Wie kam es 1933 zum Faschismus? – Faschismus in Deutschland Teil I

Abschnitt 7  Der Reichstagsbrand und der Leipziger Prozess

Der Druck auf die Führung der NSDAP nahm zu. Die KPD war die einzige Kraft, die ihren Plänen einen Strich durch die Rechnung machen konnte. Es musste etwas geschehen, was man als Mittel benutzen konnte, die KPD zu zerschlagen.

Also wurde beschlossen, selbst die Fakten zu schaffen. Unter Benutzung des geheimen Ganges von Görings Reichstagspräsidenten-Palais steckte man den Reichstag in Brand. Göring wusste natürlich gleich, wer es war: „Das kann nur ein Attentat der Kommune gegen unsere neue Regierung sein!“ rief er dem Vizekanzler von Papen zu. Und Hitler erklärte: „Es gibt jetzt kein Erbarmen! Wer sich in den Weg stellt, wird niedergemacht! Das deutsche Volk wird für Milde kein Verständnis haben. Jeder kommunistische Funktionär wird erschossen, wo er angetroffen wird; die kommunistischen Abgeordneten müssen noch in dieser Nacht aufgehängt werden! Alles ist festzusetzen, was mit den Kommunisten im Bunde steht – auch gegen Sozialdemokraten und Reichsbanner gibt es jetzt keine Schonung mehr!“ (Reichsbanner war der Kampfbund der SPD) [Reichstagsbrand – Wikipedia]

Es war alles bestens vorbereitet. Gleich am Tag nach dem Brand wurde eine sofort in Kraft tretende Notverordnung erlassen, die die „Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Post- Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahme sowie Beschränkungen des Eigentums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten Grenzen“ für zulässig erklärte. Und es wurde reichlich davon Gebrauch gemacht.

Diese lächerliche Tat der Brandstiftung war und ist einer kommunistischen Politik diametral entgegengesetzt ist, wie Dimitroff später im Leipziger Prozess darlegte. Es gab überhaupt keine Beweise für eine Beteiligung der KPD. Doch wurden noch in derselben Nacht Massenverhaftungen vorgenommen, nach Angaben von Gestapo-Chef Diels etwa viertausend, nach den Feststellungen der KPD mehr als zehntausend. Die meisten von ihnen kamen später in den Konzentrationslagern ums Leben. Ein junger Holländer, Marinus van der Lubbe, wurde im Reichstagsgebäude festgenommen und später zum Tode verurteilt und hingerichtet. Festgenommen und angeklagt wurden auch vier kommunistische Funktionäre, drei Bulgaren und ein Deutscher, darunter der Bulgare Georgi Dimitroff, Mitglied des ZK der Kommunistischen Partei Bulgariens und des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (KI). Durch einen gut vorbereiteten und geschickt inszenierten Prozess wollten die führenden Nationalsozialisten die KPD und die gesamte kommunistische Weltbewegung diskreditieren und ihr einen schweren Schlag versetzen. Aber es kam anders.

Da heutzutage die bürgerlichen Medien über den in Leipzig abgehaltenen Prozess den Mantel des Schweigens decken, lohnt es sich, etwas genauer darauf einzugehen. Dieser Prozess erregte nämlich damals weltweites Aufsehen und setzte Millionenmassen in Bewegung. Die Internationale Kommission zur Untersuchung der Hintergründe des Reichstagsbrandes organisierte in London einen Gegenprozess.

Dimitroff, der die ganze Zeit mit eisernen Handschellen, auch nachts, gefesselt war, wurde vom Angeklagten zum Ankläger. Er musste sich selbst verteidigen, weil das Gericht alle seine Wahlverteidiger abgelehnt hatte. Trotz Sprachschwierigkeiten und Unkenntnis der deutschen Prozessordnung, trotz der Folter der ununterbrochenen Fesselung tat er das in hervorragender Weise. Die Nazis, die nicht mit einem so mutigen Mann gerechnet hatten, der nicht sich persönlich, sondern die kommunistische Bewegung verteidigte, hatten viele ausländische Pressevertreter eingeladen. Schon die erste Rede Dimitroffs vor Gericht ging um die Welt und rief eine starke Sympathiebewegung hervor.

Er sagte unter anderem: „Wahr ist auch, dass ich als Mitglied des ZK der bulgarischen KP und Mitglied der der Exekutive der KI ein verantwortlicher und führender Kommunist bin…

Aber gerade deswegen bin ich kein terroristischer Abenteurer, kein Putschist und kein Brandstifter!“

denn

„Massenarbeit, Massenkampf, Massenwiderstand, Einheitsfront, keine Abenteuer – das ist das Alpha und Omega der kommunistischen Taktik.“ sagte er in seiner Schlussrede vor Gericht.

Dimitroff nahm einen Zeugen nach dem anderen auseinander und entlarvte auch Göring und Goebbels als tumbe Ausführende des nationalsozialistischen Terrors. Im Spiegel 47/1959 steht am Schluss des Artikels „Stehen Sie auf, van der Lubbe!“ [„STEHEN SIE AUF, VAN DER LUBBE!“ – DER SPIEGEL 47/1959] ein entlarvender Wortwechsel zwischen Dimitroff und Göring.

Alle kommunistischen Angeklagten mussten freigesprochen werden. Der Prozess brachte den Nazis die erste internationale Niederlage bei.

Aber noch heute wird trotz aller Zweifel an den von den Nazis in die Welt gesetzten Lügen von Medien behauptet, dass der Kommunist Marinus van der Lubbe den Reichstag angezündet haben soll, z.B. in der Sendung Wegmarken vom RBB. Der Prozess vor dem Reichsgericht in Leipzig wird einfach verschwiegen. [Wegmarken | Chronik]

Göring hatte van der Lubbe ein Parteibuch der KPD untergeschoben, aber im Prozess sagten drei Kriminalpolizeibeamte, die van der Lubbe verhaftet und vernommen hatten, dass sie bei ihm kein Parteibuch gefunden hätten. Und bei einem Lokaltermin gelang es van der Lubbe noch nicht einmal, eine kleine Hütte anzuzünden. Die von den Nazis zusammengebrauten Lügen wurden damals schon von Dimitroff widerlegt. Das hält aber bürgerliche Medien nicht davon ab, die gleichen Lügen heute wieder aufzutischen, obwohl die stenographischen Protokolle des Prozesses wie auch seit einiger Zeit die Ermittlungsakten des Reichsgerichts, der Politischen Polizei und der Oberstaatsanwaltschaft zugänglich sind.

Das Ergebnis der Reichstagswahl am 5. März 1933 fiel dennoch nicht so aus, wie sich die Nazis erhofft hatten.

Die NSDAP erhielt zwar rund 3,5 Millionen Stimmen mehr als bei den Reichstagswahlen vom Juli 1932, verfehlte aber mit 43,9 % die absolute Mehrheit. Trotz des propagandistischen Trommelfeuers und der Verbreitung von Angst und Schrecken durch die Braunhemden hatten SPD und KPD nur geringe Einbußen zu verzeichnen.

Hitler, Göring und der zur Belohnung für seine außerordentlichen Einfälle und Anstrengungen im Wahlkampf zum Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda ernannte Goebbels hatten alsbald eine glorreiche Idee: Der neue Reichstag sollte sich selbst entmachten. Die für das Ermächtigungsgesetz nötige Zweidrittelmehrheit war nicht so schwer zu erreichen. Die 81 kommunistischen Abgeordneten waren entweder verhaftet oder untergetaucht. Auch einige SPD-Abgeordneten waren verhaftet. Die anderen noch fehlenden Stimmen wurden mit massiver Einschüchterung und mit einem weiteren propagandistischen Meisterstück gewonnen:

Die Eröffnung des neuen Reichstages wurde von den Nazis in die Potsdamer Garnisonskirche verlegt. An diesem Ort ruhten die Gebeine des Alten Fritz, hier hielten die Hohenzollern ihre Siegesfeiern ab, hier wohnte Hindenburg als junger Gardeleutnant einem Tedeum bei. Auch das Datum des Schauspiels, der 21. März, hatte symbolische Bedeutung. Am 21. März 1871 hatte Bismarck den ersten Reichstag des wilhelminischen Kaiserreichs in dieser Kirche eröffnet. Nach einer den alten Hindenburg zu Tränen rührenden Rede Hitlers ging der mit allen Zeichen der Demut auf den in seinem Sessel stocksteif sitzenden Reichspräsidenten zu, verbeugte sich vor ihm und ergriff feierlich seine Hand. Die Bilder vom Händedruck des deutschen Generalfeldmarschalls und des österreichischen Gefreiten gingen um die Welt. Dazu erklang das Glockenspiel der Garnisonskirche mit der Melodie „Üb‘ immer Treu und Redlichkeit“. Eine Meisterleistung von Regie und Schauspielkunst.

Zwei Tage später legte Hitler dem Reichstag ein Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vor, in dem klar und eindeutig stand, dass Reichsgesetze (…) außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden (können).

Fast alle, u.a. das Zentrum, die Bayerische Volkspartei, die Katholiken unter ihnen, und die Liberalen, unter ihnen der Abgeordnete Theodor Heuß, gaben diesem Ermächtigungsgesetz ihre Zustimmung. Auch an dieser Stelle kann man nicht von einer Machtübernahme reden. Die bürgerlichen Parteien gaben im vollen Bewusstsein ihres Handelns ihre Zustimmung.

Einzig die SPD verweigerte sich, gab aber mit der Teilnahme an der Abstimmung zu erkennen, dass sie die Rolle einer staatsloyalen Opposition übernehmen wollte. Sie nahm keinen Anstoß an der verfassungswidrigen Behinderung zahlreicher Abgeordneter der KPD und auch der SPD, die unter Verletzung ihrer Immunität in Haft gehalten wurden.

Und so wurde das Ermächtigungsgesetz mit großer Mehrheit angenommen und das Ende der Weimarer Republik besiegelt.

Die Nationalsozialisten konnten jetzt ihr wahres Gesicht zeigen. Alle großtönenden und hohlen Versprechungen, die sie gegenüber der arbeitenden Bevölkerung gemacht hatten, wurden kurzerhand gebrochen. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, ihre Vermögenswerte beschlagnahmt, die meisten ADGB-Funktionäre, aber auch zahlreiche christliche Gewerkschaftsfunktionäre in Schutzhaft genommen, zum Teil schwer misshandelt und größtenteils in die Konzentrationslager verschleppt. Das Tarifvertragsrecht wurde abgeschafft, das Streikrecht beseitigt, die Betriebsräte aufgelöst und an ihre Stelle Treuhänder der Arbeit bestellt. Das waren dann meist der Einfachheit halber die Unternehmer und Konzernherren selbst.

Parteien wurden aufgelöst wie die SPD. Die anderen Parteien lösten sich von selbst auf. Die monarchistisch und reaktionär gesinnten Mitglieder der alten Parteien reihten sich mit großer Begeisterung in die Reihen der NSDAP ein.

Das Terrorsystem der Nationalsozialisten war also nicht nur ein Sieg des Kapitals über die Arbeiter, sondern auch sein endgültiger Sieg über die Monarchie in Deutschland.

Zum besseren Verständnis, in wessen Dienst die Nationalsozialisten gestanden haben, eine kleine, nicht vollständige Zusammenstellung der illustren Gesellschaft, die sich im Freundeskreis des Reichsführers SS Heinrich Himmler versammelt hatte:

Dr. Ing. e.h. Rudolf Bingel, Generaldirektor des Siemens-Konzerns

Karl Blessing, Vorstandsmitglied im Unilever-Konzern

Friedrich Flick, Chef des Flick-Konzerns

Dr. Karl Ferdinand Ritter v. Halt, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank AG

Ewald Hecker , Präsident der Industrie- und Handelskammer Hannover, Betriebsführer der Zeche Friedrich der Große in Herne und Aufsichtsrat der Ilseder Hütte AG

Dr. h.c. Emil Helfferich, Aufsichtsratsvorsitzender der HAPAG und Repräsentant der ESSO-Deutschland

Otto Heuer, Vorstandsvorsitzender der Portlandzementwerke Heidelberg

Dr. Richard Kaselowsky, Chef des Oetker-Konzerns

Fritz Kranefuß, kaufmännischer Leiter der Braunkohle-Benzin-AG

Carl Vincent Krogmann, Schiffsreeder und Teilhaber der Firma Wachsmuth & Krogmann

Karl Lindemann, Teilhaber der Firma Melchers & Co, Bremen, Vorsitzender des Aufsichtsrates der ESSO-Deutschland und der HAPAG

Dr. Karl Rasche, Vorstandsmitglied der Dresdner Bank AG

Friedrich Reinhart, Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank AG

Hellmuth Roehnert, Vorstandsvorsitzender des Rheinmetall-Borsig-Konzerns

August Rosterg, Generaldirektor der Wintershall AG und Aufsichtsratsvorsitzender des Deutschen Kali-Syndikats

Dr. Hermann Schmitt, Generaldirektor des Allianz- und Aufsichtsratsvorsitzender des Münchner Rück-Versicherungskonzern

Kurt Freiherr von Schröder, Inhaber des Bankhauses I.H. Stein in Köln

Otto Steinbrinck, Generalbevollmächtigter des Flick-Konzerns

Dr. Ing. Albert Vögler, Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke und Präsident des Vereins deutscher Eisenhüttenleute

Hans Walz, Generaldirektor des Bosch-Konzerns

Franz Heinrich Withoeft, Inhaber der Firma A.O. Meyer, Hamburg, Aufsichtsrat der Commerzbank, der Deutschen Werft und einiger anderer Unternehmen

Faschismus an der Macht heißt auf der einen Seite:

Grenzenlose Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft. Niederwerfung der Arbeiterbewegung, Zerschlagung der Gewerkschaften. Der jetzt noch aufflackernde geringe Widerstand in den Betrieben war leicht unter Kontrolle zu bringen. Die Vernichtung der Juden war eine spezifische Ausprägung des deutschen Faschismus. Manchen Konzernherren war das anfangs gar nicht recht, weil sie dadurch gute Arbeitskräfte verloren.

Das wurde aber dadurch mehr als aufgewogen, dass die SS den Konzernen die besten Arbeitskräfte aus den Konzentrations- und Zwangsarbeitslagern für ein Taschengeld zur Verfügung stellte, die bis zur physischen Erschöpfung ausgepumpt und ausgesaugt und dann plan- und fabrikmäßig entsorgt wurden. Dabei wurde diesen Leuten alles, was sich verwerten ließ, weggenommen. Die Goldzähne wurden an die Reichsbank geliefert, Haare wurden für die Matratzenherstellung benutzt, Fett zu Seife verarbeitet, Kleidung als großzügige Spende des Führers den Ausgebombten zur Verfügung gestellt. Am in den KZ’s verwendeten Gas Zyklon B verdienten sich die Konzerne IG Farben und Degussa über ihre gemeinsame Tochterfirma Degesch (Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung) eine goldene Nase. Eine lückenlosere und bis ins kleinste Detail ausgeklügeltere Verwertung des Menschen und seiner Arbeitskraft durch das Kapital ist nicht vorstellbar.

Faschismus an der Macht heißt auf der anderen Seite:

Grenzenlose Expansion, Unterwerfung anderer Völker und die ebenso grenzenlose Ausbeutung ihrer Arbeitskräfte, Raub ihrer Vermögenswerte und Bodenschätze, Übernahme ihrer Fabriken bis zur Demontage und Wiederaufbau im Kernland. Welches Leid damit über diese Völker gebracht wird, hat das Kapital noch nie interessiert. Es interessiert immer nur der größtmögliche Profit. Und all das wurde durch den Faschismus ermöglicht.

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