum großen Teil bei den Führern der kommunistischen Weltbewegung, die selbst den Marxismus wie ein Dogma gehandhabt haben. Allein die Bezeichnung Marxismus ist falsch und irreführend. Sie suggeriert, dass der Marxismus eine eigene, in sich geschlossene Denkweise ist, der man zwar in Gestalt von Marx ein Denkmal errichten kann, aber den Inhalt ansonsten nicht sehr ernst nimmt. Das schien Marx vorausgeahnt zu haben, denn er sagte von sich, er sei kein Marxist. Der Verdienst von Marx und Engels ist, dass sie meisterhaft die Denkweise und die Kernaussagen des historischen und dialektischen Materialismus auf die Wirklichkeit angewendet haben. Sie waren nicht die ersten Materialisten und werden nicht die letzten sein. Hätten die Führer der kommunistischen Weltbewegung Lenin, Stalin und Mao auf die Ratschläge von Marx gehört und nicht versucht, mit aller Gewalt den Sozialismus in ihren Ländern durchzusetzen, die dafür noch gar nicht reif waren, wäre diesen Ländern viel Not und Elend erspart geblieben und würde es in der Welt nicht so viel Abneigung gegen den Kommunismus geben.

Hier ein paar Beispiele für den Dogmatismus der damals führenden Köpfe: Im Jahre 1919 wurde die Komintern, die Kommunistische Internationale gegründet, ein Zusammenschluss von kommunistischen Parteien.

Beim Gründungskongress der Komintern 1919 rief Lenin die anderen Parteien auf, unbedingt die Weltrevolution durchzuführen. Das konnte gar nicht klappen, lagen doch in den verschiedenen Ländern ganz unterschiedliche Bedingungen vor, die von den einzelnen KP’s sorgfältig geprüft und dementsprechend Schlüsse gezogen werden müssen. Das hat in Deutschland bei einzelnen Aufständen mehreren Genossen das Leben gekostet.

Beim II. Weltkongress der Komintern 1920 wurde der Leninsche Demokratische Zentralismus (DZ) als verbindliche Organisationsstruktur für die Mitgliedsparteien festgelegt. D.h. es wurde den Parteien wenig Demokratie, aber viel Zentralismus und Unterordnung aufs Auge gedrückt. Der DZ galt auch für die Komintern. Die einzelnen Parteien mussten ihre Eigenständigkeit aufgeben und wurden nationale Sektionen der Komintern. Das Exekutivkomitee der Komintern (EKKI) bekam so die absolute Macht über alle Mitgliedsparteien. Die KP Russlands (B), die spätere KPdSU legte über das unter ihrem Einfluss stehende Exekutivkomitee die Leitlinien fest, welche Politik oder welches Ziel die Parteien in der Komintern zu verfolgen hatten. Ein Ding der Unmöglichkeit für eine Kommunistische Partei.

Beim VI. Weltkongress 1928 tischte Stalin die Sozialfaschismustheorie auf. Die besagt, dass die SPD sozialistisch in Worten, aber faschistisch in der Tat sei und man sie deshalb bekämpfen muss. Ganz abgesehen, dass das so nicht stimmt, war doch von vornherein klar, dass diese Theorie die Arbeiterklasse spaltet. Die deutsche KP musste diese irrsinnige Theorie in die Tat umsetzen und tat das auch. Aber einen Zweifrontenkampf gegen die Faschisten und die Sozialdemokratie konnte die KPD nicht gewinnen. Diese Theorie  hat stark dazu beigetragen, den Faschismus in Deutschland an die Macht zu bringen.

So etwas wurde aber als Weiterentwicklung des Marxismus oder als eigener Weg zum Sozialismus verkauft. Wer damit nicht einverstanden war, der wurde als Links- oder Rechtsabweichler oder Revisionist diffamiert, verfolgt und auch ermordet.

Natürlich kann man sich bei der Untersuchung der Bewegung der Materie, bzw. Gesellschaft,  irren. Es wird durch die Praxis, die Wirklichkeit, erwiesen, ob man richtig lag oder nicht. Aber eine Theorie, die nur von einigen Wenigen erarbeitet und dann den anderen aufgedrückt wird, birgt von vornherein die Gefahr in sich, falsch zu sein.

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