2011 Fahrradtour an Werra und Fulda

Fahrradtour an Werra + Fulda 21.08. – 28.08.2011

Am Sonntag, den 21.08.2011 ging es los mit Hansens Mazda, auf dessen Dach die Fahrräder sehr sorgfältig befestigt waren. Die Fahrt wurde nur durch eine Abfahrt in Rüningen bei Braunschweig unterbrochen, wo es zum Mittagessen Braten und Lamm gab. Nachmittags kamen wir in Laubach an, wo Hans schon die erste Übernachtung im Haus Werrablick gebucht hatte. Die Wirtsfamilie war nicht anwesend, sondern auf einem Trödelmarkt. Das einzig Unangenehme an dieser Pension war die lange Steigung, die man vorher überwinden musste. Mit dem Auto war es ja kein Problem. Mit dem Fahrrad fühlte sich das ganz anders an.

Nach Einzug in die Pension machten wir uns auf in das 5 km entfernte Hannoversch Münden:

Wo Werra sich und Fulda küssen,

sie ihren Namen büssen müssen.

Und hier entsteht durch diesen Kuss,

deutsch bis zum Meer der Weserfluss.

Genau dort liegt Hannoversch Münden. Hier verstarb im Jahre 1727 und liegt begraben der Wundarzt und Starstecher Johann Andreas Eisenbarth, genannt Dr. Eisenbarth. Er war ein für seine Zeit ungewöhnlich begabter, erfolgreicher und auch anerkannter Arzt und Chirurg, ausgestattet mit vielen Privilegien, so dass er zeitweise mit einem Tross mit bis zu 120 Helfern von Ort zu Ort reisen, dort kurieren und unbehindert durch Landesgrenzen und Zölle seine selbst erstellten Arzneimittel verkaufen konnte. Starnadel und Polypenhaken sind auch von ihm.

Dr. Eisenbarth musste sich aber auch einigen Spott gefallen lassen, wahrscheinlich von nicht so erfolgreichen Konkurrenten. In einem Lied, das es in verschiedenen Varianten gibt, werden seine Künste durch den Kakao gezogen. Dabei war er alles andere als ein Kurpfuscher. Überliefert ist, dass nach seinen Operationen nur zwei Patienten verstarben und auch das muss nicht an ihm gelegen haben.

Ich bin der Doktor Eisenbarth,
Zwilliwilliwick, bumbum!
Kurier‘ die Leut‘ nach meiner Art,
Zwilliwilliwick, bumbum!
Kann machen daß die Blinden geh’n
Zwilliwilliwick, jucheirassa!
Und daß die Lahmen wieder seh’n
Zwilliwilliwick, bumbum!

Lautonia, lautonia,
Zwilliwilliwick, jucheirassa,
Lautonia, lautonia,
Zwilliwilliwick, bumbum!


Zu Köln kuriert‘ ich einen Mann,
Dass ihm das Blut in Strömen rann,
Er wollt immun vor Pocken sein,
Ich impft’s ihm mit dem Bratspieß ein.

Zu Potsdam trepanierte ich,
Den Koch des Großen Friederich:
Ich schlug ihm mit dem Beil vor’n Kopf,
Gestorben ist der arme Tropf.

Des Pfarrers Sohn in Dideldum,
Dem gab ich zehn Pfund Opium,
Drauf schlief er Jahre, Tag und Nacht,
Und ist bis jetzt noch nicht erwacht.

Es hatt‘ ein Mann in Langensalz
Ein zentnerschweren Kropf am Hals,
Den schnürt ich mit dem Hemmseil zu:
was denkst du wohl, der hat jetzt Ruh!

Zu Ems da nahm ich einem Weib
Zehn Fuder Steine aus dem Leib,
Der letzte war ihr Leichenstein,
Sie wird jetzt wohl zufrieden sein.

Vor Hunger war ein alter Filz
Geplagt mit Schmerzen an der Milz,
Ich hab‘ ihn Extrapost geschickt,
Wo teure Zeit ihn nicht mehr drückt.

Heut‘ früh nahm ich ihn in die Kur,
Just drei Minuten vor zwölf Uhr,
Und als die Glocke Mittag schlug,
Er nicht mehr nach der Suppe frug.

Ein alter Bau’r mich zu sich rief,
Der seit zwölf Jahren nicht mehr schlief,
Ich hab‘ ihn gleich zur Ruh gebracht,
Er ist bis heute nicht erwacht.

Zu Wien kuriert‘ ich einen Mann,
Der hatte einen hohlen Zahn,
Ich schoß ihn ‚raus mit dem Pistol,
Ach Gott, wie ist dem Mann so wohl!

Mein allergrößtes Meisterstück,
Das macht‘ ich einst zu Osnabrück:
Podagrisch war ein alter Knab,
Ich schnitt ihm beide Beine ab.

Der Schulmeister von Itzehöh
Litt dreißig Jahr‘ an Diarrhoe,
Ich gab ihm Cremor-Tart’ri ein;
Er ging zu seinen Vätern ein.

Es litt ein Mann am schwarzen Star,
Das Ding, das ward ich gleich gewahr;
Ich stach ihm beide Augen aus
und so bracht ich den Star heraus.

Zu Wimpfen accouchierte ich
Ein Kind zur Welt gar meisterlich.
Dem Kind zerbrach ich sanft das G’nick,
Die Mutter starb zum Glück.

Der schönen Mamsell Pimpernell
Zersprang einmal das Trommelfell;
Ich spannt‘ ihr Pergament vors Ohr,
Drauf hörte sie grad‘ wie zuvor.

Sodann dem Hauptmann von der Lust
Nahm ich drei Bomben aus der Brust;
Die Schmerzen waren ihm zu groß.
Wohl ihm! Er ist die Juden los.

Vertraut sich mir ein Patient,
So mach‘ er erst sein Testament,
Ich schicke niemand aus der Welt,
Bevor er nicht sein Haus bestellt.

Das ist die Art, wie ich kurier‘,
Sie ist probat, ich bürg‘ dafür,
Daß jedes Mittel Wirkung tut,
Schwör‘ ich bei meinem Doktorhut.

Auch hier in Hannoversch Münden treffen wir auf die Spuren der Verwüstung durch den Heerführer der Katholischen Liga Graf von Tilly im Dreißigjährigen Krieg, auf die wir schon in Rothenburg ob der Tauber und in Magdeburg gestoßen sind. Blutpfingsten anno 1626 nahmen Tillys Landknechtshorden die Stadt nach mehrtägigem Beschuss ein und erschlugen 2.000 Leute, einen Großteil der Bevölkerung.

Hannoversch Münden fiel auf durch seine hübschen Fachwerkhäuser, das Rathaus mit der reich geschnitzten Eingangstür und einen Campingplatz am Zusammenschluss der beiden Flüsse mit stinkendem Klo.

Es gab Flammkuchen und selbstgebrautes Bier in der Marktschänke und abends noch ein fremd gebrautes im Braunen Hirsch in Laubach.

Montag, den 22.08.2011

Am nächsten Tag ging es dann richtig zur Sache. Im 16 km entfernten Witzenhausen mussten wir aber erst mal eine Kaffee- und Kuchen-Pause in einer Bäckerei machen. Es fing schon wieder an zu regnen, wie es das die Tage vorher auch schon getan hatte. Eine ältere Frau kam mit der Bemerkung zum Bäcker herein: „Gott sei Dank, es regnet wieder, es hat schon lange nicht mehr geregnet.“

Zu Mittag gab es Rotbarsch an einem schönen Platz in Bad Soden, dem ehemaligen Kurort. Die Warm- und Salzquellen waren geschlossen worden, die meisten Geschäfte waren es über die Mittagszeit auch. Tote Hose also. Tagsüber wurde es angenehm warm.

Nach 8o km suchten wir uns in Eschwege ein Nachtquartier. In einer alten germanischen Sprache hieß Eschwege Eskiniwach, also die Siedlung bei den Eschen am Wasser. Auch Eschwege wurde 1637 während des Dreißigjährigen Krieges von kaiserlichen Landsknechten geplündert und durch Brände verwüstet. Deshalb auch das Wortspiel Eschweg – Aschweg in der Inschrift am Rathaus.

Die Tourist Info vermittelte uns zu Frau Gimpel ins Nachbarort Grebendorf.

Unter einem Zeltdach beim Griechen gab es dann das verdiente Abendessen nebst einer Geburtstagsfeier. Danach noch das obligatorische Schlafbier in den Zille-Stuben. Abends wurde es empfindlich frisch. Ich hatte nur kurze Hosen an und fror dementsprechend ganz jämmerlich.

Dienstag, den 23.08.2011

Am nächsten Tag war es am Anfang richtig schön. Im Laufe des Tages wurde es aber sehr heiß und schwül. Wir passierten den hübsch ausstaffierten Werra-Hafen von Wanfried, den Wanfrieder Schlagd, und ketteten uns im Ort an einen Schandpfahl an. Abgekettet haben wir uns natürlich auch, sonst würden wir noch heute dort stehen, allerdings etwas abgemagert. Als wir durch Herleshausen kamen, mussten wir unbedingt bei einem Bäcker Rast machen, bei dem wir das schon einmal während der Fahrt zur Lahn gemacht haben.

In Creuzburg wurde gerade die Liboriuskapelle restauriert. Die einzige Restauratorin war sehr maulfaul und wollte sich auch nicht bei der Arbeit fotografieren lassen. Hans hat es natürlich trotzdem gemacht. Das einzige, was sie uns erzählte, dass die Burg Creuzburg sehr sehenswert sei, war geschwindelt. Wir haben uns auf der Burg vergeblich nach Sehenswürdigkeiten umgeschaut. Positiv war nur, dass wir von der Tourist Info auf der Burg das nächste Quartier in der Pension Wolf in Gerstungen klar machen konnten. So war uns diese Last erst mal abgenommen. Auf der Fahrt dorthin trafen wir immer wieder eine Radfahrerin in blau. Wir fuhren zwar schneller, aber sie tauchte trotzdem wie der Igel immer wieder vor uns auf. In Mihla ließen wir uns bei einem Bäcker eine hervorragende Mandel-Marzipan-Sahne-Torte schmecken, eine im weiten Umkreis bekannte und beliebte leckere Eigenkomposition des Bäckers.

In Gerstungen mussten wir eine halbe Stunde auf die hübsche Wirtin warten, weil sie nicht mit unserer Schnelligkeit gerechnet hatte. Aber es hat sich gelohnt. Gerstungen liegt ja in Thüringen und die Preise dort sind sehr angenehm. Abends gab es sehr gute Rouladen und ebenso guten Spanferkelrollbraten. Die Leute waren äußerst kommunikativ. Jeder, der kam, klopfte erst mal zur Begrüßung auf alle Tische, auch auf unseren. Später setzte sich noch ein silberlockiger Berufsschullehrer aus dem Ruhrgebiet zu uns. Er war an diesem Tag 120 km gefahren und unbarmherzig von der Sonne verbrannt. Es gab mal wieder eine heiße politische Diskussion, diesmal über Afghanistan. Hans fetzte sich lautstark mit mir bzw. ich mit ihm. Er war immer noch von der friedliebenden brunnenbohrenden deutschen Armee überzeugt. Ich meinte dazu, dass die Brunnen mit Maschinengewehren gebohrt werden und dann sozusagen als Kollateralschaden ein paar Afghanis in die Brunnen hineingefallen werden (zu erinnern ist an den Oberst Klein, der 2009 den Befehl zu einem Luftangriff auf 2 entführte Tanklastwagen gab, bei dem 91 Afghanen getötet und 11 verletzt wurden. Heute ist Klein Brigadegeneral). Silberlocke amüsierte sich. Der Wirt war äußerst geschäftstüchtig, was sich in unserem Bierkonsum bemerkbar machte: 1,8 l für jeden.

Mittwoch, den 24.08.2011

Am nächsten Tag spürten wir den Alkohol natürlich in den Beinen. Nach einem Super-Frühstück ging es weiter. Es war ziemlich heiß und noch schwüler als am Vortag. So wurden es auch nur 55 km bis zum Luftkurort Tann an der Ulster. Es war ein Höllenritt. Ich war völlig fertig. Über das Tourist Info sind wir bei Ingrid untergekommen. Dort gab es gleich nach der Ankunft Kaffee und Kuchen in einem hübschen Garten. Wir saßen mit einem alten Hamburger Pärchen zusammen. Er war Sporthallenbeauftragter, also Hauswart, schwerhörig. Im Fernsehen lief Heimatmusik. Originalaussage von ihr: „Wir haben früher auch viel gesungen, Hitlerlieder. Mussten wir ja.“ Wenn er von seiner Vergangenheit erzählte, fingen die Augen an zu leuchten.

Die Altstadt von Tann liegt hügelaufwärts. Auf dem Marktplatz steht ein markiger General und es hat wohl 3 Schlösser, ein gelbes, ein rotes und ein blaues.

Donnerstag, den 25.08.2011

Beim Frühstück am nächsten Morgen klaute der Hamburger die Wurst vom gemeinsamen Teller mit der Begründung, Käse habe ihm der Arzt verboten.

Danach ging es mit einer sanften Steigung in die liebliche Rhön hinein. Der Radweg war ehedem eine Eisenbahntrasse. Wir kamen immer wieder an Signalanlagen und Bahnhofsschildern von nicht vorhandenen Bahnhöfen vorbei. Der höchste Punkt ist der Milseburgtunnel. Auch hier fuhr früher die Bahn durch. Der Tunnel ist 1,1 km lang und ziemlich kalt: konstant 8 – 10 Grad Celsius. Aber er hat ein leichtes Gefälle, so dass wir ziemlich flott am anderen Ende ankamen. Bis Fulda ging es glücklicherweise meist nur noch bergab. Es waren von Tann bis Fulda nur 50 km und Hans wollte nach Besichtigung von Dom und Schloss weiterfahren. Ich überredete ihn wegen des Nachtlebens zu bleiben. Die Tourist Info konnte uns keine Unterkunft nachweisen. Also haben wir es auf eigene Faust versucht. Ein Gastwirt vermittelte uns die Pension Wenzel für 39,50 € pro Nase, die teuerste Übernachtung auf der Fahrt. Ich, der ich ja unbedingt das Nachtleben kennenlernen wollte, hatte aber schlechte Laune. Es wurde abends wieder recht kühl und ich hatte mal wieder kurze Hosen an, fühlte mich nicht wohl, vermieste Hans den Abend und hatte dementsprechend ein schlechtes Gewissen. So ging ich verhältnismäßig früh ins Bett und Hans zog noch allein weiter.

Freitag, den 26.08.2011

Am nächsten Tag war wieder ein Ritt bei höllischer Hitze nach Rotenburg angesagt, doch dieses Mal lief es besser. Zeitweise haben wir uns bei Rennradfahrern angehängt. Immer wieder trafen wir eine Gruppe von 8 Radfahrern aus Frankfurt. Einmal überholten wir sie, das andere Mal sie uns. Insgesamt wurden es dann 85 km. Auch in Rotenburg konnte uns die Info nichts Passendes nachweisen. Wieder fragten wir uns durch und fanden die Pension Schnurr, die in dem Hotelverzeichnis gar nicht aufgelistet war. Die Pensionswirtin ist eine alte Frau, deren Mann vor nicht allzu langer Zeit gestorben war und die ein ziemlich schlechtes Kurzzeitgedächtnis hatte. Immer wieder fragte sie, was für ein Tag heute sei und ob sie schon einen Preis genannt hätte. Das Langzeitgedächtnis funktionierte aber noch. Sie würde die Pension schon seit 1957 betreiben, aber sie hätten sehr unter dem Zonenrandgebiet gelitten. Deshalb war sie auch sehr geschäftstüchtig. Zuerst wollte sie 35 € pro Person haben, wir haben sie auf 30 € runtergehandelt, was immer noch zu viel war, weil die Einrichtung immer noch die von 1957 war und es auch kein Frühstück gab. Das Geld hat sie dreimal nachgezählt. Ich hatte zuerst die Befürchtung, dass sie die Bezahlung vergessen könnte, da sie uns keine Quittung gab. Aber so vergesslich war sie nun auch wieder nicht. Nach einem schönen Eis begaben wir uns zum Goldenen Löwen zum Abendessen. Gerade gegenüber befand sich ein Mode- und Kosmetik-Shop, dessen Eingang etwas nach hinten zurückgebaut war. Hans hatte sich die unteren Beinteile an seine Hose angebracht und wollte sich in diesem Eingang seine Hose richten. Von innen sah es aber so aus, als ob er pinkeln wollte. Im Shop gab es helle Aufregung. Man verrammelte die Tür und Hans war das äußerst peinlich.

Samstag, den 27.08.2011

Da es am nächsten Morgen bei Frau Schnurr kein Frühstück gab, fuhren wir in die Innenstadt zum Bäcker. Es war 8.30 Uhr und Hochbetrieb. Hier trafen wir auch die 8 Radfahrer aus Frankfurt wieder, die über Beziehungen in der Verwaltungsfachschule übernachtet hatten. Danach ging es wieder rauf aufs Rad, um uns bald darauf bei Morschen zu verfahren. Ein Radfahrer klärte uns auf und fuhr mit uns 6 km nach Morschen zurück und zeigte uns dort einen Bäcker, denn jetzt brauchten wir erst mal eine Stärkung. Die Frauen hinter dem Tresen wurden von uns gelöchert, welche Brotsorten mit welchem Getreide gemacht werden und wie das Brotmachen überhaupt funktioniert.

Es saß noch eine zierliche Radfahrerin dort, die uns einen tiefen Einblick in ihre Entfernungszähl-weise gab. Sie orientiert sich nach km-Angaben auf den Straßenschildern und wenn sie z.B. auf einem Schild liest: 2o km und sie mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15-16 kmh fährt, dann weiß sie, dass sie in einer Stunde 20 km gefahren ist. Aha!

Daraufhin hat Hans sie gehörig aufgezogen und das klappte bei ihr auch hervorragend, ohne das sie es merkte.

Ein Stückchen weiter gab es eine handbetriebene Seilbahn, mit der wir eine Abkürzung über die Fulda nehmen konnten. Man bestieg eine Gondel und musste an einem Handrad mit Kurbel drehen, um vorwärts zu kommen. Wir feuerten 3 Frauen an, die sich sichtlich schwer taten, die Strecke zu überwinden. Hans übernahm bei uns dann dankenswerterweise den Part an der Kurbel. So kam ich dann auf die Idee, das freie Spiel der Fliehkräfte gegen die Schwerkraft auszutesten. Durch eine Gewichtsverlagerung von mir fiel Hansens Fahrrad um und die Gondel kam gefährlich ins Schwanken. Aber es ging noch einmal gut.

Nach 44 km erreichten wir Melsungen. Im Mittelalter lebten die meisten Melsunger Bürger vom Holzeinschlag. Die Holzfäller zogen jeden Morgen mit ihren Barten (mittelhochdeutscher Begriff für Axt oder Beil) zum Holz schlagen in den Wald. Auf der „Bartenwetzerbrücke“ schärften sie in dem weichen Sandstein des Geländers ihre Barten. Die Spuren dieser Tätigkeit sind noch heute in den tiefen Einkerbungen im Brückengeländer zu sehen.

Da es in Melsungen an diesem Wochenende, welch glückliche Fügung, ein Weinfest gab, war es gar keine Frage, wo wir unsere Zelte aufschlagen würden. Erinnerungen wurden wach an das Fischerfest in Weikersheim an der Tauber im Jahre 2009, wobei wir so grandios abgestürzt waren. Wieder konnte uns die Tourist Info keine passende Unterkunft nachweisen. Entweder es war zu teuer oder es war keiner da. Also wieder das Geschick in die eigene Hand genommen und herumtelefoniert, bis wir etwas gefunden hatten. Diese Unterkunft für 35 € war wieder einmal nur über eine starke Steigung zu erreichen, aber sehr ruhig und ganz in der Nähe eines Schwimmbades gelegen, was ich natürlich sofort ausnutzte.

Melsungen wird ja auch nach dem größten dort ansässigen Unternehmen, Hersteller von Medizin- und Pharmabedarf, Brauntown genannt. Folgerichtig trafen wir abends auf dem Weinfest auch nur Mitarbeiter dieses Unternehmens: Maria hatte griechische Eltern, Cecilia war Italienerin, Sandra kam aus Melsungen, hatte aber schon in Berlin Kurfürstenstraße gewohnt (also bei mir gleich um die Ecke), Christine und Thorsten war ein Pärchen mit 4 Kindern, drei davon Drillinge. Sie war keck und kess, er der zurückhaltende Typ. Es wurde wieder feuchtfröhlich, die anderen schenkten freundlicherweise auch unsere Gläser mit selbst mitgebrachtem Wein nach. Nur war es danach nicht ganz so einfach, die Steigung hochzukommen. Die Räder hatten wir ja vorsichtshalber in der Pension gelassen. Aufgrund unserer Seitwärts- und Rückwärtsbewegungen haben wir bestimmt den doppelten Weg zurückgelegt.

Sonntag, den 28.08.2011

Am nächsten Tag sind wir trotz Alkohol im Blut 73 km bis zum Auto, das noch unversehrt auf dem Parkplatz des Hauses Werrablick stand, nach Laubach gefahren. Die nicht enden wollende Steigung vor der Pension, war der abschließende Härtetest. Noch am selben Tag ging es zurück nach Berlin.

Wir haben insgesamt 450 km bei manchmal drückender Schwüle mit dem Fahrrad zurückgelegt. Ausgegeben haben wir in diesen 8 Tagen rund 450 €, also 1 € pro Kilometer.

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