2009 Fahrradtour an Main und Tauber

Fahrradtour an Main + Tauber 7.7.09 – 14.7.09

Es führt über den Main eine Brücke von Stein.
Wer darüber will gehn, muss im Tanze sich drehn.

Falalalala Falalala

Kommt ein Fuhrmann daher, hat geladen so schwer,
seine Rösser sind drei, und sie tanzen vorbei.

Kommt ein Mädchen allein auf die Brücke von Stein,
faßt ihr Röcklein geschwind, und sie tanzt wie der Wind.

Kommt ein Bursch ohne Schuh und in Lumpen dazu,
als die Brücke er sah, ei wie tanzte er da.

Und der König in Person steigt herab von seinem Thron,
kaum betritt er das Brett, tanzt er gleich Menuett.

Alle Leute herbei, schlagt die Brücke entzwei!
Und sie schwangen das Beil, und sie tanzten derweil.

Alle Leute im Land kommen eilig gerannt:
Bleibt der Brücke doch fern, denn wir tanzen so gern.

Es führt über den Main eine Brücke von Stein,
und wir fassen die Händ‘ und wir tanzen ohn‘ End‘.

Diesem Lied geht es wie vielen anderen schönen Volksliedern. Sie wurden völlig aus dem kollektiven Gedächtnis der Leute gelöscht, denn keiner, den wir gefragt haben, kannte es. Dieses Lied ist eine Parabel. Es weist daraufhin, dass der Tod alle, ohne Unterschied von Rang und Namen, ereilt und dass im Tode (endlich) alle gleich sind. Heutzutage gibt es ja kaum noch Volkslieder mit sozialem und politischem Inhalt, sondern nur noch die Flachmusik des Mutantenstadls.

Wir sind zwar über einige Brücken am Main gegangen bzw. gefahren, aber getanzt sind wir vorsichtigerweise nicht darüber. Wir wollten nämlich wieder unbeschadet nach Hause kommen. Wie wir das geschafft haben, zeigt folgender Bericht:

Dienstag 7.7.2009

An diesem Tag saßen wir mit unseren Fahrrädern im IC nach Erfurt. Die erste Aufregung gab es bei 2 mitreisenden Pärchen, weil eine Tasche verschwunden war. Die Männer waren zuständig für die Fahrräder und die Frauen für das Gepäck. Als nach hektischem Suchen, Aus-und Einpacken und gegenseitigen Anschuldigungen die Tasche immer noch nicht aufgetaucht war, ging der ehemalige Besitzer zum Zugschaffner, damit die liegengebliebene Tasche auf dem Bahnsteig sicher gestellt werde. Aber kaum war er weg, tauchte die Tasche wundersamerweise wieder auf.

Die 2 Pärchen entpuppten sich aber dann als recht sympathische und vielwissende, manchmal besserwisserische Menschen, von denen einer folgende Aufgabe stellte: Wenn man aus einem Glas Rotwein eine bestimmte Menge in ein Glas Weißwein schüttet und aus diesem vermischten Weißwein dieselbe Menge wieder zurück ins Glas Rotwein schüttet, ist jetzt im Rotwein mehr oder weniger oder gar genausoviel Weißwein, wie Weißwein im Rotwein? Die Auflösung dieser Frage kommt am Schluss dieser Chronik. Der geneigte Leser möge sich inzwischen überlegen, welche Antwort die richtige ist.

In Würzburg angekommen, machten wir uns erst mal auf den Weg zum „Backöfle“, einem Restaurant, das Hans von früher kannte und zu dem er mich unbedingt meinte hinführen zu müssen. Nachdem wir uns bei leichtem Nieselregen mit Rindsroulade und Rotkohl gestärkt hatten, fuhren wir straßauf und straßab, um ein bisschen fränkische Atmosphäre zu schnuppern. Nachdem wir genug Atmosphäre bzw. von der Atmosphäre genug hatten, machten wir uns in nördlicher Richtung auf den Weg am Main entlang.

Bis Zell am Main wollten wir kommen. Dort gibt es nämlich ein Gasthaus mit Namen „Schnatterloch“. Nach der Bedeutung des Namens gefragt, konnte niemand so recht Auskunft geben. In Miltenberg haben wir später dann gelesen, dass dieser Name nichts mit dem Schnattern der Gänse zu tun hat, sondern Schnatter komme von Snade und das hieße Scheiße. Da dieser Name in der Gegend gebräuchlich für Gasthäuser ist, haben wir fortan jedem verkündigt, der es wissen wollte oder auch nicht, dass sie gerade im Scheißhaus gegessen hätten. Hinterher fiel uns auf, dass ich einem Lesefehler zum Opfer gefallen war. Snade heißt nicht Scheiße, sondern Schneise. Da aber Schneise mit zwei s geschrieben wurde, ist der Irrtum entschuldbar. Mit Snade wurde auch der Graben am Rande der Siedlung gemeint, in dem die menschlichen Verdauungsreste weggespült wurden. Also ganz daneben lagen wir nicht.

Nun hatten ja die Menschen im Mittelalter keine Wasserklosetts und keine unterirdische Kanalisation. Aller Unrat wurde auf die Straße gekippt. Und wenn dann morgens aus dem ersten oder zweiten Stock die Nachttöpfe ausgeleert wurden, dann wurde zwar ein kurzer Warnruf ausgestoßen, aber bei den engen Straßen, die ein schnelles Fortspringen nicht erlaubten und bei dem unwillkürlichen Heben des Blicks konnte so etwas schon mal leicht ins Auge gehen. Daher das Sprichwort.

Mittwoch, 8.7.2009

Am nächsten Tag war das Wetter sehr wechselhaft. Viel Regen wechselte ab mit weniger Regen und so fort. Schleimige, schlüpfrige, schlabbrige Schnecken krochen uns über den Weg. Bei manchen war das ihr letzter Gang. Dabei können die doch gar nicht tanzen und schon gar nicht über eine Brücke.

Bei einem Bäcker in Adelsberg fanden wir Unterschlupf vor dem Regen. Die nette Bedienung verführte uns zu einem Mattebatz, einem sehr leckeren Käsekuchen. Altes einheimisches Rezept. Das war aber leider die einzige Verführung an diesem Tage.

Nach einem Braten bei Regen und sonstigen miserablen Beilagen auf dem Marktplatz von Gemünden fuhren wir weiter nach Lohr. Dort fragten wir uns durch nach einer Übernachtungsmöglichkeit und, nachdem wir die gefunden hatten, nach einem guten Restaurant. Das Restaurant, das wir dann für würdig befanden, uns das Essen zur Nacht zu kredenzen, hieß „Rose“ und dort bediente auch eine Rose, die wir am liebsten nach Berlin entführt hätten. Tja, manchmal klappt nicht alles, was man gerne möchte.

Donnerstag 9.7.2009

Hans konnte das gute Frühstück am nächsten Tag nicht so richtig genießen, weil wir uns in Lohr das erste und letzte Mal ein Zimmer teilten und ich nächtigerweise ganz ruhig einen Baum nach dem anderen durchgesägt hatte.

Wir hatten Lohr noch gar nicht richtig verlassen, als ich einen hohen Bordstein etwas unvorsichtig herunterfuhr. Die Folge war, dass eine Aufhängung der Fahrradtasche von Lidl abbrach. Die Tasche wurde provisorisch festgemacht, aber Provisorien halten ja bekanntlich am längsten. Es musste auch halten, weil kein Fahrradhändler Aufhängungen von Lidl-Taschen vorrätig hat.

Bei Edeka in Bettingen gab es Kaffee und Kuchen im Angebot. Dieses Angebot mussten wir annehmen, weil es weit und breit kein anderes Café gab. Nach einer Kurzbesichtigung von Wertheim fuhren wir weiter Richtung Miltenberg. Unterwegs auf einem Campingplatz bei Collenberg wurde dann erst mal richtig reingehauen. Da war nämlich Schnitzeltag. Das Schnitzel war riesengroß, Salat konnte man sich zum Berg aufschichten. Aber Hans war das noch nicht genug. Er musste unbedingt noch Erdbeeren mit Eis essen. Wahrscheinlich waren die Erdbeeren schon etwas in Gärung übergegangen, was Hans als prickelnden Prosecco deutete und so kam er aus der Freude bzw. aus dem Klo gar nicht mehr raus. Die Feuerwehr brauchte Gott sei Dank nicht gerufen werden.

In Freudenberg fanden wir dann eine wunderschöne Ferienwohnung. Ich musste auf die Couch im Wohnzimmer, weil Hans sich gegen diesen schönen Platz mit Händen und Füßen wehrte. Nach Rotbarsch in einem guten, aber menschenleeren Restaurant und einer Flasche Rotwein auf der Terrasse der Ferienwohnung und gefahrenen 74 km schliefen wir den Schlaf der Gerechten.

Freitag, 10.7.2009

Nach einem hervorragenden Frühstück fuhren wir am nächsten Tag nach Miltenberg weiter. Miltenberg ist ein wunderschönes Städtchen mit vielen alten Fachwerkhäusern und einer alten

noch betriebenen Bierbrauerei mit Namen Faust, wo gerade die stinkende Maische abgefahren wurde. Hans frischte alte Erinnerungen auf. Vor 15 Jahren war er mit seiner ewig alten Liebe in einem Café, wobei er immer von dem Kirschkuchen schwärmte, der dort selbst gemacht ganz frisch auf den Tisch kommt. Kirschkuchen gab es zwar nicht, aber das Angebot war tatsächlich sehr gut. Und Hans fiel Besitzer und Bedienung mit der Frage auf den Wecker, ob vor 15 Jahren die Eistruhe auch schon an derselben Stelle gestanden hatte.

Nach der Besichtigung dieser schönen Stadt machten wir kehrt und auf der Fahrt nach Wertheim zurück kamen wir wieder am Campingplatz in Collenburg vorbei. Diesmal war Pastatag. Und da Hans kein Eis aß, gab es an diesem Tag auch keinen unfreiwilligen Aufenthalt.

Bei Wertheim bogen wir ab in das liebliche Taubertal. Nach 64 km war Bronnbach unser nächster Aufenthalt. Bronnbach ist ein ehemaliges, hübsch renoviertes Zisterzienser-Kloster, das jetzt dem Land Baden-Württemberg gehört. 4 Mönche gibt es aber trotzdem dort noch. Und die wollte Frau Wirtin des einzigen Gasthauses auch nicht hergeben. Im Bursarium, im Gästehaus dieser Anlage, in der heute auch wieder Bier hergestellt wird, wurden mit einem Zettel die Dupuytren willkommen geheißen. Und da Frau Wirtin bei einem unverhofften Eintreten in das benachbarte Gästezimmer, wo sie ihr Kabinett aufgeschlagen hatte, einen Brief an ihren wogenden Busen drückte und ihn auch dort beließ, solange sich der unwillkommene Gast in diesem Zimmer befand, wurde natürlich die Fantasie befeuert, welche Geheimgesellschaft sich in diesem Bursarium zusammenfinden wollte, die schon überall ihre Netze ausgespannt hatten.

Dabei ist Dupuytren nur eine Krankheit: eine Wucherung des Fasciengewebes unter der Haut der Handflächen und der Finger, wodurch Knoten entstehen und das Gewebe sich verkürzt, was wiederum eine Verkrümmung der Finger zur Folge hat. Dasselbe kann auch an der Fußsohle und am Penis passieren. Die Krankheit wurde nach einem französischen Arzt benannt, der sich sehr damit beschäftigte.

Samstag, 11.7.2009

Am nächsten Morgen machten wir uns nach einem schlechten Frühstück bei Frau Wirtin auf in Richtung Tauberbischofsheim (Kfz-Kennzeichen TBB). Tausend Bischemer Blödel heißt das bei nicht wohl gesonnenen Leuten aus der Umgebung. Außer der 700-Jahr-Feier in Impfingen, einem Vorort von TBB, wo man aber noch mit den Aufbauten beschäftigt war, hatte uns TBB nicht so viel zu sagen. Also fuhren wir nach Bad Mergentheim weiter. Das war von 1526 bis 1809 Hauptsitz des Deutschen Ordens. Deshalb steht da auch noch das Deutschordenschloss herum. Nach der Stärkung mit einem Fisch bei der „Nordsee“ (es war unser Fischtag) wechselten wir die Bremsen an unseren Fahrrädern aus, was sogar gelang.

Unterwegs kamen wir an einer Pferdekoppel vorbei, wo 3 rassige Pferde eingesperrt waren. Eins war eindeutig ein Hengst, ein anderes war als Stute identifizierbar. Das dritte, von dem Hans steif und fest behauptete, es sei eine Stute, machte jede Annäherungsversuche des Hengstes an die Stute zunichte. Man kann sagen, es machte regelrecht Jagd auf den Hengst. Kurz vor ihm wendete es und keilte mit seinen kräftigen Hinterbeinen aus. Und das eine Stute? Hat man denn schon mal eine Stute gesehen, die die Gouvernante für eine andere Stute macht, oder gar lesbische Stuten?

Kurz vor Weikersheim schauten wir noch auf einen Toast (einen Hawai-Toast) bei Roswitha Abendschein vorbei, einer schon älteren und gebrechlich wirkenden Frau, die für die Besucher auf der Terrasse ihres Cafés immer die Treppe zum ersten Stock hinauf- und hinuntersteigen musste. So gestärkt fuhren wir wohlgemut nach Weikersheim, wo, wie wir wussten, ein Fischerfest stattfand. Was sollte uns schon passieren? Bis jetzt hatte alles gut geklappt. Warum sollte es in Weikersheim ausgerechnet nicht klappen?

Nun, um den Marktplatz von Weikersheim, wo besagtes Fest stattfand, waren alle Betten ausgebucht. Wir verlegten uns auf die Suche von Ferienwohnungen. Am erfolgversprechendsten war ein Viertel etwas außerhalb von Weikersheim mit vielen Neubauten, aber steil am Hang gelegen. Wir fragten uns durch. Aber entweder war keiner da oder die Wohnung war belegt. Es neigte sich dem Abend zu und es war Samstag. In dieser Situation versagte mein Hinterreifen seinen Dienst. Er ließ sich weder durch mehrmaliges Aufpumpen noch durch gutes Zureden dazu überreden, seinen Dienst wieder aufzunehmen. Im Gegenteil. Er zeigte sich zunehmend bockiger. Ich blieb vor einer Ferienwohnung stehen, wo „Frei“ stand, aber keiner zu Haus war, und versuchte, den Reifen zu reparieren. Hans suchte weiter, erfolglos. Da aber das Ventil an der Felge festhing, gab ich ihm als Nachhilfe einen leichten Schlag. Das hatte zur Folge, dass der Nippel abbrach und der Schlauch damit unbrauchbar ward. Das wiederum hatte einen Wutausbruch zur Folge. Ein Ersatzschlauch war im Reisegepäck nicht vorgesehen. Und so standen wir nun da, ohne zu wissen, wie es weitergehen sollte. Und da wollte auch noch so ein Depp mit seinem Auto in die Garage rein, wo das kaputte Fahrrad stand. Also alles zusammengerafft und fortgeschleppt.

Wir kamen mit dem Deppen ins Gespräch. Und es stellte sich heraus, dass er der Besitzer der freien Ferienwohnung war, die er uns dann auch sogleich anbot. Für 1.000 €, was wir aber dann auf dem Verhandlungswege auf 40 € reduzierten. Er erbot sich ebenfalls, einen neuen Schlauch zu besorgen und wollte den auch selber montieren. Nach anfänglichem Zieren ging ich dann aber hocherfreut auf den Vorschlag ein. Und so kam es, dass der gewesene Truckerfahrer den Schlauch holte und in seiner hervorragend ausgestatteten Werkstatt montierte, während wir uns auf dem Fest amüsierten. Und wie! Es gab Aal und Forelle und trockenen Silvaner, der ins Blut und ins Hirn ging. Musik gab es auch. Ein einsamer Alleinunterhalter mühte sich ab, etwas Stimmung ins Fest zu bringen. Getanzt wurde natürlich nicht. Das muss sich ändern, dachte ich mir und versuchte es dann auch erfolgreich mit 2 Frauen. Die beiden kamen aus einem Nachbarort. Wenn sie aus Weikersheim gewesen wären, hätte es vielleicht nicht so geklappt. In diesen kleinen Orten zerreißt man sich noch ganz schön das Maul.

Nachdem wir uns prächtig unterhalten hatten und auch nicht vergaßen, die Geschichte mit den 3 Pferden einzuflechten, fanden wir uns zu vorgerückter Stunde schon völlig blau in einer Kneipe wieder. Hans stellte seinem Nachbarn Matthias Fragen und wenn der sie nicht beantworten konnte, war ein Euro fällig. So finanzierte Hans unser Bier. Matthias war aber trotzdem noch so nett, uns bis fast zu unserer Ferienwohnung zu geleiten. Ohne Führung wäre es ein Problem geworden.

Sonntag, 12.7.2009 – Montag 13.7.2009

Am nächsten Vormittag besichtigten wir mit wackligen Beinen Schloss Weikersheim, wo dereinst die von Hohenlohe auf Kosten ihrer Untertanen fürstlich gehaust haben. Aber trotz Phönix im Wappen sind die von Hohenlohe ausgestorben. Das ist auch kein Wunder bei der Inzucht, die damals betrieben wurde. Das erste, was auffiel, wenn man die Treppen und Flure entlang wandelte, waren die vielen Porträts von Männern und Frauen. Einmal sahen sie sich alle irgendwie ähnlich und zweitens waren sie durch die Bank potthässlich. Das Prunkstück in diesem Schloss ist die freitragende Kassettendecke im riesigen Rittersaal. Und es gibt viel Stuck an den Decken der vielen Säle und Kemenaten. Die Vorgeschichte dieses Stucks ist ein Krimi:

Als Graf Wolfgang II von Hohenlohe 1586 die ehemalige Wasserburg bezog, hatte er auch seine alchimistische Ausrüstung im Gepäck und den festen Willen, Gold herzustellen. Die Aussicht auf schnelles Geld lockte einen gewissen Michael Polheimer herbei, der behauptete, Gold herstellen zu können. (Auf der Jagd nach dem schnellen Geld gab es damals schon so manchen Betrüger). Aber dazu bräuchte er erst mal einen Vorschuss von 300 Gulden, den ihm der Graf auch gewährte. Daraufhin empfahl sich der gute Michael. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten und das Unheil schreitet schnell. Polheimer ward in Nürnberg ergriffen und nach Weikersheim gebracht. Statt ihn aber mit dem Tode zu bestrafen, verdonnerte ihn der Graf zu zwölfjähriger Zwangsarbeit als Schreiber im Schloss. Bereits nach kurzer Zeit genoss er aber schon wieder recht große Freiheiten und verliebte sich bei einem seiner Ausflüge in des Sonnenwirtes schönes Töchterlein. Aber er war nicht der einzige. Sein Rivale war der Kalkschneider Gerhard Schmidt. Und der brachte seinen Nebenbuhler kurzerhand um. Aber auch der Kalkschneider wurde begnadigt und ebenfalls zu zwölfjähriger Zwangsarbeit verurteilt: im Schloss als Stukkateur. Das tat er so gut, dass er schon nach 7 Jahren aus der Zwangsarbeit entlassen wurde. Dabei erblindete er durch den Gips, der ihm von oben in die Augen rieselte.

Es gab in einem Raum ein nach vorne offenes Plumpsklo, was wohl damals eine Seltenheit war. Ansonsten setzte man sich in eine dafür vorgesehene Vertiefung der Burgmauer und verrichtete dort sein Geschäft. Löwen mit offenem Maul und offenen Augen am unteren Ende des Gemäuers sorgten für die Belüftung dieser Plumpsklos. Diese Klos waren offen, damit man sich bei dem Geschäft auch unterhalten konnte. In dieser Beziehung waren sie jedenfalls damals nicht so verklemmt wie wir heute. Dafür wuschen sie sich auch nicht, sondern trugen nur immer neue Schichten von Puder auf dem Körper auf. Als Flohfallen trug man Rollen in den Haaren, in denen in Ochsenblut getauchte Watte war. Die Flöhe taten sich am Ochsenblut gütlich und waren dann so fett, dass sie nicht mehr hinauskamen.

Das Bett war so hoch, dass man mit einer Leiter hinein musste. Und oben in dem Baldachin des Bettes auf der Hohen Kante waren die Ersparnisse versteckt. Der Ausdruck hat sich ja bis heute erhalten.

Zum Speisen wurden die Tafeln hinein- und auch wieder hinausgetragen. 4 Diener, 4 Ecken. Deshalb spricht man heute noch von der „Tafel aufheben“.

Zum Abschied von diesem lauschigen Plätzchen wurde Hans von einem Einheimischen als Dreckskerl bezeichnet, weil er mit seinem Rad im Wege stand und angeblich starrte und starrte und starrte. Hans hatte gute Laune und den ungehobelten Kerl nicht verdroschen.

Bis zum Ziel unsrer Reise hatten wir noch 40 km vor uns. Aber die hatten es dann auch in sich. Die letzten Kilometer ging es in einer schönen stetigen Steigung nur noch bergauf. Rothenburg liegt nämlich ob der Tauber, also oberhalb des Flüsschens. Am Main entlang war es nur eben, weil der Radweg genau am Fluss entlang führte. An der Tauber sah es schon etwas anders aus. Da ging der Radweg schon mal auf Abwege in den Wald oder führte durch die Dörfer und die lagen dann meist am Hang, was ja bekanntlich mit kurzen aber knackigen Steigungen verbunden ist.

Rothenburg hat seinen Namen nicht von der roten Farbe, sondern von Rodung. Bevor gebaut werden konnte, musste ja erst mal gerodet werden, logisch. Die Burg wurde 1356 durch ein Erdbeben zerstört. Übrig blieben nur die gut erhaltene Stadtmauer, die um die ganze Stadt herumführt, und die liebevoll restaurierten Fachwerkhäuser.

Da damals die Tore zu einer bestimmten Uhrzeit geschlossen wurden, gab es in den Tortürmen Löcher, durch die mal gerade ein Mensch passte. Diejenigen, die sich also verspätet hatten, mussten durch diese Löcher kriechen. Doch damit nicht genug, sie mussten dafür auch noch zahlen, so dass kurz vor Toresschluss die Panik ausbrach, nicht zu spät zu kommen.

Rothenburg lebt ja hauptsächlich von seinen Schneeballen und der Geschichte vom Meistertrunk. Der Schneeballen ist ein in einem komplizierten Herstellungsverfahren gefertigter Teigknödel aus Mehl, Eier, Zucker und Rahm bzw. saurer Sahne, der beim Essen stark zerbröselt. Man kann das Ganze natürlich durch Zwetschgenwasser oder Schokolade oder anderen leckeren Sachen etwas aufpeppen. Er war ursprünglich als Weggeschenk für von weither gereiste Hochzeitsgäste gedacht, weil er sich lange hält.

Die Geschichte vom Meistertrunk geht folgendermaßen: Als der katholische General Graf von Tilly im Dreißigjährigen Krieg mit seinen Landsknechten sengend, brandschatzend und mordend durch die Lande zog, kam er auch an Rothenburg vorbei. Die Stadt hoch droben hätte ihn wahrscheinlich gar nicht interessiert, wenn es nicht justament in diesem Augenblick zu regnen angefangen hätte. Und das nicht nur einen Tag, sondern tagelang. Die unbefestigten Wege weichten auf. Es gab kein Vorwärtskommen mehr für den ganzen Tross. Also forderte er die Stadt Rothenburg auf, seiner Soldateska Unterschlupf zu gewähren, was die natürlich ablehnten. Sie kannten ja die ganze Bagage. Außerdem war Rothenburg evangelisch. So belagerte Tilly dann die Stadt, erfolglos. Und das wäre auch einige Zeit so weitergegangen, wenn Tilly nicht ein Zufall zu Hilfe gekommen wäre. Das Pulver für die Geschütze der Rothenburger, mit denen sie schon gute Wirkung bei der Truppe Tillys erzielt hatten, war in einem Pulverturm in der Stadtmauer untergebracht. Und nur einer hatte den Schlüssel dazu. Und dieser eine ging eines Tages mit einer Fackel in den Pulverturm, weil: Elektrisches Licht gab es noch nicht. Es wurde dann aber doch ziemlich kurz ganz hell und auf einmal tat sich eine große Bresche in der Stadtmauer auf, durch die Tillys Knechte ungehindert eindringen konnten. Die Ratsherren wurden zum Tode verurteilt und es wurde beschlossen, die Stadt niederzubrennen, was nicht so schwer war, weil eh alles aus Holz war. In ihrer großen Not boten die Ratsherren Tilly einen Willkommenstrunk in einem prachtvollen bunten Glasbecher an, der 3 ¼ l Wein fasste. Andere behaupten, des Bürgermeisters Töchterlein hätte sich Tilly zu Füßen geworfen und um Gnade gefleht. Wie dem auch sei, Tilly war gerührt (kaum zu glauben) und sagte zu, dass er die Stadt verschonen werde, wenn jemand diesen Becher in einem Zug austrinken würde. Bürgermeister Nusch meldete sich als Freiwilliger und brachte denn auch das Kunststück fertig. Und so blieb Rothenburg vor den Flammen bewahrt. Schöne Geschichte, die sich Adam Hörber da ausgedacht hat. Nur leider muss man sie in den Bereich der Legenden und Sagen verweisen.

Aber so wurde die Stadt wieder ins Gespräch gebracht. Denn nach dem Abzug der Tilly’schen Landsknechte im Jahre 1650 war die Stadt ausgeplündert, ruiniert, am Boden und das für ziemlich lange Zeit. Erst nach 1900 kamen die ersten Touristen und dann immer mehr und immer mehr, so dass man heute wieder von einer blühenden Stadt sprechen kann.

Doch ohne Wermutstropfen kommen wir auch in Rothenburg nicht aus: Rothenburg war eine Hochburg der Nazis, die dort 1933 83 % der Stimmen auf sich vereinigen konnten.

Am Abend unseres letzten Urlaubstages machten wir noch eine Nachtwächterwanderung mit.

Diese Wanderung ist ein unbedingtes Muss, wenn man nach Rothenburg kommt. Weil der Mann sein Fach versteht und in sehr humorvoller Weise die Geschichte des mittelalterlichen Rothenburgs veranschaulicht.

Und nun zur Auflösung unseres kleinen Rätsels: Es sind genauso viele Teile Rotwein im Weißwein, wie Teile Weißwein im Rotwein. Man nehme vielleicht eine bestimmte Anzahl zweifarbiger Kugeln zur Veranschaulichung zu Hilfe.

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