Wie kam es 1933 zum Faschismus? – Faschismus in Deutschland Teil I

Abschnitt 10  Raubgold

Der NS-Staat brauchte andere Zahlungsmittel als die Reichsmark für den Handel mit neutralen Staaten, die diese Mark nicht akzeptierten. Tauschgut für wichtige Rohstoffe zur Produktion von Rüstungsgütern, wie z.B. Wolfram aus Portugal, Chrom aus der Türkei, Mangan, Quecksilber und Zink aus Spanien, Eisenerze aus Schweden, Rohöl aus Rumänien. Also wurde geplündert und geraubt, was sich gut zu Geld machen ließ: Gold, Edelmetalle, Edelsteine. Die Banken der neutralen Schweiz betätigten sich dabei als Hehler und tauschten das Gold in Schweizer Franken (SFr) und andere Währungen um. Der Hunger des NS-Staates nach Devisen war riesengroß. Das Gold wurde in hohem Tempo umgetauscht und war bald wieder verbraucht. Auch die Schweiz lieferte kriegswichtige Materialien an Deutschland: Waffen, Munition, Aluminium, Maschinen und Lokomotiven.

Die Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (nach ihrem Leiter kurz auch Bergier-Kommission genannt) systematisierte Ende der 90er Jahre die Herkunft der Vermögenskonfiskationen so:

Staatliche Zwangsmaßnahmen wie Steuergesetze, Devisenbestimmungen bis hin zu kriegswirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen spülten viel Gold in die Taschen des Reiches. Vorbesitzer des Metalls waren Deutsche jüdischer und nichtjüdischer Herkunft sowie andere in Deutschland enteignete Personen, Gruppen oder Einrichtungen. Eine ganze Anzahl von Organisationen und Verwaltungsstellen kümmerte sich um die Erfassung, Aneignung und Erpressung des begehrten Edelmetalls.

Seit 1938 wurden mithilfe der NS-Rassengesetzgebung die Vermögenswerte der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und Österreich eingetrieben. Zuerst hielten die Nazis sich noch mit Rücksicht auf die internationalen Beziehungen zurück. Der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ vom Februar 1938 folgte die Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit“ vom 12. November 1938. Alle Juden mit einem Vermögen von über 5.000 RM mussten eine Zwangsabgabe in Höhe von 20 % leisten. Durchgeführt und kontrolliert wurden diese Verordnungen nicht von irgendwelchen randalierenden Nazi-Horden, sondern von den braven Beamten der Finanzämter. Als der Bedarf an Kapital immer größer wurde, wurden mit der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 25. November 1941 die Konten der deportierten deutschen Juden als jüdische Bankkonten rücksichtslos geplündert und deren Vermögenswerte an das Deutsche Reich abgeführt. Natürlich wurden auch die Einwohner der einverleibten und besetzten Gebiete nach Strich und Faden bestohlen und ausgeraubt. Das geplünderte Gold wurde entweder in die Reserven der Reichsbank transferiert, über Schwarzmärkte verwertet oder gehortet.

Die ermordeten und auch überlebenden Opfer der Konzentrations- und Vernichtungslager wurden ihrer Ringe und ihres Schmucks beraubt. Man scheute auch nicht davor zurück, den vergasten Juden die Goldzähne herauszureißen. SS-Brigadeführer August Frank, der Leiter des Wirtschaftsverwaltungshauptamtes (WVHA) erließ im September 1942 aufgrund einer Geheimabsprache zwischen dem Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsidenten Walther Funk und Heinrich Himmler folgende Zuteilungsanweisung: „Devisen, seltene Metalle, Juwelen, Edel- und Halbedelsteine, Perlen, Zahngold und Goldabfall sollten beim WVHA zur Weiterleitung an die Reichsbank abgeliefert werden“.

(Der gewissenhafte und fürsorgliche NS-Staat erließ eben für alle kriminellen Handlungen Gesetze, Anweisungen und Verordnungen, damit die Ausführenden mit einem etwaigen noch vorhandenen Gewissen ja nicht in Konflikt kamen.)

Und diese Anweisung führte Hauptsturmführer Bruno Melmer, Leiter des WVHA, A-II (Finanzen und Soldzahlungen), höchstpersönlich durch. Aus diesem Grund bezeichnet man dieses Gold auch als Melmer-Gold. Nach der Studie von Hersch Fischler „Das Totengold der europäischen Juden und die deutschen Großbanken“ in der Zeitschrift „1999“ (Heft 1/1998 S. 146-173) erhielten Deutsche und Dresdner Bank zusammen etwa 40 % des eingeschmolzenen Opfergoldes.

Die Währungsreserven und Goldbestände der Zentralbanken der angegliederten und überfallenen Länder wurden geplündert und heim ins Reich transportiert.

Ein Schmankerl am Rande: Unsere amerikanischen Freunde waren manches Mal nicht sehr eifrig darin, die sichergestellte Nazibeute den ursprünglichen Besitzern zurückzugeben, sondern rissen sich einiges selbst unter den Nagel. So gelangten zum Beispiel vom sog. Goldzug mit Wertgegenständen aus ungarischem Regierungsbesitz (unter anderem Raubgold), den sie im Mai 1945 im Tauerntunnel beschlagnahmten, nur Objekte im Wert von 1,8 Millionen Dollar zur Versteigerung zugunsten jüdischer Flüchtlinge. Der Zug soll ursprünglich Gold und andere Wertgegenstände im Wert von rund 206 Millionen Dollar geladen haben. 2005 zahlte die US-Regierung zum Ausgleich 25,5 Millionen Dollar für Sozialhilfeprojekte zugunsten ungarisch-jüdischer NS-Opfer.

Natürlich bekamen auch die deutschen Privatbanken ihren Teil vom großen Kuchen ab, der wertmäßig allerdings schwierig zu erfassen ist. Dafür müssten die Banken ihre Archive öffnen. (Die Justus-Liebig-Universität Giessen stellt in ihrem Bericht über „Hitlers Bankiers und die SS“ fest, dass zwischen dem 15. Oktober 1941 und dem 21. August 1944 rund 5.000 Kilogramm Feingold im Wert von 5,6 Millionen US-Dollar über den Weg der Wiener Creditanstalt, einer okkupierten Tochter der Deutschen Bank, über Sofia nach Istanbul in die dort ansässige Filiale verkauft wurde.)

Für den Verkauf des geraubten Goldes gab es am Anfang zwei zentrale Anlaufpunkte, Istanbul und die Schweiz. Zuerst ließen sich noch auf dem freien Goldmarkt der Türkei Geschäfte aller Art mit dem Gold machen. Dabei spielten die Filiale der Deutschen Bank und die Deutsche Orientbank, die Filiale der Dresdener Bank in Istanbul eine entscheidende Rolle. Doch nachdem die Türkei sich 1944 gegen Deutschland stellte und die Niederlassungen deutscher Banken schloss, blieb nur noch die Schweiz als Drehscheibe übrig.

Die Bergier-Kommission stellte fest, dass allein über die Schweizer Nationalbank (SNB) in den Jahren 1940 bis 1945 Goldtransaktionen der Reichsbank für ±1,68 Milliarden SFr (±389 Millionen Dollar) vorgenommen wurden. Diese Zahl ist mit geringen Abweichungen durch mehrere Quellen gesichert. Dazu kommen noch die Lieferungen der Reichsbank an Schweizer Geschäftsbanken, die in den Jahren 1940/41 einen Umfang von 243,7 Millionen Franken (56,3 Millionen Dollar) hatten.

Nach dem am 7.5.1997 veröffentlichten Bericht des amerikanischen Unterstaatssekretär Stuart B. Eizenstat, Sonderbeauftragter von Bill Clinton für alle Vermögensfragen der Holocaust-Ära, konfiszierte der NS- Staat insgesamt Gold mit einem Schätzwert von 579 Millionen Dollar. Eizenstat rechnete für das Jahr 1997 einen Wert in Höhe von 5,6 Milliarden Dollar hoch.

Die Deutsche Bank hatte für die Golddrehscheibe Schweiz einen guten Mann, einen gebürtigen Schweizer, ausgestattet mit doppelter Staatsbürgerschaft, Alfred Kurzmeyer, seines Zeichens Generalbevollmächtigter der Deutschen Bank im Rang eines Direktors. Mit seinem Schweizer Pass kam er ohne Probleme über die Grenze. Und das tat er auch sehr gern mit einem Köfferchen voll Schmuck aller Art und Goldstücken in der Hand. Der Direktor der Deutschen Bank Kurzmeyer, der in einem Zimmer des Zürcher Hotels „Savoy“ die Schweizer Außenstelle der Deutschen Bank eingerichtet hatte, wurde 1944 von dem Fahnder der Kantonspolizei Zürich Rüegg schlichtweg als „Schieber“ bezeichnet. (Bankier des Holocaust | ZEIT ONLINE)

Auch für andere Zwecke wurde das Raubgold eingesetzt. Abs kaufte 1940 in Görings Auftrag deutsche Auslandsanleihen im neutralen Schweden mit erbeutetem Gold aus der Niederländischen und der Belgischen Notenbank, wofür ihm Göring 293.000 Reichsmark auszahlte. (Drittes Reich: Opportunisten des Geldes: Bankiers unter dem Hakenkreuz – Unternehmen – FAZ)

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.