Entwicklung des Faschismus in der Bundesrepublik – Faschismus in Deutschland Teil II

9. Kontinuität der Ziele und Aufgaben von Institutionen im Westen Deutschlands

9a. Staatsbürgerliche Vereinigung (SV)

Aufgrund der Tatsache, dass sich am Wirtschaftssystem nichts verändert hatte, war es auch nur folgerichtig, dass die neu gegründeten Institutionen das Ziel hatten, den Kapitalismus und dessen Staat zu erhalten und zu stabilisieren.

So diente die 1953 gegründete Staatsbürgerliche Vereinigung bis zur Flick-Affäre in den 80er Jahren dazu, Spenden der Konzerne (derselben Konzerne, die vorher die Nazis so großzügig mit Spenden bedacht hatten) diskret und steuerbegünstigt in erster Linie an die reaktionären Parteien in der neuen Republik CDU und CSU, aber auch an die damals mehrheitlich rechtsnational gesinnte FDP und an den in Teilen rechtsextremen Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) weiter zu leiten. Es geschah eben ein bisschen unauffälliger, bis die Flick-Affäre die Spendenpraxis an das Licht der Öffentlichkeit brachte.

Vorsitzender der SV wurde das ehemalige Mitglied der NSDAP Gustav Stein, der auch gleichzeitig stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) war. Stein war eng mit Adenauers Staatsekretär Hans Globke, dem Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, befreundet.

Als es dem ehemaligen Zwangsarbeiter der I.G. Farben in Auschwitz Norbert Wollheim 1957 gelang, einen gerichtlichen Vergleich für die Zahlung von Schmerzensgeld zu erkämpfen, brach in der deutschen Industrie ein Sturm der Entrüstung los. Die Welt berichtete am 21.11.2010: „Gustav Stein, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), schreibt 1956 ans Kanzleramt, er befürchte, „daß ein gefährliches Präjudiz für die gesamte deutsche Wirtschaft geschaffen wird … an erster Stelle kommt wohl Krupp in Frage“. (Beitz' harter Kampf um Entschädigung für Nazi-Greuel: Zwangsarbeit bei Krupp – WELT)

Bis zur Auflösung der SV im Jahre 1990 sollen Spenden in Höhe von 214 Millionen DM von ihr gewaschen worden sein. Es ist anzunehmen, dass von der SV die schwarzen Kassen der CDU gespeist wurden, an deren noble Geldgeber sich Bundeskanzler Helmut Kohl nicht mehr erinnern wollte. 1985 wurde der inzwischen zum Bundeskanzler avancierte ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl vor dem Mainzer Spenden-Untersuchungsausschuss befragt: „Das ist die Frage … ob Sie, Herr Bundeskanzler … wussten, dass diese Staatsbürgerliche Vereinigung als Geld- und Spendenbeschaffungsanlage diente.“ Zeuge Dr. Kohl: „Nein“. Dreimal wird ihm diese Frage gestellt. Und dreimal antwortet er dem Ausschuss mit: „Nein“. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sagte dazu am 19.02.1986: „Möglicherweise hat er einen Blackout gehabt, das kann in einer sehr langen Anhörung ja mal der Fall sein.“ (Diskussion:Heiner Geißler – Wikiquote). Ein Witz machte die Runde: Blackout in und black out.

Nachdem 1998 Kohl den Kanzlersitz an SPD-Schröder abgeben musste, verschwanden Schriftstücke und elektronische Daten aus dem Kanzleramt. Es wurden bewusst und koordiniert Daten von den Festplatten gelöscht, die wahrscheinlich auch mit der Spendenaffäre in Zusammenhang standen.

Nachdem Hessens Ministerpräsident Roland Koch mehrmals abgestritten hatte, dass die hessische CDU über schwarze Kassen verfügt, funktionierte er das Schwarzgeld zum Darlehen um. Sein Schatzmeister, der Prinz Casimir Wittgenstein im Verein mit dem Steuerberater Horst Weyrauch hatte eine noch bessere Idee: Sie erfanden Tote, die fingierte Vermächtnisse hinterlassen hatten. Als der Schwindel aufzufliegen drohte, dichteten die Geldwäscher der hessischen CDU die fiktiven toten Spender in fiktive jüdische Tote um.

9b. Der Bundesnachrichtendienst (BND)

Der BND entstand aus der Organisation Gehlen. Reinhard Gehlen, Generalmajor der Wehrmacht und Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) des deutschen Generalstabs, und einige seiner Männer ließen mal eben 50 Stahlkisten mit dem Archiv der FHO Anfang 1945 aus dem Hauptquartier des Heeresgeneralstabs mitgehen, die sie in Bayern vergruben. Gehlen ging berechtigterweise davon aus, dass der größte Feind des Kapitalismus der Kommunismus ist und dass Männer mit seinen Kenntnissen und seiner Datensammlung im Kapitalismus, egal von welchem Staat, immer gebraucht werden. Und so war es auch. Die Amerikaner erkannten schon bald den Nutzen von Gehlen und seinem Archiv mit den systematischen und exakt dokumentierten Details. Diese Details stammten zum großen Teil aus Verhören mit sowjetischen Kriegsgefangenen, die höchstwahrscheinlich mit Hilfe von Folter erpresst wurden. Auch das wurde noch nie untersucht.

So wurde schon im Juni 1946 in der amerikanischen Besatzungszone der zunächst namenlose, im Sprachgebrauch als Organisation Gehlen bezeichnete Geheimdienst eingerichtet, aus dem dann 1956 der BND hervorging. Nach Angaben des Historikers Gerhard Sälter in der Fernseh-dokumentation Nazis im BND – Neuer Dienst und Alte Kameraden waren in der Organisation ca. 500 Altnazis beschäftigt, vom kleinen SA- und SS-Schergen bis hin zum Massenmörder. (Nazis im BND // Neuer Dienst und alte Kameraden // ARD [HD] – YouTube)

Im Spiegel 13/2006 steht dazu unter der Überschrift „Schweinehunde willkommen“: „Wir wussten, was wir taten“, sagte der CIA-Russland-Experte Harry Rositzke. „Es war unbedingt notwendig, dass wir jeden Schweinehund verwendeten. Hauptsache, er war Antikommunist.“ (DER SPIEGEL 13/2006 – Schweinehunde willkommen)

Hier einige ausgesuchte Exemplare:

  • Der Schlächter von Lyon Klaus Barbie, ehemaliger Gestapo-Chef von Lyon, verantwortlich für Massaker, Erschießungen, Folter und Deportationen unter dem Vorzeichen besonderer Grausamkeit. Er wurde 1947 Agent des amerikanischen Geheimdienstes CIC, emigrierte 1951 unter dem Namen Klaus Altmann mit amerikanischer Hilfe auf der sog. Rattenlinie nach Bolivien, wurde dort Ausbilder und Berater der Sicherheitskräfte von reaktionären Regierungen und 1966 als Informant für den BND angeworben.

  • Willi, der Kommunistenfresser, Wilhelm Krichbaum, ehemaliger Leiter der Geheimen Feldpolizei, die an der Ostfront Zehntausende als Partisanen Verdächtigte folterte oder gleich umbrachte, avancierte im BND zum Personalchef.

  • Der Tiger von Como Johannes Clemens zählte zu jenem Kommando, das 1944 in den Adreatinischen Höhlen bei Rom 335 Zivilisten erschoss. Ab 1951 war er bei der Organisation Gehlen, vorher aber schon von der KGB als Doppelagent angeworben worden.

  • Franz Rademacher, ehemaliger Leiter des Judenreferats des Auswärtigen Amtes, war maßgeblich am Entwurf des Madagaskarplanes beteiligt, der die Deportation aller im Deutschen Reich lebenden Juden vorsah, floh nach Syrien und wurde dort 1962 für den deutschen Auslandsnachrichtendienst angeworben.

  • Walther Rauff, koordinierte den Einsatz der mobilen Gaswagen zur Judenvernichtung vor Ort, floh zuerst nach Syrien und dann über die Rattenlinie nach Ecuador, anschließend nach Chile, wurde 1958 unter Zahlung einer monatlichen Pauschale von 2000 DM für den BND angeworben.

  • Konrad Fiebig, ehemaliger Offizier im Einsatzkommando 9 der Einsatzgruppe B, angeklagt wegen der Ermordung von 11 000 Juden in Weißrussland, kam bei der Organisation Gehlen unter.

  • Alois Brunner, ein ungeheuer eifriger Judenverfolger und -verschlepper in vielen Teilen Europas, floh mit Gehlens Hilfe nach Syrien, wurde dort Berater für Judenfragen beim syrischen Geheimdienst Muhabarat, als Dr. Georg Fischer im Auftrag der Organisation Gehlen Geheimdienstexperte in dieser Region des Nahen Ostens unterwegs, nach dem Journalisten der Zeitung Krone Kurt Seinitz der widerwärtigste Mensch, der ihm je untergekommen sei. (Freihofners Fußnoten)

  • Dr. Emil Augsburg, gehörte dem Vorkommando Moskau der Einsatzgruppe B an, das im Rahmen der Gegnerbekämpfung Morde an Juden, Partisanen und kommunistischen Funktionären verübte, wegen außerordentlicher Ergebnisse in diesem Einsatz belobigt, beobachtete als Spezialist für sowjetische Angelegenheiten ab Ende 1947 für die Organisation Gehlen Emigrantenorganisationen, u. a. Aktivitäten der Organisation Ukrainischer Nationalisten.

Siehe auch: (DER SPIEGEL 7/2011 – Braune Wurzeln)

Nach der 1961 erfolgten Verhaftung des Doppelagenten Heinz Felfe, einem ehemaligen SS-Obersturmführer, kam es zu einer internen Untersuchung über die Belastung ehemaliger SS-Angehöriger durch ihre Tatbeteiligung an SS-Verbrechen, aber nicht um brutalstmöglich aufzuklären, sondern um vor weiteren unliebsamen Überraschungen sicher zu sein. Die 2006 von BND-Präsident Ernst Uhrlau angekündigte Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit des Dienstes wurde über Jahre nicht in Angriff genommen.

Dafür vernichtete der BND 2007 vorsichtshalber zahlreiche Dokumente, die nach Einschätzung von Experten von großer historischer Bedeutung waren. Insgesamt 250 Personalakten mit Bezug zur NS-Zeit sollen dem Reißwolf übergeben worden sein.

Bei Wikipedia sind unter dem Stichwort BND bis dato 11 sog. Affären aufgelistet. (Bundesnachrichtendienst – Wikipedia) Wenn man diesen Abschnitt des angepassten Sprachgebrauchs entkleidet, der Wikipedia in großem Maß zu eigen ist, und die richtigen Schlüsse zieht, kommt folgendes heraus:

– Der BND hat Journalisten überwacht, die Bücher oder Artikel über den BND geschrieben haben. Dazu verwendete der BND teilweise kein eigenes Personal, sondern benutzte Kollegen der Journalisten, um an Informationen heranzukommen. Auch das ist nicht neu. Und heuchlerisch, wenn man gleichzeitig mit dem Finger auf die Stasi zeigt.

– Im Irak-Krieg haben BND-Mitarbeiter Ziele ausspioniert und diese Informationen an das US-Militär weitergegeben, obwohl die rotgrüne Schröder-Regierung sich offiziell nicht am Krieg beteiligte. Der US-General a. D. James Marks, der den Aufklärungsstab der Bodentruppen leitete, bezeichnete die Beiträge der Deutschen als extrem wichtig und wertvoll und als detailliert und zuverlässig. Und das haben die BND-Mitarbeiter bestimmt nicht aus eigenem Antrieb gemacht.

– Der Unternehmer Kremer, der Radar- und Sonarsysteme herstellte, unterhielt geschäftliche Kontakte im mittleren Osten und sollte mit Vergünstigungen, auch finanzieller Art zu einer Zusammenarbeit bewegt werden. Kremer lehnte es ab, den Spitzel zu spielen. Danach hetzte der BND dem Unternehmer die Behörden auf den Hals. Nach Betriebsprüfungen durch das Gewerbeaufsichtsamt und dem Zoll wurde Kremer vorgeworfen, Rüstungsgüter ohne Genehmigung exportiert zu haben. Auch seine Geschäftspartner in Pakistan wurden vom Zoll vernommen. Er verlor den Auftrag und geriet in finanzielle Schwierigkeiten. So setzt der BND auch bürgerliche Existenzen aufs Spiel, wenn die nicht so wollen, wie der Dienst es will.

– Nach Berichten des österreichischen Nachrichtenmagazins Profil vom 23.10.2010 hat der BND im Jahr 2002 für „mehrere 100.000 Euro“ eine Reise des Erzreaktionärs Jörg Haider in den Irak zu Saddam Hussein finanziert. Saddam Hussein hat übrigens im Gegenzug Millionen an Haiders Partei FPÖ gezahlt. So hat der BND mit dem Geld des deutschen Steuerzahlers für ein gutes Geschäftsklima zwischen den beiden Erzhalunken gesorgt. ( Profil online: Jörg Haiders Observation durch den BND)

Ein blinder Fleck ist immer noch das Attentat auf dem Münchner Oktoberfest am 26. 9.1980. Durch eine Bombe wurden 13 Menschen regelrecht zerfetzt und 211 zum Teil schwer verwundet. Es war kurz vor der Bundestagswahl. Die Atom- und die Rüstungsindustrie hatten Franz Josef Strauß aufs Schild gehoben und wollten ihn zum Kanzler machen (siehe Abschnitt über Strauß). Er wollte in erprobter Manier das Attentat linken Terroristen in die Schuhe schieben, das Ganze der regierenden SPD/FDP-Koalition (Schmidt/Genscher) anlasten und sie somit zu Fall bringen. Es stellte sich aber ziemlich schnell heraus, dass der Attentäter selbst bei dem Anschlag ums Leben kam und als Neonazi Gundolf Köhler identifiziert wurde. Köhler wurde sofort danach als Einzeltäter präsentiert. Seine Mitgliedschaft in der Wehrsportgruppe Hofmann, deren Gefährlichkeit von Strauß vorher immer verharmlost wurde, spielte keine Rolle. Beweise wurden vernichtet. Seit Jahren kämpfen Opfer mit ihren Anwälten und auch der Journalist vom Bayrischen Rundfunk Ulrich Chaussy um vollständige Akteneinsicht in die Spurenakten des LKA und begaben sich selbst auf Spurensuche.

Till Rüger, ebenfalls Journalist beim BR stieß bei seinen Recherchen beim Bundesnachrichtendienst auf brisante Akten, die er als erster Journalist einsehen konnte. Diese Unterlagen geben Hinweise darauf, dass Spuren vom Oktoberfestattentat zu internationalen Geheimdiensten und zur Operation GLADIO führen könnten.

Zum Hintergrund: Nur wenige Wochen vor dem Attentat in München wurde in Italien einen Anschlag auf den Bahnhof in Bologna verübt. 85 Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt. Zunächst wurde der Verdacht in Bologna auf Linksterroristen gelenkt, später aber wurden Neofaschisten und Mitarbeiter des Geheimdienstes für die Tat verurteilt. Heute ist belegt, dass „GLADIO“ in das Bologna-Attentat verwickelt war.

Unter dem Namen „GLADIO“ firmierte ein sogenanntes „Stay-Behind“-Netzwerk von NATO, CIA und anderen westlichen Geheimdiensten. Diese paramilitärische Geheimorganisation sollte mit Sabotageakten und Guerillaoperationen die Machtübernahme von Kommunisten in Europa verhindern. Ihre Einheiten waren ab den 50er Jahren bis Anfang der 90er Jahre fernab jeder demokratischer Kontrolle in Europa aktiv. (Kontrovers-Story: Oktoberfestattentat: War es wirklich ein Einzeltäter? | Kontrovers | Bayerisches Fernsehen | Fernsehen | BR.de)

Opferanwälten wurde noch bis Anfang 2014 die Einsicht in wichtige Unterlagen des bayerischen Landeskriminalamts und des bayerischen Verfassungsschutzes verweigert.

Der BND soll angeblich durch das Parlamentarische Kontrollgremium kontrolliert werden, das aber, sollte ihm ausnahmsweise die Wahrheit gesagt werden, diese noch nicht einmal nach außen tragen darf, weil es zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Und ein Mann vom Format von Edward Snowden ist hier in Deutschland nicht in Sicht.

9c. Bundeskriminalamt (BKA)

Aufgebaut wurde das 1951 gegründete BKA unter der Leitung der Kriminalkommissare und ehemaligen SS-Angehörigen Paul Dickopf und Rolf Holle. Auch im BKA sammelten sich die alten Kameraden. Wikipedia führt dazu aus: „Nur zwei von 47 leitenden Beamten des BKA hatten keine NS-Vergangenheit, 33 waren ehemalige SS-Führer. Zu diesen SS-Führern zählte auch Theo Saevecke, der stellvertretender Leiter der Sicherungsgruppe wurde.“

Und die alten Spezialisten konnten wieder genau das machen, was sie vorher auch gemacht hatten:Kurt Amend, Chef-Fahnder des Berliner Reichskriminalpolizeiamts (RKPA) und Ex-Mitglied im Sicherheitsdienst der SS, wurde Chef-Fahnder in Wiesbaden. Otto Martin, Biologe in der SS-Forschungsgemeinde Ahnenerbe, wurde Chef in der Biologischen Abteilung. Heinz Drescher, Chef der Personenfeststellungszentrale und der Fingerabdrucksammlung im RKPA wurde Chef des Erkennungsdienstes.“ (Bundeskriminalamt (Deutschland) – Wikipedia)

Dass sich beim BKA nicht nur Altnazis breit machten, sondern auch neue, kann man an Martin Hohmann sehen. 1948 geboren war er von 1980 bis 1984 beim Bundeskriminalamt angestellt, zuletzt als Kriminaloberrat in der Abteilung Terrorismus. Da ihm aber dort der Wirkungskreis zu klein war, ging er in die Politik, und zwar zur CDU. 1999 reichte Hohmann zusammen mit anderen Bundestagsabgeordneten einen Antrag ein, in dem sie die Errichtung eines Holocaust-Denkmals ablehnten. Das Holocaust-Denkmal war für ihn ein Hinweis darauf, dass die Deutschen sich ihre Vergangenheit nicht verzeihen konnten. 2003 hielt Hohmann eine Rede zum Tag der deutschen Einheit, die zum Parteiausschluss führte. In dieser Rede führte er aus, dass man die Juden selber als Tätervolk bezeichnen kann und dass daher weder die Juden noch die Deutschen ein Tätervolk seien. Von der evangelikalen „idea-Redaktion“ wurde Hohmann zum Politiker des Jahres 2001 gekürt. Er wurde dafür ausgezeichnet, dass er sich nach dem Terror der Anschläge vom 11. September 2001 „gegen ein falsches Toleranzdenken und eine christlich-muslimische Verbrüderung“ gewandt hatte. (Martin Hohmann – Wikipedia)

Wie aus diesen Beispielen ersichtlich, machten die staatlichen Sicherheitsdienste in der Bundesrepublik genau dasselbe, was sie im Faschismus gemacht hatten: Unterstützung der Reaktion und Bespitzelung von Andersdenkenden.

9d. Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)

Das BfV wurde 1950 gegründet. Der Auftrag war und ist die Überwachung von Bestrebungen gegen die in diesem Staat geltende Grundordnung, also mit anderen Worten Überwachung aller Personen, die sich kritisch mit diesem Staat und seiner Grundordnung auseinandersetzen: Kommunisten, Antifaschisten, Linke aller Couleur und auch Nazis.

Auch beim BfV gab es starke personelle Kontinuitäten. Bis zum Ende der alliierten Aufsicht 1955 waren viele ehemalige Mitarbeiter der Gestapo als inoffizielle Mitarbeiter beschäftigt, danach auch offiziell.

Zeit online beschreibt die Arbeit des Verfassungsschutzes so:

„… schon 1953 produzierte er seinen ersten Skandal, als er einem Ost-Überläufer aufsaß – wegen angeblicher Wirtschaftsspionage wurden mehr als 30 zu Unrecht Beschuldigte festgenommen. Seitdem lässt sich die Geschichte des Verfassungsschutzes auch als Skandalchronik erzählen: 1954 verschwand der Gründungspräsident des BfV, Otto John, in die DDR. 1963 enthüllte die ZEIT, dass der Dienst verfassungswidrig abgehört hatte; Ende der sechziger Jahre lieferte ein V-Mann des Berliner Dienstes Molotowcocktails an protestierende Studenten; 1978 sprengte der niedersächsische Dienst ein Loch in die Wand des Celler Gefängnisses, um eine RAF-Befreiungsaktion vorzutäuschen; 1985 lief der Chef der Spionageabwehr in die DDR über; und 1991 endete in Berlin nach 15 Jahren Obstruktion durch den dortigen Verfassungsschutz ein Prozess um den Mord an dem Terroristen und Spitzel Ulrich Schmücker mit der Erkenntnis, der Dienst habe an dem Verbrechen mitgewirkt.“ (Geheimdienst: Eine Chronik der Skandale | ZEIT ONLINE)

Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 24.01.2012 unter der Überschrift: Mit dem Linken sehen sie besser: Auf der Überwachungsliste (des BfV, der Verfasser) standen jedenfalls viele Demokraten, die sich kritisch über die Regierung äußerten. Die Pazifistin Klara Marie Faßbinder etwa, die sich gegen die Aufrüstung unter Konrad Adenauer einsetzte. Sie wurde nicht nur observiert, sondern wegen angeblicher prokommunistischer Äußerungen 1953 von ihrem Amt als Geschichtsprofessorin suspendiert.

In den sechziger Jahren bespitzelte der Verfassungsschutz auch einen Anwalt aus Essen, der KPD-Mitglieder verteidigte, die nach dem Verbot ihrer Partei in Haft gekommen waren. Gustav Heinemann hieß der Mann, 1969 wurde er deutscher Bundespräsident. Heinemanns Kollege Diether Posser, der später Justizminister in Nordrhein-Westfalen wurde, stand ebenfalls auf der Liste der potentiellen Landesfeinde. Anfang der achtziger Jahre beobachtete der Verfassungsschutz die gerade gegründete Partei Die Grünen. Besonders verdächtig erschien ihm der frühere RAF-Verteidiger Otto Schily – der später zur SPD wechselte und Innenminister einer rot-grünen Bundesregierung wurde.“ (Bundesamt für Verfassungsschutz – Mit dem Linken sehen sie besser – Politik – Süddeutsche.de)

Es gibt ein Schlüsseldokument aus dem Jahr 2004, das als Verschlusssache eingestuft ist. Es trägt den Titel „Gefahr eines bewaffneten Kampfes deutscher Rechtsextremisten – Entwicklungen von 1997 bis 2004“.

„Schlägt man das Papier heute auf, wird einem schwindelig. Neben anderen Fällen wird auf Seite 5 ein »Rohrbombenfund in Jena« von 1998 geschildert. Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten damals in einer Garage Sprengstoff gehortet; eine Festnahme scheiterte. Als die Broschüre verfasst wurde, sechs Jahre später, hatte das Trio längst den NSU gegründet und angefangen, Migranten zu erschießen, zuletzt im Februar 2004 den Dönerverkäufer Mehmet Turgut, das fünfte der zehn Mordopfer. An dem Eintrag verstört, wie er endet: nicht mit einer Frage oder einer Warnung. Sondern mit der lapidaren Feststellung, dass »das Ermittlungsverfahren gegen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung nach §170Abs2 StPO« eingestellt wurde.“ (Geheimdienst: Eine Chronik der Skandale | ZEIT ONLINE)

Dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) werden in der Zeit zwischen Oktober 1999 und November 2011 10 Morde, 14 Bankeinbrüche und 3 Sprengstoffanschläge zugeschrieben.

Nichts charakterisiert den Verfassungsschutz besser als die Vorgänge um den NSU. Im Zusammenhang mit der Mordserie des NSU wird seitens staatlicher Organe verheimlicht, gelogen, vertuscht und gemauert, was das Zeug hält. Und das ist auch nicht verwunderlich. Denn der BfV hatte 1999 betont, dass es keine Ansätze für eine braune RAF gebe, dass es der Szene an Planung, Logistik und vor allem einer zielbildenden Ideologie fehle und dass die Neonaziszene einen planmäßigen, auf Dauer angelegten Kampf zur Durchsetzung politischer Ziele nicht akzeptieren würde. (Die Zelle – Rechter Terror in Deutschland, S. 137 – Christian Fuchs, John Goetz).

Oktober 2003 sind sich alle angeblichen Rechtsextremismus-Experten der Bund- Länder-Tagung einig, dass eine Gewalt bejahende Diskussion in der rechtsextremistischen Szene zur Zeit nicht stattfindet. Vielmehr lehnt sie – möglicherweise taktisch motiviert – terroristische Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele nahezu einhellig ab.(ebda. S.162). Und das, obwohl immer wieder in Publikationen des konspirativ organisierten Netzwerks Blood & Honour, dem die NSU nahe stand und in dem auch V-Leute des Verfassungsschutzes aktiv waren, gefordert wurde, den „Rassenkrieg“ vorzubereiten: man müsse geheime Strukturen schaffen und bereit sein, sein Leben zu opfern. („Blood & Honour“: NSU-Helfer in Sachsen — venceremos antifa dresden) Auch nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln im Juni 2004 ist sich der damalige Bundesinnenminister Otto Schily sicher, dass nichts auf einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminelles Milieu hindeutet. Zu diesem Zeitpunkt haben die Spurensicherer der Soko noch nicht einmal den Tatort verlassen. (Die Zelle, S.167/168).

Die Ermittlungsarbeiten werden also ganz offen von den höchsten Stellen aus in die falsche Richtung gelenkt. Und das, obwohl sämtliche Geheimdienste ihre V-Leute rund um die NSU-Zelle verteilt hatten und genau wissen mussten, was dort passiert.

Die Reaktion nach Auffliegen des NSU war nur konsequent. Die Frankfurter Rundschau berichtete, dass das von Hans-Peter Friedrich (CSU) geführte Bundesinnenministerium in weit größerem Umfang Akten zur NSU-Affäre vernichten ließ, als bisher bekannt war. Wie dessen Sprecher Jens Teschke am Freitag einräumte, habe sich die Vernichtung von Abhörprotokollen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bis zum Mai dieses Jahres hingezogen. (…)Bekannt war, dass mehrere Beamte im Bundesamt für Verfassungsschutz im November 2011 in zwei Schritten und auf eigene Faust Akten vernichtet haben. Dabei ging es um Informationen über die „Operation Rennsteig“. Sie hatte zum Ziel, V-Leute in der Neonazi-Gruppe Thüringer Heimatschutz zu platzieren, dem auch die mutmaßlichen NSU-Terroristen zeitweise angehörten. Der Vorgang führte zum freiwilligen Rückzug von Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm.

Darüber hinaus, das wird seit Mittwochabend schrittweise öffentlich, wurden auf Geheiß des Ministeriums vom 14. November 2011 viermal Akten über Abhörmaßnahmen im rechtsextremistischen Bereich geschreddert, in deren Zentrum offenbar auch Personen standen, die mit dem NSU um Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu tun hatten – nämlich im November, im Dezember, im April und im Mai. (NSU-Akten: Friedrich ließ in Serie schreddern | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau)

Im Anschluss eine kleine, nicht vollständige Übersicht über die Arbeitsweise der Verfassungsschutz- und auch anderer Behörden:

  • Thüringen

Eine geplante Festnahme des Neonazi-Trios ist dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) zufolge Ende der 90er-Jahre in letzter Minute gestoppt worden. Fahnder hätten die drei Verdächtigen zwischen 1998 und 1999 in Chemnitz in Sachsen aufgespürt, berichtete der MDR Thüringen am Freitag. Das alarmierte Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamtes (LKA) habe einen Einsatzplan für die Festnahme gehabt, sei aber kurz vor dem Aufbruch nach Sachsen gestoppt worden. Laut MDR soll das LKA damals auch ihre Zielfahnder zurückgerufen haben.

Nach MDR-Informationen hatten sich die beteiligten LKA-Beamten nach dem geplatzten Zugriff massiv beschwert. Daraufhin soll es ein Gespräch zwischen „hohen Vertretern des Innenministeriums“ und den Polizisten gegeben habe. (Zwickauer Terrorzelle: Neonazis sollten bereits 1999 verhaftet werden – Nazi-Terror – FOCUS Online – Nachrichten) Wir wüssten sehr viel mehr, wenn ein beteiligter Beamter berichten würde, wie dieses Gespräch abgelaufen ist. Aber das wäre wohl zu viel verlangt von einem deutschen Beamten.

Der Thüringer Verfassungsschutz hat nach SPIEGEL-Informationen Ende der neunziger Jahre mindestens drei V-Leute im Umfeld der Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe geführt.

Neben dem Kopf des Thüringer Heimatschutzes, Tino B. (Brandt, der Verfasser), Deckname Otto, gehörte zu den Informanten des Geheimdienstes auch der Chef der Thüringer Sektion der Organisation Blood & Honour. (NSU-Ermittlungen : Verfassungsschutz führte drei V-Leute im Umfeld des Terror-Trios – SPIEGEL ONLINE) Es handelt sich bei letzterem um Marcel Degner. Marcel D. war ein überzeugter Neofaschist. Er organisierte Konzerte von neofaschistischen Bands und klagte 2001 gegen das Verbot von Blood & Honour und der Jugendorganisation White Youth.

V-Mann Tino Brandt bekam übrigens insgesamt 200.000 DM vom LfV Thüringen. Er brüstete sich damit, dass er die V-Mann-Gehälter in die rechte Szene zurückfließen ließ und für Aktionen verwendete. Gegen Brandt wurde seit 1994 35mal unter anderem wegen Volksverhetzung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Betrug und der Bildung krimineller Vereinigungen ermittelt. Die Mehrzahl der Verfahren wurde eingestellt. Achtmal wurde Brandt angeklagt, letztendlich jedoch nie verurteilt. (35 erfolglose Ermittlungsverfahren gegen früheren V-Mann | Thüringer Allgemeine)

Ein weiterer V-Mann des Verfassungsschutzes im unmittelbaren Umfeld des NSU war Michael See (infolge Heirat benannte er sich in von Dolsperg um), der unter dem Decknamen Tarif geführt wurde. Michael S. war nach Einschätzung des Polit-Magazins Fakt von 1994 bis wenigstens 2002 einer der wichtigsten Neonazi-Aktivisten Deutschlands. Er hatte gute Verbindungen zum „Thüringer Heimatschutz“, zur Terrorgruppe Combat18 (bewaffneter Arm des Netzwerkes Blood & Honour), zum V-Mann Tino Brandt und zum Unterstützer des NSU, Ralf Wohlleben. (FAKT: V-Mann mit Verbindung zum Umfeld des NSU | DasErste.de) Michael S. soll nach Informationen der Berliner Zeitung das Konzept für die NSU geliefert haben und für seine Dienste 66.000 DM vom Verfassungsschutz bekommen haben. Das von ihm herausgegebene Propagandablatt Sonnenbanner ließ er sich vom VS absegnen und finanzieren. Seine Akte und die von weiteren sechs V-Männern aus der Thüringer Szene wurden kurz nach Auffliegen des NSU vom BfV geschreddert. (Ex-Neonazi: Architekt des NSU als V-Mann enttarnt | NSU-Prozess – Berliner Zeitung). Genauer gesagt, an dem Tag, an dem sich Beate Zschäpe der Polizei gestellt hatte. Der Spiegel berichtete am 24.02.2014 darüber.

Übrigens, die V-Leute bekommen das Geld von den Verfassungsschutzämtern steuerfrei. Die Ämter führen eine Pauschale von 10 % der ausbezahlten Gelder an die Finanzämter ab. Nach Informationen der Bild-Zeitung kosten die V-Leute den Steuerzahler rund 20 Millionen EURO jährlich. (V-Leute: Der Verfassungsschutz zahlt 20 Millionen Euro in bar – Politik Inland – Bild.de)

Der thüringische Verfassungsschutz hat den NSU sogar direkt mit Geld unterstützt. Es übergab 2000 DM an ihren V-Mann Tino Brandt. Damit sollte sich das Trio falsche Pässe besorgen. Außerdem kaufte er dem Terrortrio mindestens drei Exemplare des von ihnen hergestellten antisemitischen Brettspiels „Pogromly“ für je 100 Mark ab. (Neonazi-Trio: Fahnder arbeiteten gegeneinander | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau)

Von 1994 bis 2000 war Helmut Roewer Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (TLfV). Der TLfV unter seiner Führung marschierte in die gleiche Richtung wie das BfV: Verharmlosung des Rechtsextremismus und Darstellung des Linksextremismus als gewaltbereit. V-Mann Tino Brandt konnte unkommentiert in einem vom TLfV hergestellten Film sagen: „Wir sind […] prinzipiell gegen Gewalt“. Die Befragungen vor dem NSU-Untersuchungsausschuss verglich Roewer in einem Interview, das er der Zeitung Junge Freiheit (Sprachrohr der Neuen Rechten, der Verfasser) gab, mit einem „stalinistischen Schauprozess“. Im Jahr 2000 wurde Roewer aufgrund einer Reihe von Affären vom Dienst suspendiert. Ein 2005 gegen Roewer begonnener Strafprozess wegen Untreue in seiner Zeit als Verfassungsschutzpräsident wurde 2008 wegen fortdauernder Verhandlungsunfähigkeit vorläufig eingestellt, und endgültig im März 2010 gegen Zahlung von 3000 Euro Geldauflage an eine gemeinnützige Einrichtung. (Helmut Roewer – Wikipedia) Danach betätigte sich Roewer als Publizist im Grazer Ares-Verlag. Der Verlag bietet nach Auffassung der Grünen im Landtag Steiermark in gehäufter Zahl antisemitischen, rassistischen und rechtsextremen Autoren sowie Geschichtsrevisionisten eine Plattform. Außerdem veröffentlicht er eigene Dossiers im Compact-Magazin, das in der Süddeutschen Zeitung als rechtspopulistisches Magazin mit Hang zu Verschwörungstheorien eingeschätzt wird. Dort ist er in der guten Gesellschaft von Thilo Sarrazin und Eva Hermans. Noch mehr über diesen Mann steht in der Frankfurter Rundschau vom 3. 4.2012: (Rechtsterrorismus: Undurchsichtiger Zeuge | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau).

  • Sachsen

Bei einem der wichtigsten Unterstützer des NSU, dem Neonazi André Eminger aus Zwickau, der Beate Zschäpe am Tag ihrer Flucht am 4.11.2011 mit Auto hilfreich zur Seite stand, wurden Handydaten auf Weisung des BKA gelöscht. (Ermittlungen zur NSU: Gegeneinander statt miteinander | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau) André E. und seine Frau Susann versorgten das Trio mit Tarnidentitäten, unter denen u.a. Campingplätze angemietet, DVDs in einer Zwickauer Videothek ausgeliehen und Bahncards beantragt wurden.

Ein anderer V-Mann in Sachsen war Mirko Hesse. Hesse hatte 1997 eine Firma mit Namen Hate Records angemeldet. Hier produzierte er Hass-CDs. Mit Fördergeldern des Freistaats Sachsen und der EU – insgesamt 13 000 Mark – baute er sein Unternehmen schnell zu einer der zentralen Vertriebsorganisationen rechtsradikaler Nazirock-CDs aus. Gemeinsam mit ausländischen Partnern schmuggelte er Zehntausende von indizierten Platten quer durch Europa. (…) Außer als Dealer verbotener Musik-CDs agierte Hesse auch als Mitproduzent von Platten deutscher Nazirocker. So war er beispielsweise maßgeblich an der Herstellung der Hass-CD „Ran an den Feind“ der deutschen Nazi-Rockband Landser beteiligt. Auf dieser Platte rufen die Landser – ihnen wird derzeit vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gemacht – zum Mord an Juden und Ausländern sowie zur Tötung von Verantwortlichen der Wehrmachtsausstellung auf. Auch die Platte „Noten des Hasses“ der Naziband White Aryan Rebels hat Hesse produziert. Auf dieser Platte wird zum Mord an Michel Friedman und an der CDU-Politikerin Rita Süssmuth aufgerufen. (NEONAZIS – Die Dresdner Staatsanwaltschaft will erneut eine rechtsextreme Gruppe zur kriminellen Vereinigung erklären lassen. Diesmal geht es um die Sächsischen Hammerskins.: Die erstaunliche Nazikarriere des V-Manns Mirko H. | Archiv – Berliner Zeitung)

Am 24.6.2013 erstatteten 2 Mitglieder von Bündnis90/Die Grünen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Dresden gegen den ehemaligen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Reinhard Boos, und den ehemaligen G10-Beamten und LfV-Vize, Dr. Olaf Vahrenhold. Sie warfen ihnen vor, vor dem NSU-Untersuchungausschuss in einem entscheidenden Punkt nicht die Wahrheit gesagt zu haben. „Obwohl die beiden (ehemaligen) Führungskräfte Reinhard Boos und Dr. Olaf Vahrenhold im Jahr 2000 einen Antrag auf Überwachungsmaßnahmen gegen das NSU-Trio und seine Unterstützer damit begründet haben, dass ihr Vorgehen der ‚Strategie terroristischer Gruppen‘ ähnele, sagten sie als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss im Dezember 2012 bzw. März 2013 aus, sie hätten damals ‚keine‘ (Vahrenhold) bzw. ‚keinerlei‘ (Boos) Anhaltspunkte für Rechtsterrorismus gehabt“, kommentieren die beiden Abgeordneten die Anzeige. (Wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem NSU-Untersuchungsausschuss: Grüne erstatten Strafanzeige gegen Ex-Verfassungsschutz-Chefs – Leipziger Internet Zeitung :: Mehr Nachrichten. Mehr Leipzig.) Der sächsische NSU-Untersuchungsausschuss lehnte es aber mit den Stimmen von CDU und FDP ab, Strafanzeige zu erstatten.

Boos war am 11. Juli 2012 zurückgetreten. Beim Zimmerwechsel eines Mitarbeiters war in dessen Tresor eine Akte mit Protokollen einer Telefonüberwachung (laut Medienberichten bei einem Mitglied des verbotenen Netzwerks Blood and Honour) von Ende 1998 aufgetaucht, die das Landesamt im Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz angefertigt hatte und wegen der dort durchgeführten Aktenvernichtung als verloren galten. Zuvor hatte Boos dem sächsischen Innenminister immer versichert, den Ermittlungsbehörden bzw. dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages alle Unterlagen zur Verfügung gestellt zu haben. (Reinhard Boos (Verfassungsschutz) – Wikipedia

Der sächsische Verfassungsschutzbericht 2012 haute in die gleiche alte Kerbe: Vernachlässigung des Rechtsextremismus bei gleichzeitiger Überzeichnung des Linksextremismus. Die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz von der Partei Die Linke stellte fest, dass die Gefahr im Freistaat Sachsen von der extremen Rechten ausgeht. Menschen, die das nach dem NSU noch immer nicht begriffen haben, ist nicht zu helfen. Dass solche Menschen Innenminister sind oder ‚Verfassungsschutz‘-Chef werden, ist Teil des Problems. (Sachsens Verfassungsschutzbericht 2012: Aus Behördenversagen noch immer nichts gelernt – Leipziger Internet Zeitung :: Mehr Nachrichten. Mehr Leipzig.)

  • Hessen

Gemäß der vorgegebenen Prämisse wurde auch in Hessen eine fremdenfeindliche Tat von vornherein ausgeschlossen, obwohl der Vater des in Kassel ermordeten Halil Yozgat diesen Verdacht äußerte. Das wurde einfach beiseite gewischt. Hessen hat unter Führung des ehemaligen Innenministers und jetzigen Ministerpräsidenten Bouffier den Vorschlag des BKA rundweg abgelehnt, in Nürnberg eine Lage- und Informationsstelle einzurichten, um eingehende Hinweise zentral zu sammeln und auszuwerten. Auch der Vorschlag, dass die Ermittlungen in der Mordserie einer zentralen Ermittlungsführung durch das BKA unterstellt werden sollten, wurde von Hessen rundweg abgelehnt. (SPD und GRÜNE: Versäumnisse hessischer Behörden bei NSU-Morden müssen akribisch aufgearbeitet werden | Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag)

Der hessische Verfassungsschutz hat bestätigt, dass er beim Rechtsterrorismus-Verfahren in München den Anwalt für einen früheren Zuträger aus der rechtsextremen Szene bezahlt hat. Auch bei der Vernehmung durch das Bundeskriminalamt im Jahr 2012 habe die Behörde den Rechtsanwalt Volker Hoffmann für den früheren Rechtsextremisten Benjamin G. entlohnt, sagte ein Sprecher des Verfassungsschutzes der Frankfurter Rundschau am Donnerstag. (…) Der Verfassungsschutz habe sicherstellen wollen, dass die „weit gezogenen Grenzen der Aussagegenehmigung“ nicht überschritten würden, teilte er zur Begründung mit. Benjamin G. sei es untersagt gewesen, „Aussagen zur Arbeitsweise“ der Behörde und „zum Zusammenarbeitsverhältnis der dortigen Mitarbeiter“ zu machen, erläuterte der Sprecher. Ein weiterer Grund für die staatliche Bezahlung des Anwalts sei es gewesen, „im Sinne Herrn G.s“ zu verhindern, dass er zum bloßen „Objekt des Verfahrens“ degradiert werde. Die Bezahlung von Anwalt Hoffmann habe sicherstellen sollen, dass G. „nicht aus finanziellen Gründen auf einen Anwalt verzichtet“, formulierte die Behörde. (NSU-Prozess: „Aufpasser“ für den V-Mann | Neonazi-Terror – Frankfurter Rundschau)

Zur Tatzeit des Mordes an Halil Yozgat saß auch ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes im Internet-Café: Andreas Temme. Mag sein, dass es Zufall gewesen ist, denn auch ein einfacher Mitarbeiter des Verfassungsschutzes kann nicht so tumb sein, sich am Ort des Verbrechens in eine Flirt-Seite einzuloggen, über die er ermittelt werden kann. Seine Person und sein Verhalten werfen aber ein Schlaglicht auf seine Behörde. Erst stritt er ab, überhaupt in dem Café gewesen zu sein. Dann will er im Gegensatz zu den anderen Besuchern des Cafés nichts gehört und schon gar nichts gesehen haben, obwohl es für ihn als 1,90-m-Mann ein leichtes gewesen war, den Bereich hinter dem kleinen Schreibtisch zu überschauen, wo Halil lag. Außerdem gab es auch noch Blutflecken auf dem Schreibtisch. Vier Tage nach dem Mord trifft sich Andreas T. mit dem oben angesprochenen V- Mann Benjamin G. im Burger King und übergibt ihm Geld. In seinem Wohnort wird Andreas T. der „kleine Adolf“ genannt. In der abgefackelten Wohnung des NSU in Chemnitz wird ein Stadtplan gefunden, auf dem zehn Punkte eingezeichnet sind. Neun davon liegen auf der Strecke, die Andreas T. täglich abfährt. „Von neun auf dem Kartenmaterial markierten möglichen Tatorten liegen fünf unmittelbar an der Fahrtstrecke zwischen Wohnort und Arbeitsstelle“, sagt Kienzle. (Nebenkläger-Anwalt, der Verfasser) (NSU-Mordserie : Neue Zweifel an Verfassungsschützer Andreas T. – Nachrichten Politik – Deutschland – DIE WELT) Einsichtnahme in die Akten über die Ermittlungen gegen Andreas T. wurde den Anwälten der Nebenkläger vom Münchener Gericht verwehrt.

  • Berlin

Ein anderer V-Mann, bzw. in diesem Fall Vertrauensperson des Berliner LKA war Thomas Starke. Er war von Ende 1996 bis April 1997 mit Beate Zschäpe liiert. In dieser Zeit hatte er für das Jenaer Trio rund ein Kilo TNT-Sprengstoff besorgt. Nachdem ihre Bombenwerkstatt in Jena aufgeflogen war, half Starke nach eigenen Angaben seinen KameradInnen bei der Suche nach einem ersten Versteck in Chemnitz. Als ein Blood & Honour-Funktionär Thomas Starke einige Jahre später eine Geldspende für die gesuchten Neonazis anbot, wusste er zu berichten, dass die Drei kein Geld mehr bräuchten, da sie nun »jobben« würden. Offenbar eine Umschreibung für das vorhandene Geld aus Banküberfällen.(…)

Zwischen 2001 und 2005 lieferte Starke (Kennnummer »VP 562«) bei 38 Treffen mindestens fünf Mal Hinweise zu dem seit 1998 untergetauchten Neonazi-Trio des NSU und dessen UnterstützerInnen-Umfeld. So berichtete er im Februar 2002, dass der sächsische Blood & Honour-Neonazi Jan Werner zu »drei Personen aus Thüringen« Kontakt habe, »die per Haftbefehl gesucht werden« und »dass die wegen Waffen- und Sprengstoffdelikten gesucht werden«. Ob diese zutreffende und relevante Information jemals vom Berliner LKA weitergegeben wurde ist bisher fraglich. Das letzte Treffen fand 2009 statt, bevor Starke im Januar 2011 als Quelle abgeschaltet wurde. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages erfuhr erst Monate später und nur mittelbar von dem Vorgang. Der Karlsruher Bundesanwaltschaft (BAW) war nach langem Schweigen vom Berliner LKA ein Behördengutachten geschickt worden, in dem abstrakt über Starkes Angaben berichtet worden war. Nach Bekanntwerden dieses Skandals behauptete Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU), er sei zu diesem Stillschweigen von der BAW gedrängt worden, was diese jedoch prompt entschieden zurückwies. Der SPIEGELblog veröffentlichte ein Schreiben des Berliner Staatsschutzchefs Oliver Stepien vom 3. April 2012 (durch Berlins Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers »in Vertretung« unterzeichnet) an einen Bundesanwalt in Karlsruhe. Hierin befindet sich die deutliche Absage an eine lückenlose Aufklärung: »Gleichwohl darf ich rechtliche Gegebenheiten, die beispielsweise in Beachtung einer Garantenpflicht gegenüber der ehemaligen ›VP‹ wesentliche Aspekte des Quellenschutzes berühren, nicht außer Acht lassen. Vor diesem Hintergrund erscheint mir derzeit eine Offenlegung der angeforderten Akten nicht möglich«. (Spitzel im NSU-Umfeld | Antifa Infoblatt)

Im November 2012 räumte die Leiterin der Berliner Landesbehörde für Verfassungsschutz Claudia Schmid weitere Fälle von rechtswidriger Aktenvernichtung in ihrer Behörde ein. Im Juli 2010 seien Unterlagen zum Rechtsextremismus geschreddert worden, teilte Schmid in einer Pressekonferenz in Berlin mit. Diese hätten auch die verbotene Organisation Blood and Honour betroffen, es handele sich um ein „bedauerliches Versehen“, so Schmid. (NSU-Morde – Wikipedia)

In einem Internetvideo behauptet die mutmaßliche Vertrauensperson des LKA Berlin Nick Greger, Polizisten des LKA hätten ihn Ende Oktober 2013 in Thüringen aufgesucht und ihm dabei geraten, vor Untersuchungsausschüssen zu den Morden des NSU nichts zu Carsten Szczepanski, alias »Piatto«, zu sagen, einem direkten Unterstützers des Mordtrios und V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes. (28.01.2014: Henkel steckt wieder im NSU-Sumpf (neues-deutschland.de)

  • Zweifel an der Theorie, dass der NSU die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet hat

Der Mord an der Polizistin fiel völlig aus dem Rahmen des Üblichen. Sie passt nicht in das übliche Opferprofil des NSU. Während bei den anderen Ermordeten regelrechte Schießorgien veranstaltet wurden, wurde auf die Polizistin und ihren Kollegen jeweils nur ein Schuss abgegeben. Die Ermittler beim Landeskriminalamt in Stuttgart sagen, dass die Tat von vier bis sechs Personen begangen wurde. Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) antwortete auf eine Kleine Anfrage von grünen Landtagsabgeordneten: „Mit Bekanntwerden des NSU wurde deutlich, dass es sich bei dem Trio um die mutmaßlichen Täter des Mordes und versuchten Mordes in Heilbronn handelt. Die Ermittlungen wurden in der Folge darauf gerichtet, diese Täterschaft nachzuweisen.“ Das heißt nichts anderes als: Es wird seit dem 4. November 2011 praktisch nicht mehr ermittelt, sondern nur noch versucht, dem Trio „diese Täterschaft nachzuweisen“. (…) In Schwäbisch Hall wurde auch der deutsche Zweig des rassistischen Geheimbundes Ku-Klux-Klan (KKK) gegründet. Ein Mitglied des KKK stand auf der Garagenliste von Mundlos – und war zugleich V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Auch der Gründer des KKK war V-Mann des Verfassungsschutzes, in diesem Fall von Baden-Württemberg. Er wurde aber auch vom Verfassungsschutz Sachsen bei der Fahndung nach dem Trio eingesetzt. Das wiederum bedeutet, dass die Dienste das Trio auch in Baden-Württemberg gesucht haben müssen. Mehrere Mitglieder des Ku-Klux-Klans waren zudem Polizeibeamte aus Baden-Württemberg. Zwei gehörten zu einer Sondereinheit in Böblingen, wo auch Michèle Kiesewetter und ihr Kollege, der das Attentat in Heilbronn überlebte, ihren Dienst taten. (Der NSU-Komplex: Wer ermittelt gegen den Verfassungsschutz? | Blätter für deutsche und internationale Politik). Möglicherweise hat sich Michèle Kiesewetter Feinde bei ihrer Arbeit gemacht. Manchmal betätigte sie sich als verdeckte Ermittlerin, ließ uniformierte Kollegen zur Razzia in einer Diskothek durch die Hintertür herein und kaufte undercover Heroin, woraufhin die Dealer festgenommen wurden.

  • Zweifel an der Selbstmordtheorie

Es ist auch keineswegs sicher, ob Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tatsächlich Selbstmord begangen haben. Der Sender N24 hat sich auf Spurensuche begeben. Er interviewte den Waffenexperten Siegmund Mittag aus Brandenburg und der kommt zu dem Schluss, dass es aufgrund der Funktionsweise der verwendeten Waffe und der gefundenen Anzahl der Patronenhülsen unmöglich gewesen sei, dass Mundlos sich selbst umgebracht hat. Anwohner berichteten von einer dritten Person, die kurz vor Ausbruch des Feuers aus dem Wohnmobil geklettert sei und es wurden im Wohnmobil DNA-Spuren gefunden, die weder den beiden Uwes noch Beate Zschäpe zuzuordnen sind. Ganz in der Nähe wurde aber das Mobiltelefon des gewalttätigen Neonazis André Kapke, der auch dem „Thüringer Heimatschutz“ angehörte, geortet. („Der NSU – Eine Spurensuche“: War es wirklich Selbstmord? – N24.de) Wie es der Zufall so will, hatte André K. Ende 1997 – längst wurde die Jenaer Gruppe überwacht – aus dem Thüringer Sozialministerium einen Existenzgründerzuschuss über 23.000 Mark für ein rechtes Zeitungsprojekt mit dem Namen „Neues Denken“ erhalten.

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