Wie kam es 1933 zum Faschismus? – Faschismus in Deutschland Teil I

Abschnitt 8  Die Regisseure und Profiteure

Einige Konzerne sollen hier exemplarisch zeigen, wie eng die Monopole mit dem nationalsozialistischen Staat verbunden waren und wie sie gegenseitig profitierten: IG Farben, Siemens und Krupp. Und fehlen dürfen an dieser Stelle auch die deutschen Banken nicht.

Abschnitt 8.1  IG Farben

Am 2. Dezember 1925 schlossen sich 8 große deutsche Chemiefirmen zur I.G.-Farbenindustrie Aktiengesellschaft zusammen. Grundlage für diesen Zusammenschluss war die Einsicht, dass man im internationalen Konkurrenzkampf nur auf der Grundlage einer großen Kapitalbasis und mithilfe einer besseren Aufgabenverteilung und Arbeitsteilung in einem einheitlichen Konzern bestehen konnte. Die wichtigsten Vorhaben, die die weitblickenden führenden Köpfe der Farbenindustrie, u.a. Carl Duisberg, Carl Bosch, Hermann Schmitz, Carl Krauch, Fritz Haber, Fritz ter Meer, (der Aufsichtsrat der I.G. Farben nannte sich im internen Kreis: Rat der Götter) mithilfe dieser I.G. durchsetzen wollten, waren die Herstellung von synthetischem Öl und von synthetischem Gummi. Man hatte gelernt aus dem 1. Weltkrieg. Die Abhängigkeit von den Rohstoffen dieser Welt war ein entscheidender Grund für Deutschlands Niederlage.

Die Abhängigkeit von chilenischem Salpeter für die Herstellung von Schießpulver hatte die BASF schon im 1. Weltkrieg beseitigt.

Ab Mai des Jahres 1915 war die Firma in der Lage, synthetisches Ammoniak als Grundlage für Dünger, aber auch für Schießpulver in Massen herzustellen. Möglich wurde das durch das Haber-Bosch-Verfahren, so genannt nach den beiden Erfindern Carl Bosch und Fritz Haber.

Um die Kapazitäten der BASF zu erweitern, war der Neubau einer riesigen Haber-Bosch-Anlage erforderlich. Die BASF erhielt für den Bau der Anlage in Leuna die Unterstützung der kaiserlichen Regierung. Hinfort war der finanzielle Erfolg von BASF ungeheuer. Während des gesamten I. Weltkrieges konnte die BASF an ihre Anteilseigner eine 25-prozentige Gewinnausschüttung vornehmen. Und nachdem sich Gustav Krupp und Carl Duisberg, der anerkannte Sprecher der Farbenindustrie, bei Hindenburg und Ludendorff über Arbeitskräftemangel beschwert hatten und eine Öffnung des belgischen Arbeitskräftereservoirs vorgeschlagen hatten, begann die deutsche Armee mit der Verschleppung von belgischen Arbeitern in deutsche Fabriken. Es spielten sich herzzerreißende Szenen ab. Die deutschen Soldaten drangen einfach in die Wohnungen ein, entführten die arbeitsfähigen Männer, versperrten die Türen mit ihren Bajonetten und pferchten die Gefangenen in Waggons.

Insgesamt wurden 60.000 Belgier deportiert. Auch die Verschleppung von Arbeitskräften war also keine Erfindung der Nazis, sondern sie wurde schon vorher vom kaiserlichen Staat erprobt.

Diese Aktion erwies sich aber als Flop, weil sich die belgischen Arbeiter trotz Versprechungen und Drohungen weigerten, zu arbeiten und wieder nach Hause zurück verfrachtet werden mussten.

Und weil das Schießpulver vor der industriellen Fertigung des synthetischen Produkts schon mal knapp wurde und ein regelmäßiger Munitionsnachschub nicht gewährleistet werden konnte, versuchte man es erst einmal mit den Abfallprodukten der Farbenindustrie: Brom und Chlor und sonstigen giftigen Chemikalien.

Obwohl die Haager Konvention, die auch Deutschland unterzeichnet hatte, den Einsatz von Giftgas geächtet hatte, wurden am 22. April 1915 unter Leitung des schon angesprochenen Wissenschaftlers Fritz Haber die Behälter mit Chlorgas bei Ypres (Ypern) in Belgien geöffnet. Noch vor dem Abend lagen 15.000 Männer auf dem Schlachtfeld, ein Drittel davon tot. Der Tod war nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal ein Meister aus Deutschland.

Bis zum Ende des I. Weltkrieges schafften es aber die deutschen Chemiker noch nicht, einen synthetischen Ersatz für Rohöl industriell herzustellen. Der Chemiker Bergius hatte zwar schon ein Verfahren zur Umwandlung von Kohle in Öl unter Hochdruck entwickelt, aber es gelang ihm nicht, dieses Verfahren zur Serienreife zu bringen.

Mit einem neuen Krieg, wie er ja schon in den 20er Jahren vorbereitet wurde (neben der offiziellen vom Versailler Vertrag zugelassenen Reichswehr wurde eine illegale Schwarze Reichswehr aufgebaut, die ab 1923 intensiv auf einen Waffengang mit Frankreich vorbereitet wurde), würde sich das Betätigungsfeld der Chemiefirmen ganz erheblich verbreitern. Im Vordergrund stand die synthetische Herstellung von Öl, die von Bosch im Vertrauen auf seine eigenen Fähigkeiten energisch vorangetrieben wurde. Noch bevor der Vertrag über den Zusammenschluss der Farbenfirmen unterzeichnet war, erwarb der persönliche Finanzberater von Bosch, Hermann Schmitz, im Namen der noch gar nicht gebildeten I.G. Farben, die Rechte auf das Bergius-Patent. Kurze Zeit später arbeitete man in Oppau schon an der Umstellung der Anlage auf die Treibstoffherstellung.

Bereits im Juni 1926 war das Verfahren so weit entwickelt, dass Bosch eine Anweisung zum Bau einer riesigen Anlage nach dem Bergius-Prinzip direkt neben der Haber-Bosch-Anlage in Leuna geben konnte. Die neue Anlage litt nach Fertigstellung aber unter Betriebsausfällen und technischen Problemen. Außerdem war das Ganze sehr kostenaufwendig. Der Preis des synthetischen Öls lag bei vierzig bis fünfzig Pfennigen pro Liter, während Benzin aus Rohöl nur sieben Pfennige kostete. Also musste staatliche Unterstützung her. Im Juni 1932 wurde die NSDAP stärkste Partei in Deutschland. Was lag also näher, als mit Hitler Kontakt aufzunehmen, um zu erkunden, womit man rechnen konnte, sollte er Reichskanzler werden. Während des Treffen zwischen ihm und den Abgesandten der I.G. Farben interessierte sich Hitler brennend für die Ölsynthese und sicherte den Vertretern der I.G. seine volle politische und finanzielle Unterstützung zu. Nachdem Bosch über die Ergebnisse der Unterredung unterrichtet wurde, sagte er: „Der Mann ist vernünftiger, als ich dachte“. (Das denjenigen ins Stammbuch geschrieben, die in Hitler einen Wahnsinnigen sehen. Auch er hatte aus den Erfahrungen mit der Abhängigkeit von Rohstoffen im I. Weltkrieg gelernt.)

Folgerichtig unterstützte die I.G. Farben die NSDAP am 20. Februar 1933 bei einem Geheimtreffen von führenden Vertretern aus der Finanz- und Industriewelt im Haus von Hermann Göring mit der bei weitem größte Einzelspende von 400.000 RM.

Diese Unterstützung des Ölprogramms wiederholte Hitler auch in einem persönlichen Treffen mit Bosch, nachdem er Kanzler geworden war. In einem Punkt war Hitler allerdings unnachgiebig. Unter vielen anderen Mitarbeitern der I.G. war Haber ein Jude, d.h. er war gebürtiger Jude.

Mit 24 Jahren war er zum Protestantismus übergetreten. Als Bosch Hitler davon zu überzeugen suchte, dass die Vertreibung jüdischer Wissenschaftler die deutsche Physik und Chemie um hundert Jahre zurückwerfen würde, schrie Hitler: „Dann werden wir hundert Jahre lang ohne Physik und Chemie arbeiten!“

Haber flüchtete. Der deutsche Patriot jüdischer Herkunft Professor Fritz Haber, der sich große Verdienste um die Herstellung von Massenvernichtungswaffen für den deutschen und internationalen Imperialismus erworben hatte und der den Tod von Tausenden von Menschen nicht nur in Belgien verschuldet hatte, starb 1934 als gebrochener Mann in Basel. Auch er konnte es nicht begreifen, dass ein imperialistischer Staat, der einen großen Teil der Massen hinter seinen blutigen Fahnen versammeln will, Feinde braucht. Davon hatten die Nazis gleich zwei anzubieten: Einerseits das Schreckgespenst des menschenfressenden Bolschewismus (der Kommunismus als natürlicher Feind des Kapitalismus beunruhigt das Bürgertum seit den Anfängen der Arbeiterbewegung), andererseits der Antisemitismus, der sich schon seit Hunderten von Jahren tief im kollektiven Gedächtnis der Kleinbürger eingegraben hatte. Und damit es seine Wirkung nicht verfehlte, wurde beides noch zusammengemixt. Gegen diesen teuflischen Mix halfen Haber und seinen Leidensgefährten auch kein Patriotismus und keine Verdienste.

Carl Krauch, einer der Direktoren der I.G. Farben, überreichte am 15. September 1933 dem Göringschen Luftfahrtministerium einen Aufsatz über die deutsche Treibstoff-Wirtschaft. Er entwickelte einen Vier-Jahres-Plan zur Ausweitung der Produktion einheimischer Treibstoffe, der die dreieinhalbfache Steigerung der Treibstoffherstellung aus inländischen Rohstoffen vorsah. Das Luftfahrtministerium und auch das Heereswaffenamt gaben ihre Zustimmung.

Am 14. Dezember 1933 unterzeichneten Vertreter der I.G. Farben und des Dritten Reiches einen von Hitler persönlich befürworteten Vertrag. Danach sollte die I.G. ihre Anlagen in Leuna bis Ende 1937 auf eine Kapazität von 300.00 – 350.000 Tonnen ausbauen. Als Gegenleistung versprach das Reich einen Garantiepreis, der den Produktionskosten entsprach und dazu eine fünfprozentige Rendite garantierte. Großzügige Abschreibungsvereinbarungen und die Garantie für den Verkauf allen Öls, das die I.G. nicht selbst verkaufen konnte, rundeten den Vertrag ab. An diesem Beispiel ist klar zu erkennen, dass auch der nationalsozialistische Staat als Sachwalter des Kapitals, als ideeller Gesamtkapitalist, wie Karl Marx den kapitalistischen Staat nennt, fungierte. Der Staat garantierte einem Teil des Kapitals die ungehinderte Akkumulation mit dem Geld des Steuerzahlers, und schaffte so die Voraussetzung dafür, dass alle anderen Teile des Kapitals von dem angestrebten Krieg, der nur durch die Eigenversorgung mit Rohstoffen erfolgreich sein konnte, profitieren konnten.

Nun war da noch die Sache mit dem Gummi. Die ersten Ergebnisse bei der industriellen Produktion von synthetischem Gummi (Buna) waren negativ und nicht sehr erfolgversprechend. Das Heereswaffenamt stellte fest, dass die Buna-Reifen nicht den Anforderungen der Armee entsprechen würden. Außerdem war die Herstellung von Buna-Reifen viel zu teuer. Ein Buna-Reifen kostete zweiundneunzig Mark im Vergleich zu achtzehn Mark für einen Reifen aus Naturkautschuk. Also wurde die Unterstützung dieser Produktion von Teilen der Regierung abgelehnt. Besonders Hjalmar Schacht, Leiter des Wirtschaftsministeriums, sprach sich aus ökonomischen Gründen dagegen aus. Aber Hitler wollte dieses Projekt unbedingt voran bringen.

In dem anschließenden Machtkampf zwischen Göring und Schacht ging Göring als Sieger hervor. Der erbat sich von der I.G. einen Mann zur Leitung der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Die Wahl fiel auf Carl Krauch, einen engen Vertrauten von Bosch. Außerdem wurden zwei weitere führende Mitarbeiter des Berliner Zentralbüros der I.G. Gerhard Ritter und Johannes Eckel in Krauchs Forschungs- und Entwicklungsbüro versetzt. Krauch selbst blieb weiterhin Mitglied des Direktoriums der I.G. und Chef der Abteilung für Hochdruck.

Bosch hatte sich vorher schon, nur aufgrund einer schriftlichen Zusicherung, dass Hitler stark an diesem Projekt interessiert sei, entschlossen, in Schkopau nahe Leuna eine Buna-Fabrik zu bauen. Nach dem gewonnenen Machtkampf gegen Schacht veranstaltete Krauch in seiner Eigenschaft als Vertreter von Görings Behörde am 15. Juni 1936 eine Konferenz mit Vertretern des Heereswaffenamtes, des Kriegsministeriums und des eigens von Hitler geschaffenen Büros für Fragen der Rohstoffbeschaffung und Kunststoffherstellung, um über eine Vergrößerung der Produktionskapazität der Schkopauer Anlage von 200 auf 1.000 Tonnen monatlich zu verhandeln. Wenige Wochen später wurden Pläne für eine weitere Anlage erstellt, die ebenfalls 1.000 Tonnen pro Monat herstellen sollte.

Der vorläufige Vierjahresplan, den Hitler auf dem Reichsparteitag 1936 verkündete, umfasste Kohle, Eisen und Chemie. Die Kohleförderung betrachtete man als ausreichend. Bei der Stahlproduktion gab es Probleme, da im Herbst 1936 klar wurde, dass die deutschen Produzenten nicht gewillt waren, die minderwertigen deutschen Erzvorkommen nur um der Selbständigkeit willen zu erschließen. Einzig Flick erklärte sich dazu bereit, der dafür dann auch eine Vorzugsbehandlung genoss. Die Chemie-Industrie sollte in den nächsten Monaten neunzig Prozent der Mittel aus dem Vierjahresplan erhalten und die I.G. davon wiederum 72,7 Prozent. Das veranlasste den Chef der Abteilung für die Chemie-Industrie im Wirtschaftsministerium zu der Bemerkung: „Der Vierjahresplan war praktisch ein I.G.-Plan.“

Das genügte der I.G. aber nicht. Krauch konnte nachweisen, dass der offizielle Plan von falschen Zahlen ausging. Eine revidierte Fassung wurde von seinem Stab erstellt, in dem eine beschleunigte Ausweitung der Produktionskapazitäten für synthetisches Öl, Gummi, Leichtmetalle, Sprengstoffe und Schießpulver gefordert wurde. Dieser Plan erhielt Görings Zustimmung und am 22. August 1936 machte Göring den I.G.-Mann Krauch zum Generalbevollmächtigten für Sonderfragen der chemischen Erzeugung.

Die I.G. Farben war für Deutschlands Wiederaufrüstung unersetzlich. Sie stellte fast das gesamte synthetische Öl her, außerdem synthetischen Gummi, Giftgase, Magnesium, Schmieröle, Sprengstoffe, Methanol, Farbstoffe, Nickel, Weichmacher für die Kunststoffherstellung und und und.

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in andere Länder ab März 1938 war die I.G. Farben sofort zur Stelle und begab sich auf Beutezug. Im Herbst 1938 nahmen sie die Skoda Werke Wetzler in Österreich, die der jüdischen Familie Rothschild gehörte, in Besitz. In der Tschechoslowakei übernahmen sie den Aussiger Verein und in Polen gleich mehrere Farbenfabriken usw. usf.

Dafür ließ sich die I.G. Farben nicht lumpen. Der Vorstandsvorsitzende Hermann Schmitz sicherte Hitler nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens am 30. September 1938 eine weitere Großspende zu: „Unter dem Eindruck der von Ihnen, mein Führer, erreichten Heimkehr Sudetendeutschlands ins Reich, stellt Ihnen die IG-Farbenindustrie Aktiengesellschaft zur Verwendung für das sudetendeutsche Gebiet einen Betrag von einer halben Million Reichsmark zur Verfügung.“ [VVN/BdA NRW – Der Mann, der für Hitler das Geld sammelte – und später der FDP vorstand]

Als Deutschlands Wehrmacht Europa überrollte, überreichte Hitler an Krauch persönlich das Eiserne Kreuz und nannte ihn einen Mann, der großartige Siege auf dem Schlachtfeld der Industrie errungen habe. Nie zuvor in der Geschichte der Kriegsführung hatten ein Industrie-Konzern und seine Mitarbeiter so wichtige Positionen bei der militärischen Planung und Vorbereitung eines großen Krieges.

Und kein Konzern war personell, finanziell und von den Zielen her, mit dem Nazi-Regime mehr verflochten als die I.G. Farben.

Zum Abschluss noch ein Hinweis: Die I.G. Farben baute sich in Auschwitz sogar ein eigenes KZ, das KZ Monowitz, in dem die Häftlinge vegetierten, die in einem mörderischen Arbeitstempo beim Bau der neuen Buna- und Ölanlagen Auschwitz eingesetzt wurden. Die wenigen Überlebenden dieser Tortur wurden, nachdem sie völlig ausgelaugt waren, in die Gaskammern getrieben.

Jeder Neuankömmling wurde auf seine Arbeitsfähigkeit untersucht. Da die meisten davon aber für die Arbeit nicht in Frage kamen, schickte man sie gleich in die Gaskammern.

(Wer noch mehr Einzelheiten erfahren will, der sollte sich die Schrift von Joseph Borkin Die unheilige Allianz der I.G. Farben – Eine Interessengemeinschaft im Dritten Reich besorgen, aus dem ich viel Material und einige Passagen übernommen habe. Joseph Borkin leitete von 1938 bis 1946 die Patent- und Kartellabteilung der Anti-Trust-Behörde des amerikanischen Justizministeriums. Er war verantwortlich für die Ermittlungen gegen die amerikanischen Tochtergesellschaften der I.G.

Auf der Seite des Wollheim Memorial stehen 3 akribisch recherchierte Beiträge von Karl Heinz Roth über die Geschichte der IG Farben.

Abschnitt 8.2  Siemens

Am Beispiel Siemens ist besonders gut die enge Verzahnung von Kapital und Staatsmacht ersichtlich, und zwar unabhängig von der Regierungsform, ob Kaiserreich, Weimarer Republik oder Drittes Reich.

Die Geschichte der Siemens-Familie ist höchst erstaunlich. Schon der Firmengründer Werner Siemens (1847 wurde die Telegrafenbauanstalt Siemens & Halske gegründet) pflegte als Offizier gute Beziehungen zum Militär und mithilfe seiner Erfindungen (Feuerwerkskünste, Messung von Geschossgeschwindigkeiten, Verbesserung des Wheatstoneschen Zeigertelegrafen) bekam er Zugang zum preußisch-königlichen Hof. Im Sommer 1848 musste er für seinen König in aller Eile eine Telegrafenlinie nach Frankfurt am Main bauen, zur besseren Observation der Nationalversammlung. Nicht zufällig hatte Werner Siemens Sitz und Stimme in der preußischen Telegrafenkommission. Für den russischen Zaren baute Siemens das Telegrafennetz auf und aus, zur Vorbereitung auf den dann 1853 ausbrechenden Krim-Krieg. Für die Briten verlegte Siemens die 11.000 km lange „Indo-Europäische Telegrafenlinie“, die sich dann bei der erfolgreichen Niederschlagung der indischen Aufstände bewähren sollte. Im englischen und französischen Auftrag verlegte Siemens selbst produzierte Kabel mit eigenen Schiffen durch Mittelmeer, Atlantik und indischen Ozean. Auch das Transatlantikkabel nach Nordamerika war eine Leistung von Siemens.

Werner Siemens verstand sich selber als liberaler Demokrat. Er war zuerst auch Mitglied der liberalen Deutschen Fortschrittspartei. Er wollte seine Arbeiter nicht nur kurzfristig durch gute Löhne, sondern auch langfristig durch eine menschliche, an familiäres Denken anknüpfende Behandlung an das Unternehmen binden.

Auf der anderen Seite war er natürlich Unternehmer. Er verlangte Überstunden, wann immer sie anfielen, seit 1858 Akkordarbeit und straffe Disziplin. Um die Leute untertäniger und gefügiger zu machen, wurden Geldstrafen verhängt.

Er erkannte auch, dass eine Bereitschaft zur dauernden Arbeitsleistung nur über die Erweckung von neuen Bedürfnissen zu ermöglichen ist. Die Handhabe dazu bildet der dem weiblichen Geschlecht angeborene Sinn für angenehmes Familienleben und seine leicht zu erweckende Eitelkeit und Putzsucht, wie Werner Siemens in seinem Programm erläuterte.

Im Jahre 1870 wurde die Deutsche Bank gegründet. Wer war dabei? Natürlich Siemens in Gestalt von Werners Vetter Georg Siemens, der die Bank dann 30 Jahre leitete.

Siemens gründete auch 1872 eine der ersten Arbeitgebervereinigungen Berlins, den „Verein der Vertreter der Metallindustrie Berlins“. Dieser Verein verpflichtete seine Mitglieder dazu, keinen Arbeiter ohne ein Abgangszeugnis seines vorhergehenden Arbeitsherren und keinen Streikenden früher als vier Wochen nach Ende des Streiks wieder einzustellen.

Bei Streiks drohte Siemens mit Aussperrung aller seiner Arbeiter und stellte so seinen Arbeitsfrieden wieder her. Zur vorsorglichen Verhinderung von Streiks richtete Siemens eine betriebliche Pensions-, Witwen- und Waisenkasse ein. Wer streikte, verlor den Anspruch auf Unterstützung.

Als Werner von Siemens 1892 starb (für seine Verdienste hatte man ihm den erblichen Adelstitel verliehen) brachte Eugen Diesel seine Rolle auf den Punkt: „Aber was wäre Bismarcks Welt ohne die Mitwirkung eines Werner Siemens?… Man denke sich die großbürgerliche Leistung und Epoche fort, die von Werner Siemens mit inauguriert wurde, wo bliebe dann das Bismarcksche Reich?“

Sein Sohn Arnold übernahm nach Werners Tod die repräsentativen Aufgaben. Er vertrat die Firma in mehreren Aufsichtsräten und im Zentralausschuss der Deutschen Reichsbank, pflegte die Beziehungen zu den Spitzen des Reiches, zur kaiserlichen Familie, zur Familie Bismarck, zu den Reichskanzlern Bülow und Bethmann-Hollweg, zum Handelsminister Delbrück und besonders zum Chef des Reichsmarineamtes, Tirpitz. Die führenden Häupter aus Adel, Wirtschaft und Regierung ließen sich gerne zu Reisen, Jagden und Festen in Arnolds Villa einladen. Solche engen Beziehungen sollten sich schon bald auszahlen.

Im Frühjahr 1914 wurde das Deutsche Reich durch eine Wirtschaftskrise bedroht. Aber der erste Weltkrieg machte dieser Bedrohung schlagartig und wunderbarerweise ein Ende. Für die Großbetriebe der Elektroindustrie und des Maschinenbaus brachen glänzende Zeiten an. Siemens stellte her: elektrische Ausrüstungen für Kreuzer, Schlachtschiffe und U-Boote, U-Boot- und Flugzeugmotoren, Feldkabel und Feldtelefone, Wurf- und Seeminen, Großscheinwerfer, Granaten aller Kaliber usw. usf. Für die richtigen Kriegsziele sorgten die Freunde des Hauses. Der befreundete Reichskanzler Bethmann-Hollweg übernahm offiziell die Wünsche, die eine Gruppe von Bankiers und Unternehmern unter Führung von Karl Helfferich, dem Direktor der siemensnahen Deutschen Bank, vorgetragen hatte. Im Gegensatz zur Schwerindustrie wollte aber die Elektro- und Chemieindustrie keine Annexion großer Teile Europas, sondern nur die Ausnutzung des militärischen Übergewichts zur Verankerung der ökonomischen Vormachtstellung Deutschlands in Europa.

Natürlich ging der Patriotismus der Siemens-Familie nicht so weit, dass sie nicht (wie andere deutsche Firmen auch) das feindliche Ausland über neutrale Staaten mit Siemensschen Elementstiften und Elektrokohle versorgten. Die deutschen Produkte mögen für manchen deutschen Feldgrauen hie und da tragische Folgen gehabt haben. Aber eine freie Wirtschaft kann, wenn sie es denn bleiben will, auch im Krieg nicht nur einem Herren dienen, und diese Freiheit kostet nun mal ihren Preis.

Um das deutsche Unternehmertum nach der Niederlage im Krieg vor der Revolution zu retten, musste man umdenken. Carl Friedrich von Siemens, der jüngste Sohn des Firmengründers, der die Führung des Hauses nach dem Tode seiner Brüder Arnold und Wilhelm übernahm, stellte zusammen mit Stinnes, anderen maßgeblichen Industriellen und verhandlungswilligen Gewerkschaftsfunktionären ein Programm für die 20er Jahre auf: Anerkennung der Gewerkschaften, Auflösung der „gelben“ Firmengewerkschaften, Abschluss von Tarifverträgen, gemeinsame Ausschüsse und, unter Vorbehalt, den 8-Stunden-Arbeitstag. Durch die Zugeständnisse an die loyalen Gewerkschaften wurden diese gestärkt und ein Keil in die revolutionäre Arbeiterschaft getrieben. Die Konzernherren kämpften nun nicht mehr allein für die Erhaltung des freien Unternehmertums.

C.F. von Siemens engagierte sich auch schon früh in der antikommunistischen Bewegung.

Zusammen mit anderen prominenten Unternehmern wie Stinnes und Borsig bildete er im Januar 1919 einen Fonds in Höhe von astronomischen 500 Millionen Mark, der Organisationen wie das „Generalsekretariat zum Studium und zur Bekämpfung des Bolschewismus“, die „Vereinigung zur Bekämpfung des Bolschewismus“, die „Antibolschewistische Liga“ sowie reaktionäre Freikorps unterstützte. Er setzte im Kabinett Brüning als Präsident der Reichsbahn die Notverordnung zum Lohnabbau durch, wodurch die Löhne um mehr als 10 % fielen.

Auch er unterstützte ab 1931 als einstiger Demokrat die NSDAP und unterschrieb als einer der wenigen Vertreter der Elektroindustrie das Schreiben an Hindenburg im November 1932, in dem sie durchdrungen von heißer Liebe zum deutschen Volk und Vaterland, die nationale Bewegung empfahlen und vorschlugen, das Parlament aufzulösen und die Leitung der Regierung an den Führer der größten nationalen Gruppe zu übertragen. Als Dank berief Hitler dann auch 17 führende Industrie- und Parteivertreter in den Generalrat der deutschen Wirtschaft, unter ihnen auch C.F. Siemens.

Die Siemens Apparate und Maschinen GmbH übernahm ab 1933 die wichtigsten militärischen Neuentwicklungen: Für die Marine die mit dem damals besten Know-how gefertigten Feuerleitanlagen, ferngelenkte Zielschiffe und Regler zum Dämpfen des Schlingerns bei Schiffen. Für die Luftwaffe Ortungs- und Richtgeräte, selbsttätige Flugzeugsteuerungen und Lade- und Feuer-Systeme für Bomber. Für das Heer Nachrichtengeräte, Großscheinwerfer sowie Starkstromkabel, Schmalfilmkameras und Fernschreiber. Auch bei den Infrastrukturmaßnahmen bot sich für Siemens ein großes Betätigungsfeld. Es wurden Schalt- und Regelanlagen sowie elektrische Antriebe für die neuen Produktionsstätten gebaut. Ein reiches Betätigungsfeld waren außerdem die stärksten E-Lok-Motoren, die schwersten Schwimmkräne für Werften, raffinierte Schaltanlagen für große Speicher. Siemens stattete auch die Kraft-durch-Freude-Vergnügungsdampfer mit der schönsten elektrischen Ausrüstung aus. Dort konnten sich Tausende von deutschen Arbeitern erholen, ehe sie von den, ohne Siemens-Leistung schwer vorstellbaren Panzern aus, die weite Welt kennen lernten. Für ihre Leistung wurden mindestens neun Siemens-Vorstände von Hitler mit dem Titel Wehrwirtschaftsführer bedacht. (Wehrwirtschaftsführer waren die Leiter rüstungswichtiger Betriebe). Zusätzlich gehörte der Vorstandsvorsitzende Dr. R. Bingel dem „Freundeskreis des Reichsführer SS Himmler“ an.

Der Nachfolger von C.F. Siemens, der im Juli 1941 verstarb, wurde sein Neffe Hermann von Siemens. Der konnte sich nach dem Zusammenbruch des Tausendjährigen Reiches auf die Führungskräfte stützen, die schon davor alles für das Wohl des Hauses getan hatten: Ernst von Siemens, F. Bauer, Th. Frenzel, C. Knott, G Leipersberger, E. Mühlbauer, W. von Witzleben usw. usw.

(Wer es noch genauer und umfangreicher wissen will, der lese die Festschrift von F.C. Delius zum 125-jährigen Bestehen des Hauses S. „Unsere Siemens-Welt“, erschienen 1972 im Rotbuch-Verlag Berlin, dem ich das Material und etliche Passagen entnommen habe.)

Abschnitt 8.3  Krupp

So oft das Blut wie Wasser floss,
Sprachst du ein fromm Gebet
Und riefest: Gott ist groß
Und Krupp ist sein Prophet!

Und hat man dann das Heldentum
Mit froher Hand gepflegt –
Wer heilt die Wunden, die der Ruhm
Daheim der Freiheit schlägt?

Georg Herwegh (1817 – 1875)

Am 20. November 1811 gründete Friedrich Krupp zusammen mit den Brüdern von Kechel, die „Firma Friedrich Krupp zur Verfertigung des Englischen Gußstahls und aller daraus resultierenden Fabrikationen”. Die beiden Brüder wurden wenig später abserviert und es entstand die „Gußstahlfabrik Fried. Krupp“.

Die von seinem Sohn, dem Kanonenkönig Alfred Krupp entwickelten nahtlosen Radreifen, die den Erfolg des Unternehmens begründeten, wurden jahrzehntelang als sicheres, auch bei hohen Geschwindigkeiten nicht brechendes Eisenbahnrad an die meisten nordamerikanischen Eisenbahnen verkauft. Die drei Ringe des 1875 eingeführten Firmensymbols erinnern daran bis heute als Element im Firmenzeichen der Thyssen Krupp AG.

Schon früh stieg das Unternehmen in die Rüstungsproduktion ein. Die von ihm hergestellten Waffen waren auf den Schlachtfeldern Europas von 1866 bis 1945 präsent:

1853 besuchte der preußische Prinz und spätere deutsche Kaiser Wilhelm I. die Krupp-Werke in Essen. Sechs Jahre später erhielt Krupp einen Auftrag des preußischen Kriegsministeriums zur Herstellung von 300 Kanonenrohrblöcken. Die Rohre aus Stahlguss waren mit einer doppelten Reichweite den damals üblichen Rohren aus Bronze weit überlegen. Für Krupp war dieser Auftrag der Beginn der Waffenproduktion im großen Stil.

Bisher hatte die Waffenproduktion immer in den Händen des Staates gelegen. Krupp brach nun dieses Monopol und konnte sich des Wohlwollens der Monarchen gewiss sein. Er überzeugte den späteren Kaiser Wilhelm davon, sein Patent auf das nahtlose Eisenbahnrad zu verlängern; der Handelsminister hatte diesen Antrag zuvor abgelehnt. Krupps Argument: Er brauche das Geld, um die kostspielige (und bis dahin keinen Gewinn bringende) Kanonenproduktion aufrecht zu erhalten. In der Schlacht bei Königgrätz kämpfte 1866 Österreich gegen Preußen. Beide Parteien benutzten Krupp-Kanonen. Krupp hatte abgelehnt, die Lieferung an Österreich zu stoppen, weil der Auftrag vor Beginn des Konflikts vorgelegen hatte. An Kriegsminister von Roon schrieb er: „Von den politischen Verhältnissen weiß ich sehr wenig; ich arbeite ruhig fort, und kann ich das nicht ohne Störung der Harmonie zwischen Vaterlandsliebe und Ehrenhaftigkeit, so gebe ich die Arbeit ganz auf […].“

Bekanntestes Produkt wurde die Dicke Bertha, die erfolgreich im 1. Weltkrieg eingesetzt wurde. Es handelte sich um einen 42-cm-Mörser. Allerdings hielten die modernsten und stärksten Festungsbauwerke aus Stahlbeton den 42-cm-Granaten stand, während ältere Konstruktionen durchschlagen wurden. Ein Geschütz kostete stolze 1 Million Mark und war für 2000 Schuss ausgelegt. Jeder Schuss kostete damit ungefähr 1500 Mark (1000 Mark Munition + 500 Mark Abschreibung).

Als Reaktion auf einen im Jahre 1871 von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) organisierten Generalstreik verfasste Alfred Krupp 1872 das Generalregulativ mit 72 Paragraphen, das bis zum Ende der Firma als Familienunternehmen 1967 gültig blieb. Darin werden die Rechte und Pflichten der Kruppianer penibel beschrieben:

Untreue und Verrat muss mit aller gesetzlichen Strenge verfolgt werden … denn wie aus dem Samen die Frucht hervorgeht und je nach seiner Art Nahrung oder Gift, so entspringt dem Geist die Tat – Gutes oder Böses.“

Er verlangte von seinen Arbeitern unbedingten Gehorsam und Disziplin. In seinen täglichen Mitteilungen an die Procura seines Unternehmens (zeitlebens hatte Alfred Krupp seine Umwelt mit Geschriebenem traktiert) mahnte er etwa, „das Treiben unserer Leute überwachen zu lassen“. Den Fabrikarbeitern verbot er, Ziegen zu halten, denn die „haben ja sogar Griechenland kahlgefressen“, dafür wies er seine Angestellten an, „dem Staate recht viele treue Untertanen“ zu liefern sowie der Fabrik „Arbeiter eigener Rasse“. Und: „Wer trotzen will, wird entlassen.“ Die Devise von Alfred: „Ich für mich nehme auf keinen Menschen Rücksicht, gehe immer meinen eigenen Weg, frage niemanden, was Recht ist.“

Im Gegenzug führte Alfred Krupp damals schon eine Krankenversicherung und eine Betriebliche Altersversorgung ein und ließ für die Werksangehörigen Wohnungen bauen.

Krupp war also genauso wie Siemens Vorreiter im Sozialwesen. Der große Staatsmann Bismarck, der dann in den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts die Sozialgesetzgebung einführte, war also nur ein armseliger Plagiator.

Den nächsten Krupp, Friedrich Alfred, verband ein freundschaftliches Verhältnis mit dem nächsten Kaiser, Wilhelm II. Der verhalf Krupp zu Aufträgen und trug zum guten Ruf der Firma im Ausland bei. In der Villa Hügel hatte der Kaiser seine eigenen Schlafgemächer. Da Wilhelm II. eine starke Flotte aufbauen wollte, kaufte Friedrich Alfred die Germania-Werft in Kiel.
F.A. stieg sogar selbst in die Politik ein und wurde 1893 zum Reichstagsabgeordneten für die kaisertreuen Nationalen gewählt. Im Hintergrund engagierte er sich verständlicherweise für die Bewilligung von Kaiser Wilhelms Flottenplänen durch das Parlament.

1906 heiratete ein gewisser Gustav von Bohlen und Halbach in die Familie ein. Durch königlich-preußischen Erlass wurde Bertha und Gustav und ihren Nachkommen gestattet, den Namen „Krupp von Bohlen und Halbach“ zu führen, soweit und solange persönliche Inhaberschaft für das Unternehmen vorlag.

Gustav wird nachgesagt, dass er Gespräche über Politik innerhalb der Familie angeblich mit den Worten „Hier wird nicht politisiert!“ unterbunden hätte. Sein Sohn Alfried lehnte nach dem Zweiten Weltkrieg jede politische Motivation für sein Handeln ab: „Wir Kruppianer haben uns nie um Ideen gekümmert. Wir wollten ein System, das gut funktioniert und das uns eine Gelegenheit gab, ungestört zu arbeiten. Politik ist nicht unsere Sache.“ [Persönlichkeiten: Die Krupps – Persönlichkeiten – Geschichte – Planet Wissen] So werden Legenden geschmiedet.

Gustav Krupp war 1911 Gründungsmitglied der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Gustav war 26 Jahre lang 1. Vizepräsident und hatte mehrere Kuratoriums-Mitgliedschaften inne. Hier schließt sich der Kreis zur schon beschriebenen I.G. Farben. Im Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft bereitete der Wissenschaftler Fritz Haber das Chlor für den militärischen Einsatz vor. Dieses Projekt war eines der am besten gehüteten militärischen Geheimnisse Deutschlands. Eine Explosion in diesem Institut, die einen Assistenten Habers das Leben kostete, hätte beinahe die Geheimhaltung zunichte gemacht. Doch schnelle und erfolgreiche Unterdrückung der Berichterstattung über den Vorfall verhinderte die Enthüllung des Geheimnisses.

Gustav Krupp von Bohlen und Halbach verhielt sich gegenüber Hitler zunächst zurückhaltend. Er galt weiterhin als Befürworter einer konstitutionellen Monarchie. Hitler war für ihn genau wie für Hindenburg ein Emporkömmling aus der unteren Klasse, mit dem man sich nicht gemein machen wollte. Aber auch er gehörte bereits bei jenem Geheimtreffen der 27 Industriellen am 20. Februar 1933 in Görings Amtssitz im Reichspräsidentenpalais zu den Spendern.

Laut dem Versailler Vertrag durfte Krupp nach dem Ersten Weltkrieg keine Waffen mehr herstellen. Unter der Hand kooperierte der Konzern aber mit Firmen im Ausland, die Waffen mit Krupp’schen Plänen und Ingenieuren produzierten. Ab Mitte der 1920er Jahre wurden, als landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge getarnt, Pläne für Panzer entwickelt. Das Reichswehrministerium war darüber informiert. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach sprach später von der Genugtuung, dem Führer melden zu können, dass Krupp nach geringer Anlauffrist für die Wiederwehrhaftmachung des deutschen Volkes […] bereitstehe.

Einem Oberst Kühn verdanken wir die Kenntnis folgenden Vorgangs: Derselbe Krupp führte am 7. Juni 1933 dem Reichswehrminister einen Krupp-Kampfpanzer zur Erprobung vor, der aufgrund von Erfahrungen des britischen Rüstungskonzerns Vickers Armstrong „seit einigen Jahren entwickelt worden war, gemeinsam mit dem Reichswehrministerium“. So wurde in der Weimarer Republik der Versailler Vertrag sehr frühzeitig unterlaufen. Aus der streng geheim gehaltenen Besprechung, so heißt es dort wörtlich, geht hervor, dass am 22. August 1933 bereits 100 Panzer bei Krupp bestellt wurden. Daimler-Benz, Henschel und MAN Nürnberg erhielten Probeaufträge für 3 bis 5 Panzer des Kruppschen Modells. Bei der Besprechung war Rheinmetall-Borsig ebenfalls zugegen. „Das Aggregat läuft unter der Bezeichnung: Landwirtschaftlicher Schlepper“ Man sieht, Krupps engste Verbindung zahlte sich rechtzeitig aus. [Kurt Bachmann: 1933, Verlag Marxistische Blätter, Seite 44-45]

Wie Krupp fanden sich auch die anderen Rüstungskonzerne mit der Niederlage im ersten Weltkrieg keinesfalls ab. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach bestätigte 1944 in einer Rede die heimliche Wehrhaftmachung unmittelbar nach dem Kriege:

„Es ist das große Verdienst der gesamten deutschen Wehrwirtschaft, dass sie in diesen schlimmen Jahren nicht untätig gewesen ist, mochte auch aus einleuchtenden Gründen ihre Tätigkeit dem Lichte der Öffentlichkeit entzogen sein. In jahrelanger stiller Arbeit wurden die wissenschaftlichen und sachlichen Voraussetzungen geschaffen, um zu gegebener Stunde ohne Zeit- und Erfahrungsverlust wieder zur Arbeit für die deutsche Wehrmacht bereitzustehen… Nur durch diese verschwiegene Tätigkeit deutschen Unternehmertums … konnte nach 1933 unmittelbar der Anschluss an die neuen Aufgaben der Wiederwehrhaftmachung erreicht, konnten dann auch die ganz neuen vielfältigen Probleme gemeistert werden.“ [Internationaler Militärgerichtshof (IMT), Bd. I, S. 203 f.]

Im Klartext: Der deutsche Imperialismus bereitete schon in den 20er-Jahren den nächsten Krieg vor. Wie der Staat aussah, der diesen Krieg organisierte, war den Konzernherren egal. Hauptsache, er wurde organisiert und durchgeführt. Hitler bot die beste Gewähr dafür. Er und seine Bewegung waren in der Lage, die renitente Arbeiterbewegung niederzuringen, das Kleinbürgertum zu begeistern und auch Widersacher im eigenen Lager mundtot zu machen.

Die Aufrüstung Hitlerdeutschlands sicherte dem Krupp-Konzern riesige Profite. Nach den Angaben des USA-Hauptanklägers im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, Jackson, stiegen in den Jahren 1935 bis 1941 die offiziell ausgewiesenen, in Wirklichkeit aber wesentlich höheren Gewinne nach Abzug der Steuern, Geschenke und Reserven auf fast das Doppelte an, und zwar von 57 Millionen auf 111 Millionen RM.

Aber da man sich im Hause Krupp ja nicht um Ideen kümmerte, war Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der Sohn von Gustav, bereits seit 1931 förderndes Mitglied der SS. Er war Mitglied des Nationalsozialistischen Fliegerkorps, in dem er zuletzt den Rang eines Standartenführers innehatte. Ab 1938 war er Mitglied in der NSDAP. 1937 wurde Alfried Krupp von Bohlen und Halbach – ebenso wie sein Vater – zum Wehrwirtschaftsführer ernannt.

Da man sich im Hause Krupp ja nicht um Ideen kümmerte, war Alfried Stellvertreter seines Vaters in dessen Funktion als Kuratoriumsvorsitzender der Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft. Die Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft war eine am 1. Juni 1933 eingerichtete Spende von der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und dem Reichsverband der Deutschen Industrie zugunsten der NSDAP. […] Angeregt wurde diese Spendenaktion für die NS-Bewegung von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und Martin Bormann. Krupp führte das dazu installierte Kuratorium. Zu den Mitbegründern der Kooperative „auf Gegenseitigkeit“ gehörte der Ex-Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht.[…] Die abzuführende Spende wurde nach der Gesamtlohn- und -gehaltssumme berechnet. Damit wurden also die Lohnnebenkosten der Firmen erhöht. Die prozentuale Belastung schwankte zw. 1 % und 3,5 % der gesamten Lohnkosten eines Betriebes. Bis 1945 kamen so 700 Millionen Reichsmark an Spenden zusammen. (Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft – Wikipedia)

Da man sich im Hause Krupp nicht um Ideen kümmerte, telegrafierte Krupp, nachdem das deutsche Reich Ende Oktober des Jahres 1933 die Abrüstungskonferenz in Genf verlassen hatte und aus dem Völkerbund ausgetreten war: „Auf dem vorgezeichneten Weg folgt Ihnen in unbeugsamer Entschlossenheit inmitten der einigen Nation die deutsche Industrie.“

Da man sich bekanntlich im Hause Krupp nicht um Ideen kümmerte legte Gustav Krupp von Bohlen und Halbach im Auftrag und im Namen des „Reichsverbandes der Deutschen Industrie“ am 25. April 1933 der NS-Regierung einen „Plan zur Neugestaltung der deutschen Wirtschaft“ vor, um Hitlers „wirtschaftliche Maßnahmen und politische Notwendigkeiten in Einklang zu bringen“.

Dieser „Reichsverband der Deutschen Industrie“ hatte das Führerprinzip auch für die eigene Organisation übernommen. An deren Spitze setzten sich die größten Monopolherren selbst. Die mächtigsten Führungskräfte der Großindustrie wie der Großbanken übernahmen so mit den Führern der NSDAP die Schalthebel der Macht. Die Unternehmer wurden zu „Führern“ ihrer Betriebe nach dem Motto „Führer und Gefolgschaft“, einem mittelalterlichen Begriff, der nun auf die modernen Industriebetriebe übertragen wurde. Sie wurden nicht selten alsbald als NS-Wehrwirtschaftsführer aktiv für die faschistische Diktatur tätig. So verstanden sie das von Bankier Freiherr von Schroeder verkündete Prinzip der „Selbstlenkung der Wirtschaft“. [Kurt Bachmann: „1933“, Seite 44]

Da man sich im Hause Krupp ja nun wirklich nicht um Ideen kümmerte, war Alfried Mitglied des Rüstungsrats beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion. Nach Kriegsbeginn war er für die Demontage von Betrieben in den besetzten Gebieten und deren Wiederaufbau im Deutschen Reich verantwortlich. Alfried wurde mit dem Kriegsverdienstkreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet.

Die Familie Krupp von Bohlen und Halbach ließ sich noch folgendes Schmankerl einfallen: Als im März 1943 Alfried die Nachfolge seines Vaters Gustav als Vorsitzender des Direktoriums der Friedrich Krupp AG antrat, verfügte seine Mutter Bertha über nahezu alle Aktien der Krupp AG. Im Erbfall wäre eine Erbschaftssteuer von 400 Millionen Reichsmark fällig gewesen. Also bewegte die Familie Krupp Hitler zur sogenannten „Lex Krupp“ vom 12. November 1943. Demnach sollte die Krupp AG in ein Einzelunternehmen umgewandelt werden, dessen Alleininhaber ein Familienmitglied werden sollte, welches analog dem kaiserlichen Dekret berechtigt sein sollte, den Namen Krupp seinem jeweiligen Familiennamen voranzustellen. Die Erbschaftssteuer entfiel. Am 15. Dezember 1943 wurde Alfried Krupp von Bohlen und Halbach alleiniger Inhaber der Firma Krupp.

Auch der Krupp-Konzern stand wie die I.G. Farben beim Beutemachen in vorderster Linie. Robert de Rothschild weigerte sich, sein Traktorenwerk (wichtig für die Panzerproduktion) in Liancourt in Frankreich an Krupp abzutreten. Zunächst wurde er bei den Verhandlungen wegen seiner jüdischen Herkunft unter Druck gesetzt, um dann, als immer noch kein „freiwilliger“ Vertrag zustande gekommen war, nach Auschwitz abtransportiert zu werden. Der Krupp-Biograph Manchester resümiert die eindeutigen Beweise im Kriegsverbrecherprozess gegen Krupp: „Rothschild musste in die Gaskammer, damit Krupp sich bereichern konnte.“

Die Zustände in den Kruppschen Zwangsarbeiterlagern ist ein besonderes Kapitel und füllt Seiten. Hier nur ein kleiner Auszug: In den 81 Fabriken des Krupp-Konzerns arbeiteten von 1940 bis 1945 69.898 Zwangsarbeiter, 4.978 KZ-Häftlinge und 23.076 Kriegsgefangene. Allein in Essen waren im August 1943 11.557 „Fremdarbeiter“ und 2.412 Kriegsgefangene für Krupp eingesetzt. Neben dem nahe Auschwitz neuerbauten Kruppwerk, das schon in der Standortwahl von dem Willen zeugte, nicht nur für einige Kriegsjahre, sondern für lange Zeit billige Arbeitskraft aus dem KZ zur physischen Vernichtung „verwenden“ zu können, waren auch zwei Außenkommandos des KZ Buchenwald in Essen stationiert, darunter ein „SS-Arbeitskommando Friedrich Krupp. Essen“ mit 522 jüdischen Frauen. Die Leiden der Kruppschen Zwangsarbeit deutete selbst ein Arztbericht an den Kruppdirektor Lehmann an:

„Der allgemeine Gesundheits- und Ernährungszustand in sämtlichen russischen Kriegsgefangenen-Lagern ist durchweg ungünstig ( … ) Es wurde mir in allen Russenlagern von Wehrmachtsangehörigen erklärt, dass die Verpflegung mengenmäßig unzureichend sei ( … ) Kontrollierende Wehrmachtsärzte haben erklärt, dass sie nirgends einen solchen schlechten allgemeinen Zustand bei den Russen angetroffen hätten, als in den Friedrich-Krupp-Lagern.“

Auf eine ärztliche Vorhaltung, dass die russischen Kriegsgefangenen nicht von einer Tagesration von 300 Gramm Brot um vier Uhr morgens leben könnten, erwiderte Krupp-Direktor Lehmann nur, „dass die russischen Kriegsgefangen nicht an die westeuropäische Ernährung gewöhnt werden dürften“. Die Behandlung der Kruppschen Zwangsarbeiter war derart unmenschlich, dass Anfang 1942 selbst Proteste des Oberkommandos der Wehrmacht laut wurden.

Eine Untersuchungskommission beim „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“ beleuchtete Ende 1942 kritisch die Zustände in den sogenannten Ostarbeiterlagern des Ruhrgebiets. Dabei war sie gezwungen, um der NS-Führung ein ansatzweise realistisches Bild der Lage geben zu können, Kritik in einer selbst für einen geheimen Bericht bemerkenswerten Schärfe zu üben:

„Die Stimmung der Ostarbeiter war mit einigen wenigen Ausnahmen ( … ) im Allgemeinen eine unzufriedene bis zum Teil sogar katastrophale. So wird zum Beispiel das Bild der Trostlosigkeit und Verelendung in dem Lager des Bochumer Vereins‘ nie ausgelöscht werden können. ( … ) Bochumer Verein: Arbeiter furchtbar heruntergekommen. Stimmung katastrophal, Lager vernachlässigt und dreckig, Essen unzureichend. Prügel. Familien auseinandergerissen. Fluchtversuche sogar von Frauen. Essen als Prämie, erst Leistung, dann Betreuung. Keinerlei Verständnis bei Leitung.“ (Der Bochumer Verein‘ war übrigens ein sogenannter Nationalsozialistischer Musterbetrieb! Anmerkung. D. Peukert) [Detlev Peukert: Ruhrarbeiter gegen den Faschismus S. 304/305] [siehe auch: Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ – Die Geschichte der Krupps im NS-Faschismus]

Der Terror gegen die ausländischen wie die deutschen Arbeiter wurde im Laufe des Krieges noch weiter gesteigert. Instrument für die innerbetriebliche Polizeiherrschaft war der Werkschutz, der sich – mit Karabinern, Pistolen und Knüppeln bewaffnet – als Schlägertrupp besonders hervortat.

Bei Krupp in Essen hatte man sich zur Bestrafung missliebiger Arbeitssklaven einen spindähnlichen eisernen Schrank angeschafft, in den die Opfer oft stundenlang, ja tagelang, eingesperrt wurden, ohne Bewegungsmöglichkeit, fast ohne Luft. Zur Strafverschärfung goss man im Winter durch ein Loch an der Oberseite noch kaltes Wasser auf die Wehrlosen. Es ist bezeugt, dass selbst schwangere Frauen von dieser Tortur nicht verschont blieben. [Detlev Peukert: „Ruhrarbeiter gegen den Faschismus“ S. 306]

Nur so viel zum Gutmenschentum der Familie Krupp und der angeblichen Ignoranz der politischen Ideen.

Abschnitt 8.4  Deutsche Bank und Dresdner Bank

Es wäre schlichtweg nicht möglich, dieses Kapitel abzuschließen, ohne die Rolle der größten deutschen Banken zu untersuchen. Ohne sie hätte das System nicht funktioniert.

Die Deutsche und die Dresdner Bank vor allen waren es, die die ungeheure Aufrüstung vor dem 2. Weltkrieg mit ihren Krediten erst möglich machten. Und sie halfen, die immensen Kosten für die Aufrüstung zu verschleiern, indem sie halfen, deren Finanzierung zu verschleiern. Dazu später mehr. Der Lohn dafür war reichlich.

So investierte die Deutsche Bank im Vorkriegsjahr 1938 bereits ungefähr 35% ihres Gesamtvermögens in Reichspapieren. Während bis 1937 der Besitz der Bank an kurzfristigen Schatzwechseln zwischen 200 bis 300 Millionen RM lag, vergrößerte sich diese Anlage bis 1944 explosionsartig auf 7,5 Milliarden RM. Für das Jahr 1944 bedeutete dies eine Anlage von 66 % des Gesamtvermögens der Bank, das 11,3 Milliarden RM betrug. Auch der NS-Staat wurde durch die Banken finanziert. (Zahlen aus dem O.M.G.U.S.-Report)

Die Deutsche Bank übernahm alleine oder gemeinsam mit einem Partner die Federführung in praktisch allen größeren Kreditkonsortien, durch welche die Finanzierung des gesamten Wiederaufrüstungsprogramms ermöglicht wurde und später auch der Bau der Konzentrationslager.

Durch die Überkreuzverflechtung saßen die 20 bedeutendsten Mandatsträger der drei größten deutschen Banken (Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank) auf 445 Aufsichtsratssesseln [Bankenausstellung – bankenausstellung.pdf]. Allein die 11 Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank hatten 76 Ämter als Aufsichtsratsvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende in anderen Aktiengesellschaften inne. Dadurch konnten die Banken unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen und auf Kurs Rüstungsproduktion führen.

Die schillerndste Figur aus der damaligen Banker-Szene, Hermann Josef Abs, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank von 1938 bis 1945, saß höchstpersönlich im Aufsichtsrat der I.G. Farben, des Unternehmens, das für die Unabhängigkeit von kriegswichtigen ausländischen Rohstofflieferungen von lebenswichtiger Bedeutung war. 1941 wurde er Mitglied des Aufsichtsrates der Kontinentale Öl AG und Aufsichtsratsvorsitzender der Pittler Werkzeugmaschinenfabrik AG, einer Maschinenbaufirma in Leipzig-Wahren für die Produktion von Waffensystemen und Munition. Hermann Josef Abs war Aufsichtsratsmitglied in über 40 Banken und Industriekonzernen im In- und Ausland. In einem rüstungswichtigen Unternehmen hatte die Deutsche Bank die absolute Mehrheit am Aktienkapital, bei den Mannesmann Röhrenwerken. Bei der Sanierung dieses Unternehmens im Jahre 1890 ging die Deutsche Bank als dominierende Kraft hervor. Die Gebrüder Mannesmann wurden später aus der AG verdrängt. Der damals führende Kopf der Deutschen Bank Max Steinthal, der an dieser Aktion maßgeblich beteiligt war, bestimmte danach jahrzehntelang die Geschäftspolitik der Mannesmann AG als auch der Deutschen Bank. Bei Daimler Benz und BMW hatte die Deutsche Bank aufgrund ihrer Aktienanteile und des Depotstimmrechtes regelmäßig die Mehrheit. Das Depotstimmrecht war eine feine Sache für die Bank. Sie konnte die in ihren Depots liegenden Anteile ihrer Kunden dazu benutzen, um sich Stimmrechte zu sichern.

Daimler-Benz z.B. war ein kriegswichtiger Konzern. Er nahm im Jahr 1935 die Produktion von Flugzeugmotoren auf und orientierte sich in den Folgejahren fast ausschließlich auf die Aufträge der deutschen Wehrmacht. Seit dem Jahre 1937 stellte die Daimler AG Panzer her.

Als Hermann Kaiser, Generalbevollmächtigter der Deutschen Bank, in einer Vernehmung 1946 gefragt wurde: „Kann man sagen, dass (Emil Georg) von Stauß und später (Hans) Rummel in Wirklichkeit mehr waren als Vorsitzende des Aufsichtsrates, dass sie diese beiden Unternehmen, BMW und Daimler-Benz, tatsächlich leiteten?“, antwortete er: „Ja, das kann man sagen.“

Kaiser stellte ebenfalls fest, dass von Stauß bis zu seinem Tod „in der Deutschen Bank, Berlin, eigens ein Büro für die Abwicklung der Angelegenheiten von BMW und Daimler-Benz unterhielt. Er nahm großen Anteil an diesen Unternehmen und war für die Gewährung großer Kredite an sie verantwortlich. Die anderen Mitglieder des Kreditausschusses waren nicht für diese Kredite, konnten aber nicht intervenieren, da von Stauß in diesen Angelegenheiten offensichtlich mit der Reichsregierung zusammenarbeitete.“ (O.M.G.U.S.-Report) siehe auch [GELSENZENTRUM Gelsenkirchen – Deutsche Bank und Dresdner Bank – Gewinne aus Raub, Enteignungen und Zwangsarbeit 1933-1945]

In dem schon erwähnten Report (O.M.G.U.S. steht für Office Military Government for Germany, United States, also Militärregierung der Vereinigten Staaten für Deutschland, Finanzabteilung – Sektion für finanzielle Nachforschungen) wurde empfohlen, dass

          1. die Deutsche Bank liquidiert wird,

          2. die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bank angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden,

          3. die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden.

Die amerikanischen Verfasser dieses Reports waren also der Meinung, dass die Mitarbeiter der Deutschen Bank Kriegsverbrechen begangen haben. Aber weder wurde die Deutsche Bank liquidiert (sie wurde zuerst in einige Regionalbanken aufgeteilt, aber bereits 1957 stand sie schon wieder in alter Pracht und Herrlichkeit da), noch wurden Mitarbeiter zur Rechenschaft gezogen.

Da ja aus den ehemaligen Feinden rasch Freunde wurden, die im Kampf gegen den Kommunismus zusammenhalten mussten, relativierten sich diese Kriegsverbrechen recht schnell, denn in der kapitalistischen Welt ist es immer ein großer Unterschied, ob Kriegsverbrechen von einem selbst und/oder einem Freund oder dem Feind verübt werden.

Schauen wir uns doch einmal näher an, wie die Verfasser des O.M.G.U.S.-Reports zu solch einem Fazit kommen konnten:

Die deutschen Banken profitierte genau wie die Industriekonzerne von den politischen und militärischen Maßnahmen der NS-Regierung:

Nach dem Anschluss Österreichs übernahm die Deutsche Bank die Kontrolle über den CreditanstaltBankverein Wien, die größte Geschäftsbank Österreichs mit mehr als 40 inländischen Zweigstellen. Nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei übernahm sie die Kontrolle über die Böhmische UnionBank mit etwa 23 Zweigstellen, die Übernahmen und Transaktionen bei der „Arisierung“ jüdischer Vermögen abwickelte. Sie gelangte nach dem Fall von Belgien und Frankreich in den Besitz eines Großteils der von der Société Générale de Belgique im Bank- und Industriewesens des Balkans gehaltenen Anteile und gewann dadurch eine beherrschende Position im Bankwesen der Balkanländer. Die Auslandserwerbungen wurden so umfangreich, dass sich die Zahl ihrer Zweigstellen und Filialen außerhalb Deutschlands von 1938 bis 1941 versechsfachte. Sie übernahm von belgischen und französischen Inhabern Anteile bei den beiden größten rumänischen Ölgesellschaften, die sie dann an Görings Kontinentale Öl AG weiter verscherbelte, bei der wiederum, welch wundersame Fügung, Hermann Josef Abs einen Sitz im Aufsichtsrat hatte.

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