Wie kam es 1933 zum Faschismus? – Faschismus in Deutschland Teil I

Abschnitt 6 Die Übergabe der Macht an die Nationalsozialisten

Schon ziemlich früh war klar, welche Ziele Hitler verfolgte. Hitler musste aufgrund seines in völliger Verkennung der Lage am 9. November 1918 durchgeführten Putschversuches in München eine nicht allzu lange Zeit in der Haftanstalt Landsberg ab April 1924 unter sehr komfortablen Bedingungen zubringen. Er war zwar zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt worden, aber schon Weihnachten 1924 wurde er begnadigt und aus der Haft entlassen. In dieser Zeit diktierte er seinem Sekretär Rudolf Heß das Buch Mein Kampf. Darin beschrieb er klar und eindeutig, was er zu tun gedachte, wenn er an die Macht kommen würde:

  • Beseitigung der parlamentarischen Demokratie, Beseitigung der Parteien und der Gewerkschaften

  • Beseitigung des Rechts auf freie Information und Meinungsäußerung

  • Beseitigung aller Spuren der Revolution und Ausrottung der sozialistischen Idee

  • Bruch des Versailler Vertrages und aller anderen Abkommen mit den Siegern des Ersten Weltkrieges

  • Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht und schnellste Wiederaufrüstung der Armee über den Vorkriegsstand hinaus

  • Wiedergewinnung der Vormachtstellung des Reiches

  • Gewinnung von Lebensraum im Osten auf Kosten der slawischen Nationen, was ja nur durch Krieg zu erreichen war

  • Versklavung und rücksichtslose Ausbeutung aller minderrassigen Völker

  • Ausrottung der Juden

  • Entrechtung der arbeitenden Bevölkerung

  • Degradierung der Frauen zu bloßen Garanten eines ausreichenden und gesunden Nachwuchses und dessen artgemäßer Aufzucht

  • Errichtung einer brutalen Diktatur durch eine dem Führer blind ergebene Herrenmenschen-Elite.

Aufgrund dieser Thesen wurde Hitler auch schon früh von gewissen Kreisen des Kapitals unterstützt, z.B. vom Chef des Stahlvereins Fritz Thyssen, von Hermann Reusch von der Gutehoffnungshütte, von Emil Kirdorf, dem Hüter der politischen Geldfonds der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie. Nachdem Hitler im Herbst 1930 in einem Prozess gegen einige jüngere Reichswehroffiziere, die wegen Verdachts auf Hochverrat angeklagt waren, als Zeuge aussagen musste und er sich vor Gericht von seiner besten und lügenhaftesten Seite zeigen konnte, gesellten sich zu seinen Förderern auch noch Georg von Schnitzler von der IG Farben, der Wintershall-Konzernchef August Rosterg und sein Partner Günter Quandt, Ex-Kanzler Cuno von der HAPAG, der Kölner Privatbankier Kurt Freiherr von Schröder, Wilhelm Finck von der Allianz-Versicherung sowie der zurückgetretene Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht. Völlig salonfähig wurde Hitler und seine NSDAP am 11. Oktober 1931. Der Geheimrat Hugenberg, den wir ja in unguter Erinnerung haben, lud nach Bad Harzburg ein. Die ganze alte Macht- und Geldelite der wilhelminischen Epoche und dazu ihr Nachwuchs, die Führer der Freikorps- und Kampfverbände war fast ausnahmslos versammelt. Das Haus Hohenzollern war ebenso vertreten wie die Creme der Großindustrie und des Großgrundbesitzes. Erschienen waren ebenso die Reichstags- und Landtagsabgeordneten der Deutschnationalen, das gesamte Führerkorps des Stahlhelm und vollzählig angetreten die gesamte NSDAP- Reichstagsfraktion und das Führerkorps der nationalsozialistischen Kampfverbände, an der Spitze Adolf Hitler, Hermann Göring, Minister Dr. Wilhelm Frick, SA-Stabschef Ernst Röhm, Josef Göbbels und Gregor Strasser, ein ehemaliger Freikorps-Offizier und nunmehriger Reichsorganisationsleiter der NSDAP, in Braunhemden und mit Hakenkreuz-Armbinden. Hugenberg gab hier den Zusammenschluss aller vertretenen Gruppen zu einer Nationalen Front bekannt und verkündete: „Geächtet sei jeder, der unsere Front zerreißen will!“

Kurz nach der Aufnahme der Nationalsozialisten in die herrschenden Kreise wurden im Boxheimer Hof in der Nähe von Worms die detaillierten Pläne der Hitler-Partei für den Tag, an dem die Nationalsozialisten die Staatsgewalt übernehmen würden, gefunden. Danach sollten alle politischen Gegner vorsorglich in sofort einzurichtende Konzentrationslager gebracht und bei etwaigem Widerstand auf der Stelle erschossen werden. Auch jeder Verstoß gegen die – schon einzeln vorbereiteten und am Tage der Machtergreifung in Kraft tretenden – Notverordnungen sollte mit dem Tode bestraft werden. Schusswaffen waren unverzüglich an SA und SS abzuliefern, der Geldverkehr sollte vorübergehend eingestellt, alle privaten Konten gesperrt werden. Für Juden war unter anderem vorgesehen, dass sie keine Lebensmittel mehr erwerben durften.

Die Veröffentlichung erregte ungeheures Aufsehen. Es konnte also keiner sagen, er hätte von nichts gewusst.

Zum Verfasser der Boxheimer Dokumente, Dr. Werner Best gibt es im zweiten Teil unter Personelle Kontinuität einen kurzen Abriss des Lebenslaufes, weil er sehr bezeichnend für eine deutsche Karriere ist.

Im November 1932 richteten führende Industrielle, einige Bankiers und Vertreter des Großgrundbesitzes ein Schreiben an den Reichspräsidenten v. Hindenburg, in dem sie ihn aufforderten, den Führer der größten nationalen Gruppe, Hitler, mit der Leitung eines mit den besten sachlichen und persönlichen Kräften ausgestatteten Präsidialkabinetts zu betrauen. Diese Aufforderung zur Errichtung einer nationalsozialistischen Diktatur hatten folgende Herren mit größter Ehrerbietung unterzeichnet:

Dr. Hjalmar Schacht, der Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder, der Mülheimer Großindustrielle Fritz Thyssen, August Rosterg vom Kali-Syndikat, der Vorsitzende des HAPAG-Aufsichtsrates Emil Helfferich, Eberhard Graf von Kalckreuth im Namen der ostelbischen Standesgenossen und fünfzehn weitere Industrielle, Bankiers und Großagrarier.

Die Ruhrindustriellen Dr. Albert Vögler, Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke, Kommerzienrat Dr. Paul Reusch von der Gutehoffnungshütte in Oberhausen und Dr. Fritz Springorum vom Dortmunder Hoesch-Konzern ließen den Reichspräsidenten wissen, dass sie die Bitte ihrer Kollegen um baldige Errichtung einer Hitler-Diktatur voll und ganz unterstützten; sie wollten nur nicht, dass dies der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde.

Nach einigem Hin und Her, Intrigen, Verhandlungen zwischen den Parteien, die alle an die Fleischtöpfe der Macht wollten, und zuletzt massiver Beeinflussung des Reichspräsidenten, den ja nicht die Ziele der NSDAP störten, sondern allein die niedrige kleinbürgerliche Herkunft Hitlers, sein Mannschaftsdienstgrad, seine eindeutige Nichtzugehörigkeit zur alten Führungsschicht, ließ Hindenburg am 30. Januar 1933 die vorher auf die Verfassung vereidigten neuen Kabinettsmitglieder bekanntgeben:

Adolf Hitler wurde Reichskanzler, Franz von Papen Vizekanzler, Reichsinnenminister wurde der NSDAP-Fraktionsvorsitzende im Reichstag Dr. Wilhelm Frick. Zum neuen Reichswirtschaftsminister wurde Geheimrat Dr. Alfred Hugenberg, Führer der Deutschnationalen, ernannt, zum neuen Reichsarbeitsminister der Stahlhelm-Bundesführer Franz Seldte. (Der Stahlhelm war der bewaffnete Arm der Deutschnationalen Volkspartei.) Der nationalsozialistische Präsident des Reichstages, Hauptmann a.D. Hermann Göring wurde Reichsminister ohne Geschäftsbereich und Reichskommissar für Luftfahrt. Zum neuen Reichspressechef wurde Hitlers bisheriger Wirtschaftsbeauftragter Dr. Walter Funk ernannt. Neuer Reichswehrminister wurde der eilig aus Genf zurückgerufene General von Blomberg, ein Anhänger Hitlers. Auf diese Weise bekam Hitler die Reichswehr auf seine Seite. Es war also eine erlesene Auswahl der Reaktionärsten der Reaktionäre, die Deutschland aufzubieten hatte.

Diesen Vorgang als Machtübernahme der Nazis zu bezeichnen ist Geschichtsfälschung. Es war nichts anderes als eine freiwillige und allen Beteiligten bewusste Machtübergabe an die Nazis.

In der Nacht vom 30. zum 31. Januar 1933 organisierte nicht nur die NSDAP stundenlange Vorbeimärsche der Braunhemden an der Reichskanzlei, auch die Hitler-Gegner meldeten sich eindrucksvoll zu Wort. In Berlin, Düsseldorf, Wuppertal, Duisburg, Chemnitz, Kaiserslautern, in Oberschlesien, aber auch in Hamburg, Köln, Leipzig, Mannheim, Karlsruhe, München und Stuttgart demonstrierten Anhänger von KPD und SPD, wehrten gemeinsam Überfälle der SA auf Gewerkschafts- und Parteihäuser ab und vertrieben die in die Arbeiterviertel eingedrungenen Schlägerkolonnen der Nazis. Obwohl es im Volk eine große Bereitschaft gab, dem Faschismus Widerstand zu leisten und durch einen Generalstreik, zu dem die Führung der KPD schon aufgerufen hatte, das Kabinett Hitler und von Papen wieder zu stürzen, lehnten die Führungen des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und der SPD alle Bündnisangebote der Kommunisten ab, forderten ihre Mitglieder zu strengster Disziplin und Besonnenheit auf und warnten dringend davor, sich zu Gewaltakten oder Streiks provozieren zu lassen.

So vertat die Führung der SPD die letzte Chance, dem Faschismus den geschlossenen Widerstand der arbeitenden Klasse entgegenzusetzen und ihn notfalls mit Gewalt zu beseitigen, ehe er sich fest etablieren konnte.

Beim folgenden Wahlkampf konnten die Nazis erstmals die gesamten Propaganda- und Machtmittel des Staates für ihre Zwecke einsetzen. Und das Geld floss reichlich. Bei einem Empfang im Reichstagspräsidenten-Palais am 20. Februar 1933 gewannen die Nazis auch die Großindustriellen für sich, die kurz davor noch gezögert hatten, wie z.B. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Hitler versprach den Wirtschaftsbossen, den Marxismus zu erledigen, die Gewerkschaften zu zerschlagen und in raschem Tempo wieder aufzurüsten. Das ging den Konzernbossen runter wie Öl. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach sprang auf und drückte in bewegten Worten den Naziführern den Dank der Industrie für diese klare Darstellung aus. Anschließend ging Hjalmar Schacht mit dem Hut herum und sammelte die Zusagen für insgesamt drei Millionen Reichsmark ein.

Zwei Tage später begann Hermann Göring, der auch noch preußischer Ministerpräsident geworden war, den Terror zu legalisieren. Er ernannte zehntausend ausgesuchte Angehörige des Stahlhelms sowie vierzigtausend Mitglieder der nationalsozialistischen Kampfverbände zu Hilfspolizisten. Zugleich befahl er der Exekutive, unter allen Umständen jedwede Einmischung in die Aktivitäten der nationalen Verbände zu unterlassen, hingegen staatsfeindlichen Organisationen gegenüber keine Gnade walten zu lassen. Die Polizei sollte gegen Kommunisten mit der gebotenen Härte vorgehen und rücksichtslos von der Waffe Gebrauch machen.

So nahmen die willkürlichen Festnahmen und viehischen Misshandlungen politischer Gegner durch uniformierte Hilfspolizisten erschreckend zu.

Trotz dieser Maßnahmen blieb es im Lager der Nazi-Gegner erstaunlich ruhig. Dabei wartete die Führung der NSDAP auf einen zumindest Revolutionsversuch, um dann mit aller Härte zuschlagen zu können. Man hatte die Gewerkschaften und die Linksparteien, vor allem die KPD, bis aufs Blut provoziert, ihre Versammlungen entweder verboten, polizeilich aufgelöst oder von SS-Kommandos sprengen lassen; die kommunistischen Zeitungen waren auf unbestimmte Zeit verboten, die sozialdemokratischen Blätter immer wieder behindert und beschlagnahmt, Tausende Funktionäre, Flugblattverteiler und Plakatierer verhaftet und brutal misshandelt, mindestens 51 waren dabei ums Leben gekommen. Doch der von den Nazis heißersehnte Aufstand kam nicht und der Wahltag des 5. März rückte immer näher. Auch die polizeiliche Besetzung und Durchsuchung der KPD-Zentrale brachte keine Anzeichen eines Putschversuches zutage.

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