Wie kam es 1933 zum Faschismus? – Faschismus in Deutschland Teil I

Abschnitt 9  Arisierungen

Christian v. Ditfurth formulierte unübertrefflich am 23.02.07 in der Zeitung Die Welt am Anfang seines Artikels über die Plünderung des Kondomhersteller Fromm: „Im Wettstreit um die übelste Gemeinheit dürfte es nur wenige Erfindungen geben, die es mit dem aufnehmen können, was die Nazis „Arisierung“ genannt haben. Die nichts anderes bedeutete, als dass ein Teil des deutschen Volks – die „Arier“ – einen anderen Teil – die Juden – ausplünderte bis aufs Unterhemd.

Es war spätestens seit dem Mai 1938 ein systematischer Feldzug, an dem sich jede Räuberbande eine Scheibe hätte abschneiden können. Nachdem die Nazis den Juden so ziemlich jeden Beruf verboten hatten und auch sonst alles, was in modernen Gesellschaften nützlich oder angenehm ist, verboten sie ihnen schließlich auch, etwas zu besitzen. Und als die Juden nichts mehr besaßen außer ihrem Leben, nahmen die „Arier“ ihnen auch das.“ [Geschichte : Wie die Nazis einen Kondomhersteller plünderten – Nachrichten Kultur – Literarische Welt – DIE WELT]

Und die deutschen Banken verdienten nicht schlecht bei der Übernahme von Unternehmen, die den Juden gehörten. Dabei lieferten sich die Deutsche und die Dresdner Bank einen scharfen Konkurrenzkampf. Die Deutsche Bank übernahm im Jahre 1938 ohne Gegenleistung die gesamte Praxis und Kundschaft des sehr prominenten Bankhauses Mendelssohn & Co. Berlin und gründete im gleichen Jahr das Bankhaus Burkhardt & Co, um das Geschäft der großen privaten Essener Simon-Hirschland-Bank zu übernehmen.

Die Banken gewährten ihren Kunden in großem Umfang Kredite, um sie bei dem Erwerb und der Finanzierung nichtarischen Geschäftseigentums zu unterstützen. Sie beschafften neue Käufer für Besitztümer. Sie kauften auch selbst zahlreiche zu arisierende Firmen auf und verkauften sie mit gutem Gewinn weiter. Damit hatten sie alle Hände voll zu tun. Es wurde in allen besetzten Gebieten arisiert: in den Niederlanden, in Belgien, Luxemburg, Frankreich, Tschechoslowakei, Österreich, Polen.

Die erzielten Gewinne waren phänomenal: Im Arisierungsbericht der zur Dresdner Bank gehörenden Böhmischen Escompte Bank (BEB) wird festgestellt dass dort durchschnittlich 2,11 % Vermittlungsprovision anfielen. Bei der Arisierung von Teilen des Petschek-Konzerns (hier machte auch Friedrich Flick einen großen Reibach) erhielt die BEB 4% des Kaufpreises als Provision plus 6,5 % Zinsen für die benötigten Kredite. Bis April 1941 arisierte die BEB Unternehmen zu einem Kaufpreis von 232 Millionen Kronen und steckten dafür 4,9 Millionen Kronen Provision ein. Bis August 1941 kamen noch einmal 500.000 Kronen dazu.

Und wenn mal etwas nicht so schnell ging, wie die Banken sich das vorstellten, dann griff man auch schon mal zu härteren Maßnahmen: Baron Louis Rothschild wurde zwei Tage nach dem Anschluss Österreichs verhaftet, praktisch als Geisel im Kampf um Rothschilds Witkowitz Bergbau- und Eisenhütten (hier wurden später Teile für die V2 produziert) und ein Tochter-Werk in Schweden im Wert von rund 10 Millionen Pfund Sterling. Für 3,6 Millionen Pfund und die Freilassung von Baron Louis bekamen die Deutschen schließlich die Werke. Geleitet wurden die ganzen Verhandlungen von Dresdner Bank-Chef Dr. Karl Rasche, der sich im August 1939 nach Abschluss der Aktion beim Chef des persönlichen Stabes des Reichsführers SS, SS-Gruppenführer Wolf für die aktive Hilfe bedankte. Die Verhaftung von Baron Louis Rothschild sowie wertvolle Informationen hatten „dazu geführt, die Kaufpreisbasis mit selbst von der Gegenseite anerkannten Argumenten um einen wesentlichen Devisenbetrag zu ermäßigen. Es ist mir ein Bedürfnis, mich auch auf diesem Wege vielmals für diese so besonders wirksame Unterstützung, über die ich Ihnen gelegentlich unserer nächsten Zusammenkunft gern Näheres berichten würde, zu bedanken.“ [Ulrich Herbert, Zwangsarbeiter im Dritten Reich – ein Überblick, in Barwig/Saathoff/Weyde (Hg): Entschädigung für NS-Zwangsarbeit, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden 1998, S. 18] [(siehe auch: GELSENZENTRUM Gelsenkirchen – Deutsche Bank und Dresdner Bank – Gewinne aus Raub, Enteignungen und Zwangsarbeit 1933-1945]

Auch die Deutsche Bank arisierte Firmen, während der jüdische Besitzer im KZ saß, wie aus den O.M.G.U.S.-Akten hervorgeht. Das die bei der Arisierung gewählten Methoden sogar Anhänger der Nationalsozialisten abstieß, macht der Brief eines als Sachverständiger bei Arisierungsfragen herangezogenen Kaufmanns, nach eigenen Angaben Nationalsozialist, SA-Mann und Bewunderer Hitlers, deutlich: er sei „von den brutalen Maßnahmen und … dieser Art von Erpressungen an den Juden derart angeekelt, dass ich von nun ab jede Tätigkeit bei Arisierungen ablehne, obwohl mir dabei ein guter Verdienst entgeht… Als alter rechtschaffener ehrlicher Kaufmann [kann] ich nicht mehr zusehen, in welch schamloser Weise von vielen arischen Geschäftsleuten, Unternehmern etc. versucht wird…, die jüdischen Geschäfte, Fabriken etc. möglichst wohlfeil und um einen Schundpreis zu erraffen. Die Leute kommen mir vor wie die Aasgeier, die sich mit triefenden Augen und heraushängender Zunge auf den jüdischen Kadaver stürzen…“ [Avraham Barkai, Schicksalsjahr 1938, S. 107]

Arisiert wurde nicht nur aus dem Grunde, sich fremdes Eigentum durch Diebstahl anzueignen, sondern auch, um lästige Konkurrenz auszuschalten. Das führte wiederum zu einer stärkeren Konzentration und größeren Monopolbildung. Viele mittelständische Betriebe wurden ausgeschaltet oder von größeren Betrieben übernommen. Auch Der Spiegel kommt in seinem Artikel vom 27.03.1967 „Arisiert und konzentriert“ zu diesem Schluss. [DER SPIEGEL 14/1967 – Arisiert und konzentriert ]

Am 21.12.1987 stellt Der Spiegel in dem Artikel „Arisierung: Keiner hat hier was zu feiern“ eine beeindruckende Liste der arisierten Betriebe zusammen. [DER SPIEGEL 52/1987 – Arisierung: Keiner hat hier was zu feiern ]

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